Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2015, Az. StB 15/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 453

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:171215BSTB15.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 15/15
vom
17. Dezember 2015
in dem
Strafverfahren
gegen

wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
u.a.
hier:
sofortige Beschwerde des [X.] gegen die teilweise Nichteröffnung des Hauptverfahrens

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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 17. Dezember 2015 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 [X.] beschlossen:
Die
sofortige Beschwerde des [X.] gegen den Beschluss des [X.] vom 20. Oktober 2015 wird
verworfen.

Gründe:
Der [X.] hat dem Angeklagten mit der zum [X.] erhobenen Anklage vorgeworfen, sich spätestens seit September 2013 als Mitglied an einer ausländischen terroristischen Vereini-gung beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB), tatein-heitlich hierzu aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet (§ 211 StGB) sowie in weiterer Tateinheit eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben (§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 StGB). Das [X.] hat mit Beschluss vom 20. Oktober 2015 die Anklage teilweise zur Hauptverhandlung zugelassen; hinsichtlich des [X.] hat es die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Gegen die teilweise Nichteröffnung wendet sich der [X.] mit seiner sofortigen Beschwerde.
Das nach § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 [X.] statt-hafte Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Mit der Anklageschrift wird dem Angeklagten, der [X.] und türki-scher Staatsangehöriger ist, folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
Der Angeklagte, der sich seit 2010 mit islamistischem Gedankengut [X.], entschied sich spätestens Anfang 2013, sich kämpfend am [X.] zu beteiligen. Zu diesem Zweck reiste er im März 2013 nach [X.]. Spätestens im September 2013 schloss er sich dort der terroristischen Vereini-gung "Islamischer Staat im [X.] und Großsyrien ([X.])" an. Er unterwarf sich deren Befehlsgewalt, ließ sich im Umgang mit Schusswaffen ausbilden, ver-schaffte sich eine Kalaschnikow und legte gegenüber dem Befehlshaber seiner Kampfeinheit den Treueid auf den Anführer des "[X.]" ab. Spätestens ab dem 13. Oktober 2013 nahm er mehrfach an [X.] teil. Außerdem leistete er als Kämpfer Wachdienste. Während seiner Mitwirkung an den bewaffneten Auseinandersetzungen tötete er noch im Alter von 20 Jahren -
also vor dem 25.
Januar 2014 -
an einem nicht näher bekannten Ort in [X.] einen Men-schen, getragen von den radikal-islamistischen Vorstellungen des "[X.]", die die körperliche Vernichtung aller Gegner und Andersdenkender zur religiösen Verpflichtung pervertieren. Vom 25. Januar 2014 bis zum 1. Juli 2014 hielt er sich vorübergehend in [X.] auf, um sich zur Wiederherstellung seiner Kampffähigkeit ärztlich behandeln zu lassen. Danach reiste er erneut nach
[X.], wo er wiederum an Kampfhandlungen
des "[X.]"
teilnahm.
Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen wird zur Beweislage hinsicht-lich des Vorwurfs des Mordes ausgeführt, dass die Lebensgefährtin des Ange-klagten gegenüber der Polizei angegeben habe, dieser habe ihr erzählt, "unge-fähr"
16 Personen bei [X.] getötet zu haben, was sie am Telefon auch ihrer Cousine erzählt habe. Außerdem habe der Angeklagte
gegenüber zwei Mitgefangenen angegeben, Menschen bei den [X.] "geköpft"
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zu haben. Auf Nachfrage eines der Mitgefangenen, ob er Menschen getötet habe, habe er genickt.
Hinsichtlich des Vorwurfs des Mordes wird in der Anklageschrift [X.] angeführt, es sei zugunsten des Angeklagten nur von einem Mord auszu-gehen, da mangels näherer Anhaltspunkte die genaue Zahl der getöteten Per-sonen nicht festgestellt werden könne. Dieser stehe zu den beiden anderen Delikten in Tateinheit.
2. Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass die Anklage wegen Mordes ihrer Umgrenzungsfunktion nicht gerecht wird. Auf die Frage, ob ein
hinreichender Tatverdacht vorliegt, kommt es deshalb nicht an.
Die Anklage hat die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlun-gen desselben [X.] unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urtei-len soll; sonst ist die Anklage unwirksam (st. Rspr.;
[X.], Urteil vom 25. Januar 1995 -
3 [X.], [X.], 390, 391
f.).
Diesen Anforderungen genügt die Anklageschrift hinsichtlich des [X.] nicht. Das dem Angeklagten angelastete Tötungsdelikt ist weder im Anklagesatz noch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen hinrei-chend umschrieben. Die Anklage enthält zwar eine ungefähre zeitliche Einord-nung der Tat zwischen dem 13. Oktober 2013 und dem 25. Januar 2014 und nennt als Tatort geographisch das Land "[X.]". Über diese wenig konkreten Angaben hinaus finden sich in der
Anklage jedoch keinerlei konkretisierenden
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Merkmale
hinsichtlich des dem Angeklagten vorgeworfenen Tötungsdelikts. Weder die Person des Opfers noch die Art und die Umstände der Tötung wer-den mitgeteilt. Damit enthält der Anklagesatz -
auch zusammen mit den [X.] im wesentlichen Ermittlungsergebnis -
keine individualisierenden Merkmale, mit denen sich das angeklagte Delikt von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben [X.] unterscheiden lässt. Ergänzend wird auf die zutreffenden Gründe der Entscheidung des [X.]s verwie-sen.
3. Entgegen der Auffassung des [X.] war es dem [X.] vorliegend auch rechtlich nicht verwehrt, die Eröffnung des Hauptverfahrens teilweise abzulehnen.
a) Das [X.] hat die nur teilweise Eröffnung des [X.] nach § 207 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf der Grundlage bisheriger Rechtspre-chung des Senats als zulässig angesehen, weil
es sich bei dem [X.] zu den anderen dem Angeklagten angelasteten Delikten um eine [X.] Tat im prozessualen Sinne des § 264 Abs. 1 [X.] handele. Nach dieser Rechtsprechung standen sonstige Straftaten, die sich gleichzeitig als mitglied-schaftliche Beteiligungsakte an einer kriminellen oder terroristischen Vereini-gung darstellten, materiell-rechtlich zwar in Tateinheit mit dem Verstoß gegen §
129 Abs. 1 oder §
129a Abs. 1 bzw. Abs. 2 (gegebenenfalls
i.V.m.
§ 129b Satz
1) StGB, bildeten aber -
in Abweichung von sonst geltenden Grundsät-zen
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jedenfalls mit Blick auf einen möglichen Strafklageverbrauch dann keine einheitliche prozessuale Tat mit dem [X.], wenn sie gemessen an ihrer Strafandrohung schwerer wogen als dieses ([X.], Urteil vom 11. Juni 1980 -
3 [X.], [X.]St 29, 288). Das [X.] ist davon [X.], dass der Begriff der prozessualen Tat im Hinblick auf die vorliegend in 10
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Frage stehende Kognitionspflicht des Gerichts nicht anders als beim Strafkla-geverbrauch verstanden werden kann.
b) Eines näheren [X.] hierauf bedarf es nicht. Die Entscheidung des [X.]s erweist sich jedenfalls auf Grundlage der neueren Rechtsprechung des Senats im Ergebnis als zutreffend; denn der Senat hat seine bisherige Rechtsprechung, wonach alle mitgliedschaftlichen [X.] an einer kriminellen (oder terroristischen) Vereinigung zu einer tat-bestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden, aufgegeben ([X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 -
3 StR 537/14
juris). Vielmehr unterbleibt eine tat-einheitliche Verknüpfung solcher Handlungen, die zwar der Zwecksetzung der Vereinigung oder sonst deren Interessen dienen, aber auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen. Diese stehen dann für sich genommen gemäß § 52 Abs. 1 Alt. 1 StGB materiell-rechtlich zwar in Tateinheit mit der [X.] gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung im Sinne des §
129 Abs. 1, § 129a Abs. 1 oder Abs. 2 oder § 129b Abs. 1 StGB, jedoch
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soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt -
sowohl un-tereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Be-teiligungsakte in [X.]. Denn die Verletzung eines Individualrechtsguts durch eine Beteiligungshandlung, die ihrerseits einen Straftatbestand erfüllt, kann gegenüber dessen bloßer Gefährdung, der § 129 Abs. 1, § 129a Abs. 1, Abs. 2, §
129b Satz 1 StGB (auch) entgegenwirken wollen, nicht untergeordnet sein (s. näher [X.] aaO).
Dies gilt auch vorliegend. Das angeklagte Tötungsdelikt steht zwar für sich in Tateinheit mit der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, zur sonstigen Erfüllung des Tatbestandes des § 129b, §
129a Abs. 1 [X.]. 2 StGB besteht aber [X.]. Damit beansprucht der Grundsatz Gültigkeit, dass 12
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sachlich-rechtlich selbständige Taten auch prozessual selbständig sind (vgl. [X.]/[X.], [X.], 58. Aufl., § 264 Rn. 2, 6 mwN). Für das ange-klagte Tötungsdelikt bedeutet dies, dass es sich als eine einzelne von mehre-ren angeklagten Taten darstellt, so dass nach § 207 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Teilablehnung der Eröffnung zulässig war. Es unterlag damit auch nicht der Kognitionspflicht des [X.]s zu prüfen, ob sich aus dem angeklag-ten Sachverhalt möglicherweise Hinweise auf nach dem 25. Januar 2014 be-gangene weitere Tötungshandlungen ergaben, da solche Delikte nach dem oben [X.] als eigenständige prozessuale Taten zu werten wären, die von der Anklage nicht umfasst wären. Diese rechtsfehlerhafte Prüfung hat [X.] in der Entscheidung keinen Niederschlag gefunden.
[X.][X.]Schäfer

Mayer Spaniol

Meta

StB 15/15

17.12.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2015, Az. StB 15/15 (REWIS RS 2015, 453)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 453

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 537/14

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