Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2013, Az. VII ZR 119/10

7. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7584

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Gegenstand

Gewährleistung beim VOB-Vertrag: Mängelbeseitigung oder Neuherstellung vor der Abnahme; Erstattung von Fremdnachbesserungskosten


Leitsatz

1. Der Auftraggeber kann gemäß § 4 Nr. 7 Satz 1 (jetzt § 4 Abs. 7 Satz 1) VOB/B vor der Abnahme verlangen, dass bereits vorhandene Mängel beseitigt und das Werk vertragsgerecht hergestellt wird. Er kann jedoch, wie nach der Abnahme, keine bestimmte Art der Mängelbeseitigung oder vertragsgerechten Herstellung verlangen, wenn der Vertrag auch auf andere Weise erfüllt werden kann. Neuherstellung kann der Auftraggeber nur dann fordern, wenn die vertragsgerechte Erfüllung auf andere Weise nicht möglich ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 5. Mai 2011, VII ZR 28/10, BauR 2011, 1336 = NZBau 2011, 413 = ZfBR 2011, 550).

2. Der sachkundig beratene Auftraggeber kann regelmäßig die Fremdnachbesserungskosten verlangen, die ihm aufgrund dieser Beratung entstanden sind. Der Auftragnehmer hat die Kosten selbst dann zu erstatten, wenn sich die zur Mängelbeseitigung ergriffenen Maßnahmen im Nachhinein als nicht erforderlich erweisen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 16. Juni 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 als Architektin und die Beklagte zu 2 als ausführendes Unternehmen gesamtschuldnerisch auf Erstattung der Kosten für den Austausch von Fensterelementen und auf Schadensersatz in Anspruch. [X.] beansprucht die Beklagte zu 2 restlichen Werklohn.

2

Die Klägerin beauftragte die Beklagte zu 1 im Zusammenhang mit der Errichtung von 24 Reihenhäusern mit Architektenleistungen gemäß Leistungsphasen 4 bis 7 nach § 15 Abs. 2 HOAI a.F. und der Bauüberwachung beim Ausbau der Reihenhäuser Nr. 8 bis 13. Im Februar 2000 erstellte die Beklagte zu 1 eine funktionale Leistungsbeschreibung über Tischlerarbeiten, Fenster und Außentüren. Auf dieser Grundlage schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 2 im [X.] unter Einbeziehung der VOB/B einen Vertrag über die Lieferung und Montage der ausgeschriebenen Fenster- und Türelemente. Die Arbeiten wurden bis September 2001 ausgeführt.

3

Schon während der Bauausführung kam es zu Wasser- und Windeintritten im Bereich der Fenster, die die Beklagte zu 2 nicht beseitigen konnte. [X.]. stellte fest, dass die Fenster konstruktionsbedingt nicht dicht seien und ausgetauscht werden müssten. Bereits die Beklagte zu 1 hatte diese Auffassung zuvor vertreten und der Klägerin trotz der Einwendungen der Beklagten zu 2, die einen Austausch der Fenster nicht für notwendig hielt, geraten, den Austausch der Fenster vorzunehmen. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte zu 2 unter Setzung einer Frist verbunden mit der Androhung der Entziehung des Auftrags zum Austausch der Fenster auf. Dieser Aufforderung ist die Beklagte zu 2 nicht nachgekommen.

4

Das [X.] hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat, nach Einholung eines weiteren Gutachtens, die Entscheidung des [X.]s bestätigt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung des restlichen [X.] der Beklagten zu 2.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des [X.]erufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.]erufungsgericht.

I.

Die Revision gegen die [X.]eklagte zu 2

6

1. Das sachverständig beratene [X.]erufungsgericht hat die Klageforderung mit der [X.]egründung abgewiesen, der Aufwand für die Mängelbeseitigung sei unverhältnismäßig gewesen. Zwar seien die ausgetauschten Fenster mangelhaft und nicht von der ausgeschriebenen [X.]eschaffenheit. Für eine Mängelbeseitigung hätte es aber ausgereicht, die Falzdichtungen auszutauschen. Ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem [X.] stehe der Klägerin nicht zu, denn sie habe eine unverhältnismäßige Mängelbeseitigung von der [X.]eklagten zu 2 verlangt.

7

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

8

Auf das Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der [X.]eklagten zu 2 sind die [X.]/[X.] (1998) und das [X.]ürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt (Art. 229 § 5 Satz 1 EG[X.]G[X.]).

9

a) Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] kann der Auftraggeber nach Kündigung (§ 4 Nr. 7 Satz 3, § 8 Nr. 3 Abs. 1 [X.]/[X.]) den noch nicht vollendeten Teil der Leistungen zu Lasten des Auftragnehmers durch einen [X.] ausführen lassen und Ersatz des etwa entstehenden weiteren Schadens ersetzt verlangen. Der Auftraggeber kann Erstattung der [X.] verlangen, die er als vernünftiger, wirtschaftlich denkender [X.]auherr im Zeitpunkt der [X.]eauftragung des [X.] für angemessen halten durfte, wobei es sich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. Hat er sich sachkundig beraten lassen, kann er regelmäßig die [X.] verlangen, die ihm aufgrund dieser [X.]eratung entstanden sind. Das mit der sachkundig begleiteten [X.]eurteilung einhergehende Risiko einer Fehleinschätzung trägt der Auftragnehmer. Dieser hat deshalb die Kosten selbst dann zu erstatten, wenn sich die zur Mängelbeseitigung ergriffenen Maßnahmen im Nachhinein als nicht erforderlich erweisen ([X.], Urteil vom 31. Januar 1991 - [X.], [X.], 329, 330 = [X.] 1991, 104, 105; Urteil vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 301, 305; Urteil vom 27. Mai 2010 - [X.], [X.], 1583 Rn. 19 = NZ[X.]au 2010, 556 Rn. 19 = [X.] 2010, 664).

b) Das [X.]erufungsgericht hat zwar [X.]ezug genommen auf die Rechtsprechung des [X.]s, jedoch die dargestellten Grundsätze nicht zutreffend angewandt.

Die Klägerin hat ihre Entscheidung, zur Mängelbeseitigung Fenster auszutauschen, auf der Grundlage sachverständiger [X.]eratung getroffen. Sowohl der im Einvernehmen aller Parteien hinzugezogene Sachverständige Ib. als auch die [X.]eklagte zu 1 haben den Austausch der Fenster gegen solche mit verstärkten Profilen für erforderlich gehalten. Der Austausch der Fenster war geeignet, die Regenundichtigkeit zu beseitigen. Die Klägerin durfte deshalb - wenn die Voraussetzungen der Ersatzvornahme vorlagen - als wirtschaftlich und vernünftig denkende [X.]auherrin diese Maßnahme beauftragen. Dass der im Nachhinein vom [X.]erufungsgericht bestellte Gutachter einen Austausch der Fenster nicht für erforderlich hielt, geht zu Lasten der [X.]eklagten zu 2 und kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden.

c) Die Erwägungen des [X.]erufungsgerichts tragen daher die Zurückweisung der [X.]erufung nicht. Das [X.]erufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das [X.]erufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - keine tatsächlichen Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen von § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] getroffen hat. Für die weitere Verhandlung weist der [X.] auf Folgendes hin.

aa) Das [X.]erufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen für die Ersatzvornahme vorlagen. Die neue Verhandlung gibt dem [X.]erufungsgericht Gelegenheit dazu, dies nachzuholen. Es kommt in [X.]etracht, dass die Klägerin den Austausch der Fenster unabhängig davon fordern konnte, welche Ursache für die Undichtigkeit der Fenster maßgeblich war und inwieweit die Ursache auch ohne Austausch der Fenster hätte beseitigt werden können. Nach der [X.]ehauptung der Klägerin waren die Fenster infolge der dauerhaften Feuchtigkeit so stark beschädigt und mit Pilzen befallen, dass sie schon deshalb ausgetauscht werden mussten.

bb) Sollte das nicht der Fall sein, wird das [X.]erufungsgericht zu prüfen haben, ob die Summe der bisher nicht weiter aufgeklärten Mängel das Verlangen nach Austausch rechtfertigte.

cc) Ist auch das nicht der Fall, wird das [X.]erufungsgericht zu klären haben, ob die Voraussetzungen der Ersatzvornahme deshalb nicht eintreten konnten, weil die [X.]eklagte zu 2 einen Austausch der Fenster nicht schuldete, die Klägerin aber den Austausch verlangte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Auftraggeber gemäß § 4 Nr. 7 Satz 1 [X.]/[X.] vor der Abnahme verlangen kann, dass bereits vorhandene Mängel beseitigt und das Werk vertragsgerecht hergestellt wird. Er kann jedoch, wie auch nach der Abnahme ([X.], Urteil vom 5. Mai 2011 - [X.], [X.], 1336 = NZ[X.]au 2011, 413 = [X.] 2011, 550; [X.], Urteil vom 24. April 1997 - [X.], [X.], 638, 639 = [X.] 1997, 249, 250), keine bestimmte Art der Mängelbeseitigung oder vertragsgerechten Herstellung fordern, wenn der Vertrag auch auf andere Weise erfüllt werden kann. Neuherstellung kann der Auftraggeber nur dann fordern, wenn die vertragsgerechte Erfüllung auf andere Weise nicht möglich ist (Handbuch Privates [X.]aurecht/Merl, 3. Aufl., § 12 Rn. 697; [X.]/[X.], [X.]/[X.], 4. Aufl., § 4 Rn. 138; [X.] in [X.]/[X.], [X.] Teile A und [X.], 18. Aufl., § 4 Abs. 7 Rn. 18; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 4 [X.]/[X.] Rn. 250; a.A. unter fehlerhaftem Hinweis auf die vorgenannten Fundstellen [X.] in Kapellmann/[X.], [X.] Teile A und [X.], 4. Aufl., § 4 [X.]/[X.] Rn. 164). Denn es ist Sache des Unternehmers, wie er den Vertrag erfüllt, soweit die Einzelheiten der Vertragserfüllung nicht vereinbart sind.

Fordert der Auftraggeber eine Maßnahme zur Mängelbeseitigung, die der Auftragnehmer nicht schuldet, so kann nach den vom [X.]undesgerichtshof entwickelten Grundsätzen gleichwohl das Ersatzvornahmerecht entstehen ([X.], Urteil vom 5. Oktober 2005 - [X.], [X.], 524 = NZ[X.]au 2006, 116 = [X.] 2006, 226). Das [X.]erufungsgericht wird gegebenenfalls auch zu erwägen haben, ob die [X.]eklagte zu 2 sich darauf berufen darf, dass die Klägerin eine so nicht geschuldete Maßnahme forderte, nachdem die [X.]eklagte zu 2 zunächst vergeblich die Mängelbeseitigung versucht, bei diesen Versuchen die wahre Mängelursache nicht erkannt und - wovon in der Revision zugunsten der Klägerin auszugehen ist - nach Vorlage des ersten Gutachtens eine Mängelbeseitigungsmaßnahme vorgeschlagen hat, die die eigentliche Ursache auch nicht beseitigt hätte.

II.

Die Revision gegen die [X.]eklagte zu 1

1. Das sachverständig beratene [X.]erufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch gegen die [X.]eklagte zu 1 aus §§ 634, 635 [X.]G[X.] a.F. bestehe nicht. Zwar habe die [X.]eklagte zu 1 es versäumt, die [X.]eanspruchungsgruppe der von der [X.]eklagten zu 2 zu liefernden Fenster vorzugeben. Dieser Mangel habe sich aber nicht ausgewirkt, da die [X.]eklagte zu 2 Fenster der zutreffenden [X.]eanspruchungsgruppe C eingebaut habe.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Auf das Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der [X.]eklagten zu 1 ist das [X.]ürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt (Art. 229 § 5 Satz 1 EG[X.]G[X.]).

a) Zutreffend geht das [X.]erufungsgericht davon aus, dass sich der Planungsfehler der [X.]eklagten zu 1 nicht ausgewirkt hat und deshalb kein Anspruch auf Schadensersatz besteht.

b) Das [X.]erufungsgericht erwägt aber nicht, ob die [X.]eklagte zu 1 deshalb haftet, weil sie der Klägerin riet, von der [X.]eklagten zu 2 einen Austausch der Fenster zu verlangen, weil nur so eine mangelfreie Leistung möglich sei. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die [X.]eklagte zu [X.] einer Stellung als Sachwalterin der Klägerin verpflichtet war, diese über die Mängelursachen zu beraten und eine bestimmte Mängelbeseitigung zu empfehlen. Die [X.]eklagte zu 1 hat die Empfehlung abgegeben, die Fenster zu erneuern. Diese Empfehlung war fehlerhaft. Trifft die [X.]eklagte zu 1 ein Verschulden und ist die Empfehlung kausal für die Entscheidung der Klägerin geworden, die Auswechslung der Fenster zu fordern, so haftet die [X.]eklagte 1 für den daraus entstandenen Schaden.

c) Die Erwägungen des [X.]erufungsgerichts tragen daher die Zurückweisung der [X.]erufung nicht. Das [X.]erufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das [X.]erufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs getroffen hat. Dieser ist insbesondere von den weiteren Feststellungen des [X.]erufungsgerichts zu einer Haftung der [X.]eklagten zu 2 abhängig.

[X.]                                 [X.]                                 Halfmeier

                      [X.]

Meta

VII ZR 119/10

07.03.2013

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Rostock, 16. Juni 2010, Az: 2 U 56/07

§ 4 Nr 7 S 1 VOB B 2006, § 4 Abs 7 S 1 VOB B 2012, § 4 Nr 7 S 3 VOB B 2006, § 8 Nr 3 Abs 1 VOB B 2006, § 8 Nr 3 Abs 2 S 1 VOB B 2006

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2013, Az. VII ZR 119/10 (REWIS RS 2013, 7584)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7584

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