Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2013, Az. 4 StR 418/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 6245

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Konkurrenzen bei Betäubungsmitteldelikten: Gleichzeitige Zahlung alter und Abholung neuer Marihuanalieferung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. April 2012

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist;

b) hinsichtlich der Einzelstrafen für die Taten [X.] 2. b der Urteilsgründe und im [X.] aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 50 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und in deren Folge zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilaufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen bot der gesondert verfolgte [X.], der den Angeklagten schon früher über einen längeren [X.]raum mit Marihuana versorgt hatte, dem Angeklagten im Juli 2008 an, von ihm Marihuana in [X.] von mindestens 500 Gramm zu beziehen, um durch dessen Weiterverkauf Geld zu verdienen. Nach dem Vorschlag [X.]s sollte der Angeklagte das Marihuana auch „auf Kommission“ erwerben können, wobei er aber jeweils nur dann neues Marihuana erhalten werde, wenn er das zuvor gelieferte vollständig bezahle. Der Angeklagte, der mit der Weiterveräußerung des [X.] die finanzielle Situation seiner Familie aufbessern und zugleich seinen Eigenkonsum finanzieren wollte, nahm das Angebot an.

3

In der [X.] von Anfang Juli 2008 bis Ende August 2010 bezog der Angeklagte sodann in mindestens 50 Einzelfällen Marihuana von [X.]. Bei sieben Gelegenheiten im Jahr 2009 erwarb er jeweils 1.500 Gramm, in den übrigen Fällen jeweils 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5 % THC. In jedem Einzelfall erhielt der Angeklagte das Marihuana zunächst ohne Bezahlung und leistete diese regelmäßig dann, wenn er neues Marihuana bei [X.] abholte. Das Marihuana verkaufte der Angeklagte – jeweils abgesehen von zum Eigenkonsum dienenden Teilmengen von bis zu 70 Gramm – gewinnbringend an verschiedene Abnehmer weiter.

4

Ferner fuhr der Angeklagte einige [X.] vor [X.] 2010 zweimal im Auftrag des [X.] in die [X.], wo er von dessen Lieferanten nach  Übergabe des [X.] Marihuana in [X.] von 5.000 und 5.500 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 5 % THC übernahm. Das  Marihuana transportierte er jeweils nach [X.] und lieferte es – in einem Fall nach Entnahme einer Eigenbedarfsmenge – bei [X.] ab.

[X.]

5

1. [X.] in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen ([X.] 2. c der Urteilsgründe) ist nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Nachprüfung des  Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

6

2. Dagegen hält die Annahme von 50 selbständigen, real konkurrierenden Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in den Fällen [X.] der Urteilsgründe einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Da sich die Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Marihuanageschäfte teilweise überschneiden, sind die verschiedenen auf die jeweilige Handelsmenge bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verknüpft.

7

a) Das [X.] ist bei seiner Bewertung der Konkurrenzen im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme von Tateinheit nur in Betracht kommt, wenn mehrere Tatbestandsverwirklichungen dergestalt objektiv zusammentreffen, dass die Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Dagegen reichen ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel-Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht aus, Tateinheit zu begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 25. November 1997 – 5 StR 526/96, [X.]St 43, 317, 319; Urteil vom 16. Juli 2009 – 3 [X.], [X.], 97; vgl. [X.] in [X.], 12. Aufl., § 52 Rn. 20 [X.]). Eine Teilidentität der objektiven Ausführungshandlungen bei den unmittelbar aufeinander folgenden [X.]n hat die [X.] indes zu Unrecht verneint.

8

b) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2005 – [X.], [X.]St 50, 252, 256 [X.]), wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 487 ff. [X.]). Eine solche auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit liegt auch darin, dass sich der Zwischenhändler zu der Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor abgesprochene, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll (vgl. [X.], Beschluss vom 16. September 1997 – 1 [X.], [X.], 638; Urteil vom 20. August 1991 – 1 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28; [X.] 29 Rn. 420). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

9

Dem – weit [X.] ([X.], Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 [X.], aaO, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Übertragung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. [X.] erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf Seiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist (vgl. Urteile vom 7. Februar 2008 – 5 [X.], [X.], 465; vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, [X.]St 43, 158, 162; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 – 2 [X.], [X.], 75; vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, [X.], 42, 43; vom 27. Juni 2008 – 3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). So hat der [X.] bereits mehrfach entschieden, dass die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten zum Handel gehört und den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl. [X.], Urteil vom 20. März 1985 – 2 StR 861/84; Beschluss vom 5. November 1991 – 1 [X.], [X.], 161; Urteil vom 11. Juli 1995 – 1 [X.], [X.], 641; Beschlüsse vom 17. Mai 1996 – 5 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50; vom 21. Mai 1999 – 2 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 52; Urteil vom 7. Februar 2008 – 5 [X.] aaO).

c) Der Senat entnimmt den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, dass die jeweils nächste ganz überwiegend zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte [X.] mit [X.] bereits abgesprochen war, als der Angeklagte sich zu [X.] begab. Das Aufsuchen von [X.] diente daher sowohl der Übermittlung des Entgelts für die [X.], als auch der Abholung der vereinbarten neuerlichen [X.]. In diesem Teilakt überschneiden sich die objektiven Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden [X.], was eine [X.]e Verknüpfung sämtlicher auf die einzelnen [X.] bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten des Handeltreibens im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Folge hat (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Januar 2010 – 2 [X.], [X.], 97; offengelassen im Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11).

Durch das einheitliche Delikt des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG werden die [X.] verwirklichten, an sich rechtlich selbständigen 50 Taten des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG zu einer Erwerbstat verklammert, sodass sich der Angeklagte in dem unter [X.] der Urteilsgründe geschilderten Tatkomplex des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig gemacht hat.

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, wobei nach § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon abgesehen wird, die gleichartige Idealkonkurrenz in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für die Taten [X.] der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Die [X.] für die zwei Einfuhrtaten sind rechtsfehlerfrei und können bestehen bleiben. Einer Aufhebung der von der fehlerhaften konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht beeinflussten tatsächlichen Feststellungen zu den Strafaussprüchen bedarf es nicht. Ergänzende, zu der bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter bleiben möglich.

[X.][X.]

                   Bender                       [X.]

Meta

4 StR 418/12

25.04.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 11. April 2012, Az: 46 KLs 200 Js 1840/11 - 33/11

§ 29 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 52 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2013, Az. 4 StR 418/12 (REWIS RS 2013, 6245)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6245

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 418/12 (Bundesgerichtshof)


4 StR 188/14 (Bundesgerichtshof)


4 StR 223/13 (Bundesgerichtshof)

Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen zu Konkurrenzverhältnissen bei Betäubungsmitteldelikten: Verklammerung mehrerer selbständiger Einfuhrhandlungen …


4 StR 223/13 (Bundesgerichtshof)

Konkurrenzverhältnisse bei Betäubungsmitteldelikten: Verklammerung mehrerer selbständiger Einfuhrhandlungen durch einheitliche Tat des Handeltreibens


4 StR 275/19 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.