Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2004, Az. III ZB 43/04

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 987

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.]/04
vom 28. Oktober 2004 in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 269 Abs. 3, § 688

Im Mahnverfahren ist § 269 Abs. 3 ZPO grundsätzlich entsprechend anwendbar. Macht der Antragsteller allerdings geltend, daß der Anlaß zur Einreichung des [X.] vor Rechtshängigkeit entfallen sei und daß er deswegen den [X.] zurückgenommen habe (§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO), so hat über die Kosten des Mahnverfahrens nach Abgabe das für das streitige Verfahren zuständige Gericht zu entscheiden.

[X.], Beschluß vom 28. Oktober 2004 - [X.]/04 - [X.] - 2 -

[X.] hat am 28. Oktober 2004 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der [X.] der 19. Zivilkammer des [X.] vom 24. Mai 2004 - 19 [X.]/03 - insoweit aufgehoben, als der Antrag auf Erlaß einer Kostengrundentscheidung zurückgewiesen [X.] ist.

Auf den Antrag der Antragstellerin wird die Sache zur Entschei-dung über die Kosten des Mahnverfahrens, einschließlich der Ko-sten beider Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht [X.] abgegeben.

Gegenstandswert: 140,07 •

Gründe:
[X.]

Die Antragstellerin hat von der Antragsgegnerin im Mahnverfahren [X.] von 723,44 • nebst Zinsen und Kosten begehrt. Der Antrag auf Erlaß ei-nes Mahnbescheids ging am 15. Januar 2003 beim Amtsgericht ein und wurde - 3 -

am 17. Januar 2003 wieder zurückgenommen. Da dieser Schriftsatz keine Ge-schäftsnummer enthielt, wurde er dem Mahnverfahren zunächst nicht zugeord-net. Unter dem 28. Januar 2003 erließ das Amtsgericht einen Mahnbescheid auf der Grundlage des ursprünglichen Antrags, der der Antragsgegnerin am 29. Januar 2003 zugestellt wurde. Hiergegen legte sie durch ihre Verfahrens-bevollmächtigten Widerspruch ein. Nachdem die Antragsgegnerin über die Rücknahme des [X.] unterrichtet worden war, hat sie beantragt, die ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 140,07 • gegen die [X.] festzusetzen.

Der Rechtspfleger hat das Gesuch - auch - als Antrag nach § 269 Abs. 4 ZPO ausgelegt und der Antragstellerin durch Beschluß in entsprechender An-wendung des § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten des Mahnverfahrens auferlegt. Auf deren sofortige Beschwerde, mit der sie sich unter anderem auf eine ver-gleichsweise Einigung zwischen den Parteien nach Stellung des [X.] und die unverzügliche Rücknahme ihres Antrags berufen hatte, hat das Land-gericht die Kostenentscheidung aufgehoben und den Antrag der Antragsge-gnerin, der Antragstellerin die Kosten des Mahnverfahrens aufzuerlegen, zu-rückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

I[X.]

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat sie nur teilweise Erfolg. - 4 -

1. Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht unter den hier vorliegenden Umständen das Mahngericht nicht für befugt gehalten, gemäß § 269 Abs. 3 ZPO über die Kosten des Mahnverfahrens zu entscheiden.

a) Die Anwendbarkeit der unmittelbar für die Klagerücknahme geltenden Bestimmungen des § 269 Abs. 3 Sätze 2 und 3 ZPO auf das Mahnverfahren, falls der [X.] - wie hier - vor Abgabe der Sache an das Streitgericht zurückgenommen wird, ist umstritten. Für die frühere Fassung der Vorschrift, die eine Rücknahme der Klage zwingend mit einer Kostenbelastung des [X.] verband (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO a.F.), entsprach die (analoge) Anwen-dung auf das Mahnverfahren ganz herrschender Meinung; die Entscheidung war vom Rechtspfleger zu treffen (vgl. nur [X.] [X.] 1988, 492, 493; [X.], ZPO, 21. Aufl., § 693 Rn. 12; [X.]/Schütze/Olzen, ZPO, 3. Aufl., vor §§ 688 - 703d Rn. 84). Die Zulässigkeit einer solchen Ko-stenentscheidung im Mahnverfahren wird nunmehr durch die mit dem Zivilpro-zeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 ([X.] I S. 1887) eingeführte Neuregelung der Kostenentscheidung bei einer Klagerücknahme in Frage gestellt. Nach dem jetzt geltenden § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungs-pflicht - neben dem inhaltlich fortgeltenden § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO - wie in § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen, wenn der Anlaß zur Klage vor Rechtshängigkeit weggefal-len und die Klage daraufhin (bis zum Inkrafttreten des [X.] vom 24. August 2004 [[X.] I S. 2198]: unverzüglich) zurück-genommen worden ist. Das hat im Schrifttum zu der Annahme geführt, im Gegensatz zum bisherigen Rechtszustand sei für Kostenentscheidungen des [X.] im Mahnverfahren überhaupt kein Raum mehr; insbesondere Kostenentscheidungen gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO seien wegen der - 5 -

entscheidungen gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO seien wegen der Formalisie-rung des Mahnverfahrens und des Erfordernisses rechtlichen Gehörs für den Schuldner nur nach Überleitung in das Streitverfahren möglich ([X.]/[X.], ZPO, 24. Aufl., § 91a Rn. 58 Stichwort "Mahnverfahren", § 690 Rn. 24; differenzierend [X.]/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 690 Rn. 13; s. auch [X.], NJW 2003, 553, 554: keine Kostenentscheidung im Mahnverfahren durch Beschluß, jedoch in einem Mahnbescheid oder Vollstreckungsbescheid oder nach Abgabe in das streitige Verfahren). Dem hat sich das Beschwerde-gericht im Grundsatz angeschlossen. Es hat zwar weiterhin eine Kostenent-scheidung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO im Mahnverfahren für [X.] gehalten. Dafür bleibe jedoch nur noch in denjenigen (unstreitigen) Fällen Raum, in denen einem hierauf gestützten Kostenantrag des Antragsgegners vom Antragsteller nicht widersprochen werde, so daß sich eine Prüfung der Voraussetzungen des Satzes 3 erübrige.

b) Das ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde insgesamt frei von [X.]. Mit Recht hat deswegen das [X.] den angefochte-nen [X.] des Amtsgerichts aufgehoben.

[X.]) Macht der Antragsteller ein erledigendes Ereignis im Sinne des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht geltend, so besteht auch nach heutigem Recht kein Anlaß, eine Kostenentscheidung zu seinen Lasten nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO im Mahnverfahren auszuschließen. Die Vorschrift regelt in ihrem Wortlaut zwar nur die Rücknahme einer Klage. Ihr Regelungsgehalt läßt sich aber nach Sinn und Zweck auf andere gerichtliche Verfahren wie das Mahnver-fahren übertragen. Bedenken aus der Struktur des Mahnverfahrens (hierzu sogleich) bestehen insoweit nicht, da der mit der [X.] nach - 6 -

§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO verbundene Automatismus in der Kostenfolge eine Prüfung materieller Fragen nicht verlangt.

Der Rechtsbeschwerde verhilft dies indes nicht zum Erfolg. Denn die Antragstellerin hat zulässig (§ 571 Abs. 2 ZPO) noch im Beschwerdeverfahren einen Wegfall des [X.] im Sinne des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO vorge-tragen, so daß die Kostenentscheidung nunmehr auf dieser Grundlage zu tref-fen ist.

[X.]) Für eine streitige Entscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist das Mahnverfahren jedoch weder bestimmt noch geeignet. Eine Kostenent-scheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands erfordert eine sachliche Prüfung nicht nur der geltend gemachten Forderung, sondern auch des behaupteten erledigenden Ereignis-ses und gegebenenfalls eines materiellrechtlichen Kostenanspruchs (vgl. [X.], BT-Drucks. 14/4722 S. 81; zu § 91a ZPO: [X.], Urteil vom 22. November 2001 - [X.]/00 - NJW 2002, 680). Da das Mahnverfahren bereits auf eine Schlüssigkeitsprüfung des Anspruchs verzich-tet und es deswegen an einem "bisherigen Sach- und Streitstand" fehlt, müßte der Rechtspfleger jetzt in einem streitig geführten Verfahren derartige Umstän-de ermitteln und hierüber sodann verbindlich (rechtskraftfähig) entscheiden. Das verbietet die gesetzliche Ausgestaltung des einseitigen, weitgehend for-malisierten und auf maschinelle Bearbeitung (§ 689 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ange-legten Mahnverfahrens (vgl. [X.], NJW 2003, 553, 554). Daß bei einer An-fechtung der Kostenentscheidung das Beschwerdegericht solchen Einwänden nicht ausgesetzt wäre, ist ohne Belang. Die Beschwerde dient der Kontrolle der - 7 -

vorinstanzlichen Entscheidungen. Die Kompetenzen des [X.] gehen daher grundsätzlich nicht weiter als die des Ausgangsgerichts.
2. Diese rechtliche Beurteilung kann allerdings nicht dazu führen, im [X.] die aus [X.] Gründen neu eingeführte Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO zu negieren und bei einer Rücknahme des [X.] mangels eines "bisherigen Sach- und Streitstands" dem [X.] gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO stets die Kosten des Verfahrens aufzu-erlegen (vgl. für eine Klagerücknahme im streitigen Verfahren: [X.] 2003, 127, 129). Umgekehrt wäre es jedoch [X.] sachgerecht, in den Fällen, in denen sich der Antragsteller auf ein erledi-gendes Ereignis beruft, mit dem [X.] wegen der Ungeeignetheit des Mahnverfahrens von einer Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO ganz abzusehen und die Parteien hierdurch auf die Verfolgung eines materiellrecht-lichen [X.] in einem neuen Klageverfahren zu [X.]. Vielmehr ist dann die Sache - sofern ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt ist - nach dem Widerspruch des Antragsgegners hinsichtlich der noch zu treffenden Kostenentscheidung gemäß § 696 Abs. 1 ZPO an das für die Durchführung des streitigen Verfahrens insgesamt zustän-dige Prozeßgericht abzugeben (so wohl auch [X.]/[X.], [X.]O, § 690 Rn. 13; [X.]/Vollkommer, [X.]O, § 690 Rn. 24). Die Rücknahme des [X.]s durch den Antragsteller hindert ein solches Vorgehen nicht. Das [X.] bleibt danach in bezug auf die ausstehenden Nebenentscheidungen an-hängig und kann darum auch allein wegen der Kosten auf das Streitgericht übergehen, nicht anders als in dem Fall, daß der Antragsgegner beschränkt auf die Kosten Widerspruch einlegt und die Parteien ausschließlich um die Anwendung des § 93 ZPO streiten (vgl. hierzu [X.], ZPO, - 8 -

2. Aufl., § 694 Rn. 18; [X.]/Schütze/Olzen, [X.]O, § 694 Rn. 18; Zöl-ler/Vollkommer, [X.]O, § 694 Rn. 1). Der für eine Abgabe nach § 696 Abs. 1 ZPO erforderliche Antrag ist in dem regelmäßig gestellten allgemeinen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens enthalten, jedenfalls aber ist der Kostenantrag der Antragsgegnerin hier so auszulegen.

Die danach erforderliche Abgabe an das von der Antragstellerin be-zeichnete Streitgericht kann der Senat selbst vornehmen.

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZB 43/04

28.10.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2004, Az. III ZB 43/04 (REWIS RS 2004, 987)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 987

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 20/04 (Bundesgerichtshof)


32 SA 47/15 (Oberlandesgericht Hamm)


32 Sbd 31/06 (Oberlandesgericht Hamm)


102 AR 130/23 e (BayObLG München)

Mehrere Antragsgegner, Gerichtsstandsbestimmung, Brüssel Ia-VO, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Gerichtsstand des Erfüllungsorts, Erfüllungsort der Verpflichtung, Mahnbescheidsantrag, …


3 W 66/97 (Oberlandesgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.