Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2008, Az. 3 StR 274/08

3. Strafsenat | REWIS RS 2008, 2479

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[X.] vom 7. August 2008 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. August 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben a) im Strafausspruch; b) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Ange-klagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Ver-gewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte seit 1995/1996 zunächst Kokain, später auch Heroin konsumierte. Im November 2003 geriet er in seiner Wohnung über die Erklärung der Geschädigten [X.], er erhalte ihm zustehendes Geld erst, wenn sie [X.] wiederkomme, derart in Wut, dass er sie mit den 1 - 3 - Händen und einem metallenen Fahrradlenker schlug sowie mit dem beschuhten Fuß trat. Später folgte er ihr in das Badzimmer und führte dort gegen ihren Wil-len mit ihr den Anal- und Vaginalverkehr durch, was die Geschädigte aus Angst vor weiteren Schlägen erduldete. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfah-rensrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegrün-det im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 2 [X.] beanstandet zutreffend, dass das [X.] einen Be-weisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat. 3 [X.] hat die Einholung eines medizinischen und psychologi-schen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass er im [X.]punkt der ihm vorgeworfenen Tat aufgrund seiner Betäubungsmittelabhän-gigkeit und seines aktuellen übermäßigen Betäubungsmittel- und [X.] unter einer krankhaften seelischen Störung litt. Ziel dieses Begeh-rens war es, die Voraussetzungen der §§ 21 und 64 StGB darzutun. 4 Diesen Antrag hat das [X.] mit der Begründung zurückgewiesen, ausreichende Anknüpfungstatsachen, die Anlass zur Einholung eines Gutach-tens gäben, seien weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Eine Zeugin habe bekundet, der Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten am Tattage habe [X.] täglichen [X.] entsprochen; er sei normal und wie immer aufge-treten. Erst als die Geschädigte ihre Schulden nicht beglichen habe, sei er wü-tend geworden und habe auf sie eingeschlagen. Der Konsum von Betäu-bungsmitteln allein lasse aber keinen sicheren Rückschluss auf das individuelle Maß einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit zu. 5 - 4 - Diese Begründung, mit der die Strafkammer der Sache nach wohl dartun wollte, das Beweismittel sei völlig ungeeignet, trägt die Ablehnung des [X.] nicht; sie ist mit § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht vereinbar. 6 Ein Beweismittel ist völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, wenn ungeachtet des bisher gewonnenen Beweisergebnisses nach si-cherer Lebenserfahrung feststeht, dass sich mit ihm das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nicht erzielen lässt und die Erhebung des Beweises sich deshalb in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen würde (vgl. [X.], 476). Dies trifft auf einen Sachverständigen dann zu, wenn sein Gutach-ten zu keinem verwertbaren Beweisergebnis führen kann. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es nicht möglich ist, dem Sachverständigen die tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen, deren er für sein Gutachten bedarf (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 6, 14). 7 So lag es hier aber nicht. Das [X.] hat festgestellt, dass der An-geklagte seit Jahren Betäubungsmittel konsumierte. Es hat zudem die - am [X.] der Beweisaufnahme abgegebene - Einlassung des Angeklagten, er habe kurze [X.] vor der Tat Heroin, Crack sowie eine zerriebene Tablette des Medi-kaments [X.] geraucht, nicht etwa als widerlegt angesehen. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund wäre die Anhörung eines Sachverständigen nicht von vornherein aussichtslos gewesen; vielmehr liegt auf der Hand, dass er sich zu der vorgelegten Beweisfrage hätte äußern können. 8 Hinzu kommt, dass das [X.] an das zu erzielende [X.] einen falschen Maßstab angelegt hat; denn es kommt nicht darauf an, ob ein Sachverständiger aus dem ihm zur Verfügung stehenden [X.] sichere und eindeutige Schlüsse ziehen kann. Selbst wenn der Sachverständi-ge nur solche Erfahrungssätze und Schlussfolgerungen darzulegen vermag, 9 - 5 - welche die unter Beweis gestellte Behauptung mehr oder weniger wahrschein-lich machen, und sein Gutachten hierdurch unter Berücksichtigung des sonsti-gen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen kann, ist dieses nicht berechtigt, den gestellten Beweisantrag wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels zurückzuweisen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 6, 7, 14; [X.], 476). Ein sonstiger gesetzlicher Ablehnungsgrund - etwa die eigene Sachkun-de des Gerichts (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) - wird vom [X.] nicht ge-nannt. Selbst wenn es jedoch - worauf Formulierungen im Ablehnungsbe-schluss hindeuten könnten - die Zurückweisung des Beweisantrags (auch) auf diesen Ablehnungsgrund stützen wollte, würde dies an der Begründetheit der Revisionsrüge nichts ändern. Denn das [X.] hat weder in dem Be-schluss noch in den Urteilsgründen die in Rede stehende Beweisbehauptung in einer Weise erörtert, die erkennen ließe, dass es über eine ausreichende Sach-kunde verfügt, um die Auswirkungen des gleichzeitigen Konsums von Heroin, Crack sowie des Medikaments [X.] auf die Schuldfähigkeit des langjährig betäubungsmittelabhängigen Angeklagten eigenständig ohne die Hilfe eines Gutachtens zu beurteilen. Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB war ohnehin die Zuziehung eines Sachverständigen geboten (§ 246 a Satz 2 StPO). Auch insoweit finden sich weder im Ablehnungsbe-schluss noch im Urteil Darlegungen dazu, aus welchen Gründen das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht in Erwägung gezogen hat. Dies stellt im Übrigen auch einen sachlichrechtlichen Mangel des Urteils dar. 10 Der Senat schließt aus, dass die beantragte Beweiserhebung zu der Überzeugung des [X.] hätte führen können, der Angeklagte habe bei Begehung der Tat ohne Schuld gehandelt (§ 20 StGB). Er hebt wegen des [X.] das Urteil daher nur im Strafausspruch auf und soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt unterblieben ist. [X.] Pfister Sost-Scheible Schäfer

Meta

3 StR 274/08

07.08.2008

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2008, Az. 3 StR 274/08 (REWIS RS 2008, 2479)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2479

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