Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2021, Az. VII ZB 34/20

7. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 3936

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Gegenstand

Gerichtliches Mahnverfahren: Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel in einem teilweise automatisierten Verfahren


Leitsatz

Zum Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei der Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.] vom 6. Oktober 2020 sowie der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - [X.] vom 24. Juni 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.

Gründe

I.

1

Der Gläubiger begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids gegen die Schuldnerin als Rechtsnachfolgerin des Titelschuldners. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 hat der Gläubiger beim [X.] - Vollstreckungsgericht - (im Folgenden: Amtsgericht - Vollstreckungsgericht -) den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids des [X.] - Zentrales Mahngericht - vom 29. Juni 2009 in Verbindung mit der [X.] vom 1. März 2017 beantragt.

2

Diese [X.], beruhend auf Erbfolge auf Schuldnerseite, ist bei Erteilung mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen und von dem Rechtspfleger unterschrieben worden; nachträglich ist auf dieser [X.] außerdem händisch ein weiteres Siegel angebracht worden.

3

Mit vom 10. Dezember 2019 datierender Verfügung ist der Gläubiger vom Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - auf verschiedene Hindernisse, die dem Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen, hingewiesen worden. Insbesondere heißt es in dieser Verfügung wie folgt:

"2. Die erteilte Vollstreckungsklausel entspricht nicht der Maßgabe des § 725 ZPO. Nach dem [X.]eschluss des [X.] vom 14.12.2016, [X.], genügt ein drucktechnisch erzeugter Ausdruck des Gerichtssiegels nicht den strengen Anforderungen des § 725 ZPO. Demnach ist die Vollstreckungsklausel zu unterschreiben und mit einem [X.] oder Farbdruckstempel zu versehen. Im vorliegenden Fall wurde das Siegel lediglich drucktechnisch angebracht.

Nachdem die Erteilung der Vollstreckungsklausel (Unterschrift und Siegelung) einen einheitlichen Vorgang darstellt, und der Ersteller der Vollstreckungsklausel auch das Siegel anbringen muss, wird die Erteilung einer neuen Vollstreckungsklausel notwendig. Eine bloß nachträgliche Anbringung des Siegels reicht nicht aus.

Es wird daher angeregt, vom Prozessgericht eine neue Vollstreckungsklausel erteilen zu lassen, welche den Anforderungen des § 725 ZPO genügt. ..."

4

Nach Korrektur verschiedener Punkte hat der Gläubiger am 10. März 2020 erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des [X.] vom 29. Juni 2009 in Verbindung mit der [X.] vom 1. März 2017 beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - beantragt.

5

Hierzu ist der Gläubiger vom Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit vom 19. März 2020 datierender Verfügung insbesondere auf Folgendes hingewiesen worden:

"3. Die vorgelegt[e] Vollstreckungsklausel ist ungenügend: Das händische Dienstsiegel wurde nachträglich angebracht. Diese Nachsiegelung wird vom Vollstreckungsgericht [X.] nicht akzeptiert. Die Vollstreckungsklausel muss mit Unterschrift und Siegel versehen werden. Dies stellt einen einheitlichen Vorgang dar. Es kann nicht 3 Jahre später erst ein wirksames Siegel angebracht werden. Das Mahngericht hat eine neue Klausel zu erteilen, welche erneut zugestellt werden muss."

6

Der Gläubiger hat sodann das [X.] um Erteilung einer neuen [X.] ersucht. Mit Schreiben vom 27. April 2020 ist der Gläubiger vom [X.] darauf hingewiesen worden, dass dem Antrag auf Erteilung einer neuen [X.] nicht entsprochen werden könne, da für einen derartigen Antrag keine Rechtsgrundlage existiere. Die erteilte qualifizierte [X.] sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Es erscheine bereits fraglich, ob § 703b Abs. 1 ZPO auf die am 1. März 2017 erteilte [X.] - gegebenenfalls analog - Anwendung finde, so dass es der Anbringung eines [X.] möglicherweise schon deshalb nicht bedürfe. Spätestens mit der Anbringung des [X.] dürften nun allerdings die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.

7

Am 23. April 2020 hat der Gläubiger erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des [X.] vom 29. Juni 2009 in Verbindung mit der am 1. März 2017 erteilten [X.] beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - beantragt.

8

Mit [X.]eschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - vom 24. Juni 2020 ist der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in vollem Umfang zurückgewiesen worden.

9

Die sofortige [X.]eschwerde des Gläubigers gegen diesen [X.]eschluss hat das [X.]eschwerdegericht mit [X.]eschluss vom 6. Oktober 2020 zurückgewiesen.

Mit der vom [X.]eschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Gläubiger weiterhin den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

II.

Die Rechtsmittel des Gläubigers führen zur Aufhebung der angefochtenen [X.]eschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht.

1. [X.] hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von [X.]edeutung - ausgeführt, der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei zu Recht durch [X.]eschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - vom 24. Juni 2020 zurückgewiesen worden. Ausgehend von der Rechtsprechung des [X.] ([X.]eschluss vom 14. Dezember 2016 - [X.]) sei das maschinell erstellte Siegel auf die [X.] des [X.] vom 1. März 2017 nicht anwendbar. Eine direkte Anwendung des § 703b ZPO auf die qualifizierte [X.] vom 1. März 2017 scheide im vorliegenden Fall aus. Diese [X.] sei nicht maschinell erteilt worden. Aufgrund der eindeutigen Formulierung und der Unterschrift handele es sich um eine Klausel gemäß § 725 ZPO, welche gerade nicht maschinell erstellt worden sei. Auch eine analoge Anwendung des § 703b ZPO scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. [X.]ei Erteilung der qualifizierten [X.] habe der zuständige Rechtspfleger des [X.] explizit nicht die maschinelle [X.]earbeitung gewählt. Die qualifizierte [X.] sei unterschrieben und ursprünglich mit einem maschinell erzeugten Siegel versehen worden.

[X.] gehe nicht von einer grundsätzlichen Unheilbarkeit der qualifizierten [X.] vom 1. März 2017 aus. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - habe zu Recht den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund der vorliegenden qualifizierten [X.] des [X.] vom 1. März 2017, welche ursprünglich mit einem maschinellen Siegel versehen gewesen sei und worauf ein [X.] links davon angebracht worden sei, abgelehnt.

Dem Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - sei beizupflichten, dass in keiner Weise ersichtlich sei, wann das [X.] auf der qualifizierten [X.] angebracht worden sei und vor allem von wem. Im vorliegenden Fall sei aufgrund des [X.] für das [X.]eschwerdegericht aufgrund der Aktenlage und der eingereichten Vollstreckungsunterlagen in Kombination mit der Aktenlage ersichtlich, dass das [X.] offensichtlich im Jahr 2020, das heißt drei Jahre nach Erteilung der ursprünglichen qualifizierten [X.], angebracht worden sei. Jedoch sei nicht ersichtlich, von wem und wann es genau angebracht worden sei. Eine derartige qualifizierte [X.] könne nicht als Grundlage zur Zwangsvollstreckung dienen.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Mit der vom [X.]eschwerdegericht gegebenen [X.]egründung kann der Erlass des vom Gläubiger beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht abgelehnt werden.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das [X.]eschwerdegericht geprüft, ob eine [X.] vorliegt. Es unterliegt der Nachprüfung seitens des Vollstreckungsorgans, ob eine Vollstreckungsklausel erteilt wurde (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 1. Februar 2017 - [X.] Rn. 15, NJW-RR 2017, 510).

b) Der rechtlichen Nachprüfung hält die [X.]egründung des [X.] indes nicht stand, mit der es die [X.] für nicht wirksam erteilt erachtet hat.

Nach § 703b Abs. 1 ZPO werden im Mahnverfahren bei maschineller [X.]earbeitung [X.]eschlüsse, Verfügungen, Ausfertigungen und Vollstreckungsklauseln mit dem Gerichtssiegel versehen; einer Unterschrift bedarf es nicht. Diese Vorschrift enthält Sonderregelungen für die maschinelle [X.]earbeitung. Maschinelle [X.]earbeitung bedeutet grundsätzlich die [X.]earbeitung durch automatische Datenverarbeitungsanlagen (vgl. [X.]T-Drucks. 7/2729, [X.], 104). Ausreichend kann sein, wenn eine teilweise maschinelle [X.]earbeitung stattfindet (vgl. [X.], ZPO, 23. Aufl., § 703b Rn. 1; vgl. ferner Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 13. Aufl., § 703b Rn. 2). Durch Gesetz vom 5. Dezember 2012 ([X.] I 2012 S. 2418), das insoweit am 1. Januar 2013 in [X.] getreten ist (Art. 21 Satz 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012), sind in § 703b Abs. 1 ZPO die Vollstreckungsklauseln aufgenommen worden, um derartige Klauseln, soweit [X.] ihrer bedürfen (vgl. § 796 Abs. 1 ZPO), im maschinellen Verfahren zu ermöglichen (vgl. [X.]T-Drucks. 17/10490, [X.] in Verbindung mit [X.]R-Drucks. 308/12 ([X.]), [X.]; [X.]/Schütze/Olzen, ZPO, 4. Aufl., § 703b Rn. 2). Danach wird im Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei [X.]n auf eine Unterschrift verzichtet (vgl. Musielak/[X.], ZPO, 18. Aufl., § 703b Rn. 2).

Unter [X.]erücksichtigung dieser Grundsätze genügt die [X.] vom 1. März 2017 den Anforderungen des § 703b Abs. 1 ZPO. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, weil die Klausel nach den vom [X.]eschwerdegericht getroffenen Feststellungen mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen ist, das einen teilweise automatisierten, für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 703b Abs. 1 ZPO genügenden Verfahrensablauf bei dem Mahngericht belegt. Der Umstand, dass die Prüfung des Eintritts der Rechtsnachfolge selbst nicht maschinell erfolgt (vgl. [X.]R-Drucks. 308/12 ([X.]), [X.]), steht der Anwendung von § 703b Abs. 1 ZPO nicht entgegen (vgl. [X.]T-Drucks. 17/10490, [X.] in Verbindung mit [X.]R-Drucks. 308/12 ([X.]), [X.]). Entsprechendes gilt für die Unterschrift, mit der der Rechtspfleger im Streitfall die [X.] versehen hat; es handelt sich bei dieser Unterschrift um einen für Zwecke des § 703b Abs. 1 ZPO unschädlichen, nicht notwendigen Zusatz. Für die nachträgliche Anbringung des händisch angebrachten weiteren Siegels gilt Entsprechendes.

3. Nach alledem kann der angefochtene [X.]eschluss des [X.] nicht bestehen bleiben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da diese nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif ist.

Der [X.] macht entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch, zugleich auf die sofortige [X.]eschwerde des Gläubigers den erstinstanzlichen [X.]eschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, das über den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden haben wird.

[X.]     

        

Kartzke     

        

Jurgeleit

        

Graßnack      

        

[X.]renneisen      

        

Meta

VII ZB 34/20

21.07.2021

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Regensburg, 6. Oktober 2020, Az: 64 T 216/20

§ 703b Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2021, Az. VII ZB 34/20 (REWIS RS 2021, 3936)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 1414-1415 MDR 2021, 1450-1451 WM 2022, 546 REWIS RS 2021, 3936

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665 M 867/22

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V ZB 88/16

VII ZB 22/16

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