Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.06.2012, Az. 27 W (pat) 549/11

27. Senat | REWIS RS 2012, 5739

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Eure - I (Wort-Bild-Marke)/EURO I (Wort-Bild-Marke)" – Waren- und Dienstleistungsidentität sowie hochgradige -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 034 304.4

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 12. Juni 2012 durch [X.] [X.], [X.] und Richterin Werner

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.  

1

Gegen die am 27. Mai 2008 angemeldete und am 10. Dezember 2008 eingetragene farbige (dunkelblau/weiß) Wort-/Bildmarke 30 2008 034 304

Abbildung

2

hat die Widersprechende am 7. April 2009 aus ihrer am 9. Januar 2008 angemeldeten farbigen (gelb, grün, blau, rot, grau, schwarz) Wort-/Bildmarke 30 2008 001 231

Abbildung

3

die seit 11. Juni 2008 für

4

9: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Multimediasysteme und Produkte für Multimediasysteme, nämlich Software für [X.], Contentmanagement und Kundenmanagement; Ton- und Bildaufzeichnungsgeräte, Ton- und Bildübertragungsgeräte sowie Ton- und Bildwiedergabegeräte; telefonische Übertragungsapparate, Anzeigegeräte, Monitore, Bildfunkgeräte, Lautsprecherboxen, Set-Top-Boxen für die Verwendung als oder mit einem Fernsehempfänger, Empfangsgeräte, geldbetätigte Vorrichtungen für Fernsehapparate, Unterhaltungsgeräte, Fernsehapparate, Musikautomaten, Musikboxen, Videoaufzeichnungsgeräte, Videorecorder, Sender für elektronische Signale, Videospiele als Zusatzgeräte für Fernsehapparate, Telekommunikationseinrichtungen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Codierer; Datenträger, Magnetdatenträger, Magnetkarten, optische Datenträger, [X.], Disketten; Computersoftware, [X.], [X.]; Computerperipheriegeräte, Modems, Scanner, Tastaturen, Buchungsmaschinen, Lesegeräte, insbesondere für Magnetkarten, Chipkarten und Geldkarten; sämtliche vorstehend genannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten

5

35: Werbung, Werbung durch Werbeschriften, Herausgabe von Werbetexten, Verbreitung von Werbeanzeigen, Fernsehwerbung, Rundfunkwerbung, Verkaufsförderung, Aktualisierung von Werbematerial, Vermietung von Werbeflächen und Werbematerial, Verteilung von Werbematerial; Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Hilfe bei der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben, insbesondere mittels Bereitstellen einer Multimediaplattform zur Durchführung von Online-Handel; Schreibarbeiten, nämlich das Registrieren, Abschreiben, Verfassen, Zusammenstellen, Übermitteln oder das systematische Ordnen von schriftlichen Mitteilungen und Aufzeichnungen, soweit in Klasse 35 enthalten; Zusammenstellung von, insbesondere mathematischen oder statistischen, Daten in Datenbanken sowie schriftlichen Mitteilungen und Aufzeichnungen; Textverarbeitung und Dateienverwaltung mittels Computer; Bereitstellen und Verwalten personenbezogener Daten für die Durchführung eines Online-Handels; Erstellen von Abrechnungen, Aufstellung von Kosten-Preis-Analysen

6

38: Telekommunikation; Ausstrahlung von Rundfunksendungen, Fernsehprogrammen, Kabelfernsehsendungen und Hörfunksendungen, insbesondere von interaktivem Fernsehen; Übermittlung von elektronischen Nachrichten, Daten sowie schriftlichen Mitteilungen und Aufzeichnungen; Sammeln und Liefern von Multimediainhalten, Nachrichten und Pressemeldungen; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer, elektronische Nachrichtenübermittlung, Vermietung von Geräten zur Nachrichtenübertragung

7

41: Unterhaltung, Rundfunkunterhaltung, Fernsehunterhaltung; Vermietung von Fernseh- und Rundfunkgeräten; Zusammenstellung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Filmproduktion, Videofilmproduktion; Filmverleih, Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung, Durchführung von Lifeveranstaltungen, Produktion von Shows, Betrieb von Tonstudios, Vermietung von Tonaufnahmen

8

eingetragen ist, Widerspruch hinsichtlich der für das angegriffene Zeichen eingetragenen Waren und Dienstleistungen

9

9: [X.] ([X.], Festspeicher), [X.] (Ton, Bild), [X.], [X.] (gespeichert), Datenträger, optische Datenträger, Magnet-Disketten, kinematografische Filme (belichtet), Filme (Zeichentrick), bespielte Ton-, Bild- und Datenträger, insbesondere Hörbücher; elektronische Publikationen (herunterladbar), insbesondere Hörbücher; alle vorgenannten Waren ausgenommen solche eines die Texte von Musikwerken betreffenden Inhalts

16: [X.], insbesondere Bücher, [X.]ungen, [X.]schriften, Broschüren, Bilder, grafische Reproduktionen, Kalender, Karten, fotografische Kunstgegenstände, Plakate, Karten, Prospekte, Fotografien, Abziehbilder, Aufkleber, Stickers (Papeteriewaren), Blöcke (Papier- und Schreibwaren), Bücher (kleine), [X.], Kataloge, Magazine ([X.]schriften), Postkarten

38: Sammeln, Liefern (im Rahmen der Dienstleistungen von Presseagenturen) und Übermittlung von Nachrichten, auch mittels Computer und online, elektronische Bildübermittlung, auch über das [X.], Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im [X.]; Bereitstellen von Portalen und Plattformen im [X.]

41: Dienstleistungen eines Verlages (ausgenommen Druckarbeiten) insbesondere Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, [X.]ungen und [X.]schriften und von Texten (ausgenommen Werbetexte), Veranstaltung und Organisation von Ausstellungen für kulturelle Zwecke, Unterhaltung, Verfassen von Drehbüchern, Bereitstellen von elektronischen Publikationen, nicht herunterladbar; Publikation von [X.]schriften und Büchern auch in elektronischer Form, auch im [X.]

eingelegt.

Die Markenstelle hat den Widerspruch mit [X.]uss vom 28. Juni 2011 mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, bei einem visuellen Gesamtvergleich der Marken komme keine Verwechslungsgefahr in Betracht, denn die Marken unterschieden sich deutlich durch die farbige und bildliche Ausgestaltung.

Bei der ebenfalls zu berücksichtigenden mündlichen Wiedergabe der [X.]n komme dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu. Trotz der Übereinstimmung in den Wortanfängen reiche die Fortsetzung mit den unterschiedlichen Buchstaben „E und „O“ schriftbildlich und klanglich aus, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Der Wortteil „[X.]" präge die jüngere Marke nicht.

Es bestehe auch nicht die Gefahr von Verwechslungen im weiteren Sinne, da „[X.]“ in der jüngeren Kombination keine selbstständig kennzeichnende Stellung habe. Der mit der Widerspruchsmarke identische Bestandteil „[X.]" bilde mit dem weiteren Bestandteil „e - I" eine Gesamtbezeichnung.

Dieser [X.]uss wurde der Widersprechenden am 1. Juli 2011 zugestellt.

Die Widersprechende hat am 29. Juli 2011 Beschwerde eingelegt. Sie war im Verfahren vor der Markenstelle der Auffassung, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien teilweise identisch und sonst ähnlich. In beiden Marken seien „[X.]O“ und „I“ prägend sowie dominierend.

Darauf hat sie im Beschwerdeverfahren Bezug genommen und beantragt,

den [X.]uss der Markenstelle im schriftlichen Verfahren aufzuheben.

Demgegenüber beantragt der Inhaber des angegriffenen Zeichens,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde, über die, nachdem der Beschwerdegegner, hinreichend [X.] zur Stellungnahme auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin hatte (vgl. [X.] 19, 225, 227 ff.; 23, 171; [X.], 223, 224 - [X.]), ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, weil kein Beteiligter eine solche beantragt hat und auch der [X.] eine solche für entbehrlich erachtet, hat in der Sache keinen Erfolg.

Eine Gefahr von Verwechslungen zwischen den [X.]n nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kann nicht festgestellt werden.

1)

Zwischen den für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren, Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie Art und Aufmerksamkeit des beteiligten Publikums, besteht eine Wechselwirkung. So kann etwa ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Dienstleistungen oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt ([X.] GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE; [X.], 326 - IL PATRONE/PORTONE).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend keine Gefahr von Verwechslungen gegeben.

a)

Nachdem die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht strittig sein kann, ist bei der Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit für die Widerspruchsmarke von den im Register eingetragenen Waren und Dienstleistungen auszugehen. Damit stehen einander z. B. hinsichtlich der Datenträger in Klasse 9 und der Dienstleistungen in Klasse 38 identische sowie hochgradig ähnliche Waren und Dienstleistungen gegenüber.

b)

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke von wesentlicher Bedeutung, sei es als Kennzeichnungskraft von Haus aus, sei es als eine [X.] erworbene (vgl. [X.] GRUR 1998, 387, Rn. 24 - [X.]/[X.], [X.], 594, 597 - FERRARI-PFERD).

[X.] spielt nicht nur im Rahmen der Wechselwirkung der verschiedenen Beurteilungsfaktoren eine Rolle.

Besteht das angegriffene Zeichen wie hier aus mehreren Bestandteilen, so ist er ebenso bei der Prüfung, welche Bestandteile kollisionsbegründend sind, zu berücksichtigen (vgl. [X.], 880, 881 - [X.], [X.], 198, 199 - [X.] RAUBKATZE).

Die Widerspruchsmarke ist im Gesamteindruck durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Mangels einer Kennzeichenkraft des Bestandteils [X.]O ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aber auf den Gesamteindruck beschränkt.

c)

Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände sind zum Teil überdurchschnittliche Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand im Gesamteindruck zu stellen, um eine Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinn auszuschließen.

aa)

Bildlich unterscheiden sich die Marken aufgrund ihrer jeweiligen graphischen Gestaltung ausreichend.

Allerdings kann eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr auch gegeben sein, wenn der Gesamteindruck der mehrbestandteiligen Marke gerade durch den mit der [X.] übereinstimmenden Bestandteil geprägt wird und die übrigen Bestandteile demgegenüber weitgehend in den Hintergrund treten und für den Gesamteindruck des Zeichens vernachlässigt werden können ([X.], 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 - [X.]). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich grundsätzlich allein anhand der betreffenden Marke selbst, d. h. ohne Rücksicht auf die [X.] (BGH [X.], 198, 199 - Springende Raubkatze; [X.], 895, 896 - [X.]; GRUR 2002, 342, 343 - [X.]/[X.]). Nach diesen Grundsätzen kann eine den Gesamteindruck prägende und damit kollisionsbegründende Stellung der Bestandteile „[X.]O I und „eure I“ nicht bejaht werden.

Der Wortbestandteil „[X.]O“ hat auch keine selbständig kennzeichnende Stellung im Gesamteindruck der Widerspruchsmarke, da er auf [X.] bzw. die Währung [X.]O hinweist (vgl. [X.], [X.]. v. 12.1.1996 - 32 W (pat) 96/95 [X.]/Eurospar).

Ist der Schutzumfang einer Marke aber auf den Gesamteindruck mit bildlicher Ausgestaltung beschränkt, kann eine Verwechslungsgefahr im Rechtssinne nur angenommen werden, wenn die zu vergleichenden Marken auch in der Graphik einander verwechselbar nahekommen. Schutzunfähige Angaben, wie [X.]O, können nicht Grundlage einer Verwechslungsgefahr sein ([X.] 1990, 453 - L-Thyroxin; [X.], 963 - [X.]/Antivirus; [X.], [X.]. v. 4.4.2006 - 24 W (pat) 113/04 - Fitamin/Vit-H-min; v. 14.2.2012 - 24 W (pat) 126/10 - Coffea/Caffeo; [X.] GRUR-RR 2011, 462 Rn. 75 - [X.] B).

Im Gesamteindruck führen die unterschiedlichen Gestaltungen weder zu einer optischen Verwechslung noch zu einer gedanklichen Verbindung, zumal die Widersprechende keine entsprechende Markenserie mit dem Stammbestandteil „[X.]“ dargetan hat.

2)

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der [X.] hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] über einen Einzelfall entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer [X.]e des [X.] oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten - insbesondere auf Seiten der angegriffenen Marke - getroffen worden ist, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten in anderen, von der Widersprechenden zur Stützung ihrer Rechtsauffassung angeführten Entscheidungen ganz oder teilweise nicht vergleichbar sind.

3)

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 [X.]).

Meta

27 W (pat) 549/11

12.06.2012

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.06.2012, Az. 27 W (pat) 549/11 (REWIS RS 2012, 5739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5739

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