Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.12.2016, Az. 29 W (pat) 3/16

29. Senat | REWIS RS 2016, 1339

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Dolce Italia" – Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 002 199.7

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 6. Dezember 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die [X.]ezeichnung

2

[X.] [X.]

3

ist am 5. Januar 2015 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für die Dienstleistungen der

4

Klasse 35: [X.]ereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Dienstleistungen einer Im- und Exportagentur; Dienstleistungen einer Marketingagentur,

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angemeldet worden.

6

Mit [X.]eschluss vom 10. September 2015 hat die Markenstelle für Klasse 35 des [X.] die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das Anmeldezeichen sei [X.] aus auch im Inland bekannten Wörtern gebildet und werde von den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres in der [X.]edeutung „Süßes [X.]“ erfasst. Damit weise es in glatt beschreibender Form auf Art, Thema und geografischen [X.]ezug der beanspruchten Dienstleistungen hin, nämlich dass es sich um Produkte und Dienstleistungen handle, die mit der [X.] Lebensweise zu tun hätten. Ob ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vorliege, wofür ebenfalls einiges spreche, könne aufgrund der bereits fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.

7

Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

8

den [X.]eschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 10. September 2015 aufzuheben.

9

Er verweist darauf, dass das Anmeldezeichen bereits als nationale Marke unter seinem Namen eingetragen gewesen sei. Zwar sei es einleuchtend und nachvollziehbar, dass das Adjektiv „dolce“ inzwischen bei [X.] mit „dolce vita“ und „dolce far niente“ assoziiert werde. In diesem Fall handle es sich aber um ein Adjektiv und werde daher im [X.] klein geschrieben. [X.]eim angemeldeten Zeichen sei hingegen das Wort „[X.]“ ein Personenname bzw. Familienname, der insbesondere in [X.] und [X.] sehr verbreitet sei, und als solcher werde er entsprechend der [X.] Orthografie groß geschrieben. [X.]ei der vorliegenden Markenanmeldung stehe also der Familienname „[X.]“ im Vordergrund. In § 3 Abs. 1 [X.] seien Personennamen ausdrücklich als markenfähig aufgeführt. „[X.]“ sei daher sehr wohl ein Unterscheidungsmerkmal.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die nach § 66 [X.] zulässige [X.]eschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Einer Eintragung der [X.]ezeichnung „[X.] [X.]“ steht für die beanspruchten Dienstleistungen das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2010, 228 Rn.  33 - [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 608 Rn. 66 f. - [X.]; [X.], 934 Rn. 9 - [X.]; [X.], 173, 174 Rn. 15 - for you; [X.], 731 Rn. 11 - [X.]; [X.], 1396 - [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] - [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] - [X.]; a. a. [X.] - for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. [X.] - [X.]; a. a. [X.] - for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen [X.]estandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden [X.]etrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428 Rn. 53 - [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 10 - [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 - for you; [X.] GRUR 2001, 1151 -marktfrisch; [X.] 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Maßgeblich für die [X.]eurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] [X.], 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise ([X.] GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943 Rn. 24 - [X.] 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 - [X.]). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen das fragliche Zeichen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der [X.] als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ([X.] GRUR 2006, 411, 413 Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden [X.]egriffsinhalt zuordnen ([X.] GRUR 2004, 674, Rn. 86 - Postkantoor; [X.] [X.], 1143 Rn. 9 - [X.]; [X.], 270 Rn. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] GRUR 2014, 872 Rn. 21 - [X.]; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 - [X.]!). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender [X.]ezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] GRUR 2014, 1204 Rn. 16 - [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 - [X.]; a. a. [X.] Rn. 23 - [X.]!).

b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt die angemeldete [X.]ezeichnung „[X.] [X.]“ nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

[X.]ei der [X.]ezeichnung „[X.] [X.]“ handelt es sich um eine Wortkombination der Welthandelssprache [X.]isch, die im [X.] die [X.]edeutung „Süßes [X.]“ besitzt. Sie wird von den hier angesprochenen inländischen Endverbrauchern ohne weiteres, nicht zuletzt wegen der Häufigkeit von Reiseaufenthalten in [X.] und von [X.]esuchen [X.] Restaurants in [X.] (wo auf den dortigen Speisekarten vielfach das [X.] Wort „Dolci“ für die Nachspeisen bzw. Desserts verwendet wird), heute nahezu durchweg auch so verstanden. Dies gilt umso mehr für den ohnehin sprachkundigen Handel, der - wie oben bereits angeführt - als maßgeblicher Verkehrskreis bei der Entscheidung ebenfalls zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 27.05.2014 29 W (pat) 41/12 – CAMOMILLA).

Die Wortfolge wird in der [X.]edeutung „Süßes [X.]“ - vergleichbar der Kombination „[X.] [X.]“ („Schönes [X.]“, [X.], [X.]eschluss vom 08.09.1999, 26 W (pat) 47/99) - als positive Darstellung [X.] Produkte und Lebensweisen angesehen. Das angesprochene Publikum wird das Anmeldezeichen wegen der funktionellen Nähe der Dienstleistungen zu den Waren, mit denen Handel getrieben werden soll, nicht als betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur als werbliche Sachaussage verstehen; „[X.] [X.]“ gibt mithin einen schlagwortartigen, anpreisenden Hinweis auf das Sortiment des beanspruchten Online-Marktplatzes bzw. auf die Art und Herkunft der gehandelten Produkte der Im- und Exportagentur. In [X.]ezug auf die Marketingagentur kann die Angabe darauf hinweisen, dass das Angebot auf den [X.] Markt oder auf [X.] Produkte ausgerichtet ist.

[X.]ereits die einzelnen Angaben „[X.]/süß“ und „[X.]/[X.]/italienisch“ sind beliebte [X.] (vgl. [X.]). Zudem wird mit der konkreten Wortkombination „[X.] [X.]“ – wie auch mit der [X.] Kombination „Süßes [X.]“ – bereits vielfach in entsprechendem Sinne geworben. Die dem [X.]eschwerdeführer vorab übermittelten Ergebnisse der Internetrecherche des Senats ([X.]l. 16-30 d. A.) wie schon die von der Markenstelle ermittelten [X.] verdeutlichen dies, vgl. unter anderem:

[X.] – Süße Leckereien und selbstgemachter Likör aus [X.] (italianissimo);

Süßes [X.] – [X.] und [X.] Traditionen“;

[X.] [X.]“, Artikel über [X.] Designer;

süßes italien rezept“;

Süßes [X.] Rezepte“;

[X.] [X.]“.

Einigen [X.]n ist zudem zu entnehmen, dass mit der Wortbildung von „Süßes…“ in Verbindung mit einer Länderangabe auf besondere, süße Lebensmittelprodukte oder länderspezifische Süßspeisen-Rezepte hingewiesen wird; vgl. z. [X.]. „Süßes [X.] – Kaffeehaus Traditionen“, „süßes [X.]: [X.]“, „[X.] – [X.]“, „Süßes Frankreich – Rezepte“, „Süßes Oberösterreich“.

Die [X.]edeutung der angemeldeten [X.]ezeichnung „[X.] [X.]“ erschöpft sich vorliegend damit im Hinweis auf Dienstleistungen, die in Zusammenhang mit [X.] Produkten, [X.]m Lebensstil oder dem Land [X.] stehen.

Der Umstand, dass „[X.]“ großgeschrieben ist und es sich daher auch um einen [X.] Namen handeln kann, steht dieser [X.]eurteilung nicht entgegen. Zum einen ist in den recherchierten [X.] ebenfalls eine Großschreibung festzustellen, so dass der inländische Verbraucher - der mit den Regeln der [X.] Grammatik zur Groß- und Kleinschreibung ohnehin kaum vertraut sein dürfte - die [X.]ezeichnung gar nicht als orthografisch unrichtig erkennt. Zum anderen handelt es sich bei „[X.]“ auch nicht um einen in [X.] bekannten [X.] Namen; die [X.]edeutung des Wortes „[X.]“ im Sinne von „süß“ steht hier deshalb, vor allem auch im Hinblick auf die nachfolgende Angabe „[X.]“, ersichtlich im Vordergrund. Im Übrigen wurde auch die Schutzfähigkeit des vergleichbaren Anmeldezeichens „[X.] [X.]“ verneint ([X.], [X.]eschluss vom 08.09.1999, 26 W (pat) 47/99), obwohl „[X.]“ dort ebenfalls mit einem großen „[X.]“ angemeldet wurde und es sich bei „[X.]“ um einen Vor- wie auch Nachnamen handelt. Schließlich reicht es zur Schutzversagung aus, dass das Anmeldezeichen in

Soweit der [X.]eschwerdeführer darauf hinweist, dass die [X.]ezeichnung „[X.] [X.]“ bereits im Markenregister des [X.] für ihn unter der Nummer 301 07 957 eingetragen war, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn zum einen war diese Marke nicht wie hier für Dienstleistungen eines Online-Marktplatzes bzw. einer Im- und Exportagentur, sondern für andere Dienstleistungen, nämlich für Werbung, Telekommunikation, Unterhaltung und sportliche und kulturelle Aktivitäten geschützt, so dass die Zeichen schon aus diesem Grunde nicht vergleichbar sind. Zum anderen handelte es sich um eine Wort-/[X.]ildmarke. Soweit ein Zeichen aber neben einem schutzunfähigen Wortbestandteil einen schutzfähigen [X.]estandteil – wie z. [X.]. eine besondere Grafik aufweist – steht einer Eintragung nichts im Wege. [X.] ist hier aber die Anmeldung allein des Wortzeichens „[X.] [X.]“.

2. Da schon das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] für die beanspruchten Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist.

Meta

29 W (pat) 3/16

06.12.2016

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.12.2016, Az. 29 W (pat) 3/16 (REWIS RS 2016, 1339)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1339

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