Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.11.2015, Az. 1 BvR 1766/15, 1 BvR 1783/15, 1 BvR 1815/15

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2015, 2957

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Mangels Beschwerdebefugnis unzulässige Verfassungsbeschwerde einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft gegen die Heranziehung zu Schmutzwasseranschlussbeiträgen


Gründe

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihren [X.] gegen ihre Heranziehung zu [X.] auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gesellschafter ausschließlich Städte und Gemeinden sind. Sie ist als Wohnungsbaugesellschaft tätig und hat sich ausweislich ihrer Satzung "zur Bereitstellung von Wohnraum (…) zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen und zur Schaffung und Erhaltung von preisgünstigem Wohnraum für finanziell schwächer gestellte Bevölkerungskreise" verpflichtet.

3

2. Mit ihren [X.] rügt sie eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 in Verbindung mit dem aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

4

Die [X.] werden nicht zur Entscheidung angenommen. [X.] nach § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Den [X.] kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Sie sind unzulässig.

5

Der Beschwerdeführerin fehlt es an der erforderlichen Beschwerdebefugnis, denn sie ist im Hinblick auf die von ihr geltend gemachten Grundrechte nicht grundrechtsfähig (Art. 19 Abs. 3 GG).

6

1. Nach § 90 Abs. 1 [X.] kann "jedermann" mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben. [X.] ist demnach, wer Träger eines als verletzt gerügten Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts sein kann (vgl. [X.] 129, 78 <91>; [X.], Beschluss des [X.] vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 -, NVwZ 2015, [X.] 510 <511>). Grundrechtsträger sind nach Art. 19 Abs. 3 GG auch inländische juristische Personen, soweit Grundrechte betroffen sind, die ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Allerdings dienen die Grundrechte vorrangig dem Schutz der Freiheitssphäre des einzelnen Menschen als natürlicher Person gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt (vgl. [X.] 15, 256 <262>; 21, 362 <369>; 59, 231 <255>; 61, 82 <100 f.>; 65, 1 <43>). Die Grundrechtsfähigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist vor diesem Hintergrund grundsätzlich dann zu verneinen, wenn diese öffentliche Aufgaben wahrnimmt (vgl. [X.] 21, 362 <369 f.>; 45, 63 <78>; 61, 82 <101>; 68, 193 <206>; 70, 1 <15>; 75, 192 <197>; 85, 360 <385>; [X.], Beschluss des [X.] vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 -, NVwZ 2015, [X.] 510 <511 f.>). Gleiches gilt für juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand gehalten oder beherrscht werden (vgl. [X.] 45, 63 <79 f.>; 68, 193 <212 f.>; 128, 226 <245 f., 247>). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt für solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die von den ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind, wie Universitäten und Fakultäten (vgl. [X.] 15, 256 <262>), öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ([X.] 31, 314 <322>; 59, 231 <254>; 78, 101 <102 f.>) und Kirchen ([X.] 18, 385 <386 f.>; 42, 312 <322>; 66, 1 <19 f.>).

7

2. Die Beschwerdeführerin ist eine juristische Person des Privatrechts, deren Gesellschafter ausschließlich Städte und Gemeinden sind. Als von der öffentlichen Hand gehaltenes Unternehmen nimmt sie Aufgaben der Wohnraumversorgung und der Förderung des Wohnungsbaus, insbesondere des [X.] Wohnungsbaus, und damit typische öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge (vgl. [X.] 95, 64 <85>) wahr, ohne einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet zu sein.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1766/15, 1 BvR 1783/15, 1 BvR 1815/15

03.11.2015

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerwG, 15. April 2015, Az: 9 C 20/14, Urteil

Art 19 Abs 3 GG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 9 KAG MV 2005

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.11.2015, Az. 1 BvR 1766/15, 1 BvR 1783/15, 1 BvR 1815/15 (REWIS RS 2015, 2957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2957


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 1766/15, 1 BvR 1783/15, 1 BvR 1815/15

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1766/15, 1 BvR 1783/15, 1 BvR 1815/15, 03.11.2015.


Az. 9 C 20/14

Bundesverwaltungsgericht, 9 C 20/14, 15.04.2015.


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1 BvR 2142/11

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