Bundessozialgericht, Urteil vom 06.03.2012, Az. B 1 KR 14/11 R

1. Senat | REWIS RS 2012, 8528

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Gewährung eines Apothekenrabatts für Arzneimittel - Anspruchsuntergang eines Apothekers gegen eine Krankenkasse auf Vergütung in Höhe des Apothekenrabatts - vollständige Forderungserfüllung durch die Krankenkasse binnen zehn Tagen nach Rechnungseingang


Leitsatz

Der Anspruch eines Apothekers gegen eine Krankenkasse auf Vergütung für die Abgabe eines Arzneimittels an einen ihrer Versicherten geht in Höhe des jeweiligen Apothekenrabatts rückwirkend ohne weiteren Rechtsakt aufgrund Bedingungseintritts unter, wenn die Krankenkasse die Forderung abzüglich des Rabatts binnen zehn Tagen nach Rechnungseingang vollständig erfüllt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 12. Juli 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 165 152,83 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Bezahlung von als [X.] einbehaltener Arzneimittelvergütung.

2

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er bezweckt nach § 1 Abs 2 seiner Satzung die Wahrnehmung und Förderung gemeinsamer Interessen von Apothekern in [X.], die sich in ihm zusammengeschlossen haben. Ihm angehörende Apotheker und andere Apotheker in [X.] gaben im Monat August 2003 Arzneimittel an Versicherte der beklagten Krankenkasse ([X.]) ab. Sie forderten hierfür Vergütung, berechnet in einer Sammelrechnung ([X.]) des [X.] ([X.]), gerichtet an die "[X.] Dienstleistungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH" ([X.]), welche die Beklagte im Apothekenabrechnungsverkehr vertritt. Die Sammelrechnung wies eine Brutto-Rechnungssumme von 2 452 578,54 Euro aus, abzuziehende Zuzahlungen von 160 128,20 Euro, einen [X.] von 197 642,41 Euro, weitere Abzugsposten von insgesamt 111 092,73 Euro, die geleistete Vorauszahlung von 1 682 720,65 Euro und daraus folgend eine Restforderung von 303 532,95 Euro. Die [X.] setzte von der Restforderung einen nicht näher spezifizierten Berichtigungsbetrag von 3212,34 Euro ab und einen wegen Abrechnungsproblemen zu Beginn des Jahres 2003 nacherhobenen [X.] von 52 262,45 Euro. Die Beklagte überwies deshalb zur Tilgung der Restforderung lediglich 248 058,16 Euro, die am 24.9.2003 dem Konto des [X.] gutgeschrieben wurden. Die [X.] hielt die Einbehaltung später teilweise für [X.]. Sie zahlte deshalb am 25.1.2005 von dem nacherhobenen [X.] 48 478,73 Euro an die betroffenen Apotheker aus. Daraufhin trat die Mehrheit der Apotheker, deren Forderungen in der Sammelrechnung vom [X.] enthalten waren, ihre Ansprüche auf restliche Vergütung in Höhe des einbehaltenen [X.]s für ihre im August 2003 erbrachten und abgerechneten Leistungen an den Kläger ab, geleitet von der Rechtsauffassung, der Rabatt sei nicht angefallen. Die Beklagte habe die Sammelrechnung nicht fristgerecht iS von § 130 Abs 3 [X.] beglichen, sondern die Forderungen [X.] länger als zehn Tage um einen Betrag von 48 478,73 Euro gekürzt.

3

Das SG hat der auf Zahlung von insgesamt 169 370,14 Euro gerichteten Klage nur hinsichtlich eines Betrages von 4217,31 Euro stattgegeben, [X.] der eingeklagten Summe. Der Anteil der nicht binnen zehn Tagen nach Eingang der Sammelrechnung geleisteten Vergütung habe sich nämlich auf [X.] belaufen (Urteil vom [X.]). Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen: § 130 Abs 3 [X.] ordne bei einer geringfügigen ungerechtfertigten Kürzung des Rechnungsbetrags keinen vollständigen Verlust des [X.] an. Zudem habe die Beklagte die nach § 2 Abs 1 Buchst a des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden "Vertrag(es) über die elektronische Rezeptabrechnung gemäß § 10 des [X.] vom 1. Dezember 1982" vereinbarte Abschlagszahlung (80 % der Monatsrechnung des letzten abgerechneten Monats bis zum [X.]) fristgemäß geleistet. Die Apotheker hätten sich deshalb hier an der Kostendämpfung in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) in dem Umfang, in dem die Beklagte die Sammelrechnung bezahlt habe, zu beteiligen (Urteil vom 12.7.2011).

4

Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung des § 130 Abs 3 [X.]. Die Skontoregelung verlange von der [X.] die vollständige Begleichung der Rechnung binnen zehn Tagen nach deren Eingang, um einen Anspruch auf [X.] zu begründen. Der Rahmenvertrag nach § 129 [X.] sehe keine abweichende Regelung vor.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.] vom 12. Juli 2011 sowie das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 9. Juni 2009 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte zu verurteilen, weitere 165 152,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15. Juni 2005 zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]). Das angefochtene [X.]-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung des § 130 Abs 3 [X.] beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der [X.] kann wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des [X.] nicht in der Sache selbst abschließend über den Erfolg der Berufung des [X.] gegen das [X.] entscheiden, soweit dieses die zulässig erhobene echte Leistungsklage abgewiesen hat.

9

Streitgegenstand sind an den Kläger abgetretene Restvergütungsansprüche von Apothekern für im August 2003 an Versicherte der beklagten [X.] gelieferte und unter dem [X.] in Rechnung gestellte Arzneimittel. Die auf einen Gesamtzahlbetrag gerichtete Klage ist hinreichend bestimmt, denn der Kläger hat jeden [X.] jedes Zedenten in Höhe des von ihm geltend gemachten [X.] einzeln aufgeführt und beziffert.

Entgegen der Auffassung des [X.] sind die streitigen Vergütungsansprüche der Apotheker zunächst uneingeschränkt entstanden (dazu 1.). Vergütungsansprüche der Apotheker für an [X.] abgegebene Arzneimittel gehen in Höhe des jeweiligen [X.] nur insoweit nachträglich unter, als die [X.] die Forderungen der einzelnen Apotheker binnen zehn Tagen nach [X.] vollständig erfüllt (dazu 2.). Der [X.] kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aber nicht entscheiden, ob und inwieweit danach die streitigen Vergütungsansprüche bestehen (dazu 3.).

1. Der Kläger ist aufgrund wirksamer Abtretung Rechtsinhaber der streitbefangenen Restvergütungsansprüche der Apotheker. Ansprüche auf Vergütung erwuchsen den Apothekern zunächst in voller Höhe für die von ihnen an Versicherte der [X.] abgegebenen Arzneimittel (dazu a). Die Ansprüche verminderten sich um die unangegriffen festgestellten Abzugsposten wie Zuzahlungen der Versicherten und Teilzahlungen der [X.] bis auf einen Restbetrag, der die streitbefangene Forderung umfasst, weil die [X.] die Forderungen in Höhe der einbehaltenen Apothekenrabatte nicht erfüllte (dazu b).

a) Die streitbefangenen Ansprüche der Apotheker für die von ihnen an Versicherte der [X.] abgegebenen Arzneimittel ergeben sich aus § 129 [X.] (idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung vom [X.], [X.]) in Verbindung mit den hierfür geltenden vertraglichen Regelungen des Leistungserbringungsrechts (dazu aa). Die Vergütungsansprüche - einschließlich des vom Kläger geltend gemachten, noch offenen Restbetrags von insgesamt 165 152,42 [X.] - erfüllten die dort geregelten Voraussetzungen (dazu bb).

aa) Nach § 129 [X.] geben die Apotheker nach Maßgabe der ergänzenden Rahmenvereinbarungen und [X.] (§ 129 Abs 2 und Abs 5 [X.], vgl auch § 2 Abs 2 S 3 [X.]) vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte der [X.] ab. Diese Vorschrift begründet im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheker, vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an die Versicherten abzugeben. Die Apotheker erwerben im Gegenzug für ihre öffentlich-rechtliche Leistungspflicht einen durch [X.] näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die [X.]n, der schon in § 129 [X.] vorausgesetzt wird (ausführlich dazu B[X.]E 106, 303 = [X.]-2500 § 129 [X.], Rd[X.]2 f; zur Aufgabe der Rspr zum privatrechtlichen Vergütungsanspruch der durch öffentlich-rechtliche Verträge in das System eingebundenen Leistungserbringer vgl [X.], 157 = [X.]-2500 § 129 [X.], Rd[X.]5).

Die im hier betroffenen Zeitraum August 2003 für das Bestehen eines Vergütungsanspruchs in Verbindung mit § 129 [X.] maßgeblichen ergänzenden Vereinbarungen sind der auf [X.] zwischen den Spitzenverbänden der [X.]n einschließlich der Ersatzkassen und dem [X.] auf der Grundlage des § 129 Abs 2 [X.] geschlossene "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 [X.]" idF der Schiedsstellenentscheidung vom [X.] ([X.]) sowie die den Rahmenvertrag ergänzenden Verträge nach § 129 Abs 5 [X.]. Nach § 129 Abs 5 [X.] können die Landesverbände der [X.]n und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Das ist insbesondere geschehen mit dem [X.] zwischen dem B[X.]-Landesverband Nord (handelnd für die [X.]) und dem Kläger (handelnd für die in ihm zusammengeschlossenen Apotheker [X.]) am 24.10.1997 geschlossenen "Arznei-Liefervertrag" ([X.]V), sowie mit dem "[X.] gemäß § 10 des [X.] vom 1. Dezember 1982" (Rezeptabrechnungsvertrag/[X.]), der gemäß § 7 [X.]V weiterhin Gültigkeit besitzt. Die Verträge konkretisieren, wann Apotheker ordnungsgemäß Vergütung für die Abgabe welcher Arzneimittel an Versicherte aufgrund vertragsärztlicher Verordnung erhalten.

bb) Die streitigen Vergütungsansprüche der Apotheker erfüllten die Voraussetzungen der dargelegten gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Insbesondere gaben die Apotheker im Monat August 2003 aufgrund ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung hierfür vorgesehene Arzneimittel an Versicherte der [X.] ab und berechneten ihre Vergütung ordnungsgemäß. Dies ergibt sich aus den dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe des [X.] zu entnehmenden unangegriffenen und deswegen den [X.] bindenden Feststellungen (§ 163 [X.]).

b) Die danach zunächst gegebenen Ansprüche minderten sich um die unangegriffen festgestellten Abzugsposten wie die Zuzahlungen der Versicherten. Hiernach betrug die Gesamtforderung im Sinne der Brutto-Rechnungssumme im Ausgangspunkt 2 452 578,54 [X.]. Dieser Betrag bildet zugleich die Grundlage für die Berechnung des [X.] (vgl dazu unter 2.), der sich nach dem [X.] bestimmt. Der auf die Gesamtforderung entfallende Apothekenrabatt beträgt 197 642,41 [X.], von dem der Kläger insgesamt 169 370,14 [X.] geltend macht und von dem nach dem Inhalt des von der [X.] nicht angegriffenen [X.]s noch 165 152,42 [X.] im Streit stehen.

Der erkennende [X.] kann im Revisionsverfahren vom genannten Betrag und von den unstreitigen Abzugsposten (Zuzahlungen, geleistete Vorauszahlungen, weitere Abzugsposten) ausgehen. Der vom [X.] zugrunde gelegte übereinstimmende Beteiligtenvortrag genügt insoweit als ausreichende Tatsachengrundlage für die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen und Gegenrechte. Auch wenn amtliche Sachaufklärung nicht von [X.] (Tatsachenbehauptungen, Beweisanregungen, Beweisanträgen) abhängig ist, begründet der Amtsermittlungsgrundsatz keine Pflicht von Behörden und Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das [X.] noch sonstige konkrete Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern. In diesem Sinne findet die amtliche Sachaufklärungspflicht ihre Grenze an der [X.] der Verfahrensbeteiligten (vgl [X.], 207, 213 = [X.]-2600 § 43 [X.]; B[X.] Urteil vom 7.5.1998 - B 11 [X.] 81/97 R - juris RdNr 20; vgl auch [X.] in Zeihe, [X.], Stand November 2010, Vor § 103 [X.]; [X.] in [X.], [X.], Stand Dezember 2011, § 103 Rd[X.]9; Roller in [X.], [X.], 3. Aufl 2009, § 103 RdNr 8; [X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand August 2011, § 103 [X.] 2 c). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - beide Beteiligten, für die jeweils spezialisierte Abrechnungsunternehmen handeln, eine besondere professionelle Kompetenz aufweisen. Schließlich hat die [X.] auch nicht innerhalb der nach § 9 Abs 2 [X.]V vorgesehenen Ausschlussfrist von 18 Monaten (weitere) Rechnungs- und innerhalb von 12 Monaten (weitere) Taxbeanstandungen vorgebracht.

2. Vergütungsansprüche der Apotheker für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte einer [X.] vermindern sich in Höhe des jeweiligen [X.] rückwirkend ohne weiteren Rechtsakt aufgrund Bedingungseintritts, wenn die [X.] die Voraussetzungen für das Entstehen des Rabatts erfüllt (dazu a). Bedingung für das Entstehen des Rabatts ist die vollständige Begleichung der Rechnung innerhalb der [X.] des § 130 Abs 3 [X.] (dazu b).

a) Das Gesetz umschreibt lediglich den äußeren Vorgang der Rabattierung, ohne ihn ausdrücklich rechtstechnisch zu q[X.]lifizieren. Nach dem Wortlaut der Normen "erhalten" die [X.]n von den Apotheken auf den für den Versicherten maßgeblichen [X.] einen "Abschlag" (§ 130 Abs 1 [X.], hier anzuwenden idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung vom [X.], [X.]). Von den Voraussetzungen für "die Gewährung des Abschlags" spricht § 130 Abs 3 [X.] (idF durch Art 1 Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988, [X.] 2477). Der den [X.]n zu gewährende, seinem Umfang nach in § 130 Abs 1 S 2 (idF durch Art 1 [X.] [X.] vom [X.], [X.]) und § 130 Abs 2 [X.] (hier anzuwenden idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Festsetzung von [X.] für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.7.2001, [X.] 1948) festgelegte Abschlag auf den für den Versicherten maßgeblichen [X.] wird als Apothekenrabatt bezeichnet (zu dessen Verfassungsmäßigkeit vgl [X.] 114, 196, 242 ff = [X.]-2500 § 266 [X.] Rd[X.]23 ff, dort zur Fassung durch das [X.]; B[X.] [X.]-2500 § 130 [X.] RdNr 24 ff; zur Vorgängervorschrift § 376 RVO: [X.], 115, 119 ff = USK 7068).

Die Rabattierung ist in das System der Arzneimittelvergütung für die Apotheken durch die [X.]n integriert. Sie soll einfach und sicher das gesetzliche Ziel umsetzen, bei - im Interesse der Apotheken - kurzfristiger, zeitgerechter Erfüllung den Vergütungsanspruch um einen bestimmten Betrag im Interesse der [X.]n zu mindern. Der Apothekenrabatt dient heute (zur historischen Entwicklung vgl B[X.] [X.]-2500 § 130 [X.] RdNr 25 f mwN) allein dazu, bei sich weiterhin dynamisch entwickelnden Arzneimittelkosten (vgl nur BT-Drucks 17/3116 [X.]) einen Einspareffekt bei pünktlicher Bezahlung zu bewirken und dem gesetzgeberischen Ziel der [X.] (§ 71 [X.]) Rechnung zu tragen. Der Apothekenrabatt als - geringfügige - Kürzung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs des Apothekers gegen die [X.] erhält durch die Bindung an die [X.] nach [X.] (§ 130 Abs 3 [X.]) den Charakter eines Skontos für die alsbaldige Zahlung (ähnlich B[X.] [X.]-2500 § 130 [X.] RdNr 26 und 28).

Dem aufgezeigten Regelungssystem und -zweck entspricht es, den [X.]n zur fristgerechten Erfüllung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs der Apotheker für an Versicherte abgegebene Arzneimittel zu ermöglichen, unter Hinweis auf den "Abzug" unmittelbar den um den Rabatt geminderten Preis zu zahlen, und keine weiteren Rechtsakte der Beteiligten - Apotheken und [X.]n - zu verlangen. In diesem Sinne handelt es sich bei dem Zwangsrabatt um eine bereits das gesetzlich geregelte Grundgeschäft betreffende gesetzlich angeordnete auflösende Bedingung (vgl zur rechtsgeschäftlich geregelten auflösenden Bedingung § 158 Abs 2 [X.]). Der zunächst entstandene ungekürzte Vergütungsanspruch des Apothekers aus der Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte steht in Höhe des [X.] unter der auflösenden Bedingung, dass der Vergütungsanspruch (abzüglich des Rabatts) innerhalb der gesetzlichen Frist von zehn Tagen nach [X.] beglichen wird.

Der Konstruktion einer aufschiebend bedingten selbstständigen Verfügung kraft Gesetzes, die ihren Rechtsgrund in eben dieser gesetzlichen Anordnung findet und nachträglich den entstandenen Vergütungsanspruch dinglich entfallen lässt, bedarf es nicht. Auf den im Zivilrecht bestehenden Streit, ob es sich bei vorab vereinbarter [X.], soweit kein Schuldänderungsvertrag vorliegt, um einen aufschiebend bedingten Teilerlass der Forderung nach § 397 [X.] für den Fall fristgerechter Zahlung handelt (vgl [X.] Urteil vom 11.2.1998 - [X.] - NJW 1998, 1302; [X.], [X.], 1657 mwN) oder um eine Preisermäßigungsbedingung als Bestandteil des [X.] (so [X.], [X.], 2. Aufl 1994, [X.]; [X.] in [X.], [X.], §§ 397 - 432, Neubearbeitung 2005, § 397 Rd[X.]1), kommt es nicht an.

b) § 130 Abs 3 [X.] und 2 [X.] regelt, unter welchen Voraussetzungen die Bedingung eintritt. Danach setzt die Gewährung des Abschlags voraus, dass die Rechnung des Apothekers innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei der [X.] beglichen wird. Das Nähere regelt der Rahmenvertrag nach § 129 [X.].

Bedingung für den Wegfall des ungekürzten Vergütungsanspruchs ist zunächst, dass der Apotheker - ggf nach Maßgabe des [X.] - eine ordnungsgemäße Rechnung über seine berechtigten Forderungen erstellt und der [X.] zugehen lässt. Sodann muss die [X.] die mit der Rechnung geltend gemachten Forderungen innerhalb der [X.] ab [X.] - ggf nach näherer Maßgabe des [X.] - erfüllen. Die Erfüllung kann nur durch die vollständige Zahlung oder ihr gleichgestellte Erfüllungssurrogate abzüglich des zutreffend berechneten Rabatts erfolgen. Eine bloße Teilzahlung genügt dagegen nicht, um den Eintritt der Bedingung zu bewirken (anders bei abweichender Vertragsgestaltung [X.] Urteil vom [X.] - 21 U 73/94 - NJW-RR 1995, 856).

Die gesetzliche Regelung des [X.] unterliegt keiner vertraglichen Disposition. Hingegen haben die Parteien des [X.] und die des ergänzenden [X.] die Befugnis, die Apothekenrabattregelung zu konkretisieren. In diesem Sinne regelt etwa § 2 Abs 4 S 2 [X.], in welchem Umfang welcher Vertragsseite das Risiko einer durch die Bank verspätet ausgeführten Überweisung zuzurechnen ist, wann also eine tatsächlich verspätet dem Konto des [X.] gutgeschriebene Überweisung nicht als verspätet gilt.

3. Der [X.] kann auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob und in welchem Umfang die an den Kläger abgetretenen, von der [X.] nicht innerhalb der [X.] erfüllten Vergütungsansprüche der Apotheker bestehen, namentlich ob sie über den vom [X.] ausgeurteilten - von der [X.] nicht angegriffenen - Betrag hinausgehen. Er kann unter Beachtung der dargelegten Anforderungen mangels hinreichender Feststellungen insbesondere nicht entscheiden, inwieweit sich die streitigen Vergütungsansprüche der Apotheker jeweils um den Apothekenrabatt minderten (dazu a). Das [X.]-Urteil ist im Ergebnis nicht deshalb aufrechtzuerhalten, weil andere Einwendungen der [X.] durchgreifen (dazu b). Das [X.] wird die danach erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben (dazu c).

a) Der [X.] kann nach dem Inhalt der Feststellungen des [X.] zwar davon ausgehen (§ 163 [X.]), dass Apotheker im August 2003 an Versicherte der [X.] abgegebene Arzneimittel unter dem [X.] ordnungsgemäß in Rechnung stellten. Er kann aber schon nicht darüber entscheiden, wann für jeden der geltend gemachten Ansprüche die Frist des § 130 Abs 3 [X.] zu laufen begann, weil Feststellungen zum Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung fehlen.

An der Notwendigkeit, jeden Einzelanspruch zu überprüfen, ändert sich nichts dadurch, dass die Apotheker in formularmäßig gestalteten Verträgen die noch streitigen Vergütungsansprüche an den Kläger abtraten. Durch die Zusammenfassung der einzelnen Restvergütungsansprüche zu einem Betrag, der Klageforderung, verloren die einzelnen Forderungen der Apotheker nämlich nicht ihr jeweils eigenes rechtliches Schicksal. Es entstand keine Gesamtforderung im Rechtssinne, denn es wurde die bisherige Gläubigerstellung der einzelnen Apotheker übertragen.

Der [X.] kann zudem auch unabhängig von der genauen Beachtung der Zahlungsfrist nicht entscheiden, inwieweit bei jedem der Ansprüche [X.] angefallen sind. Es fehlt an weiteren hinreichenden Feststellungen des [X.] dazu, dass die Bedingung der fristgerechten vollständigen Begleichung der Rechnung, unter der jeder einzelne Vergütungsanspruch steht, hinsichtlich sämtlicher in der Sammelrechnung enthaltener Vergütungsansprüche eintrat. Der Umfang der [X.] ist vielmehr offen. Das gilt auch dann, wenn man nach den dargelegten Grundsätzen (vgl oben, [X.]) ohne weitere Untermauerung durch eine Prüfung von Amts wegen davon ausgeht, dass die [X.] die Rechnung vom [X.] zumindest um einen Betrag von 48 478,73 [X.] unberechtigt kürzte. Sie bewirkte bei unberechtigter Kürzung zumindest teilweise keinen Eintritt der Bedingung, die den Apothekenrabatt auslöst, denn sie erfüllte insoweit die in Rechnung gestellten Ansprüche nicht vollständig innerhalb der [X.]. Es ist indes unklar, ob und inwieweit die auflösende Bedingung, unter der jeder zunächst entstandene Vergütungsanspruch der Apotheker in Höhe des Rabatts steht, hinsichtlich der Forderungen aus der Sammelrechnung vom [X.] eintrat.

Unerheblich ist demgegenüber, dass die [X.] schon vorab 1 682 720,65 [X.] als Abschlag an die Apotheker bezahlte. § 2 Abs 4 [X.] [X.] sieht zwar vor, dass bei Nichteinhaltung der in § 2 Abs 1 Buchst a) und b) [X.] genannten Zahlungsfristen der Abschlag hinsichtlich des nicht fristgerecht geleisteten Teilbetrages entfällt. Weder folgt daraus im Umkehrschluss - wie die [X.] meint -, dass der auf die - wie hier - fristgerecht geleistete Abschlagszahlung einbehaltene Apothekenrabatt der [X.] in jedem Fall erhalten bleibt noch folgt daraus - wie der Kläger meint -, dass bei nicht fristgerecht geleisteter Abschlagszahlung die [X.] des § 130 Abs 3 [X.] in keinem Fall mehr erfüllt werden kann. § 130 Abs 3 [X.] kann - wie oben dargelegt (vgl [X.]) - weder durch den [X.] nach § 129 Abs 2 [X.] noch durch einen ergänzenden [X.] nach § 129 Abs 5 [X.] geändert werden. Der Apothekenrabatt fällt an, wenn die (endgültige) Rechnung von der [X.] binnen zehn Tagen nach [X.] abzüglich des Rabatts vollständig beglichen worden ist, ansonsten nicht. Ist einem Apotheker durch eine rechtswidrig nicht erfüllte Abschlagszahlung ein Schaden entstanden, bleibt es ihm unbenommen, einen Schadenersatzanspruch gegen die [X.] geltend zu machen. Der Schaden kann jedoch nicht im Wegfall des [X.] bestehen.

b) Anspruchsvernichtende oder dauerhaft anspruchshemmende Umstände, die dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere unterliegen fristgerecht geltend gemachte Vergütungsansprüche - wie hier - keiner von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussfrist. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob § 6 Abs 1 [X.]V eine Ausschlussfrist enthält, weil die Frist jedenfalls Beachtung fand. § 6 Abs 1 [X.]V bestimmt, dass alle in einem Kalendermonat belieferten Verordnungen spätestens bis zum 15. des Folgemonats den [X.]n in Rechnung zu stellen sind. Das für die Apotheker handelnde [X.] schickte die [X.] am [X.] der für die [X.] handelnden [X.]. Die [X.] machte keinen Zugang nach dem 15.9.2003 geltend.

c) Das [X.] wird danach (zusammenfassend) zunächst den Zeitpunkt des [X.]s bei der [X.] festzustellen haben. Es wird sodann für jeden einzelnen abgetretenen Restvergütungsanspruch zu prüfen haben, ob die [X.] dort jeweils einen unberechtigten Einbehalt aus der Gesamtsumme von 48 478,73 [X.] vornahm. Die erforderliche Prüfung setzt in einem ersten Schritt voraus, zunächst diejenigen Einzelansprüche der Apotheker zu identifizieren, die von dem Gesamteinbehalt von 52 262,45 [X.] erfasst wurden. In einem zweiten Schritt hat das [X.] zu prüfen, welche dieser Ansprüche die [X.] zeitgerecht vollständig beglich. Hierzu sind den Vergütungsansprüchen der einzelnen Apotheker die Zahlungen der [X.], die von ihr wirksam geltend gemachten Erfüllungssurrogate (der auch nicht nachträglich ausgezahlte Einbehalt von 3783,72 [X.]) und die von den Apothekern akzeptierten sachlich-rechnerischen Richtigstellungen (der nicht näher spezifizierte Berichtigungsbetrag von 3212,34 [X.]) zuzuordnen. Hierbei muss das [X.] für die Ansprüche, die Apotheker mit Sitz außerhalb [X.] dem Kläger zedierten, die weiteren einschlägigen Verträge auf Landesebene berücksichtigen, die für diese streitgegenständlichen Forderungen galten.

Alle Vergütungsansprüche, die die [X.] hiernach in vollem Umfang abzüglich des Rabatts zeitgerecht durch Zahlung und Erfüllungssurrogate beglich, sind auszuscheiden, weil die Klage insoweit unbegründet ist. Nicht in die Klage einbezogen sind die von unberechtigten Kürzungen betroffenen Forderungen derjenigen Apotheker, die ihre Ansprüche nicht an den Kläger abgetreten haben. Es verbleiben danach die berechtigten Einzelansprüche derjenigen Apotheker, die ihre Forderungen an den Kläger abgetreten haben. Die Summe dieser Forderungen ergibt den Betrag, den die [X.] dem Kläger noch zu zahlen hat. Soweit die Summe den bereits vom [X.] zuerkannten Betrag übersteigt, hat die auf weitere Zahlung gerichtete Berufung des [X.] Erfolg. Das [X.] wird im Übrigen auch über die vom Kläger geltend gemachten Zinsansprüche zu befinden haben.

Das [X.] kann die Beteiligten für die aufgezeigten notwendigen Ermittlungen heranziehen. Es kann ihnen hierbei aufgeben, dem [X.] die einzelnen Forderungen zu bezeichnen, die die Voraussetzung der nicht vollständigen Begleichung innerhalb der [X.] erfüllen, und dem [X.] im Einzelnen darzulegen, in welchem Umfang Kürzungen berechtigt oder unberechtigt erfolgten. Denn der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet das Gericht nicht dazu, Sachverhalte zu ermitteln, über die die Beteiligten ein besonderes, ihrer eigenen Sphäre verhaftetes Wissen verfügen, das erst die Möglichkeit zu einer sachgerechten Ermittlung eröffnet. Sollte ein Beteiligter seinen [X.]en nicht genügen, können sich die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht verringern (vgl zum Ganzen B[X.]E 102, 181 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, RdNr 24 f mwN zu Rspr und Literatur).

Kann das [X.] nach Ausschöpfung der gebotenen Beweiserhebung nicht feststellen, dass der Vergütungsanspruch eines Zedenten innerhalb der [X.] beglichen wurde, trägt die [X.] die objektive Beweislast für diese ihr vorteilhafte Tatsache in ihrer Sphäre nach allgemeinen Grundsätzen (vgl hierzu zB B[X.]E 71, 256 = [X.]-4100 § 119 [X.]; B[X.]E 108, 251 = [X.]-2500 § 137g [X.], RdNr 24 mwN; [X.] in: [X.], [X.], Stand Dezember 2011, § 103 Rd[X.]1 mwN). Die [X.] kann dem Kläger hierbei nicht entgegenhalten, er verhalte sich treuwidrig, weil er jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung selbst die Zahlungsvorgänge für jede einzelne Forderung hätte konkret darstellen können. Insoweit hat der Kläger gerade die - wenngleich unzutreffende - Auffassung vertreten, dass die Sammelrechnung eine einzige Rechnung sei, die es fristgemäß zu begleichen gelte. Hingegen hat die [X.] schon im Schriftsatz vom 24.10.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass hinsichtlich jedes einzelnen Vergütungsanspruchs zu prüfen sei, ob er innerhalb der Frist beglichen worden sei. Ihr war es auch zuzumuten, die die Zahlungsvorgänge betreffenden Daten zu sichern.

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten.

Meta

B 1 KR 14/11 R

06.03.2012

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 9. Juni 2009, Az: S 28 KR 572/05, Urteil

§ 2 Abs 2 S 3 SGB 5 vom 27.12.2003, § 129 Abs 2 SGB 5 vom 20.12.1988, § 129 Abs 5 S 1 SGB 5 vom 20.12.1988, § 130 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 23.12.2002, § 130 Abs 2 SGB 5 vom 27.07.2001, § 130 Abs 3 S 1 SGB 5 vom 20.12.1988, § 130 Abs 3 S 2 SGB 5 vom 20.12.1988

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.03.2012, Az. B 1 KR 14/11 R (REWIS RS 2012, 8528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8528

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 1 KR 49/12 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Apotheker - kein Vergütungsanspruch oder Ersatz des Wertes oder der Beschaffungskosten bei pflichtwidriger …


B 1 KR 5/13 R (Bundessozialgericht)


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