Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2018, Az. EnVR 5/17

Kartellsenat | REWIS RS 2018, 15211

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2018:230118BENVR5.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
EnVR
5/17

Verkündet am:

23. Januar
2018

Bürk

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Stadtwerke Wedel GmbH
VwVfG § 48 Abs. 1 Satz 1; [X.] § 12
Zum Anspruch eines Gasverteilernetzbetreibers auf eine neue Bestimmung der [X.] wegen einer fehlerhaften Berechnung des [X.] nach §
12 [X.].
BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 -
EnVR 5/17 -
[X.]

-
2 -
Der Kartellsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
Januar
2018
durch die Präsidentin des [X.] Limperg
und die Richter Dr.
Grüneberg, Dr.
[X.], [X.] und Dr.
Deichfuß
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss des Kartellsenats des [X.] in Schleswig
vom 1.
Dezember
2016
wird zurückgewiesen.
Die [X.]
hat die Kosten des [X.] einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin
zu tragen.
Der Wert für das
Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 27.794,51

festgesetzt.

-
3 -
Gründe:
I.
Die Antragstellerin
betreibt in [X.] ein Gasverteilernetz. Mit [X.] vom 4.
März 2014 bestimmte
die [X.] gegenüber der Antrag-stellerin die [X.] für die Jahre 2013 bis 2017. Dabei legte sie einen Effi-zienzwert von 86,9625% zugrunde, der von einem von ihr beauftragten Gutachter ermittelt worden war und der dabei -
was die [X.] zunächst nicht er-kannte -
fehlerhaft
und entgegen der Handhabung in der ersten [X.] den sogenannten [X.] nicht mit null ansetzte. Bei der üblichen Berechnung hätte sich ein [X.] von 87,5155% ergeben, wodurch die [X.] über die gesamte [X.] hinweg insgesamt 27.794,51

esen wären. Da der Methodenfehler für die Antragstellerin nicht erkennbar war, ließ sie den
Beschluss vom 4.
März 2014 bestandskräftig
werden.
Nachdem die [X.] Anfang des Jahres 2015 in anderem Zu-sammenhang die fehlerhafte
Berechnung der [X.] erkannt hatte, teilte sie dies der Antragstellerin mit Schreiben vom 7.
September 2015 mit und kündigte eine Korrektur der [X.] in all denjenigen Fällen an, in denen deren Bestim-mung noch nicht bestandskräftig war. Den Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung und Korrektur des Beschlusses vom 4.
März 2014 lehnte die [X.] mit Beschluss vom 22.
Februar 2016 mit der Begründung ab, dass zwar die Tatbe-standsvoraussetzungen des §
116 Abs.
1 Satz
1 des Allgemeinen Verwaltungsge-setzes für das Land [X.] (im Folgenden: LVwG) und des §
29 Abs.
2 Satz
1 [X.] gegeben seien, sie ihr insoweit eröffnetes Ermessen aber dahin aus-übe, den Bescheid vom 4.
März 2014 nicht zurückzunehmen.

1
2

-
4 -
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin
hat das Be-schwerdegericht den Beschluss aufgehoben und die [X.] verpflichtet, der Antragstellerin unter Aufhebung des Beschlusses vom 4.
März 2014 die Erlös-obergrenzen für die zweite [X.] unter Beachtung seiner Rechtsauf-fassung neu zu bestimmen. Dagegen wendet
sich die [X.]
mit der vom
Beschwerdegericht zugelassenen
Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde
ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung ([X.], [X.], 148) im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die [X.] habe den Antrag auf Neubescheidung zu Unrecht ab-gelehnt. Wegen einer Ermessensreduzierung auf Null habe die Antragstellerin ge-mäß §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG, §
83 Abs.
4 [X.] einen Anspruch auf eine neue Bestimmung ihrer [X.] auf der Grundlage eines korrigierten Effizienz-werts von 87,5155%.

Nach §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG könne ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Vorschrift sei auf die von der Antragstellerin erstrebte Änderung der Bestimmung der Erlös-obergrenze anwendbar, weil das mit der Änderung verbundene günstigere Ergebnis dazu führe, dass der bestandskräftige Verwaltungsakt vom 4.
März 2014 als ein be-lastender Verwaltungsakt einzustufen sei. Der
Verwaltungsakt sei -
was auch die [X.] einräume -
rechtswidrig, weil bei der
Bestimmung des Effizienz-werts der [X.] in einer wissenschaftlich nicht vertretbaren Art und Weise berück-sichtigt worden sei und zudem der Gesichtspunkt regulatorischer Konsistenz und Gleichbehandlung gegen eine Änderung
des bisherigen Vorgehens gesprochen ha-be.
3
4
5
6
7

-
5 -
Aufgrund dessen habe die Antragstellerin gegen die [X.] ge-mäß §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG, §
83 Abs.
2 [X.] im Hinblick auf eine Neube-scheidung einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens. Der angefoch-tene Beschluss vom 22.
Februar 2016 sei indes ermessensfehlerhaft. Zwar stelle allein die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes noch keinen
Grund für dessen Rücknahme dar, weil es sich dabei lediglich um eine Tatbestandsvoraussetzung handele. Regelmäßig
komme aber bei -
wie hier -
belastenden Verwaltungsakten bei der [X.] gegenüber dem Ge-sichtspunkt der Rechtssicherheit der höhere Rang zu. Dies gelte zumal dann, wenn
-
wie hier -
für den Betroffenen keine Möglichkeit bestanden habe, die Rechtswidrig-keit zu erkennen und in einem Beschwerdeverfahren geltend zu machen. Soweit die [X.] die Interessen der Netznutzer an einer Aufrechterhaltung der bestandskräftigen Entscheidung höher bewerte als das Interesse der Antragstellerin, sei dies unvertretbar. Die Bestimmung der [X.] stehe in einem Span-nungsfeld zwischen einer preisgünstigen und effizienten Energieversorgung einer-seits und dem Anspruch der Netzbetreiber auf eine angemessene, wettbewerbsfähi-ge und risikoangepasste Verzinsung des eingesetzten Kapitals andererseits. Nach dem gesetzgeberischen Konzept stelle (nur) die richtig ermittelte Erlösobergrenze den gebotenen sachlichen Ausgleich in diesem Spannungsfeld dar. Das [X.] nichts dafür her, dass bei einer fehlerhaften Bestimmung der Erlösobergrenze den Interessen der Netznutzer der Vorrang gebühre. Nicht nachvollziehbar seien schließ-lich die Erwägungen der [X.], eine Wiederherstellung des "mög-licherweise erschütterten Vertrauens" in ihre Tätigkeit werde bereits durch eine Kor-rektur der noch nicht bestandskräftigen Bescheide erreicht, während eine "flächen-deckende Aufhebung" auch von bestandskräftigen Festlegungen von Erlösobergren-zen das Vertrauen in deren Bestand maßgeblich erschüttern würde.
Der Anspruch der Antragstellerin auf eine Neubescheidung beinhalte vorlie-gend aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null
gemäß §
83 Abs.
4 [X.] die Verpflichtung der [X.], die Bestimmung der [X.] nach Maßgabe des richtigen [X.]s zu korrigieren.
Bei im Ergebnis belastenden 8
9

-
6 -
Verwaltungsakten sei eher ein Vorrang des Aspektes der Gesetzmäßigkeit der Ver-waltung anzunehmen. Dies müsse insbesondere bei der Bestimmung des [X.] gelten, weil insoweit das Vorgehen und das Ergebnis der [X.] nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar und auch tatsächlich von einem [X.] Dritten nicht vollständig nachvollziehbar oder überprüfbar seien. Aufgrund dessen müsse der einzelne Netzbetreiber auf die Sachkompetenz der [X.] vertrauen. Die Kehrseite dieses Vertrauens seien indes gesteigerte [X.] an die Behörde, Fehler im Rahmen des Möglichen zu berichtigen. Die Bun-desnetzagentur könne dem nicht entgegenhalten,
an dem Fehler selbst schuldlos gewesen zu sein; denn dessen Auftreten entstamme ihrem Verantwortungsbereich. Eine Unterscheidung der Korrektur nach bestandskräftigen und nicht bestandskräfti-gen Festlegungen der [X.] sei nicht sachgerecht; §
21a Abs.
3 Satz
3 [X.] lasse sich lediglich ein [X.] Verböserungsverbot entnehmen, aufgrund dessen es -
wie hier nicht -
nicht zu einer Verschlechterung des [X.] kommen dürfe. Gegen eine Neubescheidung nach Maßgabe des berichtigten [X.]s spreche schließlich auch nicht der verhältnismäßig geringe Vorteil für die Antragstellerin, weil die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen keine Wert-grenze vorsähen.
2.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a)
Nach §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommenen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben.
aa) Die Vorschrift ist vorliegend anwendbar, weil die [X.] als Landesregulierungsbehörde des Landes [X.] gehandelt hat. Die Norm wird nicht durch §
29 Abs.
2 Satz
1 [X.] verdrängt. Denn dabei handelt es sich um einen eigenständigen Tatbestand, der gemäß §
29 Abs.
2 Satz
2 [X.] die allge-meinen Vorschriften in §§ 48 und 49 VwVfG unberührt lässt (Senatsbeschluss vom 10
11
12

-
7 -
12.
Juli 2016 -
EnVR
15/15, [X.], 532 Rn.
24 -
Unbefristete Genehmigung). Für die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften -
wie hier §§
116, 117 LVwG -
gilt dies gleichermaßen.
bb) Der Bescheid der [X.] vom 4.
März 2014 ist rechtswidrig.
Für das Merkmal der Rechtswidrigkeit i.S.d. §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG kommt es -
wie bei der gleichlautenden Vorschrift des §
48 Abs.
1 Satz
1 VwVfG -
grund-sätzlich darauf an, ob der Verwaltungsakt, um dessen Rücknahme es geht, zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war (vgl. [X.]E 121, 226, 229; 143, 87 Rn.
43). Dies war nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angefochtenen Fest-stellungen des Beschwerdegerichts der Fall, weil bei der Bestimmung des Effizienz-werts der [X.] in einer wissenschaftlich nicht vertretbaren Art und Weise berück-sichtigt worden ist. Dagegen ist nichts zu
erinnern.
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde
hat das [X.] zu Recht angenommen, dass die Rücknahme des
Bescheids
der Bundesnetz-agentur vom 4.
März 2014 nicht den für die Rücknahme begünstigender [X.] geltenden Einschränkungen des
§
116 Abs.
1 Satz
2 i.V.m. Abs.
2 bis 4 LVwG unterliegt, sondern nach §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG grundsätzlich im pflicht-gemäßen Ermessen der [X.] stand.
Nach der Legaldefinition in §
116 Abs.
1 Satz
2 LVwG ist ein begünstigender Verwaltungsakt ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat.
Bei der Festlegung der [X.] vom 4.
März 2014 handelt es sich -
isoliert betrachtet -
um einen Verwaltungsakt mit sowohl belastender als auch be-günstigender Wirkung. Begünstigend wirkt sich der Bescheid aus, weil er Vorausset-zung dafür ist, dass die Antragstellerin für die Nutzung ihres Gasverteilernetzes überhaupt Entgelte erheben darf. Belastende Wirkung kommt dem Beschluss vom 4.
März 2014 für die Antragstellerin als Adressatin, auf deren Sicht es insoweit maß-13
14
15
16
17

-
8 -
geblich ankommt (vgl. dazu [X.]E 143, 87 Rn.
46 mwN
zu §
48 VwVfG),
jeden-falls insoweit zu, als die von der [X.] bestimmten [X.] zu niedrig festgesetzt werden. Zwar sind derartige Verwaltungsakte mit Mischwirkung nach allgemeiner Ansicht insgesamt als begünstigend zu behandeln und den stren-geren [X.] des
§
116
Abs.
2 bis 4 LVwG zu unterstellen, sofern sich begünstigende und belastende Elemente nicht voneinander trennen [X.] (vgl. [X.]
aaO
Rn.
47 mwN). Dies ist jedoch nur bei einer ersatzlosen Auf-hebung des Verwaltungsakts [X.], nicht hingegen in dem -
wie hier -
als Teilaufhebung zu behandelnden Fall einer Änderung des Verwaltungsakts. In einem derartigen Fall kommt es vom Interessenstandpunkt des Betroffenen aus nicht darauf an, ob der zu ändernde Verwaltungsakt begünstigend oder belastend ist, son-dern darauf, ob die Änderung begünstigend oder belastend
wirkt. Wird ein [X.] Verwaltungsakt in einer für den Betroffenen
vorteilhaften Weise geändert, ist die zu
seinen Gunsten wirkende Änderung daher nach den Regeln über die [X.] und den Widerruf belastender Verwaltungsakte zu beurteilen (vgl. [X.] aaO).
b) Entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde hat das [X.] rechts-
und verfahrensfehlerfrei angenommen, dass die [X.] das ihr nach §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
aa) Eine
Ermessensentscheidung ist nach den -
was §
83 Abs.
5 [X.]
zeigt

auch im Energiewirtschaftsrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen gericht-lich nur daraufhin überprüfbar, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermes-sens überschritten (Ermessensüberschreitung), ihr Ermessen überhaupt nicht aus-geübt (Ermessensnichtgebrauch) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensfehl-gebrauch;
vgl. Senatsbeschluss vom 3.
Juni 2014 -
EnVR
10/13, [X.], 29 Rn.
15 -
Stromnetz Homberg).

18
19

-
9 -
bb) Von diesen Maßgaben ist das Beschwerdegericht ausgegangen und hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht
einen Ermessensfehlgebrauch der Bundes-netzagentur bejaht.
Diese hat bei der Abwägung der für und gegen eine Rücknahme sprechenden öffentlichen und privaten Belange nicht alle nach Lage der Dinge maß-geblichen Umstände berücksichtigt und rechtsfehlerfrei gewichtet.
Die [X.] hat zwar in dem angefochtenen Bescheid das öffentli-che Interesse an der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einerseits und das Bedürfnis nach Rechtssicherheit andererseits in ihre Ermessenserwägungen eingestellt und dabei auch die Interessen der Antragstellerin, der übrigen Netzbetreiber und der Netznutzer berücksichtigt. In die Abwägung hat sie aber nur unzureichend einbezo-gen, dass die Ursache für die Rechtswidrigkeit der Festlegung der [X.] allein in ihrem Verantwortungsbereich gelegen hat und für die Antragstellerin zu kei-nem Zeitpunkt erkennbar war, so dass diese
-
zumal im Rahmen der ohnehin nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21.
Januar 2014 -
EnVR
12/12, [X.], 276 Rn.
27 -
Stadtwerke [X.] GmbH)
-
keine Möglichkeit hatte, die Festlegung der [X.] im Hinblick auf den darin zu-grundegelegten [X.] gerichtlich überprüfen zu lassen.
Aufgrund dessen ist auch die Unterscheidung der [X.] zwi-schen noch nicht bestandskräftigen Festlegungen von [X.], bei denen eine Korrektur erfolgt, und -
wie hier -
bestandskräftigen Bescheiden nicht sachge-recht. Soweit der Senat in anderem Zusammenhang die eingetretene Bestandskraft einer allgemeinen Festlegung als eine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbe-handlung im Vergleich zu denjenigen
Netzbetreibern, die die Festlegung gerichtlich angefochten hatten, angesehen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 16.
Dezember 2014
-
EnVR 54/13, [X.], 183 Rn.
32 -
Festlegung Tagesneuwerte
II), beruhte dies gerade darauf, dass die Rechtswidrigkeit der Festlegung für jeden Netzbetreiber er-kennbar und damit einer -
erfolgreichen -
gerichtlichen Überprüfung zugänglich war.

20
21
22

-
10 -
c) Entgegen den Angriffen der Rechtsbeschwerde
hat das Beschwerdegericht auch rechts-
und verfahrensfehlerfrei angenommen, dass sich das der Bundesnetz-agentur von §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG eingeräumte Ermessen nach den Umständen des konkreten Einzelfalls dahin verdichtet hat, dass diese -
unter [X.] vom 4. März 2014 -
zu einer Neubescheidung der Antragstellerin unter Berücksichtigung des berichtigten
[X.] verpflichtet ist.
aa) Nach der Rechtsprechung des [X.], der sich der Senat anschließt, besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit aus-nahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwal-tungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist (vgl. nur [X.]E 121, 226, 230; 129, 367
Rn.
34; 143, 87 Rn.
51 mwN). Ob sich die [X.] des Verwaltungsakts als schlechthin unerträglich erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichts-punkte ab. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen [X.], da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Er-messensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann "schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedli-che Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche [X.] des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausge-übt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. nur [X.]E 143, 87 Rn.
51 mwN).

23
24

-
11 -
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Annahme einer Reduzierung des [X.]ermessens auf Null hier gerechtfertigt. Die [X.] ist
jedenfalls nach Treu und Glauben verpflichtet, die Antragstellerin -
unter [X.] vom 4.
März 2014 -
unter Zugrundelegung des korrigierten [X.] neu zu bescheiden.
(1) Die maßgebliche Ursache für die Rechtswidrigkeit der Bestimmung der [X.]n ist ausschließlich der Sphäre der [X.] zuzuordnen (zu diesem Aspekt siehe [X.]E 143, 87 Rn.
53). Dabei ist es unerheblich, ob die fehlerhafte Berechnung des von ihr beauftragten Gutachters für die Mitglieder der zuständigen [X.] erkennbar war. Ausschlaggebend
ist allein, dass der Gutachter im Auftrag der [X.] tätig geworden ist und sie sich dessen Arbeitsergebnisse zu Eigen
gemacht hat. Entscheidend kommt hinzu, dass dieser Fehler für die Antragstellerin nicht erkennbar war und sie -
wie bereits ausgeführt -
außerstande war, diesen zu benennen und gerichtlich geltend zu machen.

Aufgrund des zweiten Gesichtspunkts verstößt die Handhabung der Bundes-netzagentur, nur noch nicht bestandskräftige Festlegungen zu berichtigen, zudem gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art.
3 Abs.
1 GG). Wie ebenfalls be-reits ausgeführt worden ist, entbehrt diese Verfahrensweise der
sachlichen [X.] für eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu denjenigen Netzbetreibern, die die sie betreffende Festlegung von [X.] -
aus anderen Gründen -
ge-richtlich angefochten haben.
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das [X.] nicht rechtsfehlerhaft außer [X.] gelassen, dass für die Antragstellerin mit einer
Neubescheidung nur ein verhältnismäßig geringfügiger
Vorteil verbunden ist.
Soweit sich die Rechtsbeschwerde insoweit auf die Zumutbarkeitsgrenze in den Vorschriften der §
4 Abs.
4 Satz
1 Nr.
4, §
16 Abs.
2 Satz
1 [X.] beruft, kann sie damit bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil sich diese Regelungen auf 25
26
27
28
29

-
12 -
rechtmäßige Bestimmungen der Erlösobergrenze oder von [X.] und damit für die vorliegende Fallkonstellation von vornherein außer Betracht zu bleiben haben.
Allerdings ist der Rechtsbeschwerde zuzugeben, dass auch im Rahmen einer Rücknahmeentscheidung nach §
116 Abs.
1 Satz
1 LVwG grundsätzlich die -
geringe -
Höhe des damit begehrten Vorteils in die Abwägung einbezogen werden und zu einer Ablehnung des entsprechenden Antrags führen kann.
Indes hat hier eine Be-richtigung des [X.] nicht nur eine Erhöhung der [X.] zur Fol-ge, sondern führt auch dazu, dass der betroffene Netzbetreiber zur Erreichung der Effizienzvorgaben nach §
21a Abs.
5 Satz
4 [X.] keine
größeren
Anstrengungen unternehmen muss,
als ihm dies bei einem fehlerfrei ermittelten [X.] abver-langt würde. Wie hoch dieser Nachteil zu bemessen ist, ist nicht festgestellt. Insoweit bedarf es auch
keiner weiteren Feststellungen.
Eine Berücksichtigung der Höhe des monetären Vorteils für die Antragstellerin verbietet sich hier bereits aufgrund der Besonderheiten der vorliegenden Fallkonstel-lation und insbesondere im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Die Rechtsbeschwerde hat nicht vorgetragen, dass sie die Aufhebung nicht bestands-kräftiger Festlegungen von dem Erreichen einer bestimmten Wertgrenze abhängig macht.
Aus Gründen der Gleichbehandlung aller Netzbetreiber ist ihr dies dann auch nicht gegenüber solchen Netzbetreibern, die -
wie die Antragstellerin -
die Festlegung haben bestandskräftig werden lassen, erlaubt.
(3) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, führt damit auch nicht jede rechtswidrige Abweichung bei der Festlegung von [X.] zur Aufhebung zu Gunsten des betroffenen Netzbetreibers. Dies beruht vielmehr vorliegend -
was auch das Beschwerdegericht richtig gesehen hat -
auf den besonderen Umständen der fehlenden Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit der Festlegung für den Betroffenen und der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle des Effizienzvergleichs.
30
31
32

-
13 -

(4) Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Beschwerdegericht habe sich nicht mit ihrem Vorbringen zu den Interessen der Netznutzer auseinandergesetzt, trifft dies nicht zu. Das Beschwerdegericht hat sich mit diesem Gesichtspunkt be-fasst, ihm indessen zu Recht kein solches Gewicht beigemessen, dass dadurch eine Ermessensreduzierung auf Null in Frage gestellt wird.
Das Vertrauen der Netznutzer in die Bestandskraft des Bescheids vom 4.
März 2014 muss im Hinblick auf dessen -
für die Antragstellerin nicht erkennbare -
Rechtswidrigkeit hinter deren
berechtigte Interessen zurücktreten.
Daran ändert auch die Veröffentlichung der [X.] nach §
31 [X.] nichts. Dies dient lediglich
der Transparenz
und Information der anderen Marktteilnehmer, ist aber für die materielle Rechtslage
ohne Bedeutung.
33

-
14 -
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
90 Satz
1
[X.].

Limperg
Grüneberg
[X.]

[X.]
Deichfuß
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 01.12.2016 -
53 Kart 1/16 -

34

Meta

EnVR 5/17

23.01.2018

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2018, Az. EnVR 5/17 (REWIS RS 2018, 15211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15211

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

EnVR 5/17 (Bundesgerichtshof)

Energiewirtschaftsrechtliche Verwaltungssache: Anspruch eines Gasverteilernetzbetreibers auf eine Neubestimmung der Erlösobergrenze - Stadtwerke Wedel GmbH


EnVR 54/13 (Bundesgerichtshof)


3 Kart 28/17 (V) (Oberlandesgericht Düsseldorf)


3 Kart 11/17 (V) (Oberlandesgericht Düsseldorf)


VI-3 Kart 11/17 (V) (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.