Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.10.2019, Az. 2 WD 32/18

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2019, 2751

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Gegenstand

Entfernung vom Dienst wegen mehreren Drogen- und Dienstentziehungsdelikten


Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarische Ahndung des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst und von Verstößen gegen das [X.].

2

Der ... geborene Soldat wurde im Jahr ... unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum [X.] ernannt. Seine Dienstzeitverpflichtung endet mit Ablauf des Jahres ... Nach seiner letzten Beförderung im Jahr ... zum Feldwebel war er zunächst Sanitätsfeldwebel und Rettungsassistent beim [X.] Im Juni 2015 wurde er als Sanitätsfeldwebel und Notfallsanitäter zur ...staffel ... ... versetzt. [X.] wurde er zeitweise zum [X.], in ... kommandiert. Mit Verfügung vom 16. Oktober 2017 enthob ihn der Kommandeur des ... vorläufig des Dienstes, verbot ihm, Uniform zu tragen, und ordnete den Einbehalt der Hälfte seiner Dienstbezüge an.

3

Der Soldat ist strafrechtlich wie folgt sachgleich in Erscheinung getreten:

4

Im August 2012 sah die Staatsanwaltschaft ... gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. § 109 JGG von der Verfolgung einer unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in geringer Menge zum Tatzeitpunkt 25. April 2012 ab.

5

Mit Beschluss vom 8. Mai 2015 stellte das Amtsgericht ... ein gegen den Soldaten eingeleitetes Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zum Tatzeitpunkt 15. Februar 2015 zunächst vorläufig und mit Beschluss vom 4. Januar 2016 gegen eine Geldauflage von 800 Euro gemäß § 153a Abs. 2 StPO endgültig ein.

6

Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 17. Dezember 2015 verhängte das Amtsgericht ... gegen den Soldaten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zum Tatzeitpunkt 23. November 2015 eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 50 Euro.

7

Mit rechtskräftigem Urteil vom 25. Januar 2018 verurteilte das Amtsgericht ... den Soldaten wegen eigenmächtiger Abwesenheit vom Dienst im Tatzeitraum 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 25 Euro.

8

Eine Auskunft aus dem Zentral- und Erziehungsregister vom 26. August 2019 und ein Auszug aus dem [X.] vom 19. September 2019 verweisen jeweils auf den genannten Strafbefehl und das Strafurteil.

9

Der Soldat wurde nicht regelbeurteilt. In einer Sonderbeurteilung vom 22. Oktober 2018 wurde als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "1,33" angegeben. Der Soldat habe kein dienstgradgerechtes Verhalten als Feldwebel entwickelt und keinerlei Vorbildfunktion als Vorgesetzter gezeigt. Ab November 2015 habe er nicht mehr als Rettungsassistent eingesetzt werden können und ab Oktober 2017 könnten seine Eignung, Leistung und Befähigung nicht mehr bewertet werden. Er habe sich für die Laufbahn nicht geeignet gezeigt. Aufgrund seiner mehrfach offen dargelegten Einstellung zum Gesamtsystem [X.] sei dauerhaft keinerlei Eignung gegeben. Der Soldat habe keine verwertbare Eignung, Leistung oder Befähigung für eine Förderung oder Verwendung als Sanitätsfeldwebel und Notfallsanitäter gezeigt.

Der [X.] hat den Soldaten in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung als bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er wegen Drogenkonsums in der Liegenschaft aufgefallen sei, unauffällig beschrieben. Er sei über das Verhalten des Soldaten sehr irritiert gewesen. Dieser habe nie etwas abgestritten. Ihm habe jegliches Unrechtsbewusstsein gefehlt. Er sei geistig nie im Dienstgrad eines Feldwebels angekommen.

In der Berufungshauptverhandlung hat Hauptmann H. ergänzt, dass die Sonderbeurteilung vom 22. Oktober 2018 wohlwollend sei. Der Soldat habe in vielerlei Hinsicht keinerlei Eignung. Infolge der Verstöße gegen das [X.] habe er nicht mehr für Tätigkeiten mit Zugang zu Medikamenten eingesetzt werden können. Die Versetzung Mitte 2015 sei erfolgt, um für den Soldaten mehr militärische Führung sicherzustellen.

Der Soldat ist ledig und hat keine Kinder. Seine Dienstbezüge betragen infolge der hälftigen Einbehaltung 1 347,26 Euro brutto und 1 221,56 Euro netto. Der Soldat hat seine finanziellen Verhältnisse erstinstanzlich als "angespannt" bezeichnet. Anfang 2016 hat er sich ohne Erfolg einer Drogentherapie unterzogen.

Entscheidungsgründe

1. Mit Verfügung vom 16. Dezember 2015 hat der Kommandeur des ... ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Soldaten eingeleitet.

2. Mit Schreiben vom 10. März 2016 hat die [X.] das gerichtliche Disziplinarverfahren um den Vorfall vom 23. November 2015 erweitert. Sie hat dem Soldaten mit [X.] vom 6. Juni 2016 zur Last gelegt:

"[X.] verstieß trotz einer am 11.01.2011 erfolgten schriftlichen Belehrung jeweils ohne die dafür erforderliche behördliche Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln gegen die [X.] (heute: [X.] [X.]-2630/0-0-2 Nr. 503), die Soldaten den Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln verbietet, obwohl er das Verbot kannte, zumindest aber hätte kennen können und müssen, indem er

1. am 25.04.2012 gegen 18:30 auf der Landstraße ..., Höhe ..., mit einem 2,1 g-Päckchen Marihuana als Beifahrer des [X.], amtliches Kennzeichen ..., aus den [X.] kommend in das [X.] einreiste und somit Betäubungsmittel einführte,

2. am 15.02.2015 gegen 05:35 Uhr im [X.] ... einen Joint rauchte und darüber hinaus noch ein Tütchen mit weiteren 0,68 g Marihuana mit sich führte,

3. am 23.11.2015 gegen 21:15 Uhr in ..., [X.], Gebäude ..., auf der Stube Nr. ... des ehemaligen Obergefreiten (UA) S. gemeinsam mit dem ehemaligen [X.] und dem vorgenannten S. zusammen zumindest einen Joint rauchte. Zu diesem Zweck hatte er gemeinschaftlich mit den beiden ehemaligen Soldaten vier Joints mit insgesamt ca. zwei Gramm Marihuana besessen."

3. Mit [X.] vom 27. März 2017 hat die [X.] dem Soldaten ergänzend vorgeworfen:

"[X.] blieb dem [X.] in seiner Einheit, der ...staffel ... [X.] in ... bzw. während der Dauer seiner Kommandierung zur ... des ...zentrums ..., ebenfalls in ..., am 12., 13., 19. und 26. September, am 26. Oktober, am 11., 14. und 15. November - jeweils 2016 -, sowie vom 23. Dezember 2016 bis zum 08. Januar 2017 unerlaubt fern."

4. [X.] hat den Soldaten mit Urteil vom 14. August 2018 aus dem [X.]verhältnis entfernt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:

[X.] sei am 25. April 2012 mit seiner Freundin in den [X.] gewesen, um Marihuana zu konsumieren und zu kaufen. Auf der Rückfahrt seien bei ihnen bei einer Polizeikontrolle 2,1 g Marihuana gefunden worden.

[X.] sei am 15. Februar 2015 im [X.] ... von Polizisten beim Rauchen eines Joints gesehen worden. Bei seiner weiteren Kontrolle seien 0,68 g Marihuana gefunden worden. Seine Einlassung, er habe sich anlässlich des Karnevals in ... aufgehalten und das Marihuana von einem Unbekannten geschenkt bekommen, vermöge sein Fehlverhalten nicht zu entschuldigen.

Am 23. November 2015 habe der Soldat in der Kaserne mit zwei Mannschaftsdienstgraden einen Joint geraucht. Er habe aus den vom Obergefreiten (UA) S. mitgebrachten Betäubungsmitteln vier Joints mit insgesamt ca. 2 g Marihuana gedreht. Seine Einlassung, er habe sich beim Rauchen von Marihuana wohlgefühlt, sich nicht als Vorgesetzter der beiden Mannschaftsdienstgrade gefühlt und Anfang 2016 erfolglos einen Entzug versucht, rechtfertige sein Verhalten nicht.

[X.] sei wegen der in der [X.] genannten Sachverhalte ab dem 11. Januar 2016 zum [X.], in ... kommandiert worden. Dort sei er dem [X.] am 12., 13., 19. und 26. September 2016 sowie am 26. Oktober 2016 unerlaubt ferngeblieben. Er sei wiederholt krankgeschrieben worden, habe aber nicht für jeden Fehltag ärztliche Belege beibringen können. Daher sei die Kommandierung aufgehoben worden. Zurück in der ...staffel ... sei der Soldat am 11., 14. und 15. November 2016 sowie - wie vom Amtsgericht ... bindend festgestellt - vom 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 unerlaubt dem [X.] ferngeblieben. Seine Einlassung, er habe die [X.] verlassen wollen und hinsichtlich der Fehltage zwischen September und November 2016 den Überblick über seine Krankschreibungen verloren, rechtfertige sein Verhalten nicht. Wegen der vielen einzelnen Fehltage sei von einem zumindest bedingt vorsätzlichen Fehlverhalten auszugehen.

[X.] habe folgende [X.]pflichten schuldhaft verletzt: § 7 [X.], § 11 Abs. 1 [X.], § 10 Abs. 3 [X.], § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.] und § 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 [X.]. Er habe damit ein vorsätzliches [X.]vergehen i.S.d. § 23 Abs. 1 [X.] begangen, wobei er als Vorgesetzter unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 [X.] gehandelt habe.

Das [X.]vergehen werde durch die eigenmächtige Abwesenheit vom 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 und das wiederholte unerlaubte Fernbleiben vom [X.] geprägt. Da die eigenmächtige Abwesenheit einen längeren Zeitraum umfasse, sei Ausgangspunkt der [X.] eine Entfernung aus dem [X.]verhältnis. Erschwerend komme hinzu, dass der Soldat darüber hinaus wiederholt kurzfristig unerlaubt dem [X.] ferngeblieben sei und mehrfach Marihuana konsumiert habe. Dadurch habe er seine Funktion als Vorgesetzter in Frage gestellt und seine Vorbildfunktion schwer beeinträchtigt. Besonders erschwerend wiege, dass er mit Untergebenen in der Kaserne einen Joint geraucht habe. Einzig sein aufrichtiges Geständnis und die klare Aussage, dass er die [X.] verlassen wolle, seien als [X.] anzuerkennen. Unter Berücksichtigung aller Umstände komme nur eine Entfernung aus dem [X.]verhältnis in Betracht.

5. [X.] hat gegen das ihm am 1. September 2018 zugestellte Urteil am 20. September 2018 eine maßnahmebeschränkte Berufung eingelegt. Er hält eine Versetzung in den untersten Mannschaftsdienstgrad für angemessen. Hilfsweise begehrt er, im Fall der Entfernung aus dem [X.]verhältnis einen angemessenen Unterhaltsbeitrag festzusetzen. Er habe sich geständig gezeigt und unwidersprochen vorgetragen, aufgrund seiner Erkrankung den Überblick über seine Fehltage zwischen September und November 2016 verloren zu haben. Er habe insoweit ohne Vorsatz gehandelt. Ein Teil der Fehltage könne medizinisch begründet gewesen sein. Auch habe keine [X.]aufsicht stattgefunden; anders seien die vielen Fehltage nicht zu erklären.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Soldaten, über die der Senat trotz Abwesenheit des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung gemäß § 124 [X.] verhandeln und entscheiden konnte, ist unbegründet. [X.] hat den Soldaten zu Recht aus dem [X.]verhältnis entfernt.

1. Da der Soldat seine Berufung auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt hat, sind der Entscheidung des Senats gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 327 StPO die verfahrensfehlerfrei getroffenen Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des [X.]s zugrunde zu legen. Danach hat der Soldat die ihm vorgeworfenen Drogen- und [X.]entziehungsdelikte vorsätzlich begangen und seine [X.]pflichten - wie festgestellt - verletzt.

2. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 [X.] die Eigenart und Schwere des [X.]vergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine [X.] für die in Rede stehende Fallgruppe als Ausgangspunkt der [X.].

[X.] hat im Ergebnis zutreffend eine Entfernung aus dem [X.]verhältnis als Ausgangspunkt der [X.] angesehen. Das [X.]vergehen wird in erster Linie durch das wiederholte vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben des Soldaten vom [X.] einschließlich einer strafbaren eigenmächtigen Abwesenheit i.S.d. § 15 [X.] im Zeitraum vom 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 geprägt. Dieses Fehlverhalten wiegt außerordentlich schwer. Denn ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner [X.]pflichten. Die [X.] kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der [X.] so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der [X.]herr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrags der [X.] nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften [X.]leistung. Die Verletzung der Pflicht zur militärischen [X.]leistung berührt nicht nur die Einsatzbereitschaft der Truppe, sie erschüttert auch die Grundlagen des [X.]verhältnisses selbst (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2015 - 2 [X.] 2.14 - juris Rn. 30).

Nach der Rechtsprechung des Senats ist Ausgangspunkt der [X.] in Fällen des vorsätzlichen eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit grundsätzlich eine [X.]gradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad; bei länger andauerndem Fernbleiben, wiederholt eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist das [X.]vergehen so schwerwiegend, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem [X.] oder den Ausspruch der sonst gebotenen [X.] indiziert (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Dezember 2014 - 2 [X.] 23.13 - juris Rn. 60, vom 12. Februar 2015 - 2 [X.] 2.14 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 47 Rn. 53, vom 25. Oktober 2018 - 2 [X.] 8.18 - juris Rn. 37 und vom 18. Juli 2019 - 2 [X.] 19.18 - juris Rn. 30). Zur Abgrenzung der kürzeren von einer längeren Abwesenheit hat der Senat den Zeitraum herangezogen, der durch den regulären Jahresurlaub abgedeckt werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Februar 2015 - 2 [X.] 2.14 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 47 Rn. 55, vom 19. Mai 2015 - 2 [X.] 13.14 - juris Rn. 42 und vom 24. Januar 2018 - 2 [X.] 11.17 - juris Rn. 34).

Dies zugrunde gelegt ist Ausgangspunkt der [X.] die Entfernung aus dem [X.]verhältnis. Zwar liegt entgegen der Annahme des [X.]s mit der Abwesenheit des Soldaten vom [X.] vom 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 noch kein länger andauerndes Fernbleiben vor. Er ist aber wiederholt unerlaubt dem [X.] ferngeblieben, nämlich auch am 12., 13., 19. und 26. September 2016, 26. Oktober 2016, 11., 14. und am 15. November 2016. Eine derartige Vielzahl an unerlaubten Abwesenheiten vom [X.] innerhalb weniger Monate einschließlich einer strafbaren eigenmächtigen Abwesenheit indiziert als [X.] die Entfernung aus dem [X.]verhältnis.

b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 [X.] und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten [X.] gebieten. Dabei ist zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der [X.] die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 [X.] 11.14 - juris Rn. 52 m.w.N. und vom 18. Juli 2019 - 2 [X.] 19.18 - juris Rn. 31). Je schwerer das [X.]vergehen wiegt, desto gewichtiger müssen auch die Milderungsgründe sein, die es erlauben, von der im Ausgangspunkt der [X.] vorgesehenen [X.] abzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2015 - 2 [X.] 13.14 - juris Rn. 45 m.w.N.). Danach muss es bei der [X.] verbleiben.

aa) Im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des [X.]vergehens liegen keine mildernden, sondern erschwerende Umstände vor.

Zum einen stand der Soldat im Zeitpunkt seines wiederholten vorsätzlichen unerlaubten Fernbleibens vom [X.] als Feldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 [X.]) und war daher gemäß § 10 [X.] zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2018 - 2 [X.] 8.18 - juris Rn. 24 m.w.N.). Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines [X.]vergehens erhöht.

Zum anderen treten drei bei der Bestimmung des Ausgangspunkts der Bemessungsentscheidung noch nicht berücksichtigten [X.]pflichtverletzungen in Form von strafbaren Verstößen gegen das [X.] hinzu, die der Soldat ebenfalls als Vorgesetzter begangen hat. Insoweit fällt besonders erschwerend ins Gewicht, dass der Soldat am 23. November 2015 auf einer Stube in der Kaserne gemeinsam mit zwei Untergebenen einen Joint rauchte. Für Fälle des strafbaren Erwerbs, Besitzes, Konsums sowie der strafbaren Weitergabe von Betäubungsmitteln im oder außer [X.] ist bei aktiven Soldaten Ausgangspunkt der [X.] grundsätzlich ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen - unter anderem bei einer Verstrickung von Kameraden in das Vergehen - eine [X.]gradherabsetzung (BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2018 - 2 [X.] 9.17 - juris Rn. 34 m.w.N.). Das gemeinsame Rauchen eines Joints als Vorgesetzter mit Untergebenen in der Kaserne stellt einen besonders gravierenden Fall einer solchen Verstrickung dar, der bereits für sich genommen regelmäßig jedenfalls mit einer [X.]gradherabsetzung zu ahnden ist.

bb) Darüber hinaus hatte das [X.]vergehen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den [X.]betrieb. Durch den zuletzt genannten Vorfall hat der Soldat maßgeblich dazu beigetragen, dass die betreffenden Untergebenen nach § 55 [X.] entlassen wurden. Infolge der Verstöße gegen das [X.] konnte er selbst zudem nicht mehr in Bereichen mit Zugang zu Medikamenten eingesetzt werden, sondern wurde zum [X.], in ... kommandiert. Wegen des dortigen mehrfachen unerlaubten Fernbleibens vom [X.] wurde die Kommandierung aufgehoben. Nachdem der Soldat im [X.] auch der Einheit ...staffel ... mehrfach unerlaubt ferngeblieben war, wurde er schließlich vorläufig des [X.]es enthoben.

cc) Das durch das vorsätzliche Handeln bestimmte Maß der Schuld des Soldaten war unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gemindert.

Dass der Soldat den Überblick über seine Fehltage zwischen September und November 2016 verloren haben will und es für möglich hält, dass ein Teil dieser Fehltage medizinisch begründet war, vermag die vom [X.] für den Senat infolge der auf die Maßnahme beschränkten Berufung bindend festgestellten vorsätzlichen Pflichtverletzungen nicht zu entschuldigen.

Es liegt auch kein Mitverschulden von Vorgesetzten in Form einer mangelhaften [X.]aufsicht vor. Ungeachtet dessen, dass auf den Soldaten mit der Versetzung im Juni 2015, mit der Kommandierung und ihrer Aufhebung im Jahr 2016 sowie durch mehrere Gespräche des Disziplinarvorgesetzten mit dem Soldaten eingewirkt wurde, bedurfte es keines hilfreichen Eingreifens der [X.]aufsicht, um zu erkennen, dass der Soldat zur [X.]leistung und damit zum Erscheinen am [X.]ort verpflichtet war und im und außerhalb des [X.]es nicht gegen das [X.] verstoßen durfte. Dies war dem Soldaten aufgrund der von ihm am 4. Januar 2011 unterzeichneten Belehrungen bekannt. Es bestand mithin keine Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich gemacht hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. März 2003 - 1 [X.] 4.03 - [X.] 235.01 § 38 [X.] 2002 Nr. 2 S. 10, vom 13. Januar 2011 - 2 [X.] 20.09 - juris Rn. 37, vom 11. Juni 2015 - 2 [X.] 12.14 - juris Rn. 48 und vom 25. Oktober 2018 - 2 [X.] 8.18 - juris Rn. 30).

dd) Beweggründe, die für den Soldaten sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

ee) Im Hinblick auf die [X.] "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" hat das [X.] entgegen der Annahme des Soldaten sein Geständnis in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten berücksichtigt. Es hat aber zu Recht angenommen, dass es bei einer Gesamtwürdigung kein solches Gewicht erreicht, dass von der [X.] abgesehen werden kann.

ff) Ist - wie hier - die Verhängung der [X.] geboten, kann auch eine etwaige Überlänge des Disziplinarverfahrens nicht maßnahmemildernd wirken (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Mai 2011 - 2 [X.] 2.10 - [X.] 450.2 § 58 [X.] 2002 Nr. 6 Rn. 47, vom 6. September 2012 - 2 [X.] 26.11 - juris Rn. 76 und vom 2. November 2017 - 2 [X.] 3.17 - juris Rn. 77).

3. Für die Festsetzung eines vom Soldaten hilfsweise beantragten angemessenen Unterhaltsbeitrags besteht kein Anlass. Vielmehr wird ein Unterhaltsbeitrag gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 [X.] kraft Gesetzes gewährt, soweit er nicht gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 [X.] im Urteil ausgeschlossen wurde. Ein solcher Ausschluss setzt nach § 115 Abs. 2 [X.] einen dahingehenden Antrag des [X.]disziplinaranwalts voraus, der hier nicht gestellt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2 und § 140 Abs. 5 Satz 2 [X.].

Meta

2 WD 32/18

10.10.2019

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Urteil

Sachgebiet: WD

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 14. August 2018, Az: S 4 VL 31/16, Urteil

§ 45 Abs 2 JGG, § 109 JGG, § 7 SG, § 10 Abs 1 SG, § 10 Abs 3 SG, § 11 Abs 1 SG, § 17 Abs 2 S 1 SG, § 17 Abs 2 S 2 SG, § 23 Abs 1 SG, § 38 WDO 2002, § 58 Abs 7 WDO 2002, § 63 Abs 3 S 1 WDO 2002, § 115 Abs 2 WDO 2002, § 124 WDO 2002, § 15 WStrG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.10.2019, Az. 2 WD 32/18 (REWIS RS 2019, 2751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2751

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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