Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2017, Az. XII ZB 626/15

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13635

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Gegenstand

Versorgungsausgleichssache: Verweisung eines Anrechts der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den Wertausgleich nach der Scheidung wegen fehlender Ausgleichsreife


Leitsatz

Der Ausgleich eines Anrechts der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes kann nicht deshalb wegen fehlender Ausgleichsreife nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG in den Wertausgleich nach der Scheidung verwiesen werden, weil dieses Anrecht auf einer unter Verstoß gegen Verfassungsrecht ermittelten und daher unverbindlichen Startgutschrift für rentenferne Versicherte beruht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 7. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 3. Dezember 2015 aufgehoben, soweit darin die Beschwerde des Antragstellers gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich in Ziffer 2 Absatz 4 des Endbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Coburg vom 20. März 2015 (interne Teilung der von der Antragsgegnerin erworbenen Anrechte bei der [X.]) zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 1.000 €

Gründe

I.

1

Der 1951 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1960 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) heirateten am 30. April 1991. Die Zustellung des Scheidungsantrags erfolgte am 8. Oktober 2014.

2

Beide Ehegatten haben in der gesetzlichen Ehezeit vom 1. April 1991 bis zum 30. September 2014 - unter anderem - Anrechte aus einer Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erlangt. Die Ehefrau hat ein Anrecht bei der [X.] (Beteiligte zu 4; im Folgenden: [X.]) erworben. Die [X.] hat den Ehezeitanteil der Versorgung mit 32,24 [X.]n angegeben und unter Berücksichtigung von [X.] in Höhe von 250 € vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 12,29 [X.]n bei einem korrespondierenden Kapitalwert von 6.899,97 € zu bestimmen. Der Ehemann hat ein Anrecht bei der Zusatzversorgungskasse der [X.] Gemeinden (im Folgenden: [X.]) erworben, für das der Versorgungsträger bei einem Ehezeitanteil von 65,33 [X.]n einen Ausgleichswert von 45,41 [X.]n vorgeschlagen hat.

3

Das Amtsgericht hat die Ehe der beteiligten Eheleute - insoweit rechtskräftig - geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es hinsichtlich der wechselseitig erworbenen Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes die interne Teilung entsprechend den Vorschlägen der Versorgungsträger angeordnet. Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde hat der Ehemann geltend gemacht, dass die von den jeweils ausgleichspflichtigen Ehegatten bei der [X.] und bei der [X.] erworbenen [X.] als Bezugsgröße herangezogen und hälftig geteilt werden müssten. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen.

4

Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der sein Begehren nach einer hälftigen nominalen Teilung der [X.] noch hinsichtlich des von der Ehefrau erworbenen Anrechts bei der [X.] weiterverfolgt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

6

1. Zutreffend sind allerdings die Erwägungen des [X.] zur Zulässigkeit der von den Trägern der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes praktizierten Verfahrensweise, die ehezeitlich erworbenen [X.] auf der Basis der biometrischen Faktoren des [X.] in einen versicherungsmathematischen Barwert umzurechnen und die Hälfte dieses [X.] - gekürzt um die Hälfte der [X.] nach § 13 [X.] - auf der Basis der biometrischen Faktoren des [X.] wieder in [X.] zurückzurechnen. Wie der [X.] zwischenzeitlich entschieden hat ([X.]sbeschluss vom 8. März 2017 - [X.] 697/13 - zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt; ebenso [X.], 371 f.; [X.] [X.], 1108 f.; [X.] [X.], 1106, 1107; [X.] [X.], 753; [X.], 305 f.; [X.] [8. [X.] für Familiensachen] FamRZ 2014, 757 f.; [X.] [5. [X.] für Familiensachen] Beschluss vom 18. Dezember 2012 - 5 UF 15/12 - juris Rn. 11; [X.] [7. [X.] für Familiensachen] Beschluss vom 10. September 2010 - 7 UF 84/10 - juris Rn. 33 ff.; [X.]/Siede [X.] [Stand: Februar 2017] § 39 Rn. 161 f.; [X.]/[X.]. § 45 [X.] Rn. 24; [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 6. Aufl. § 45 Rn. 99; [X.]/[X.] [Stand: Oktober 2016] § 47 [X.] Rn. 12; [X.]/[X.] [Stand: Dezember 2016] § 11 [X.] Rn. 22 f.; [X.] Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rn. 512, 687; [X.]/[X.] in [X.]/[X.] Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes [Stand: Februar 2016] § 32 a [X.]S Rn. 38 ff.; [X.] 2015, 204, 205; [X.] 2010, 425, 426 f.; aA [X.] [6. [X.] für Familiensachen] FamRZ 2014, 755, 756 f.; [X.] 2014, 49, 51 ff. und [X.] 2015, 289 ff.; [X.][X.] [Stand: November 2016] § 5 [X.] Rn. 7; tendenziell wohl auch [X.] FamRZ 2014, 758, 759) lassen sich dagegen keine grundlegenden Bedenken erheben.

7

a) Nach § 5 Abs. 1 [X.] berechnet der Versorgungsträger den Ehezeitanteil des Anrechts in Form der für das jeweilige Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße, insbesondere also in Form von Entgeltpunkten, eines Rentenbetrags oder eines [X.]. Mit dieser Vorschrift sollte insbesondere klargestellt werden, dass bei der Bestimmung der Bezugsgröße für die Berechnung des Ehezeitanteils grundsätzlich kein Auswahlermessen des Versorgungsträgers besteht, sofern nicht das Gesetz in den §§ 39 ff. [X.] dem Versorgungsträger ausdrücklich ein Wahlrecht einräumt (vgl. BT-Drucks. 16/11903 [X.]). Das gemäß § 45 Abs. 1 [X.] für die betriebliche Altersversorgung der Privatwirtschaft bestehende Wahlrecht gilt für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht (§ 45 Abs. 3 [X.]). Im Versorgungssystem der [X.] - wie auch der anderen Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes - sind deshalb die von dem Versicherten satzungsgemäß erworbenen [X.] (§ 36 [X.]S) als Bezugsgröße maßgeblich (vgl. auch § 39 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Gemäß § 5 Abs. 3 [X.] unterbreitet der Versorgungsträger dem Familiengericht einen Vorschlag für die Bestimmung des [X.]. Wie der [X.] mehrfach ausgesprochen hat, stellt es diese Vorschrift dem Versorgungsträger indessen nicht frei, für den Ausgleichswert eine andere Ausgleichsbezugsgröße als die nach seiner Versorgungsordnung maßgebliche zu wählen (vgl. zuletzt [X.]sbeschlüsse vom 17. September 2014 - [X.] 178/12 - FamRZ 2014, 1982 Rn. 16 f. und vom 27. Juni 2012 - [X.] 492/11 - FamRZ 2012, 1545 Rn. 7 ff.).

8

b) Aus § 5 Abs. 1 und 3 [X.] folgt - für sich genommen - zunächst aber lediglich, dass der dem Familiengericht zu unterbreitende Vorschlag für den Ausgleichswert in der für die Ermittlung des Ehezeitanteils maßgeblichen Bezugsgröße - hier: [X.] - zu erfolgen hat ([X.]sbeschluss vom 27. Juni 2012 - [X.] 492/11 - FamRZ 2012, 1545 Rn. 9). Diesem Erfordernis wird durch § 32 a Abs. 2 Satz 1 [X.]S Rechnung getragen. Ein darüber hinausgehender Zwang, den Ausgleichswert durch nominale Teilung des in [X.]n ausgewiesenen Ehezeitanteils berechnen zu müssen, lässt sich dem Gesetz demgegenüber nicht entnehmen.

9

aa) Zwar könnte der Wortlaut von § 1 Abs. 1 [X.], wonach im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) "jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen" seien, eine solche Verpflichtung zur nominalen Teilung der Bezugsgröße nahelegen. Andererseits steht der ausgleichsberechtigten Person gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] die Hälfte "des Werts" des jeweiligen Ehezeitanteils (Ausgleichswert) zu. Dies ermöglicht begrifflich durchaus eine Auslegung dahingehend, dass die Teilung des Ehezeitanteils auch auf einer vorherigen versicherungsmathematischen Bewertung des in der Ehezeit erworbenen Anrechts beruhen kann, wenn der Versorgungsträger die Bezugsgröße selbst nicht nominal teilen will. Eine solche Sichtweise wird auch durch § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestützt, der für die interne Teilung den Grundsatz der "gleichwertigen" Teilhabe festschreibt, welche nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Entstehung eines neuen Anrechts dann sichergestellt ist, wenn das zu übertragende Anrecht dem bei der ausgleichspflichtigen Person verbleibenden Anrecht in Bezug auf den Ausgleichswert "wertmäßig" entspricht (BT-Drucks. 16/10144 S. 56). Wie sich aus den Gesetzesmaterialien im Weiteren erschließt, ist der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund selbst davon ausgegangen, dass die nominale Halbteilung der Bezugsgröße nur einen von mehreren möglichen Wegen darstellt, um einen wertmäßig entsprechenden Ausgleichswert zu bestimmen (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 56). Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang insbesondere anerkannt, dass der Versorgungsträger ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran haben kann, den Ausgleichswert nicht durch die nominale Teilung der Bezugsgröße zu bestimmen, nämlich dann, wenn die ausgleichsberechtigte Person versicherungsmathematisch eine ungünstigere Risikostruktur als die ausgleichspflichtige Person aufweist (BT-Drucks. 16/10144 S. 56).

bb) Das in § 32 a Abs. 2 Satz 2 [X.]S geregelte Verfahren, das Anrecht für die ausgleichsberechtigte Person durch Umrechnung und Zurückrechnung mit Hilfe des versicherungsmathematischen [X.] zu errechnen, vermag dem in § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] normierten Grundsatz der wertgleichen Teilhabe besser Rechnung zu tragen als die nominale Teilung der Bezugsgröße ([X.]), wie sie beispielsweise bei der Halbteilung der ehezeitlich erworbenen Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt.

Dies beruht darauf, dass die im Leistungsfall zur Bestimmung des Rentenbetrags in Euro herangezogene Rechengröße im System der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes statisch ([X.] nach § 35 Abs. 1 [X.]S) und im System der gesetzlichen Rentenversicherung dynamisch (aktueller Rentenwert nach §§ 68, 255 a SGB VI) ist. Ein durch Beitragszahlung bei der [X.] erlangter Versorgungspunkt wird für jeden Versicherten zu einem gleichbleibend festen monatlichen Rentenbetrag von 4,00 € führen, und zwar unabhängig davon, ob dieser Versorgungspunkt von einem lebensälteren Versicherten unmittelbar vor dem Renteneintritt oder von einem lebensjüngeren Versicherten zu einem Zeitpunkt erworben wurde, der möglicherweise noch mehrere Jahrzehnte vor Erreichen der Altersgrenze liegt. Je früher indessen der Beitrag eingezahlt wird, desto länger können innerhalb des [X.] erzielt werden. Diesem Umstand wird bei der Umwandlung von Beiträgen in [X.] durch eine altersabhängige Komponente (den sogenannten Altersfaktor) Rechnung getragen, dessen Anwendung dazu führt, dass ein lebensjüngerer Versicherter aufgrund des höheren Altersfaktors mit dem gleichen Beitrag eine höhere Anzahl an [X.]n erwirbt (vgl. dazu [X.]nbrinck/Mühlstädt Betriebsrente der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Rn. 51 ff.). Die Ermittlung des [X.] mit Hilfe des versicherungsmathematischen [X.] stellt die Berücksichtigung altersabhängiger Komponenten bei der Begründung des neuen Anrechts im Wege der internen Teilung sicher.

cc) Schließlich gewährleistet die in § 32 a Abs. 2 Satz 2 [X.]S vorgesehene Berechnungsweise auch die gebotene Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs ([X.]/[X.] in [X.]/[X.] Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes [Stand: Februar 2016] § 32 a [X.]S Rn. 43). Aufseiten der Versorgungsträger hätte die nominale Teilung der von dem ausgleichspflichtigen Versicherten ehezeitlich erworbenen [X.] bei einem Altersunterschied zwischen den Ehegatten entweder die Entstehung versicherungstechnischer Gewinne (bei einem lebensjüngeren [X.]) oder versicherungstechnischer Verluste (bei einem lebensälteren [X.]) zur Folge. [X.] Verluste wirken sich auf die Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes sowohl in kapitalgedeckten Bereichen als auch in umlagefinanzierten Bereichen gleichermaßen negativ aus. Auch bei der Umlagefinanzierung wird für die Verbindlichkeiten gegenüber den Versicherten eine fiktive [X.] ermittelt. [X.] Verluste erhöhen diese [X.] und vermindern dadurch in der versicherungstechnischen Bilanz die in Form von Bonuspunkten an die Versicherten zu verteilenden Überschüsse (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.] Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes [Stand: Februar 2016] § 32 a [X.]S Rn. 40). Es wäre angesichts der Struktur des [X.] bei den [X.] des öffentlichen Dienstes bei einer nominalen Teilung von [X.]n auch nicht ohne weiteres zu erwarten, dass sich die im einzelnen Teilungsfall entstehenden altersbedingten versicherungstechnischen Gewinne und Verluste bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung gegeneinander aufheben würden, weil etwa zwei Drittel aller Versicherten bei den [X.] Frauen sind, deren durch die interne Teilung potentiell begünstigte Ehegatten im Durchschnitt drei Jahre älter sind als sie selbst (vgl. [X.] 2010, 425, 426).

dd) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus § 47 Abs. 4 Satz 2 [X.], wonach für ein Anrecht, das bei einem Träger einer Zusatzversorgung des öffentlichen oder kirchlichen Dienstes besteht, als korrespondierender Kapitalwert der versicherungsmathematische Barwert im Sinne von § 47 Abs. 5 [X.] zu ermitteln ist. Mit Blick auf § 5 Abs. 3 [X.] ist diese Regelung (nur) deshalb erforderlich, weil auch die Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die den Ausgleichswert in [X.]n als der maßgeblichen Bezugsgröße ihres Versorgungssystems auszuweisen haben, dem Familiengericht einen Vorschlag für den korrespondierenden Kapitalwert als Hilfsgröße für die Prüfung der Geringfügigkeit und einen möglicherweise erforderlichen Wertvergleich von Anrechten unterbreiten müssen. Der Rückgriff auf den versicherungsmathematischen Barwert nach § 47 Abs. 5 [X.] erfolgte insbesondere deshalb, weil der Gesetzgeber eine Ermittlung des korrespondierenden [X.] nach dem Maßstab einer fiktiven Einzahlung von Beiträgen in das Versorgungssystem (§ 47 Abs. 2 [X.]) angesichts der bei gleicher Leistung erheblich voneinander abweichenden Umlagesätze der arbeitgeberfinanzierten [X.] als problematisch ansah (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 85). Demgegenüber lassen sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage entnehmen, auf welche bestimmte Weise der - in [X.]n anzugebende - Ausgleichswert zu berechnen oder nicht zu berechnen ist (vgl. [X.] [X.], 1106, 1107).

2. Der [X.] hat zwischenzeitlich weiter entschieden, dass das in § 32 a Abs. 2 Satz 2 [X.]S vorgesehene Verfahren zur Ermittlung des [X.] für die interne Teilung bei Verwendung der im Technischen Geschäftsplan der [X.] enthaltenen geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren für die Umrechnung bzw. Zurückrechnung von Barwerten zu einer mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu vereinbarenden und deshalb verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von ausgleichsberechtigten Personen männlichen und weiblichen Geschlechts führt. Die auf geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Sterbetafeln und den daraus abgeleiteten Barwertfaktoren beruhende Auskunftspraxis der [X.] kann nur noch übergangsweise für solche Auskünfte hingenommen werden, die (was hier nicht der Fall ist) vor dem 1. Januar 2013 erteilt worden sind ([X.]sbeschluss vom 8. März 2017 - [X.] 697/13 - zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt).

Gemessen daran begegnet der Vorschlag der [X.] zum Ausgleichswert (12,29 [X.]), welcher der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegt, wegen der Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren zwar rechtlichen Bedenken. Die Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren wirkt sich indessen in der hier vorliegenden Teilungskonstellation (ausgleichspflichtige Frau, [X.]) gegenüber der Verwendung geschlechtsneutraler Barwertfaktoren für den Antragsteller als Rechtsbeschwerdeführer günstig aus.

3. Allerdings kann die angefochtene Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr bestehen bleiben, weil das von der Ehefrau ehezeitlich erworbene Anrecht "[X.]klassik" (auch) auf einer ihr erteilten Startgutschrift für rentenferne Versicherte beruht.

a) Der [X.] hat die Startgutschriftenregelung der [X.] für rentenferne Versicherte (erneut) für unwirksam erklärt (vgl. [X.] 209, 201 = [X.], 583 Rn. 20 f.). Wie der [X.] zu dem bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtszustand ausgesprochen hat, darf auch im Verfahren über den Versorgungsausgleich ein von der [X.] mitgeteilter und anhand verfassungswidriger Satzungsbestimmungen ermittelter Wert einer Startgutschrift grundsätzlich nicht die Grundlage für eine gerichtliche Regelung sein oder durch eine individuelle Wertberechnung ersetzt werden (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 5. November 2008 - [X.] 53/06 - [X.], 303 Rn. 16 und vom 18. Februar 2009 - [X.] 54/06 - [X.], 950 Rn. 16). Der Ehezeitanteil des von dem betroffenen Ehegatten erworbenen Anrechts wird daher grundsätzlich durch den Tatrichter neu festzustellen sein, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes die Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Versicherte neu geregelt haben.

b) An dieser Beurteilung hat sich auch nach der Reform des Versorgungsausgleichs nichts geändert. Es kommt insbesondere nicht in Betracht, das auf einer unter Verstoß gegen Verfassungsrecht gebildeten Startgutschrift beruhende Anrecht eines rentenfernen Versicherten als nicht ausgleichsreif im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu behandeln (so aber [X.] FamRZ 2011, 222 f.; [X.] FamRZ 2011, 721). Zwar ist § 19 Abs. 2 Nr. 1 [X.] weiter gefasst als § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB, der lediglich verfallbare betriebliche Anrechte vom öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausnahm. Die Fassung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass es neben den noch verfallbaren Anrechten im Sinne des Betriebsrentengesetzes noch weitere Anrechte gibt, die dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt und daher nicht ausgleichsreif sind (BT-Drucks. 16/11903 [X.]). Soweit in den Gesetzesmaterialien beispielhaft auf solche Anwartschaften hingewiesen wird, bei denen die Höhe des unverfallbaren Anspruchs zum Zeitpunkt der Scheidung noch nicht hinreichend sicher bestimmt werden kann (BT-Drucks. 16/11903 [X.]), betrifft dies den Fall einer unverbindlich erteilten Startgutschrift nicht. Denn § 19 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erfasst solche Sachverhalte, bei denen der Bestand des Anrechts dem Grunde oder der Höhe nach noch nicht feststeht, weil der Erwerbsvorgang entweder noch nicht abgeschlossen ist oder das Anrecht in seinem Bestand noch wegfallen kann. Die bei der [X.] bestehenden Anrechte sind dagegen, wenn der dort versicherte Ehegatte - wie hier - die satzungsmäßige Wartezeit von 60 Pflichtbeitrags- bzw. Umlagemonaten erfüllt hat, in ihrem Bestand, d.h. sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unverfallbar und damit bereits endgültig gesichert, und zwar auch soweit sie auf Startgutschriften für rentenferne Versicherte beruhen. Lediglich ihrer Bewertung steht ein vorübergehendes Hindernis gegenüber. Dies rechtfertigt es nach überwiegender und zutreffender Ansicht nicht, den ausgleichsberechtigten Ehegatten auf den - für ihn deutlich ungünstigeren - Wertausgleich nach der Scheidung zu verweisen (vgl. OLG Celle Beschluss vom 15. November 2010 - 10 UF 182/10 - juris Rn. 6 ff.; [X.] FamRZ 2011, 727; [X.] FamRZ 2011, 981, 982; [X.] FamRZ 2011, 1734; [X.]/[X.]. § 19 [X.] Rn. 6; MünchKommFamFG/[X.]. § 221 Rn. 24; [X.] [X.]/[X.] [Stand: 1. November 2016] § 19 Rn. 4b; [X.]/[X.] [Stand: 29. Dezember 2016] § 19 [X.] Rn. 25 f.; [X.] 2011, 39, 40; [X.] 2011, 363, 366; [X.] FamRZ 2011, 933, 938 f.; vgl. auch [X.]sbeschluss [X.] 209, 32 = [X.], 775 Rn. 60 ff.).

c) Ob die Durchführung der internen Teilung eines Anrechts, welches auf einer unter Verstoß gegen Verfassungsrecht gebildeten Startgutschrift für rentenferne Versicherte beruht, in jedem denkbaren Fall bis zur Neuregelung der Satzung unterbleiben muss, hat der [X.] allerdings schon in seiner früheren Rechtsprechung ausdrücklich offen gelassen (vgl. [X.]sbeschluss vom 5. November 2008 - [X.] 53/06 - [X.], 303 Rn. 17 mwN). Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits Rentenleistungen bezieht oder ein Rentenbezug unmittelbar bevorsteht, kann er auf den Wertausgleich des [X.]-Anrechts unter Einbeziehung einer nur unverbindlich erteilten Startgutschrift aus wirtschaftlichen Gründen dringend angewiesen sein ([X.] [X.], 902, 903 und [X.], 548, 549; vgl. auch [X.] FamRZ 2008, 1087). Zwar hat sich die Rechtslage unter der Geltung des reformierten Versorgungsausgleichs insoweit geändert, als eine nachträgliche Abänderung der Entscheidung zur Teilung von Anrechten der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht mehr möglich ist (§ 225 Abs. 1 FamFG). Aber auch der Gesichtspunkt der [X.] kann für einen unmittelbar vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze stehenden [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gegebenenfalls zurücktreten, zumal sich die (neuerliche) Korrektur der Übergangsbestimmungen für rentenferne Versicherte möglicherweise nur geringfügig auswirken wird (vgl. [X.] [X.], 548, 549).

Der am 29. November 1951 geborene Ehemann wird daher nach der Zurückverweisung der Sache zu erwägen haben, ob wegen des eintretenden [X.], der durch die Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich entsteht, die Geltendmachung der Unwirksamkeit der [X.] für ihn wirtschaftlich sinnvoll ist.

Dose      

        

Schilling      

        

Günter

        

Botur      

        

Krüger      

        

Meta

XII ZB 626/15

22.03.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Bamberg, 3. Dezember 2015, Az: 7 UF 117/15

§ 19 Abs 2 Nr 1 VersAusglG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2017, Az. XII ZB 626/15 (REWIS RS 2017, 13635)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13635


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 626/15

Bundesgerichtshof, XII ZB 626/15, 22.03.2017.


Az. 7 UF 117/15

OLG Bamberg, 7 UF 117/15, 03.12.2015.


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