Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2003, Az. III ZR 68/02

III. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 3182

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/02Verkündet am:8. Mai 2003F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein der [X.]:ja[X.]Z:[X.]:ja GG Art. 14 (Ia); BauGB §§ 217, 226 Abs. 2, 3; [X.] § 50 Abs. 1Hat gegen die Festsetzung einer Enteignungsentschädigung durch die Enteig-nungsbehörde nur der Enteignungsbetroffene im baulandgerichtlichen [X.] fristgerecht Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel einer Erhö-hung eingereicht, so kann der entschädigungspflichtige [X.] nicht nach Ablauf der Antragsfrist "Widerklage" auf Herabsetzung derfestgesetzten Entschädigung erheben (Abgrenzung zu [X.], 227).GG Art. 14 (Ea); BauGB § 194Zur Frage des Bestandsschutzes eines im Außenbereich stehenden sog. [X.], wenn die Baugenehmigungsbehörde dessen (möglicherweiseillegale) Instandsetzung für Wohnzwecke aufsichtsbehördlich "begleitet" hat.[X.], Urteil vom 8. Mai 2003 - [X.]/02 -OLG [X.] [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.] und die [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Beteiligten zu 1 wird das Urteil des 16. [X.] ([X.]) des [X.]s [X.] vom21. Januar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, alszum Nachteil der Beteiligten zu 1 entschieden worden ist.Die Anschlußberufung der Beteiligten zu 2 gegen das Urteil [X.] für [X.] des [X.] vom24. August 2000 wird als unzulässig verworfen, soweit damit eineHerabsetzung der Entschädigung für den Grund und Boden aufunter 51.170 DM (26.162,81 Im übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur ander-weiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts wegen- 3 -TatbestandDie Beteiligten zu 1 und 2 streiten über die Höhe der Enteignungsent-schädigung für die Inanspruchnahme eines 1.578 m² großen Grundstücks inder Gemarkung [X.]für den Bau der [X.] 33nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses vom 12. Februar 1996.Die Beteiligten zu 1 hatten das im Außenbereich gelegene Grundstück,auf dem ein 1802 errichtetes Fachwerkgebäude (ein sogenannter [X.])stand, im Jahr 1973 erworben. Der Oberkreisdirektor des [X.]hatte durch Verfügung vom 11. Juni 1982 die Beseitigung des [X.]s [X.] verfügt, auf den Widerspruch der Beteiligten zu 1 jedoch die [X.] aufgehoben. Im Mai 1983hatten die Beteiligten zu 1 mit Arbeiten an dem Gebäude begonnen, [X.] 17. Mai 1983 eine Stillegungsverfügung unter Anordnung des sofortigenVollzugs ergangen war. Das [X.]hatte mit [X.] 21. Juni 1983 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der [X.] zu 1 gegen die Stillegungsverfügung zunächst vorläufig und nach [X.] eines Sachverständigengutachtens mit Beschluß vom 18. Oktober 1983endgültig wiederhergestellt. Im Anschluß daran hatte der Oberkreisdirektor [X.] G. die Beseitigungsverfügung vom 11. Juni 1982 und die Stille-gungsverfügung vom 17. Mai 1983 aufgehoben. Die Beteiligten zu 1 hatten [X.] insgesamt so weit wieder hergerichtet, daß er nach ihrerer [X.] als Wohngebäude diente.Im von der Beteiligten zu 2 (Bundesstraßenbauverwaltung) beantragtenEnteignungsverfahren erteilten die Beteiligten zu 1 durch Vertrag vom 19. [X.] 4 -gust 1998 ihr Einverständnis mit der Inanspruchnahme des Grundstücks [X.] und mit der Übertragung des Eigentums. Die [X.] die aufstehenden Gebäude wurde mit 91.000 DM abschließend geregelt,die Festsetzung der Entschädigung für Grund und Boden wurde der Enteig-nungsbehörde überlassen.Mit [X.] vom 19. Januar 1999 hat [X.] zu 3 (Enteignungsbehörde) die Entschädigung für Grund und Bodenauf 51.170 DM festgesetzt. Hiergegen haben die Beteiligten zu 1 Antrag aufgerichtliche Entscheidung mit dem Ziel einer höheren Entschädigung gestellt.Das Landgericht (Kammer für [X.]) hat die Entschädigung auf63.120 DM angehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beteiligtenzu 1, mit der sie eine weitere Anhebung der Entschädigung um [X.] DM begehrt haben, hat das [X.] ([X.]) zurückgewiesen; zugleich hat es auf die Anschlußberufung der [X.] zu 2 die Entschädigung auf 11.048,95 DM (= 5.649,24 der Revision verfolgen die Beteiligten zu 1 ihren zuletzt gestellten Antrag [X.].[X.] Revision der Beteiligten zu 1 ist begründet. Sie führt zur [X.] angefochtenen Urteils, zur Wiederherstellung des Urteils des [X.] des im [X.] der Enteignungsbehördezugunsten der Beteiligten zu 1 festgesetzten Entschädigungsbetrages und imübrigen zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] 5 -- 6 -I.Soweit das Berufungsgericht auf die Anschlußberufung der [X.] die Entschädigung für Grund und Boden auf einen Betrag (5.649,24 !11.048,95 DM) unter die von der Enteignungsbehörde im Beschluß vom19. Januar 1999 festgesetzte Entschädigung von 51.170 DM (= 26.162,81 herabgesetzt hat, unterliegt sein Ausspruch ohne Sachprüfung der Aufhebung,weil das betreffende, erstmals mit der Anschlußberufung angebrachte Herab-setzungsbegehren der Beteiligten zu 2 unzulässig ist. Denn es fehlt seitensder Beteiligten zu 2 an einem fristgerechten Antrag auf gerichtliche Entschei-dung (§§ 50 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 217 Abs. 2 BauGB) gegen den[X.] vom 19. Januar 1999, den nur die [X.] zu 1 mit dem Ziel der [X.] gerichtlich angefochten haben.1.Zu Unrecht stützt das Berufungsgericht seine Auffassung, es reiche fürdie (weitergehende) gerichtliche Nachprüfung der Entschädigungsfestsetzungauf die Anschlußberufung der Beteiligten zu 2, daß die Beteiligten zu 1 ihrenAntrag auf gerichtliche Entscheidung fristgerecht gestellt hätten, auf die Recht-sprechung des [X.] zu Klage und Widerklage in [X.] nach § 61 [X.] (Senatsurteil [X.], 227, 229 ff)und § 30 Abs. 1 [X.] (Senatsurteil vom 13. Juli 1978 - [X.] =NJW 1979, 923; vgl. auch - zu § 9 Abs. 3 [X.] - Senatsurteil vom 22. [X.] - [X.] - [X.], 606, 608).a) Dieser in [X.], 227, 229 - in Abkehr vom [X.] ([X.], 99 Nr. 65; [X.], 181) - begründeten Rechtsprechung liegt die [X.] 7 -gung zugrunde, daß die Klagefristen der genannten Enteignungsgesetze dazubestimmt seien, die Frage der Enteignungsentschädigung im Interesse der [X.] und der Beteiligten alsbald einer endgültigen Klärung zuzuführen.Diesem Zweck sei bereits Genüge getan, wenn nur eine [X.] rechtzeitig [X.] erhoben habe. [X.] sich ein Beteiligter zur Klage, so sei es ihm [X.], daß sein Gegner auch noch nach Abschluß der Klagefrist eine vondem Bestand der Klage unabhängige Widerklage erhebe. Habe eine [X.]rechtzeitig Klage erhoben, so müßten sich alle Beteiligten darauf einstellen,daß die Höhe der Entschädigung offen sei. Ein schutzwürdiges Interesse dar-an, daß nach Ablauf der Klagefrist die Festsetzung der Enteignungsbehördeinsoweit bestehen bleibe, als sie von der klagenden [X.] nicht angegriffenworden sei, könne nicht anerkannt werden.In der hierzu grundlegenden Entscheidung ([X.], 227, 229) wirdallerdings hervorgehoben, daß die Gesetzgebung, was die zu [X.] angeht, keine einheitliche und auf die Besonderheiten der jeweiligenRegelung - dort § 61 [X.] - abzustellen sei (dies bekräftigt [X.] in seiner [X.]). Für eine Übertragung des [X.] Entscheidung auf das baulandgerichtliche Verfahren nach dem Baugesetz-buch (§§ 217 ff BauGB; früher: §§ 157 ff [X.]) läßt sich daraus nichts ent-nehmen.b) Für das baulandgerichtliche Verfahren sind die besonderen Bestim-mungen in § 226 Abs. 2 und 3 BauGB maßgeblich, die den Inhalt der [X.] für den Fall regeln, daß das Gericht den Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung für begründet erachtet; eine solche Regelung ist in § 30 [X.]und den übrigen [X.], auf die sich die oben zitierte [X.] 8 -rechtsprechung bezieht, nicht enthalten. Während das Gericht durch § 226Abs. 3 Satz 2 BauGB besonders ermächtigt wird, einen Enteignungsbeschluß,wenn der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht einen Anspruch auf Geld-leistung betrifft, über den Antrag des Beteiligten hinaus, der den Antrag aufgerichtliche Entscheidung gestellt hat - jedoch nicht zu dessen Nachteil - [X.] eines anderen Beteiligten zu ändern, eröffnet das Gesetz in allen ande-ren Fällen (§ 226 Abs. 2 BauGB) - insbesondere dann, wenn ein Antrag aufgerichtliche Entscheidung einen Anspruch auf eine Geldleistung betrifft (Ab-satz 2 Satz 1) - diese Entscheidungsmöglichkeit nicht. Maßgeblich ist also, vonder genannten Ausnahme nach § 226 Abs. 3 Satz 2 BauGB abgesehen, für diegerichtliche Entscheidung allein der - dem Fristerfordernis des § 217 Abs. 2BauGB unterliegende - Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Für eine Wider-klage eines Beteiligten, der nicht (fristgemäß) den Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung gestellt hat, ist nach diesem Regelungsgefüge kein Raum. [X.] sich der Regelung in § 226 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 der Grundsatz ent-nehmen, daß in einem durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung eingeleite-ten baulandgerichtlichen Verfahren eine Änderung der angefochtenen Ent-scheidung der Enteignungsbehörde zum Nachteil desjenigen, der - allein - [X.] auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat, nicht statthaft ist (Verbot derreformatio in peius). Die gesetzliche Regelung bedeutet der Sache nach, daßein Verwaltungsakt, der einen Anspruch auf eine Geldleistung betrifft, nur in-soweit Streitgegenstand des baulandgerichtlichen Verfahrens ist, als er durchden (fristgerechten) Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten wordenist. Das schließt auch aus, eine Entschädigungsfeststellung, die allein vom Be-troffenen mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffen worden ist,nach ihrer Bestätigung durch das erstinstanzliche Gericht auf die Anschlußbe-rufung des Gegners zum Nachteil des Betroffenen zu [X.] Verständnis vom Sinn und Regelungszusammenhang der [X.] 2 und 3 des § 226 BauGB, das von der der baulandverfahrensrechtlichenFachliteratur überwiegend geteilt wird (Kalb, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.] BauGB § 222 Rn. 19, § 226 Rn. 15; [X.], in: [X.]. § 222 Rn. 6; [X.], in: [X.] BauGB 6. Aufl. § 222 Rn. 5,§ 226 Rn. 7, 8; ebenso schon zu § 166 [X.] Förster, in: [X.],Stand 1986, § 166 [X.]. 4b; [X.]/[X.] § 166 [X.]. 3; vgl. auchders. aaO 3. Aufl. § 166 [X.]. 3; a.A. [X.] NJW 1976, 1830; [X.]/[X.]/[X.], [X.]. Rn. 259), wird auch [X.] [X.] zum inhaltsgleichen § 166 [X.] 1960 bestätigt: [X.] erstrebte eine Vorschrift entsprechend § 40 Abs. 2 Satz 2des Baulandbeschaffungsgesetzes, wonach das Gericht über den Antrag [X.] hinaus, der den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hatte,einen Enteignungsbeschluß nach Antrag eines anderen Beteiligten oderder Enteignungsbehörde ändern durfte (vgl. BT-Drucks. 3/336 S. 48, 117 zu§ 206 E). Auf den Bericht des [X.], Bau- [X.] (BT-Drucks. 3/1794 S. 123 und zu BT-Drucks. 3/1794 [X.]) hinwurden die Absätze 2 und 3 des § 166 BauGB 1960 wie geschehen formuliert,wobei die Regelung in Absatz 3 Satz 2 Halbsatz 2 als "Klarstellung" entspre-chend einer Empfehlung des Rechtsausschusses bezeichnet wurde, daß [X.], sofern nur ein Beteiligter einen Antrag auf gerichtliche Entscheidunggestellt habe, bei seiner Entscheidung zwar über dessen Antrag hinaus auchAnträge anderer Beteiligter berücksichtigen könne, jedoch nur insoweit, alsdadurch die bisherige Rechtsstellung des Beteiligten, der die gerichtliche Ent-scheidung beantragt hatte, nicht verschlechtert werde ("Verbot der [X.] 10 [X.] hat der Enteignungsentschädigungsbeschluß der Beteiligtenzu 3, soweit er nicht durch die Beteiligten zu 1 durch Antrag auf gerichtlicheEntscheidung angefochten worden ist, also in Höhe von 51.170 DM(= 26.162,81 t-zung zu Lasten der Beteiligten zu 1 abzielende Berufungsantrag der [X.] ist - unter Aufhebung des gegenteiligen Ausspruchs des Berufungsge-richts - als unzulässig zu verwerfen.[X.] das Berufungsgericht außerhalb der dargelegten [X.] auf die Anschlußberufung [X.] zu 2 die erstinstanzliche Entschädigungsfestsetzung zu Lasten [X.] zu 1 abgeändert hat (Differenz: 63.120 DM - 51.170 DM), war [X.] der Beteiligten zu 2 zwar prozessual unbedenklich. Die Ent-scheidung des Berufungsgerichts unterliegt aber insoweit, ebenso wie hinsicht-lich der Zurückweisung der Berufung der Beteiligten zu 1, in sachlicher [X.] rechtlichen Bedenken.1.a) Die von der Beteiligten zu 2 zu zahlende Enteignungsentschädigungrichtet sich nach dem Verkehrswert des von den Beteiligten zu 1 zur Vermei-dung einer Enteignung abgegebenen Grundstücks in der [X.] (§ 10 Abs. 1 [X.]). Maßgeblich ist die Qualität zum Zeitpunktdes Abschlusses des [X.] vom 19. April 1998 (vgl. Senatsurteil vom6. April 1995 - [X.] - [X.], 1195, 1196) beziehungsweise - bei- 11 -Zugrundelegung der "Vorwirkungen" der in Gang gesetzten Enteignung durchdas vorausgegangene Planfeststellungsverfahren für den Autobahnbau - zumZeitpunkt der Planfeststellung (vgl. Senatsurteile [X.]Z 64, 382 und [X.] Dezember 1977 - [X.]/75 - [X.], 200). [X.] ist [X.] von einem "[X.]" spätestens im Februar 1996 auszugehen.Der betreffende Grund und Boden liegt (unstreitig) im Außenbereich.Baulandqualität kann er nach dem im Revisionsverfahren gegebenen [X.] nur im Zusammenhang damit gehabt haben, daß er zum maßgeblichenZeitpunkt mit einem (Wohn-)Gebäude bebaut war (sogenanntes faktischesBauland; vgl. Senatsurteil vom 27. September 1990 - [X.] - [X.] 1991,155 f; [X.]/[X.]/[X.] aaO Rn. 319 ff, 322). Voraussetzung für die [X.] als eigentumsrechtliches Qualitätsmerkmal ist, daß dieses Gebäudebaurechtlichen Bestandsschutz hatte.b) Nach Ansicht des Berufungsgerichts hatte das betroffene Grundstückunbeschadet der vorhandenen Bebauung keine höhere Qualität als die einerlandwirtschaftlichen Nutzfläche. Die Baulichkeiten hätten keinen Bestands-schutz gehabt. Ob der ursprünglich um 1800 errichtete [X.] jemals baurecht-lich legal gewesen sei, könne dahinstehen. Ein eventueller Bestandsschutz seijedenfalls Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts erloschen. In die-sem Zeitraum sei die Nutzung bereits über mehrere Jahre aufgegeben gewe-sen. Außerdem habe sich das Gebäude 1981/1982 in einem desolaten, nichtmehr nutzbaren Zustand befunden. Ob das Gebäude als solches schon ab-gängig gewesen sei, möge aufgrund des vom [X.]1983eingeholten Gutachtens [X.]zweifelhaft sein. Die von den Beteiligten zu [X.], die darauf abgezielt hätten, das Gebäude wieder- 12 -bewohnbar zu machen, seien jedenfalls vom Bestandsschutz nicht mehr ge-deckt gewesen. Von durch Bestandsschutz gedeckten Reparaturarbeiten kön-ne keine Rede mehr sein, wenn die Identität der baulichen Anlage nicht mehrerhalten bleibe. Letzteres sei der Fall, wenn der Eingriff in die Bausubstanz sointensiv sei, daß er eine statische Nachrechnung der gesamten Anlage [X.] mache. Eine solche Nachrechnung sei vorliegend jedenfalls für dieWiedernutzbarmachung des Gebäudes zu Wohnzwecken erforderlich gewe-sen, wie dem zitierten Gutachten [X.]zu entnehmen sei. Der [X.] habe es abgelehnt, eine Aussage über die Standsicherheit des Holztrag-werks für einen möglichen voll ausgebauten Zustand des Gebäudes zu treffen,und lediglich die Standsicherheit des Holztragwerks im offenen Bauzustandohne Dacheindeckung als ausreichend angesehen. Diese Darlegungen [X.] belegten, daß ein vollständiger Ausbau des Objekts zwecksWiedernutzbarmachung zu Wohnzwecken ohne umfassende statische Nach-rechnung der gesamten Anlage nicht möglich gewesen wäre. Ob das Verwal-tungsgericht hiernach die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der [X.] zu 1 gegen die Stillegungsverfügung zu Recht wiederhergestellt habe,erscheine zweifelhaft, könne aber letztlich dahinstehen. Jedenfalls stünden dieeindeutigen Aussagen des Gutachtens [X.] der Einschätzung entgegen,das Gebäude habe noch im Rahmen des Bestandsschutzes für eine ordnungs-gemäße Wohnnutzung wieder hergerichtet werden können. Das von den [X.] zu 1 ihrer Meinung nach nur "instandgesetzte" Gebäude sei [X.] ein nicht vom Bestandsschutz gedeckter Schwarzbau, aus dessen letztlichnur geduldeter Existenz die Beteiligten zu 1 keine Baulandqualität ihres Grund-stücks herleiten [X.] 13 -Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem ent-scheidenden Punkt nicht stand.aa) Mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts ist imRevisionsverfahren zu unterstellen, daß es sich bei dem [X.] um eine ur-sprünglich rechtmäßig errichtete bauliche Anlage handelte.Ob der einmal begründete Bestandsschutz (vgl. Senatsurteil vom10. Mai 1990 - [X.] - NVwZ 1991, 403) bereits dadurch Anfang derachtziger Jahre des 20. Jahrhunderts erlosch, daß die Nutzung des [X.] über mehrere Jahre aufgegeben worden war - wie das [X.] meint -, ist zweifelhaft. Inwieweit eine bestimmte Art der Nutzung einerbaulichen Anlage in ihrem Bestand geschützt ist, richtet sich danach, ob [X.] in welchem Maße die bebauungsrechtliche Situation nach [X.] als noch von dieser Nutzung geprägt erscheint. VomStandpunkt eines objektiven Betrachters aus gesehen muß die Anlage in ihrerUmgebung für die bisher dort ausgeübte Nutzung noch offen sein. Der Be-standsschutz für eine bestimmte Art von Nutzung endet nicht notwendig schonmit deren faktischer Beendigung. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG räumt dem Berech-tigten vielmehr zum Schutze des Vertrauens in den Fortbestand einer bisheri-gen Rechtsposition je nach den konkreten [X.] eine gewisse Zeit-spanne ein, innerhalb derer der Bestandsschutz nachwirkt und noch Gelegen-heit besteht, an den früheren Zustand anzuknüpfen. Jedoch überwiegt das öf-fentliche Interesse an der Durchsetzung der veränderten bebauungsrechtlichenOrdnung, wenn der Berechtigte erkennbar von dem Bestandsschutz keinenGebrauch mehr machen will. In einer für die Verkehrsauffassung besonderssinnfälligen Weise kommt die Beendigung einer bestimmten Art von Nutzung- 14 -dadurch zum Ausdruck, daß der Berechtigte in dem Gebäude eine andersarti-ge Nutzung aufnimmt und dies nach außen sichtbar wird ([X.] 1989,667, 668; vgl. auch [X.], 185, 189).bb) Die Frage braucht nicht weiter vertieft zu werden, weil das [X.] - im Ansatz zutreffend - einen Wegfall des Bestandsschutzes auchim Hinblick darauf in Betracht gezogen hat, daß der [X.] sich 1981/1982 ineinem desolaten, nicht mehr nutzbaren Zustand befand und in einen wiederbewohnbaren Zustand nur durch Bauarbeiten gebracht werden konnte, nachderen Art und Umfang keine Identität zwischen dem wiederhergestellten unddem ursprünglichen Bauwerk (vgl. zu diesem Erfordernis [X.], 126,128 ff; 61, 112, 116; 72, 362 f) mehr gegeben war. An der notwendigen Identi-tät fehlt es, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stets [X.], wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhande-nen Bestand seiner Qualität nach so intensiv ist, daß er eine statische Nach-rechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht (BVerwG aaO).Das Berufungsgericht ist in nicht zu beanstandender tatrichterlicherWürdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß im Streitfall eine solche statischeNachrechnung jedenfalls für die Wiedernutzbarmachung des Gebäudes zuWohnzwecken erforderlich war. Die hiergegen gerichteten [X.] der [X.] unbegründet. Zwar hat der Sachverständige [X.]keine Aussage zurStandsicherheit des Holztragwerks des [X.]s für einen voll ausgebauten Zu-stand des Gebäudes gemacht, weil keine verbindlichen Ausbaupläne [X.] deshalb die vollständigen Belastungen nicht bekannt waren; gerade diesefehlende Beurteilungsmöglichkeit des Sachverständigen impliziert aber, [X.] isolierte baupolizeilich-statische Prüfung nicht möglich war und eine Nach-- 15 -rechnung des gesamten Gebäudes erforderlich wurde. Für die maßgeblicheFrage der Identität zwischen dem ursprünglichen Gebäude und dem erneuer-ten Gebäude kommt es entgegen der Revision nicht auf eine Veränderung derstatischen Verhältnisse im Vergleich zum ursprünglichen bestandsgeschütztenZustand an. Die Revision vermag auch aus dem Beschluß des [X.]vom 18. Oktober 1983 nichts Gegenteiliges zu der [X.] Berufungsgerichts herzuleiten. Zwar wird in diesem Beschluß festgestellt,daß es sich bei den von den dortigen Antragstellern "vorgenommenen [X.]" um nicht genehmigungspflichtige, vom Bestandsschutz gedeckte Re-paraturen und Wiederherstellungsarbeiten gehandelt habe. Zugleich wird indieser Entscheidung jedoch ausdrücklich offengelassen, "ob die [X.] für einen voll ausgebauten Zustand des [X.] ausreichend ist ...".cc) Die Revision rügt aber mit Recht, daß das Berufungsgericht die [X.] die - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Beteiligten zu 1 ge-gen eine Stillegungsverfügung wiederherstellende - Entscheidung des [X.]vom 18. Oktober 1983 anschließenden Vorgänge nichthinreichend in seine Beurteilung mit einbezogen hat. Diese waren dadurch ge-prägt, daß die Bauaufsichtsbehörde unter dem Eindruck der verwaltungsge-richtlichen Entscheidung nicht nur die ergangene Beseitigungsverfügung vom11. Juni 1982 wie auch die Stillegungsverfügung vom 17. Mai 1983 aufgeho-ben, sondern auch in der Folgezeit - wie jedenfalls im Revisionsverfahren zuunterstellen ist - keine Einwendungen mehr gegen die - ebenfalls zu [X.] - seitens der Beteiligten zu 1 fortgesetzten und im Sinne der Herstel-lung einer Wohnnutzung abgeschlossenen Instandsetzungsarbeiten erhob.- 16 -Zwar begründet die bloße Duldung einer baulichen Anlage noch keineals Eigentum geschützte Rechtsposition. Die dem Eigentümer im Einzelfall un-ter dem Gesichtspunkt, daß hoheitliche Eingriffe grundsätzlich nicht über [X.] oder sonst zum Schutz öffentlicher Interessen Erforderli-che hinausgehen dürfen und es deshalb im Falle eines behördlichen [X.] der Abwägung zwischen dem jeweils geschützten Interesseund den privaten Belangen des Betroffenen bedarf, tatsächlich auf absehbareZeit verschaffte Möglichkeit, eine formell und materiell illegale Anlage oderNutzung noch weiter aufrechtzuerhalten, wird nicht vom Eigentumsrecht ausArt. 14 GG umfaßt (Senatsurteil [X.]Z 140, 285, 292 f). Im Streitfall läßt sichaber nicht ausschließen, daß die Bauaufsichtsbehörde mehr getan hat, alsdurch bloße Untätigkeit einen existenten baulichen Zustand zu dulden. [X.], daß letztendlich eine Wiederherrichtung in einem Umfang, die eineWohnnutzung ermöglichte, erfolgt ist, könnte dafür sprechen, daß dies seitensder Bauaufsichtsbehörde "sehenden Auges" geschehen ist. In diese Richtungweist etwa der Umstand, daß dem Bauaufsichtsamt im Jahre 1992 die [X.] Erlaubnis für die Entwässerung durch eine Klärgrube zur [X.] wurde (Vorgang in den Bauakten), ohne daß gegen diese - auch indem Gutachten [X.]vom 25. Juli 1998 ausgewiesene - bauliche Maß-nahme eingeschritten wurde. Auch im übrigen läßt sich nicht ausschließen,daß die Bauaufsichtsbehörde durch besonderes Verhalten den Beteiligten zu [X.] Veranlassung zu der Annahme gegeben hat, die Baumaßnahmenseien vom Bestandsschutz gedeckt, und diese im Vertrauen darauf [X.] getroffen haben. Bestätigt die Bauaufsichtsbehörde auf einesolche Weise den Bestandsschutz, kann das schützenswerte Vertrauen [X.] in den Bestand das öffentliche Interesse an einer Beseitigungüberwiegen und eine Beseitigungs- oder Nutzungsuntersagungsverfügung- 17 -- auf Dauer - ausgeschlossen sein (vgl. [X.] 36 Nr. 216).Auch in einem solchen Fall ist der Bau endgültig in seiner Substanz gesichert.Die Beteiligten tragen zwar erst mit ihrer Revisionsbegründung aus-drücklich vor, die Renovierung sei "bauaufsichtlich begleitet" worden, ohne daßsich Beanstandungen ergeben hätten. Wie die Revision der Sache nach [X.], hätten aber die im gerichtlichen Verfahren angesprochenen beziehungs-weise sich aus dort vorgelegten Unterlagen ergebenden Gesamtumstände [X.] (schon) wegen des im baulandgerichtlichen Verfahren gel-tenden Untersuchungsgrundsatzes Veranlassung geben müssen, von Amtswegen den weiteren Fortgang der "Instandsetzung" des [X.]s (siehe etwadie Angaben in der "Baubeschreibung" des Gutachtens [X.]vom 25. Juli1998) unter dem Blickwinkel aufzuklären, ob die Bauaufsichtsbehörde über diebloße Duldung des Bauwerks hinaus durch ihr Verhalten ein schutzwürdigesVertrauen der Beteiligten zu 1 begründet hat.2.Da demnach die bisherige Begründung des Berufungsgerichts die Ab-lehnung einer Entschädigung für das Grundstück nach Baulandqualität nichtträgt, ist seinem Urteil auch insoweit die Grundlage entzogen, als es die Beru-fung der Beteiligten zu 1 abgewiesen hat, ohne sich - aus seiner Sicht folge-richtig - mit deren Berufungsvorbringen zu befassen.[X.] Rechtsstreit ist in dem oben zu II angesprochenen Umfang nochnicht entscheidungsreif. Die Sache muß insoweit zur weiteren tatrichterlichen- 18 -Beurteilung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1ZPO a.[X.]. § 221 Abs. 1 BauGB).[X.]Streck[X.][X.]Galke

Meta

III ZR 68/02

08.05.2003

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2003, Az. III ZR 68/02 (REWIS RS 2003, 3182)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3182

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