28. Senat | REWIS RS 2013, 8022
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Markenbeschwerdeverfahren – „Schlossdealer“ – Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 030 200.6
hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 20. Februar 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters am [X.] beschlossen:
1. Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 06, vom 5. September 2011 wird auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses aufgehoben.
2. Der Gegenstandswert wird auf … [X.] festgesetzt.
I.
Das Wortzeichen 30 2011 030 200.6
[X.]dealer
ist am 31. Mai 2011 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 06: |
Schlösser aus Metall (ausgenommen elektrische), Schlüssel, Eisen- und Metallwaren; |
Klasse 40: |
Schlüsselkopierdienst, Metallbearbeitung; |
Klasse 45: |
Öffnen von Türschlössern; |
angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 06 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 5. September 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das [X.] „[X.]dealer“ benenne lediglich Art und Anbieter der beanspruchten Produkte, indem es auf einen „[X.]händler“ oder einen „Händler für Schlösser“ hinweise. Von einem solchen erwarteten die angesprochenen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Möglichkeit des Erwerbs der so gekennzeichneten [X.] und Schlüssel und der damit in Zusammenhang stehenden Eisen- und Metallwaren. Darüber hinaus sei es für den Verkehr nahe liegend, dass ein „Händler für Schlösser“ entsprechend den Leistungen eines Schlüsseldienstes, dazugehörige Dienstleistungen erbringe, wie das Kopieren von Schlüsseln, die Bearbeitung von [X.] und –schlössern oder das Öffnen von Türschlössern. Die Kombination des [X.] Wortes „[X.]“ mit dem [X.] oder eingedeutschten Begriff „dealer“ sei [X.] und eigne sich nicht als Unterscheidungsmittel. Es bestehe deshalb auch ein Freihaltebedürfnis.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Begriff „[X.]dealer“ sei nicht im allgemeinen Sprachgebrauch verankert. Das [X.] löse bei den angesprochenen Verkehrskreisen keine produktbezogene Vorstellung dahingehend aus, es müsse sich um einen Händler von [X.]n und Schlüsseln bzw. von Eisen- und Metallwaren handeln. Unter den Begriff „[X.]dealer“ lasse sich auch ein Händler von „Schlössern im architektonischen Sinn“ verstehen. Das [X.] sei deshalb unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2013 hat der Anmelder das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis beschränkt auf die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 06: Eisen- und Metallwaren, nämlich Geländer, Zäune und Türen;
Klasse 40: Metallbearbeitung für Geländer, Zäune und Türen;
und im Hinblick auf den Gegenstandswert vorgetragen, das [X.] werde bereits seit zwei Jahren benutzt.
Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt mit dieser Maßgabe sinngemäß,
den Beschluss des [X.]es, Markenstelle für Klasse 06, vom 5. September 2011 aufzuheben und
den Gegenstandswert festzusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Der Eintragung des [X.] „[X.]dealer" steht nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren nicht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] oder eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.
1. Dem [X.] kann für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 1143 - Starsat; [X.] 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; [X.], 1100, Rdnr. 10 - [X.]!; [X.], 825, 826, Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 850, 854, Rdnr. 18 - [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. [X.] [X.], 428, 431, Rdnr. [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 -RATIONAL [X.]). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] [X.], 674, 678, Rdnr. 86 - Postkantoor; [X.], 952, 953, Rdnr. 10 - [X.]; a. a. [X.]. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; a. a. [X.] -marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] 855, Rdnr. 19, 28 f. - [X.]).
b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Unterscheidungskraft des [X.] zu bejahen; denn „[X.]dealer“ weist für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.
Das in seiner Kombination lexikalisch nicht erfasste [X.] setzt sich zusammen aus den Worten „[X.]“ und „Dealer“. Ein „[X.]“ bezeichnet in der [X.] Sprache zum einen ein architektonisches Gebilde im Sinne eines meist mehrflügeligen (den Baustil seiner Zeit und den Prunk seiner Bewohner repräsentierenden) Wohngebäudes des Adels. „[X.]“ ist auch der Begriff für eine (an Türen und bestimmten Behältern angebrachte) Vorrichtung zum Verschließen. Schließlich bezeichnet „[X.]“ ein bewegliches Teil an Handfeuerwaffen ([X.] - [X.], 6. Auflage, [X.], 2006, CD-ROM). Der Begriff „dealer“ entstammt dem [X.] Grundwortschatz und bezeichnet einen „Händler“ ([X.], 1986). Hiervon abgeleitet ist ein „Dealer“ in der [X.] Jargon-Sprache eine Person, die mit Rauschgift handelt ([X.] - [X.], a. a. [X.]).
Der neben dem Fachverkehr von den beanspruchten Produkten auch angesprochene normal informierte Durchschnittsverbraucher wird das [X.] „[X.]dealer“ ohne weiteres als Hinweis auf einen „[X.]händler“ verstehen.
Hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klasse 06 „Eisen- und Metallwaren, nämlich Türen“ wäre insoweit ein Verständnis von „[X.]“ als Schließvorrichtung denkbar, da Türen an ihrem Einbauort üblicherweise mit Schlössern ausgestattet werden. Selbst wenn die angesprochenen Verkehrskreise das [X.] in dieser Weise und deshalb insgesamt als Hinweis auf eine Person, die mit Schlössern im o. g. Sinn handelt, verstehen sollten, wird die Ware „Eisen- und Metallwaren, nämlich Türen“ mit „[X.]händler“ nicht unmittelbar beschrieben. Der Begriff „[X.]dealer“ stellt insoweit auch keinen für die Annahme der fehlenden Unterscheidungskraft ausreichend engen beschreibenden Bezug zu der fraglichen Ware her. Ein denkbarer beschreibender Gehalt ist für die angesprochenen Verkehrskreise jedenfalls nicht ohne weiteres ersichtlich ([X.], Rdnr. 10 - Starsat; a. a. [X.], Rdnr. 12 - Link economy).
Hinsichtlich der Waren der Klasse 06 „Eisen- und Metallwaren, nämlich Geländer, Zäune“ drängt sich eine beschreibende Bedeutung für die angesprochenen Verkehrskreise schon deshalb nicht auf, weil diese Waren nicht mit Vorrichtungen zum Verschließen ausgestattet sind.
Für die noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 40 „Metallbearbeitung für Geländer, Zäune und Türen“ ist ein beschreibender Bezug ebenfalls nicht erkennbar.
2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung dieser Waren und Dienstleistungen steht dem [X.] auch kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.
Dem Interesse eines Anmelders an der Eintragung seiner Marke kommt das gleiche wirtschaftliche Gewicht zu, wie dem Interesse des Inhabers einer bereits eingetragenen Marke daran, einen Widerspruch gegen die Eintragung seiner Marke abzuwehren (BPatG 24 W (pat) 18/10 - Festsetzung des Gegenstandswertes im Anmeldebeschwerdeverfahren; [X.], in [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, 2012, § 71 Rdnr. 34). Das zuletzt genannte Interesse ist bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten nach der Rechtsprechung des [X.], der der Senat folgt, regelmäßig auf … [X.] zu schätzen (vgl. [X.] [X.], 704 - Markenwert; [X.] (pat) 13/11, Beschluss vom 21. Januar 2013 - [X.]); somit auch hier. Dieses Ergebnis entspricht auch der aktuellen Entscheidungspraxis des [X.] in markenrechtlichen Anmelde-Beschwerdeverfahren ([X.], 272 - [X.]; [X.], 135 - Rheinpark-Center).
Gesichtspunkte dafür, das wirtschaftliche Interesse des Anmelders an der Eintragung seines angeblich seit zwei Jahren benutzten [X.] mit einem Betrag über oder unter … [X.] zu bewerten, sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, insbesondere fehlen nähere Ausführungen des Anmelders zum Umfang und der Intensität der geltend gemachten Benutzung des Zeichens.
Meta
20.02.2013
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.02.2013, Az. 28 W (pat) 614/11 (REWIS RS 2013, 8022)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 8022
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