Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.02.2018, Az. V ZR 302/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13379

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Gegenstand

Abtretung einer Grundschuld: Aufrechnung des Grundstückseigentümers gegenüber dem Grundschuldzessionar mit einer ihm gegen den Grundschuldzedenten zustehenden Forderung; unentgeltlich oder rechtsgrundlos erfolgte Abtretung


Leitsatz

1. Die Regelung des § 1156 Satz 1 BGB ist auf die Grundschuld entsprechend anwendbar. Der Grundstückseigentümer kann daher gegenüber dem Grundschuldzessionar nicht mit einer Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Grundschuldzedenten zusteht.

2. Dies gilt auch dann, wenn die Abtretung der Grundschuld unentgeltlich oder rechtsgrundlos erfolgt ist.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 17. Zivilsenats des [X.] vom 21. November 2016 aufgehoben und das Urteil der 15. Zivilkammer des [X.] vom 25. September 2015 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, die Zwangsvollstreckung in das bei dem [X.] in dem Grundbuch von [X.]     auf Blatt 1514 unter der laufenden [X.] des [X.] eingetragene Grundstück G.     Straße 42, Flur 48, Flurstück 102 aus der in Abteilung III unter der laufenden [X.] eingetragenen Grundschuld zu 5.105,16 € nebst 1 % Säumniszuschlägen monatlich ab 16.09.2006 von 250,00 €, ab 24.09.2006 von 300,00 €, ab [X.] von 150,00 €, ab 21.09.2006 von 1.750,00 € und ab 01.10.2006 von 1.750,00 € zu dulden.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger erwarb im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens mit Zuschlagsbeschluss vom 11. Oktober 2013 ein Grundstück. Auf diesem lastete eine Zwangssicherungshypothek in Höhe von 5.105,16 €, die nach zwischenzeitlicher Befriedigung der Hypothekengläubigerin durch die vormalige Eigentümerin eingetragen geblieben und durch den Zuschlag nicht erloschen war. Am 14. Mai 2014 wurde in das Grundbuch eingetragen, dass dieses Recht infolge Befriedigung durch die vormalige Eigentümerin auf diese als Grundschuld übergegangen und von ihr an den Beklagten abgetreten worden sei. Bereits mit Schreiben vom 7. Februar 2014 hatte der Beklagte den Kläger zur Zahlung des [X.] nebst Zinsen aufgefordert. Der Kläger hatte daraufhin mit Schreiben vom 7. März 2014 unter Berufung auf § 406 BGB die Aufrechnung erklärt mit titulierten Forderungen der [X.] (nachfolgend Zedentin) gegen die Voreigentümerin in Höhe von 14.823,31 €, die ihm von der Zedentin mit Vereinbarung vom 2. Dezember 2013 abgetreten worden waren.

2

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zustimmung zur Löschung der Grundschuld. Der Beklagte nimmt für den Fall seines Obsiegens den Kläger widerklagend auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld in Anspruch. Das [X.] hat der Klage stattgegeben; das [X.] hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision möchte der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage und für diesen Fall widerklagend die Verurteilung des Klägers zur Duldung der Zwangsvollstreckung erreichen. Dieser beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe durch die Aufrechnung mit der von der Zedentin erworbenen, sich gegen die Voreigentümerin richtenden Forderung gemäß § 406 [X.] seine aus der Grundschuld folgende dingliche Verpflichtung abgelöst und könne von dem [X.]n daher die Löschung der Grundschuld verlangen. Zwar erkläre § 1156 [X.] die Bestimmung des § 406 [X.] für nicht anwendbar, so dass der Eigentümer nach einer Übertragung der Grundschuld grundsätzlich nicht zur Aufrechnung gegenüber dem dinglichen Anspruch des Grundschuldgläubigers mit einer ihm gegen den früheren Grundschuldgläubiger zustehenden Forderung befugt sei. Etwas anderes gelte jedoch ausnahmsweise dann, wenn der neue Gläubiger die Grundschuld unentgeltlich erworben habe. Dies folge aus dem der Regelung des § 816 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu entnehmenden allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein unentgeltlicher Erwerb sich nicht zu Lasten des dadurch Betroffenen auswirken solle.

4

Eine solche Situation liege hier vor, weil eine mittels Grundschuld zu sichernde Forderung des [X.]n nicht existent sei. Zwar berufe sich der [X.] auf Forderungen gegen die Voreigentümerin in Höhe von 6.464,02 € für Dienstleistungen, die er auf der Grundlage von Geschäftsbesorgungsvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Zwangsversteigerungsverfahren mit dem Ziel eines „[X.]“ des Grundstücks erbracht habe. Diese Vereinbarungen seien aber nach § 138 Abs. 2 [X.] nichtig und daher nicht geeignet, einen Zahlungsanspruch des [X.]n gegen die Voreigentümerin zu begründen. Der [X.] habe sich nämlich von dieser unter Ausbeutung ihrer Zwangslage eine wucherisch überhöhte Vergütung versprechen lassen.

II.

5

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

6

1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des [X.], dass eine Grundschuld durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung abgelöst werden kann. Zwar schuldet der Eigentümer eines mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks [X.] und -zinsen nicht persönlich, sondern ist nur verpflichtet, wegen der Grundschuld die Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück zu dulden. Die auf die Grundschuld gemäß § 1192 Abs. 1 [X.] entsprechend anwendbare Vorschrift des § 1142 [X.] räumt dem Eigentümer aber die Möglichkeit ein, die Grundschuld durch Zahlung (Absatz 1) oder durch Aufrechnung (Absatz 2) abzulösen, mithin eine Gegenforderung aus seinem sonstigen Vermögen zur Ablösung des [X.] einzusetzen (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 - [X.], NJW 2011, 451 Rn. 20; Beschluss vom 28. September 1989 - [X.], [X.], 372, 379). Löst der Eigentümer die Grundschuld nach § 1142 [X.] ab, so erwirbt er sie entsprechend § 1143 [X.] als Eigentümergrundschuld und kann in der Folge von dem Buchberechtigten die Bewilligung der Löschung verlangen.

7

2. Weiter erkennt das Berufungsgericht richtig, dass § 1142 Abs. 2 [X.] dem Eigentümer nur die Möglichkeit eröffnet, gegenüber der dinglichen Forderung aus der Grundschuld mit einer Forderung aufzurechnen, die ihm gegen den Grundschuldgläubiger zusteht. Der Kläger als Grundstückseigentümer hat jedoch die Aufrechnung gegenüber dem [X.]n nicht mit einer gegen diesen, sondern mit einer gegen die Voreigentümerin gerichteten Forderung erklärt. Durch diese Erklärung wäre die Grundschuld nur abgelöst worden, wenn § 406 [X.] zur Anwendung käme.

8

3. Entgegen der Auffassung des [X.] ist dies nicht der Fall.

9

a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Regelung des § 1156 Satz 1 [X.], wonach die für die Übertragung der Forderung geltenden Vorschriften der §§ 406 bis 408 [X.] auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem neuen Gläubiger in Ansehung der Hypothek keine Anwendung finden, auf die Grundschuld nach § 1192 Abs. 1 [X.] entsprechend anwendbar ist (Senat, Urteile vom 26. November 1982 - [X.], [X.], 388, 391 und vom 4. Juli 1986 - [X.], NJW-RR 1987, 139, 140), so dass der Grundstückseigentümer gegenüber dem [X.] mit einer Forderung, die ihm gegen den [X.] zusteht, nicht aufrechnen kann.

b) [X.] ist aber die Ansicht des [X.], von diesem Grundsatz sei vorliegend entsprechend § 816 Abs. 1 Satz 2 [X.] eine Ausnahme zu machen, weil die durch die Grundschuld gesicherten Forderungen des [X.]n gegen die vormalige Eigentümerin aufgrund der Nichtigkeit der ihnen zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsverträge nicht bestünden, so dass die Grundschuldabtretung [X.] erfolgt und als solche einer unentgeltlichen Verfügung im Sinne dieser Vorschrift gleichzustellen sei.

aa) Allerdings soll nach einer Ansicht in der Literatur nach dem in § 816 Abs. 1 Satz 2 [X.] zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein unentgeltlicher Erwerb sich nicht zu Lasten des dadurch Betroffenen auswirken soll, § 1156 Satz 1 [X.] ausnahmsweise keine Anwendung finden, wenn die Übertragung der Grundschuld zwar durch den Berechtigten, aber unentgeltlich erfolgt oder wenn - wofür hier nichts festgestellt ist und auch keine Anhaltspunkte bestehen - Grundschuldzedent und -zessionar in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise (§ 826 [X.]) dem Eigentümer mit der Grundschuldabtretung vorsätzlich Schaden zugefügt haben ([X.]/[X.], [X.], 77. Aufl., § 1156 Rn. 2; MüKo[X.]/Lieder, 7. Aufl., § 1156 Rn. 10; [X.]-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 1156 Rn. 7; [X.]/[X.], [X.] [15.06.2017], § 1156 Rn. 4; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 1156 Rn. 3, der allerdings einen Kondiktionsanspruch des Eigentümers gegen den Erwerber annimmt; zu § 826 [X.] auch [X.]/[X.], [X.] [2015], § 1156 Rn. 16; [X.], [X.] 1956, 89, 92 gibt lediglich die Ansicht von [X.], [X.], 15. Aufl. wieder, ohne selbst zur Anwendbarkeit eines Rechtsgedankens aus § 816 Abs. 1 Satz 2 [X.] oder § 826 [X.] Stellung zu nehmen).

bb) Die Gegenansicht will § 1156 Satz 1 [X.] auch bei unentgeltlicher Abtretung der Grundschuld anwenden ([X.]/Kiehnle, [X.] [15.08.2017], § 1156 Rn. 11 f.; Soergel/Konzen, [X.], 13. Aufl., § 1156 Rn. 2; [X.]/Mattern, 12. Aufl., § 1156 [X.] Rn. 4; [X.]/[X.], [X.] [2015], § 1156 Rn. 16).

cc) Diese Ansicht trifft zu. Der Grundstückseigentümer kann auch dann nicht gegenüber dem [X.] mit einer gegen den [X.] gerichteten Forderung aufrechnen, wenn die Abtretung der Grundschuld unentgeltlich oder [X.] erfolgt ist.

Die Abtretung einer Grundschuld durch den Grundschuldgläubiger stellt keine Verfügung eines Nichtberechtigten dar und ist mit einer solchen nicht vergleichbar. § 816 Abs. 1 Satz 2 [X.] schützt den Berechtigten davor, dass er den Vermögensgegenstand durch die unentgeltliche Verfügung des Nichtberechtigten verliert. § 1156 Satz 1 [X.] schützt durch den Ausschluss von § 406 [X.] hingegen den Zessionar (hier den [X.]n) der Grundschuld davor, dass er diese aufgrund von Rechtsgeschäften des Schuldners (i.S.d. § 1142 [X.]; hier des [X.]) mit dem Zedenten (hier der Voreigentümerin des Grundstücks) verliert. Die Norm bewertet damit den Vertrauensschutz für den Erwerber der Grundschuld höher als den in den §§ 406 bis 408 [X.] gewährleisteten Vertrauensschutz für den Schuldner ([X.]-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 1156 Rn. 3; [X.]/[X.], [X.] [2015], § 1156 Rn. 2). Durch die Abtretung der Grundschuld erleidet der Schuldner (Grundstückseigentümer) - anders als der Berechtigte durch die Verfügung des Nichtberechtigten im Falle des § 816 Abs. 1 [X.] - auch keinen Rechtsnachteil, denn seine gegen den [X.] gerichtete Forderung und die Möglichkeit der Aufrechnung gegenüber diesem bleiben ihm erhalten. Es besteht daher keine Veranlassung, den durch § 1156 Satz 1 [X.] gewährleisteten Vertrauensschutz für den [X.] und damit mittelbar die Verkehrsfähigkeit der Grundschuld einzuschränken, wenn deren Abtretung im engeren Sinne unentgeltlich, etwa schenkungsweise, oder wenn sie [X.] erfolgt ist.

III.

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist unbegründet, die für den Fall der Klageabweisung erhobene Widerklage hingegen zulässig und begründet.

1. Die Widerklage ist zulässig, insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 ZPO vor. Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld steht in Zusammenhang mit dem klageweise geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung der Löschung dieser Grundschuld. Mit der Abweisung der Klage durch den Senat ist die innerprozessuale Bedingung eingetreten, unter der der [X.] die in der Revisionsinstanz weiterverfolgte Widerklage erhoben hat.

2. Dem [X.]n steht als Grundschuldgläubiger gegen den Kläger als Eigentümer des mit dieser belasteten Grundstücks aus § 1191, § 1192 Abs. 1, § 1147 [X.] ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu.

a) Erfüllt der Eigentümer - wie hier die Voreigentümerin - die durch eine Sicherungshypothek gesicherte Forderung, so entsteht gemäß § 1163 Abs. 1 Satz 2, § 1177 Abs. 1 [X.] eine Eigentümergrundschuld. Bei dieser handelt es sich, wie zuvor bei der Sicherungshypothek, um ein briefloses Buchgrundpfandrecht. Eine Eigentümergrundschuld wird wie eine [X.] nach § 1192 Abs. 1, § 1154 [X.] übertragen. Auf die Abtretung der [X.] finden gemäß § 1154 Abs. 3 [X.] die §§ 873, 878 [X.] Anwendung. Die Übertragung setzt deshalb nach § 873 [X.] die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch voraus (vgl. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 25. September 2014 - [X.], juris Rn. 9). Die hier erfolgte Eintragung, dass die [X.] infolge Befriedigung durch die vormalige Eigentümerin auf diese als Grundschuld übergegangen und von ihr an den [X.]n abgetreten worden ist, begründet nach § 891 Abs. 1 [X.] die Vermutung, dass der [X.] Gläubiger der Grundschuld (geworden) ist.

b) Diese Vermutung hat der Kläger nicht durch den Beweis des Gegenteils widerlegt (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast Senat, Urteil vom 30. Juni 2017 - [X.], [X.], 815 Rn. 7). Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] ist die Abtretung der Grundschuld nicht nichtig.

aa) Allerdings erstreckt sich im Falle des [X.] nach § 138 Abs. 2 [X.], anders als bei sittenwidrigen Geschäften nach § 138 Abs. 1 [X.], die Nichtigkeit nicht nur auf das Grundgeschäft, sondern auch auf die abstrakten Erfüllungsleistungen des Bewucherten (vgl. Senat, Urteil vom 4. Februar 1994 - [X.], NJW 1994, 1470; Urteil vom 23. Juni 2006 - [X.], [X.], 3054 Rn. 30; Beschluss vom 28. April 2011 - [X.], juris Rn. 18) und die Bestellung von Sicherheiten durch diesen (vgl. [X.], Urteil vom 8. Februar 1994 - [X.], NJW 1994, 1275; Urteil vom 8. Juli 1982 - [X.], NJW 1982, 2767, 2768; Urteil vom 3. Oktober 1989 - [X.], NJW 1990, 384, 385). Daher ist die Bestellung einer Grundschuld für ein wegen [X.] nichtiges Darlehen unwirksam ([X.], Urteil vom 8. Februar 1994 - [X.], aaO; Urteil vom 8. Juli 1982 - [X.], aaO). Ebenso wäre die hier in Rede stehende Abtretung der Grundschuld von der Voreigentümerin an den [X.]n unwirksam, wenn die Geschäftsbesorgungsverträge und die sich daraus ergebenden Forderungen, deren Sicherung die Abtretung dienen sollte, wegen [X.] nichtig wären.

bb) Dies ist entgegen der Ansicht des [X.] jedoch nicht der Fall. Nichtig ist nach § 138 Abs. 2 [X.] ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft bejaht.

(1) Für die Frage, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches Voraussetzung sowohl des Wuchertatbestands des § 138 Abs. 2 [X.] als auch eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 [X.] ist (Senat, Urteil vom 15. Oktober 2004 - [X.], NJW 2005, 983), vorliegt, kommt es zunächst auf einen Vergleich zwischen dem objektiven Wert der beiderseitigen Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Entscheidend ist dabei der Marktwert, also der marktübliche Preis ([X.], Urteil vom 1. Juni 2017 - [X.]/16, [X.], 2403 Rn. 15; Urteil vom 10. November 2016 - [X.], [X.], 827 Rn. 18). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] besteht ein solcher Marktpreis in dem unmittelbar mit dem Angebot des [X.]n konkurrierenden Bereich der privaten Schuldnerberatung und Geschäftsbesorgung im Zusammenhang mit Zwangsversteigerungen nicht.

(2) Ob das Berufungsgericht angesichts des Fehlens einer marktüblichen Vergütung für die Tätigkeit des [X.]n ohne Weiteres die Vergütung der Rechtsanwälte als Vergleichswert heranziehen durfte - woran erhebliche Zweifel bestehen, weil der [X.] nicht eine (rechtliche) Beratung schuldete, sondern mit dem Versuch des „[X.]“ ein eigenes wirtschaftliches Risiko tragen sollte - oder ob die Vergütung schon wegen des Fehlens marktüblicher Preise nicht als in einem auffälligen Missverhältnis zu der von dem [X.]n geschuldeten Leistung stehend anzusehen ist, kann dahinstehen. Denn auch bei einem Vergleich mit dem Honorar der Rechtsanwälte liegt ein solches Missverhältnis nicht vor.

(a) Bei dem mit einem Rechtsanwalt vereinbarten ([X.] genügt für sich genommen auch das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren nicht, um den Schluss auf ein auffälliges oder gar besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 [X.] ziehen zu können ([X.], Urteil vom 10. November 2016 - [X.], [X.], 827 Rn. 19 mwN). Vielmehr liegt ein auffälliges Missverhältnis nur vor, wenn die versprochene Vergütung das Honorar deutlich überschreitet, welches für die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach dem konkreten Mandat im Gegenzug zu leistende anwaltliche Tätigkeit objektiv angemessen ist ([X.], Urteil vom 10. November 2016 - [X.], aaO, Rn. 21). Dabei kann ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um das 3,8-fache übersteigt, noch als angemessen anzusehen sein ([X.], Urteil vom 4. Juli 2002 - [X.], [X.], 2774, 2775). Eine Vermutung für ein auffälliges Missverhältnis hat der [X.] hingegen - auch für die Vertretung in zivilrechtlichen Streitigkeiten - bei einer Überschreitung der gesetzlichen Gebühren um mehr als das 5-fache angenommen ([X.], Urteil vom 10. November 2016 - [X.], aaO, Rn. 27).

(b) Danach ist vorliegend selbst bei Zugrundlegung der Rechtsanwaltsvergütung als Vergleichsmaßstab nicht von einem auffälligen Missverhältnis zwischen der vereinbarten Vergütung des [X.]n und der von ihm geschuldeten Tätigkeit auszugehen. Nach den nachvollziehbaren und von den Parteien in der Revisionsinstanz nicht beanstandeten Berechnungen des [X.] hätte ein Rechtsanwalt für die Vertretung der Voreigentümerin in dem Zwangsversteigerungsverfahren und die Wahrnehmung aller Versteigerungstermine gesetzliche Gebühren in Gesamthöhe von 3.236,32 € geltend machen können. Das zu Gunsten des [X.]n vereinbarte Gesamtentgelt von 8.981,70 € übersteigt diesen Betrag etwa um das 2,8-fache. Damit besteht keine Vermutung für ein auffälliges Missverhältnis i.S.v. § 138 [X.] und auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die versprochene Vergütung das Honorar deutlich überschreitet, welches für die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach dem konkreten Mandat im Gegenzug zu leistende anwaltliche Tätigkeit objektiv angemessen ist.

3. [X.] ist spätestens mit der Erhebung der Widerklage fällig geworden.

a) Fällig wird das Kapital der Grundschuld gemäß § 1193 Abs. 1 [X.] durch Kündigung, die sowohl dem Eigentümer als auch dem Gläubiger zusteht und einer Kündigungsfrist von sechs Monaten unterliegt. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind nach § 1193 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht zulässig, wenn die Grundschuld - wie hier - der Sicherung einer Geldforderung dient.

b) Die Kündigungserklärung ist jedenfalls darin zu sehen, dass der [X.] in dem Rechtsstreit ([X.] auf Duldung der Zwangsvollstreckung erhoben hat. Die Kündigung bedarf keiner Form; sie ist einseitige, empfangsbedürftige Gestaltungerklärung und kann auch konkludent erfolgen (siehe etwa MüKo[X.]/Lieder, 7. Aufl., § 1193 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.] [01.07.2017], § 1193 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 1193 Rn. 4 f.).

4. Der Kläger kann dem Duldungsanspruch des [X.]n die von § 1156 Satz 1 [X.] ausgeschlossene Aufrechnung nach § 406 [X.] auch nicht als Einrede aus dem [X.] entgegenhalten, der der Grundschuldabtretung zu Grunde liegt. Hat der Grundstückseigentümer - wie hier - das Grundstück durch Zuschlagerteilung in der Zwangsversteigerung erworben und wird er sodann aus einer bestehen gebliebenen Grundschuld dinglich in Anspruch genommen, kann er dem Grundschuldgläubiger grundsätzlich keine Einreden entgegensetzen, die sich aus dem zwischen dem früheren Eigentümer (Sicherungsgeber) und dem Grundschuldgläubiger (Sicherungsnehmer) abgeschlossenen [X.] ergeben ([X.], Urteil vom 21. Mai 2003 - [X.], [X.], 2673).

5. [X.] besteht in Höhe des im Grundbuch eingetragenen Kapitals nebst Säumniszuschlägen, wobei klarzustellen war, dass sich dieser Anspruch nur auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das mit der Grundschuld belastete Grundstück richtet.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Stresemann     

        

Rin[X.] Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
ist infolge Krankheit an der
Unterschrift gehindert.
[X.], den 20. Februar 2018

        

Kazele

                 

Die Vorsitzende
Stresemann

                 
        

Haberkamp     

        

     [X.]     

        

Meta

V ZR 302/16

23.02.2018

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 21. November 2016, Az: 17 U 87/15, Urteil

§ 406 BGB, § 816 Abs 1 S 2 BGB, § 1142 Abs 2 BGB, § 1156 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.02.2018, Az. V ZR 302/16 (REWIS RS 2018, 13379)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 731-732 WM2018,636 REWIS RS 2018, 13379


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. V ZR 302/16

Bundesgerichtshof, V ZR 302/16, 23.02.2018.


Az. 17 U 87/15

Oberlandesgericht Köln, 17 U 87/15, 21.11.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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