Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. IV ZR 132/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 425

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 132/11
vom

14.
Dezember 2011

in dem Rechtsstreit

nachträglicher Leitsatz

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

[X.] §§ 670, 677, 683, 1968

Ein Anspruch auf Ersatz der
Bestattungskosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 677, 683 [X.] gegen den [X.] und -verpflichteten Angehörigen kann demjenigen zustehen, der die Beerdigung eines Verstorbenen veranlasst, auch wenn der Totenfürsorgeberechtigte nicht Erbe ist. §
1968 entfaltet gegenüber einem solchen Anspruch keine Sperrwirkung.

[X.], Beschluss vom 14. Dezember 2011 -
IV ZR 132/11 -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin Dr. [X.], die Richterin [X.], die [X.], [X.] und die Richterin [X.]

am 14.
Dezember
2011

beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 27.
Mai 2011 durch Beschluss nach §
552a ZPO [X.].

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bin-nen

vier Wochen.

Gründe:

[X.] Der Kläger nimmt die [X.] auf Erstattung von ihm verauslag-ter Beerdigungskosten nach dem am 20.
Juni 2007 verstorbenen Erblasser in Anspruch. Die [X.] ist eine Tochter
des Erblassers, der Kläger sein Bruder. Die am 13.
Dezember 1965 ge-borene [X.] kannte den Erblasser, dessen Ehe mit ihrer Mutter am 23.
Oktober 1965 geschieden wurde, nicht und hatte mit ihm zu [X.] keinen Kontakt.
Nachdem das Nachlassgericht die [X.] am 1
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5.
März 2008 darüber unterrichtet hatte, dass sie als gesetzliche Erbin in Betracht komme, schlug sie die Erbschaft am 10.
März 2008 aus.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision des [X.].

I[X.] Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§
552a Satz
1 ZPO).

1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO zu. Dies ist nur der Fall, wenn sie ei-ne entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], Beschluss vom 27.
März 2003
[X.], [X.]Z 154, 288, 291).
Auch eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitli-chen Rechtsprechung wegen Divergenz nach §
543 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO ist nicht geboten.

a) Voraussetzung eines Anspruchs des [X.] auf Ersatz der [X.] gemäß §
1968 [X.] ist die Erbenstellung der [X.]n. Diese hat das Berufungsgericht nicht feststellen können, da die [X.] die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe. Gemäß §
1944 Abs.
1 [X.] beträgt die [X.] sechs Wochen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Beru-fung Kenntnis erlangt (§
1944 Abs.
2 Satz
1 [X.]). Die [X.] hat be-hauptet, sie habe erstmals von einem möglichen Anfall der Erbschaft 2
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durch das Schreiben des Nachlassgerichts vom 5.
März 2008
erfahren. Das Berufungsgericht hat
rechtsfehlerfrei angenommen, der Kläger habe eine zeitlich frühere Kenntnis nicht bewiesen.

Soweit die Revision die Auffassung vertritt,
die [X.] und nicht der Kläger sei darlegungs-
und beweisbelastet für die Rechtzeitigkeit der Ausschlagung, ist dies unzutreffend. Zwar trifft die Beweislast für die wirksame Ausübung des Ausschlagungsrechts, d.h. dessen Existenz, Zeitpunkt und Formwirksamkeit denjenigen, der sich darauf beruft. Den Wegfall des Ausschlagungsrechts durch Fristablauf als rechtsfolgenver-nichtende Tatsache hat dagegen derjenige zu beweisen, der sich auf den Verlust des Ausschlagungsrechts beruft (Senatsurteil vom 5.
Juli 2000

IV ZR 180/99, [X.] 2000, 401 unter 2 b; [X.]/[X.], [X.] [2008] §
1944 Rn.
30; [X.]/[X.], §
1944 Rn.
29). Ein Anlass dafür, von der bisherigen Senatsrechtsprechung abzuweichen, besteht
nicht.

b) Bedenken begegnet dagegen
die Auffassung des Berufungsge-richts, ein Anspruch des [X.]
komme
auch nicht nach den Grundsät-zen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§
677
ff.
[X.]
in Betracht.

aa) § 1968 [X.] stellt keine abschließende Regelung für die Er-stattung der Beerdigungskosten dar, wie §
1615 Abs.
2, § 844 Abs.
1 [X.], §
74 SGB XII
oder
§
75 Abs.
2 SeemG
zeigen. Daher kann sich ein Anspruch auf Erstattung verauslagter Beerdigungskosten aus [X.] ergeben ([X.]/[X.]/[X.], §
1968 Rn.
3; Soergel/[X.], §
1968 Rn.
4; [X.]/[X.], §
1968 Rn.
1; [X.]/
[X.], [X.] 13.
Aufl. §
1968 Rn.
4). Das kommt etwa in Betracht, wenn ein nicht Totenfürsorgeberechtigter die Bestattung vorgenommen 6
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hat und Ersatz der Kosten vom Erben verlangt (vgl. OLG Saarbrücken OLGR 2002, 228).

bb) Noch nicht abschließend geklärt ist, ob ein Anspruch aus Ge-schäftsführung ohne Auftrag gegen einen
[X.] gel-tend gemacht werden kann, der selbst nicht Erbe ist und auch nicht für die Bestattung gesorgt hat. Teilweise wird ein derartiger Anspruch für möglich erachtet (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Juli 2009
8 [X.]/09, bei juris für den Anspruch der nichtehelichen Lebensgefährtin des [X.] gegen dessen Kinder; [X.][X.] FamRZ 1995, 731 für den Anspruch der geschiedenen Ehefrau gegen ihren früheren [X.] auf anteiligen Ersatz der Beerdigungskosten für ein gemeinsames
Kind trotz Ausschlagung der Erbschaft durch die Eltern; [X.]/[X.], §
1968 Rn.
3).

Soweit das Berufungsgericht dies mit der Begründung abgelehnt
hat, dass die Totenfürsorge lediglich ein Recht der nächsten Angehöri-gen des Verstorbenen begründe, diese aber nicht verpflichte, für die Be-stattung des Erblassers zu sorgen, liegt dem ein fehlerhaftes Verständ-nis der Totenfürsorge zugrunde. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die nächsten Angehörigen, wenn und soweit ein erkennbarer Wille des
Verstorbenen hinsichtlich seiner Bestattung nicht vorliegt, das Recht und die Pflicht trifft, über den Leichnam zu bestimmen und über die Art der Bestattung sowie die letzte Ruhestätte zu entscheiden ([X.], 269, 270
f.; Senatsurteil vom 26.
Oktober 1977
[X.], FamRZ 1978, 15 unter 1; [X.], Urteil vom 26.
Februar 1992
XII ZR 58/91, NJW-RR 1992, 834 unter [X.]).

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cc) Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des
§
1968 [X.] kann hergeleitet werden, dass dieser
Ansprüche gegen wei-tere Verpflichtete als den Erben aus einem anderen Rechtsgrund von vornherein ausschließt. Insbesondere wird durch die Zubilligung
eines Anspruchs auf Ersatz der Beerdigungskosten gegen den Totenfürsorge-berechtigten über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag
nicht die Wertung des §
1968 [X.] umgangen. Sind die Kosten zunächst beim [X.] angefallen, sei es, dass er selbst für die Be-erdigung gesorgt hat, sei es, dass ein Dritter diese durchgeführt hat und die Kosten von ihm erstattet verlangt, so steht ihm
gemäß §
1968 [X.] ein Regressanspruch gegen den Erben zu. Kann ein derartiger Anspruch nicht durchgesetzt werden, weil die Erben nicht feststehen, der Nachlass überschuldet ist oder der Fiskus als Erbe die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass geltend macht, fällt dies in den Risikobereich
des An-spruchstellers und folgt aus seiner
Pflicht zur Totenfürsorge.

[X.]) Der vom Berufungsgericht herangezogene Vergleich mit der öf-fentlich-rechtlichen Bestattungspflicht überzeugt nicht. Diese ist unab-hängig von zivilrechtlichen Verpflichtungen, der Erbenstellung oder dem Totenfürsorgerecht. Sie besteht vorrangig aus Gründen der [X.]. Kommen die nahen Angehörigen der [X.] nicht nach, sind die Ordnungsbehörden veranlasst, die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme durchführen zu lassen, um Gefahren für die öffentli-che Sicherheit und Ordnung, insbesondere Gesundheitsgefahren, auszu-schließen (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1995, 283; OVG Lüneburg FamRZ 2004, 458). Entsprechend knüpfen die Bestattungsgesetze der Länder an die Angehörigeneigenschaft an und bestimmen, dass die zuständige Gemeinde die Bestattung zu veranlassen hat, wenn hierfür niemand sorgt. Ihr steht dann ein Erstattungsanspruch gegen die Angehörigen zu 11
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(vgl. etwa §
8 Abs.
3 und Abs.
4 Satz
1 und 2 [X.] Be-stattG). Hiervon unabhängig ist die privatrechtliche Verpflichtung der nächsten Angehörigen, für die Beerdigung zu sorgen.

ee) Gleichwohl liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vor, weil die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechts-frage nicht entscheidungserheblich ist und deshalb keine die Entschei-dung tragende Divergenz zu der dargestellten Gegenauffassung vorliegt.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die [X.] nicht zur
To-tenfürsorge verpflichtet gewesen sei, sondern in erster Linie der Kläger, so dass er kein Geschäft der [X.]n geführt habe.

Zutreffend ist, dass die Reihenfolge der totenfürsorgeberechtigten und -verpflichteten Angehörigen nicht unabänderlich feststeht. Es geht nicht um die strikte Anwendung einer bestimmten Abfolge, wie sie öffent-lich-rechtlich in den Bestattungsgesetzen der Länder oder in § 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 ([X.]) niedergelegt ist. Hiernach haben für die Bestattung zunächst der Ehegatte, dann die Kinder und Enkelkinder, danach die Eltern und Groß-eltern sowie schließlich die Geschwister Sorge zu tragen.

Vielmehr ist für das privatrechtliche Totenfürsorgerecht zunächst der Wille des Erblassers maßgebend. Dieser kann nicht nur die Art und Weise seiner Beerdigung, sondern auch diejenige Person, die er mit der Wahrnehmung dieser Belange betraut, bestimmen, selbst wenn sie nicht unmittelbar zum Kreis der sonst berufenen Angehörigen zählt ([X.], Ur-teil vom 26.
Februar 1992
XII ZR 58/91, NJW-RR 1992, 834 unter [X.]; Senatsurteil vom 26.
Oktober 1977
[X.], FamRZ 1978, 15 un-ter 2; [X.], 269, 270
f.; OLG [X.] [X.] 2001, 447; Bamber-13
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ger/[X.]/[X.], §
1968 Rn.
2). Bei der Ermittlung des für die [X.] der Totenfürsorge maßgebenden Willens des Verstorbenen kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an. Es genügt, wenn der Wille aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann.

ff) Auf dieser Grundlage ist das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ausübung des [X.] durch die [X.] nicht dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entsprochen habe. Der Erblasser hatte mit der [X.]n keinen Kontakt; diese
wurde
erst nach der rechtskräftigen Scheidung ihrer Eltern gebo-ren. Demgegenüber bestand
eine Verbindung mit dem Kläger. Wie sich aus dessen
eigenen Schreiben an die
Geschwister der [X.]n ergibt, wusste er, dass sich der Erblasser in einem
Seniorenheim befand, die Kosten der Heimunterbringung vom Sozialamt bezahlt wurden und mit dessen täglichem Ableben gerechnet werden musste. Angesichts dieser Umstände ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass der Kläger als "nächster"
Angehöriger des Erblassers und damit To-tenfürsorgeberechtigter und -verpflichteter anzusehen ist. Soweit die [X.] demgegenüber die Auffassung vertritt, der (mutmaßliche) Wille des Erblassers beeinflusse nicht die gewohnheitsrechtliche Zuständigkeit des nächsten Angehörigen für die Bestattung, ist das nach den oben dargelegten Grundsätzen unzutreffend.

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2. Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich schließlich, dass die Revision in der Sache ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg hat.

Dr. [X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme

erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 05.05.2010 -
4 C 618/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 27.05.2011 -
4 S 3/10 -

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Meta

IV ZR 132/11

14.12.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. IV ZR 132/11 (REWIS RS 2011, 425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 425

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Keine Zuständigkeit für Angehörige zur Überwachung der durch den Totenfürsorgeberechtigten durchgeführten Bestattung


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IV ZR 132/11

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