Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.08.2011, Az. 1 BvR 1764/09

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2011, 3835

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Rechtsweggarantie (Art 19 Abs 4 S 1 GG) durch zu restriktive Handhabung der Regelungen über die Berufungszulassung im Verwaltungsprozeß - hier: Klagebefugnis eines Postkunden (Drittanfechtungsklage) in Bezug auf postregulierungsrechtliche, an Postdienstleister gerichtete Genehmigungsentscheidungen gem § 22 PostG (juris: PostG 1998) - Gegenstandswertfestsetzung auf 24.000 Euro


Tenor

Der Beschluss des [X.] für das [X.] vom 19. März 2009 - 13 A 476/08, 13 A 477/08 und 13 A 478/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht für das [X.] zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des [X.] für das [X.] vom 23. Juni 2009 - 13 A 798/09, 13 A 799/09 und 13 [X.]/09 - gegenstandslos.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 24.000 € (in Worten: vierundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung in einer postregulierungsrechtlichen Streitigkeit.

I.

2

Gemäß § 19 Satz 1 des [X.]gesetzes ([X.]) bedürfen Entgelte, die ein Lizenznehmer auf einem Markt für lizenzpflichtige [X.]dienstleistungen (vgl. § 5 Abs. 1, § 51 [X.]) erhebt, der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde, sofern der Lizenznehmer auf dem betreffenden Markt marktbeherrschend ist. "Maßstäbe der Entgeltgenehmigung" enthält § 20 [X.].

3

Die "Arten und Verfahren der Entgeltgenehmigung" regelt § 21 [X.]; nach dessen Absatz 1 genehmigt die Regulierungsbehörde Entgelte (entweder) auf der Grundlage der auf die einzelne Dienstleistung entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (Nr. 1) oder auf der Grundlage der von ihr vorgegebenen Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für einen Korb zusammengefasster Dienstleistungen (Nr. 2, sog. [X.]).

4

Nach § 23 Abs. 1 [X.] ist der Lizenznehmer verpflichtet, ausschließlich die von der Regulierungsbehörde genehmigten Entgelte zu verlangen. Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, sind mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Fehlt es an einem genehmigten Entgelt, obwohl das Entgelt nach § 19 [X.] genehmigungsbedürftig ist, so sind die Verträge unwirksam (§ 23 Abs. 2 [X.]).

II.

5

1. Am 26. Juli 2002 beschloss die (damalige) Regulierungsbehörde für Telekommunikation und [X.] ([X.]), die der [X.] (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) unterliegenden Dienstleistungen der "[X.]", der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens der vorliegenden Verfassungsbeschwerde, entsprechend § 1 Abs. 2 der [X.]-Entgeltregulierungsverordnung (PEntgV) in drei Körbe zusammenzufassen. Die vom Beschwerdeführer, einem eingetragenen Verein, der nach seinen Angaben Kunde der Beigeladenen ist, hiergegen erhobene Klage wies das [X.] ab. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil blieb erfolglos (vgl. [X.], Beschluss vom 26. November 2004 - 13 A 4245/03 -, juris).

6

2. Mit Beschluss vom 12. September 2002 ([X.] 2002, S. 1448) genehmigte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und [X.] die von der Beigeladenen zur Genehmigung vorgelegten Entgelte für das Jahr 2003. Entsprechende Beschlüsse ergingen am 24. September 2003 (Amtsblatt der [X.] 2003, S. 1193) für das [X.] und am 23. November 2004 (Amtsblatt der [X.] 2004, S. 1874) für das Jahr 2005.

7

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Genehmigungsbeschlüsse jeweils Klage, die vom [X.] mit in der Begründung gleichen Urteilen vom 16. und 27. November 2007 abgewiesen wurde.

8

Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei der Beschwerdeführer klagebefugt. Zwar sei er nicht Adressat der Entgeltgenehmigung. Doch könne der angefochtene Beschluss in seine Rechte eingreifen. Denn der Beschwerdeführer könne sich auf einen möglichen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Eine unmittelbare Auswirkung auch gegenüber Kunden der Beigeladenen wie dem Beschwerdeführer sei bei dem angefochtenen Beschluss anzunehmen. Dies folge aus der Bestimmung des § 23 Abs. 2 [X.], wonach Verträge über [X.]dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthielten, mit der Maßgabe wirksam würden, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts trete, und die Verträge unwirksam seien, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehle, obwohl dieses nach § 19 [X.] genehmigungsbedürftig sei. Danach stehe den Vertragsparteien keinerlei Gestaltungsspielraum zu. Allerdings habe das [X.] bisher nicht entschieden, ob der einzelne Kunde bei unmittelbarer Wirkung der Genehmigung stets die Klagebefugnis habe, um gegen für ihn relevante genehmigte Tarife zu klagen. Eine Klagebefugnis sei aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Kunde - wie hier der Beschwerdeführer - geltend mache, dass es an einer der Verfassung entsprechenden gesetzlichen Einschränkung der Privatautonomie fehle. Hinzu komme, dass eine Überprüfung der Entgelte durch die Zivilgerichte ausgeschlossen sei.

9

Die Klage sei jedoch nicht begründet. Der angefochtene Beschluss verletze den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Ob er im Übrigen rechtmäßig sei, könne deshalb dahinstehen. Ein subjektives Recht des Beschwerdeführers ergebe sich nicht aus den Vorschriften des [X.]. Auch Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Zwar könne ein Verwaltungsakt, der ein Privatrechtsverhältnis unmittelbar gestalte, das von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Recht der Vertragsfreiheit verletzen. Dem Schutzbereich der Norm unterfalle prinzipiell auch die Freiheit, den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen mit der Gegenseite auszuhandeln. Allerdings gewährleiste Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Zur verfassungsmäßigen Rechtsordnung in diesem Sinne gehörten alle formell und materiell im Einklang mit der Verfassung stehenden Rechtsnormen. Für eine Berufung auf die grundgesetzlich gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit sei daher kein Raum, soweit diese Freiheit durch ein ordnungsgemäß zustande gekommenes und inhaltlich verfassungsgemäßes Gesetz eingeschränkt sei. Dies sei durch die Vorschriften über die Entgeltregulierung von marktbeherrschenden Unternehmen, insbesondere die §§ 19 bis 23 [X.] geschehen.

4. Der Beschwerdeführer beantragte die Zulassung der Berufung gegen die Urteile des [X.] und machte dabei neben dem Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend. Es fehle eine höchstrichterliche Klarstellung dahingehend, dass [X.]kunden ein subjektives Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von [X.]entgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. [X.] zustehe, so dass eine Überprüfung aufgrund der Entgeltbestimmungen des [X.]gesetzes und der dazu ergangenen Verordnung erfolge.

5. In dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 19. März 2009 verband das Oberverwaltungsgericht für das Land [X.] die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und lehnte die Anträge auf Zulassung der Berufung ab.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Urteile des [X.] ergäben sich nicht daraus, dass dieses zwar die Klagebefugnis des Beschwerdeführers aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit einer fehlenden Überprüfbarkeit behördlich genehmigter Entgelte durch die Zivilgerichte angenommen, eine tatsächliche Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG aber nicht bejaht habe.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sei ebenfalls nicht gegeben. Angesichts des dargelegten Ausgangspunkts der fehlenden Verletzung des Beschwerdeführers in eigenen subjektiven Rechten werde eine über den Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige und der Rechtsfortbildung und/oder -vereinheitlichung dienende Frage tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht aufgezeigt. Bei diesem Ansatz sei das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei höchstrichterlich zu klären, dass [X.]kunden ein Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von [X.] gemäß §§ 19 ff. [X.] zustehe, nicht relevant. Die Entscheidungen des [X.] beruhten auf einer individuellen Wertung der [X.] in Bezug auf den Beschwerdeführer.

6. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde weiterhin angegriffenen Beschluss vom 23. Juni 2009 wies das [X.]die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen den Beschluss vom 19. März 2009 zurück.

III.

1. Mit seiner am 22. Juli 2009 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Justizgewährungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Daneben macht er eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und des Art. 103 Abs. 1 GG geltend.

Das Oberverwaltungsgericht habe § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise falsch angewendet und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Für die Entscheidung sei eine klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage entscheidungserheblich gewesen, die sich in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen könne und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühre.

Das Oberverwaltungsgericht setze sich mit seinem Beschluss diametral in Widerspruch zu der Entscheidung des [X.]vom 14. Juni 2007 ([X.], NVwZ-RR 2008, [X.]). Nach dessen Auffassung führe die [X.] des Verwaltungsakts über die Entgeltfestsetzung dazu, dass eine zivilrechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltfestsetzung nicht möglich sei. Es sei, so der [X.], mit Art. 19 Abs. 4 GG allerdings nicht zu vereinbaren, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten sowohl eine verwaltungsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt wäre.

Im Ergebnis verweigere das Oberverwaltungsgericht die vom [X.] aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes hergeleitete materielle Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltgenehmigung. Vom [X.] sei die Frage bislang ersichtlich nicht entschieden worden.

2. Die Beigeladene des Ausgangsverfahrens meint, die Verfassungsbeschwerde müsse schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil der Beschwerdeführer den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend begründet habe. In der Begründung des [X.] fänden sich weder Ausführungen dazu, ob und inwieweit sich die Frage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lasse, noch werde die Frage der Klärungsbedürftigkeit erschöpfend begründet. Das Oberverwaltungsgericht habe den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß [[X.]-0678-4d0c-a612-4e479c79d1a0]§ 124 Abs. 2 Nr. 3 [X.]] im Übrigen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgelegt.

3. a) Dem Land [X.] und der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, [X.] und Eisenbahnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

b) Die Präsidentin des [X.]s hat eine Stellungnahme des unter anderem für das [X.]recht zuständigen [X.] übermittelt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Nichtzulassungsentscheidung äußert. Die vom Oberverwaltungsgericht gebilligte Rechtsauffassung der Vorinstanz führe dazu, dass die privatrechtsgestaltende Wirkung einer Entgeltgenehmigung für den Drittanfechtungskläger dann keine Rechtskreiserweiterung gegenüber eventuell ohnehin bestehenden subjektiven Rechten aus einfachem Recht bewirke, wenn das [X.] für den Bereich des [X.]wesens und der Telekommunikation eingreife. Dieser Rechtsstandpunkt sehe sich allerdings dem Einwand ausgesetzt, dass es (jedenfalls) nach der Rechtsprechung des [X.]s mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten nicht nur eine zivilrechtliche Kontrolle, sondern auch eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt bliebe; dies lasse an der Richtigkeit der Rechtsansicht des [X.] immerhin zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Davon abgesehen dürfte die in Rede stehende Begrenzung der subjektiven Rechte des Vertragspartners des regulierten Unternehmens im Anwendungsbereich sowohl des § 23 Abs. 2 [X.] als auch des § 37 Abs. 2 TKG weit über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung erlangen, was eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nahegelegt hätte.

IV.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1, § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Das [X.] hat, wie sich aus der nachfolgenden Begründung ergibt, die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die [X.] im Verwaltungsprozess bereits hinlänglich geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist im Hinblick auf die Verletzung des [ref=[X.]-53ce-4cb6-a7c6-abc62a2808f5]Art. 19 Abs. 4 Satz 1 [X.]] durch den Beschluss des [X.] vom 19. März 2009 zulässig und offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]). Mit der Aufhebung dieses Beschlusses wird der Beschluss vom 23. Juni 2009 gegenstandslos.

1. Unzulässig ist allerdings die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da sie nicht näher begründet worden ist.

2. Zulässig ist hingegen die jedenfalls der Sache nach geltend gemachte Rüge einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Insbesondere hat der Beschwerdeführer in Bezug auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ([[X.]-[X.] Abs. 2 Nr. 3 [X.]]), dessen willkürliche Anwendung er ausschließlich rügt, den Rechtsweg ordnungsgemäß erschöpft.

Das Oberverwaltungsgericht beanstandet nicht, dass der Beschwerdeführer den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt hätte. Dafür ist auch nichts erkennbar.

Zwar beschränkt sich der Beschwerdeführer insoweit in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung auf die Forderung nach einer "höchstrichterlichen Klarstellung dahingehend, dass [X.]kunden ein subjektives Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von [X.]entgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. [X.] zusteht und dass eine Überprüfung aufgrund der Entgeltbestimmungen des [X.]gesetzes und der dazu ergangenen Verordnung erfolgt". Doch dürfen diese Ausführungen nicht isoliert betrachtet werden. Das verfassungsrechtliche Gebot, den Rechtsweg nicht in unzumutbarer Weise zu erschweren (ausführlich unten 3 b), zwingt die Oberverwaltungsgerichte und [X.]höfe bei der Prüfung der Zulassungsgründe dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>). Infolgedessen müssen auch die eingehenderen Ausführungen des Beschwerdeführers zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in die Betrachtung mit einbezogen werden. Bereits in diesen hatte der Beschwerdeführer - jedenfalls der Sache nach - darauf hingewiesen, dass das [X.] sich noch nicht mit der Frage, ob dem [X.]kunden ein Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 [X.] zusteht, beschäftigt hat. Schon hiermit hatte der Beschwerdeführer eine konkrete, seiner Auffassung nach noch nicht geklärte Rechtsfrage aufgeworfen, die für die Entscheidung des [X.] offensichtlich von Bedeutung war. Bei seinen Ausführungen zum Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO griff er dies offensichtlich lediglich noch einmal auf und verwies zudem in diesem Zusammenhang auf die Auffassung des [X.]s, dass die Genehmigung der - hier in Rede stehenden - [X.]entgelte auch von Kunden angefochten werden können (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.] -, NVwZ-RR 2008, [X.] <156 [Rn. 27 ff.]>).

Dass die Frage über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung hat, liegt auf der Hand. Sogar der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen im Ausgangsverfahren hält es für wünschenswert, "dass die damit zusammenhängenden Rechtsfragen auch Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung werden, um sie so einer endgültigen Klärung zuzuführen" (vgl. [X.]/Lünenbürger, DVBl 2009, S. 1458 <1465>). Angesichts dessen bedurfte es im vorliegenden Fall keines ausdrücklichen Hinweises auf die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtssache.

3. Der Beschluss des [X.] vom 19. März 2009 verletzt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Das [X.]hätte zur Klärung der Frage, ob ein [X.]kunde einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 [X.] hat, die Berufung zulassen müssen, da er das Vorliegen des [X.]des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ohne Verfassungsverstoß nicht verneinen konnte.

a) Die vom Beschwerdeführer insofern in erster Linie auf den allgemeinen Justizgewährungsanspruch gestützte Rüge bezieht sich der Sache nach auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der für den Bereich des Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt - wie die im Ausgangsverfahren angefochtenen [X.] - speziellen Regelung (vgl. [X.]E 107, 395 <403>).

b) Wenn prozessrechtliche Vorschriften Rechtsbehelfe vorsehen, verbietet die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten eine Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften, die die Beschreitung des Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren (vgl. [X.]E 77, 275 <284>; 78, 88 <99>; 84, 366 <369 f.>; 104, 220 <232>). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten. Deshalb dürfen insbesondere die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl. [X.]K 5, 369 <373>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, [X.], S. 1163 <1164>) und dadurch die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leer läuft (vgl. [X.]K 5, 369 <374>; 10, 208 <213>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 21. Januar 2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, S. 515 <516>). Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegungen der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise ebenso für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. [X.]K 10, 208 <213>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 21. Januar 2009, a.a.[X.]). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine den Zugang zur Berufung und damit in einem nächsten Schritt auch zur Revision erschwerende Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen, sich damit als objektiv willkürlich erweist und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).

c) Das Oberverwaltungsgericht hat den [X.] der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ([ref=79fb14b3-f49d-4637-a59d-7b209cfd71d5]§ 124 Abs. 2 Nr. 3 [X.]]) in sachlich nicht vertretbarer Weise angewandt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Es hätte der Rechtssache bei der gebotenen Berücksichtigung dieses Grundrechts grundsätzliche Bedeutung beimessen müssen.

Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts geboten erscheint; der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. [X.]K 10, 208 <214>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>).

Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob ein [X.]kunde einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 [X.] hat, erfüllt diese Voraussetzungen. Das [X.] hat sich mit ihr noch nicht beschäftigt. Der [X.] hat sie - anders als das Verwaltungsgericht, jedoch ohne Bindung für dieses - bejaht. Der Hinweis des [X.] in seinem Beschluss über die Anhörungsrüge vom 23. Juni 2009, das Urteil des [X.]s enthalte keine Ausführungen zu den [X.] verwaltungsgerichtlicher Klagen, verkennt, dass sich angesichts des Standpunkts des [X.]s, der im Übrigen ersichtlich davon ausgeht, dass der [X.]kunde nicht nur klagebefugt ist, sondern auch und vor allem einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit hat (vgl. Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.] -, NVwZ-RR 2008, [X.] <156>), die Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage auf die [X.]barkeit verengt hat.

In der zur [X.] der angegriffenen Entscheidungen vorhandenen Literatur wurde die Frage auch unterschiedlich beantwortet (vgl. Lübbig, in: Beck'scher [X.]-Kommentar, 2. Auflage 2004, § 22 Rn. 65 ff. einerseits, Gramlich, [X.], S. 816 <823> andererseits; siehe neuerdings auch [X.]/Lünenbürger, DVBl 2009, S. 1458 ff.; [X.], in: [X.]/[X.], Regulierungsrecht, 2010, § 11 Rn. 74 mit [X.]. 144; vgl. ferner [X.], [X.], [X.] ff. zur [X.]).

Die Zuerkennung der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO durch die Verwaltungsgerichte ist für den [X.]kunden ohne Wert, wenn im Rahmen der Begründetheit der Klage ausschließlich darauf abgestellt wird, dass selbst bei Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts eine Verletzung in eigenen Rechten ausscheidet. Mit seinem Standpunkt stellt das [X.]den Beschwerdeführer, was die obergerichtliche und in einem sich dann möglicherweise anschließenden Revisionsverfahren höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Frage betrifft, praktisch [X.], da der [X.] insofern die Verwaltungsgerichte am Zuge sieht, bei diesen aber die [X.] verweigert wird.

Die Begründung des [X.] dafür, dass der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vorliegen soll, ist nicht vertretbar. Der Beschwerdeführer wollte offensichtlich geklärt wissen, ob ein Kunde der Beigeladenen einen Anspruch auf eine inhaltliche Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung hat. Das Oberverwaltungsgericht geht hingegen von der von ihm im Rahmen des [X.] des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angenommenen "fehlenden Verletzung des [X.] in eigenen subjektiven Rechten" sowie der "individuellen Wertung der [X.] in Bezug auf den Kläger" aus. Dass sich der Beschwerdeführer von anderen Kunden der Beigeladenen unterscheiden soll, behauptet das Oberverwaltungsgericht indes nicht und ist auch nicht ersichtlich. Auch die Ausführungen des [X.] (sowie des [X.]) zur (angeblich) fehlenden Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten gehen nicht vom Einzelfall aus, sondern beanspruchen ersichtlich Geltung für alle [X.]kunden und hätten deshalb einer grundsätzlichen Klärung bedurft.

4. Da die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses bereits auf der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wegen der Nichtzulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht, bedarf es keiner Entscheidung, ob das Oberverwaltungsgericht mit der - vom Beschwerdeführer ohnehin nicht ausdrücklich gerügten - Verneinung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Urteile (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ebenfalls die Garantie effektiven Rechtsschutzes verletzt hat.

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Die Festsetzung des [X.] erfolgt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. [X.]E 79, 365 <366 ff.>). Der Wert von - hier wegen der drei Ausgangsverfahren dreimal - 8.000 € entspricht demjenigen, der in der Regel festgesetzt wird, wenn einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben wird. Er erscheint auch hier angemessen. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen hier Besonderheiten auf, die eine Abweichung veranlassen würden. Eine Festsetzung, die am Streitwert des Ausgangsverfahrens orientiert ist, ist nicht angezeigt, denn mit der stattgebenden Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ist keine Vorwegnahme der nach Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht zu treffenden Entscheidung verbunden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1764/09

22.08.2011

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 23. Juni 2009, Az: 13 A 798/09, Beschluss

Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 1 Abs 2 PEntgV, § 21 Abs 1 Nr 2 PostG 1998, § 22 Abs 2 PostG 1998, § 22 Abs 3 PostG 1998, § 23 Abs 2 PostG 1998, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.08.2011, Az. 1 BvR 1764/09 (REWIS RS 2011, 3835)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3835

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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15 CE 16.1333

5 S 74/20

9 K 2068/20

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