Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2015, Az. VII ZB 57/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2157

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:181115VIIZB57.12.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 57/12

vom

18. November 2015

in dem selbständigen Beweisverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 66 Abs. 1, § 71, § 485
a)
Im selbständigen Beweisverfahren ist entsprechend § 71 ZPO über einen Antrag auf Zurückweisung einer [X.] durch Beschluss zu entscheiden.
b)
Für ein rechtliches Interesse entsprechend § 66 Abs.
1 ZPO am Beitritt in einem selb-ständigen Beweisverfahren muss der Nebenintervenient zu der unterstützten [X.] oder dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in einem Rechtsverhältnis stehen,
auf welches das Ergebnis der in dem selbständigen Beweisverfahren stattfin-denden zulässigen Beweiserhebung unmittelbar oder mittelbar rechtlich einwirkt.
c)
Die bloße Möglichkeit,
dass in dem selbständigen Beweisverfahren ein Gutachten er-stellt wird, dessen Ergebnis sich im Falle einer Anwendung von §
411a ZPO nachteilig auf die Rechtsposition des Nebenintervenienten auswirken könnte, stellt keinen hinrei-chenden Interventionsgrund im Sinne des §
66 Abs.
1 ZPO dar.

[X.], Beschluss vom 18. November 2015 -
VII ZB 57/12 -
OLG [X.] in [X.]

LG [X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
18.
November
2015
durch [X.]
Eick, [X.], Dr.
Kartzke, Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterin Sacher
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Streithelferin gegen den Beschluss des 13.
Zivilsenats in [X.] des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 28.
September 2012 wird zurückgewiesen.
Die Streithelferin trägt die Kosten des [X.].

Gründe:
I.
Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist ein Zwischenstreit über die Zu-lässigkeit einer [X.] in einem selbständigen Beweisverfahren.
Die Antragstellerin beauftragte die Antragsgegnerin zu 1 mit der Planung und Bauüberwachung und die Antragsgegnerin zu
2 mit der schlüsselfertigen Errichtung des Neubaus einer in einer Kaserne in [X.] gelegenen Werkhalle.
Zwischen der Antragstellerin und ihrer Streithelferin besteht ein hiervon unabhängiges Rechtsverhältnis, aufgrund dessen die Antragstellerin der Streit-helferin die Werkhalle zur Verfügung zu stellen hat
und
diese sie
zur Instand-1
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-
3
-
setzung von Fahrzeugen und Waffensystemen, unter anderem
auch zur War-tung von [X.], nutzt.
An der Oberschicht der Bodenplatte der Werkhalle sind Abplatzungen aufgetreten, über deren
Umfang und
Ursache Streit besteht. Die Antragsgegne-rin zu 2 behauptet, die aufgetretenen Schäden seien ausschließlich darauf zu-rückzuführen, dass es in der [X.] zu einer vom ursprünglichen Vertragszweck abweichenden Nutzung eines Luftkissentransportsystems komme.
Die Antragstellerin hat ein selbständiges Beweisverfahren gegen die An-tragsgegnerinnen eingeleitet mit dem Ziel, durch Einholung eines Sachverstän-digengutachtens den Umfang der Abplatzungen, die technische Verantwortlich-keit hierfür sowie die erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen klären zu lassen.
Die Streithelferin hat ihren Beitritt auf Seiten der Antragstellerin erklärt. Sie macht geltend, dass das streitige Rechtsverhältnis zwischen den [X.]en des selbständigen Beweisverfahrens für ihre eigene rechtliche Beziehung zur Antragstellerin vorgreiflich sei. Eine Feststellung der Mangelhaftigkeit der er-brachten Bau-
bzw. Planungs-
und
Überwachungsleistungen bedeute
zugleich, dass die Antragstellerin ihren Leistungspflichten im Verhältnis zur Streithelferin nicht gerecht werde. Die Streithelferin beabsichtige, die Antragstellerin wegen der gutachterlich festzustellenden Mängel
am [X.]nboden
in Regress
zu neh-men. Für die Streithelferin bestehe die Gefahr, dass in dem selbständigen Be-weisverfahren ein Gutachten erstellt werde, durch welches Tatsachen [X.] werden könnten, die sich im Falle einer Anwendung von §
411a ZPO in einem nachfolgenden Rechtsstreit zwischen ihr und der Antragstellerin [X.] auf ihre Rechtsposition auswirken könnten.

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-
Die Antragsgegnerin zu 1 hat beantragt, die [X.] [X.]. Das [X.] hat den Beitritt der Streithelferin durch Zwischenur-teil zugelassen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 hat das Beschwerdegericht die Beitrittserklärung der Streithelferin als unzulässig zu-rückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbe-schwerde erstrebt die Streithelferin die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat kei-nen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Beitrittserklärung der Streithelferin sei nur dann zulässig, wenn sie ein rechtliches Interesse im Sinne des §
66 Abs.
1 ZPO an dem "Obsiegen" der Antragstellerin in dem zwischen ihr und den Antragsgegnerinnen anhängigen selbständigen Beweisverfahren habe. Die in einem Rechtsstreit geltenden Grundsätze zur Auslegung des Be-griffs des rechtlichen Interesses seien ohne weiteres und ohne Modifikation auf eine [X.] im selbständigen Beweisverfahren anzuwenden. [X.] hieran sei ein rechtliches Interesse der Streithelferin an einem Beitritt zu verneinen. Die Hoffnung der Streithelferin, im selbständigen Beweisverfah-ren könnten alle aufgeworfenen Beweisfragen im Sinne der Antragstellerin [X.] werden,
und die damit verbundene Erwartung, in einem späteren Ver-fahren zwischen ihr und der Antragstellerin könne ein dann zuständiges Gericht das Beweisergebnis übertragen, begründe kein rechtliches Interesse an der [X.]. Das Ergebnis der erstrebten Sicherung von Beweisen wirke 7
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5
-
sich allenfalls
in tatsächlicher und wirtschaftlicher, nicht jedoch in rechtlicher Hinsicht auf das Verhältnis der Streithelferin zur Antragstellerin aus.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Vorschriften über die [X.] und die [X.] (§§
66
ff. ZPO) im selbständigen Beweisverfahren entsprechend anzuwenden sind ([X.]
Rspr.;
[X.], Beschluss vom 12.
Juli 2012
-
VII
ZB
9/12, [X.]Z 194, 68 Rn.
6 m.w.N.). Damit ist auch entsprechend §
71 ZPO im selbständigen Be-weisverfahren über einen Antrag auf Zurückweisung einer [X.] durch Beschluss zu entscheiden.
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, die Streithelferin habe kein rechtliches Interesse am Obsiegen der Antragstellerin gegenüber der
Antragsgegnerin
zu 1 entsprechend §
66 Abs.
1, §
71 Abs.
1 ZPO glaubhaft gemacht.
aa) Der Begriff des rechtlichen Interesses in §
66 Abs. 1 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] weit auszulegen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10.
Februar
2011 -
I
ZB
63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn.
10; vom 17.
Januar
2006 -
X
ZR
236/01, [X.]Z 166, 18 Rn.
7). Aus dem Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt jedoch, dass ein rein [X.] oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit einer [X.] nicht ausreicht. Es ist erforderlich, dass der Nebenintervenient zu der [X.] oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsver-hältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt ([X.], Beschlüsse vom 10. Februar 2011 -
I [X.], NJW-RR 2011, 907 Rn. 10; vom 24.
April
2006 -
II
ZB
16/05, [X.],
1252 Rn.
8; vom 17.
Januar
2006 10
11
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X
ZR
236/01, [X.]Z 166, 18 Rn.
7). Der bloße Wunsch eines Nebeninterve-nienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer [X.] entschieden werden, und die Erwartung, dass die damit befassten Gerichte auch in einem künftigen eige-nen Rechtsstreit mit einer [X.] an einem einmal eingenommenen Standpunkt festhalten und zu einer ihm günstigen Entscheidung gelangen, stellen lediglich Umstände dar, die ein tatsächliches Interesse am Obsiegen einer [X.] zu er-klären vermögen. Das genügt ebenso wenig wie der denkbare Umstand, dass in beiden Fällen
dieselben Ermittlungen angestellt werden müssen oder über gleichgelagerte Rechtsfragen zu entscheiden ist ([X.], Beschlüsse vom 10.
Februar
2011 -
I
ZB
63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn.
10; vom 24.
April
2006

II
ZB
16/05, [X.], 1252 Rn.
12).
bb) In einem
selbständigen Beweisverfahren kann §
66 Abs.
1 ZPO nur entsprechend angewandt werden, weil es ein "Obsiegen" im engeren Sinne hier nicht gibt.
Bei der Prüfung eines rechtlichen Interesses ist
nicht auf ein Obsiegen in einem gedachten Hauptsacheprozess
abzustellen. Eine derartige hypothetische Prüfung ist in diesem Stadium eines Verfahrens schon deshalb nicht möglich, weil noch nicht feststeht, mit welchen Anträgen ein solches Hauptsacheverfah-ren durchgeführt werden würde. Ein Antragsteller "obsiegt" in
einem selbständi-gen Beweisverfahren
vielmehr dann, wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Antragsgegner festgestellt werden. Insoweit besteht sein rechtliches Interesse im Sinne von §
485 Abs.
2 ZPO gegenüber dem Antragsgegner an der Feststellung des Zustandes einer Sache und der Ursache eines Sachmangels, für den eine Haftung des Antragsgegners ihm gegenüber in Betracht kommt.

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Mithin kommt es darauf an, ob der Nebenintervenient zu der unterstütz-ten [X.] oder dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in die-sem Sinne in einem Rechtsverhältnis steht, auf welches das Ergebnis der in dem selbständigen Beweisverfahren stattfindenden zulässigen Beweiserhebung unmittelbar oder mittelbar rechtlich einwirkt.
[X.]) Das ist nach diesen Maßstäben nicht der Fall. Das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens und ein Obsiegen der Antragstellerin wirken nicht rechtlich auf ein Rechtsverhältnis der Streithelferin ein.
(1) Ein Regressanspruch der Streithelferin im Sinne eines Rückgriffs ge-gen die Antragstellerin ist
entgegen ihrer Auffassung
nicht ersichtlich.
Die Streithelferin hat nichts dafür
dargelegt, dass sie in Anspruch genommen wer-den und sich bei der Antragstellerin hierfür schadlos halten könnte.
(2) Tatsächlich kommt nur ein Anspruch der Streithelferin aufgrund von Mängeln am [X.]nboden aus den Leistungspflichten der Antragstellerin im Verhältnis zur Streithelferin in Betracht. Auf dieses Rechtsverhältnis wirkt ein Obsiegen der Antragstellerin im selbständigen Beweisverfahren weder [X.] noch mittelbar rechtlich ein.
Das Ergebnis des Beweisverfahrens hat für einen etwaigen Folgepro-zess der Streithelferin gegen die Antragstellerin keine
materiellen oder pro-zessualen
Rechts-, insbesondere keine Bindungswirkungen.
Ein für die Streithelferin günstiges Beweisergebnis bindet weder ohne noch mit einem Beitritt die Antragstellerin
im Verhältnis zur Streithelferin. Denn eine entsprechend §
68 ZPO eintretende Bindung wirkt nie zu Lasten der [X.]. Die Streithelferin muss auch nicht beitreten, um ein für sie nega-tives Beweisergebnis zu verhindern. Ohne ihren Beitritt gibt es mangels Streit-16
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verkündung
(§ 72, § 74 Abs. 3, § 69 ZPO)
keine Bindungswirkung
zu ihren Las-ten. Ein
Beitritt bringt der Streithelferin daher rechtlich allenfalls einen Nachteil
in Form einer möglichen Bindungswirkung zu ihren Lasten, jedoch
keinen Vor-teil.
Die Streithelferin kann sich nur darauf berufen, in ihrem Rechtsverhältnis zur Antragstellerin stellten sich teilweise dieselben tatsächlichen Fragen wie im vorliegenden selbständigen Beweisverfahren. Das genügt nicht, um ein rechtli-ches Interesse im Sinne von §
66 Abs. 1 ZPO zu begründen (vgl.
zum Beitritt in einem Rechtsstreit
[X.], Beschluss vom 10.
Februar
2011

I
ZB
63/09, NJWRR
2011, 907 Rn.
10).
Auch die von der Streithelferin geltend gemachte
Gefahr, dass in dem selbständigen Beweisverfahren ein Gutachten erstellt werde, dessen Ergebnis sich im Falle einer Anwendung von §
411a ZPO nachteilig auf ihre [X.] auswirken könnte, stellt keinen hinreichenden Interventionsgrund im Sinne des §
66 Abs.
1 ZPO dar. Die bloße Möglichkeit der
späteren
Gutachtenverwer-tung begründet kein rechtliches Interesse an dem Beitritt (vgl. [X.], NJW-RR 2009, 963).
Eine nur vage und ungewisse Betroffenheit des [X.] kann die mit der [X.] für die Gegenpartei verbundenen Nachteile in der Prozessführung nicht rechtfertigen (vgl. [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3.
Aufl., §
66 Rn.
36 sowie Rn.
5 a.E.). Diese Möglichkeit stellt auch keine aus-reichende Gefahr einer erschwerten Prozessführung des [X.] dar. Die [X.] eines Sachverständigengutachtens nach §
411a ZPO ersetzt eine schriftliche Begutachtung und ist dieser nach der gesetzlichen Konzeption gleichwertig. Die [X.]en haben
in gleicher Weise
wie bei einer erstmaligen Beweisaufnahme
Gelegenheit, auf das Beweisergebnis Einfluss zu nehmen.

22
-
9
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

Eick
[X.]
Kartzke

Jurgeleit

Sacher

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 28.06.2012 -
8 OH 3/11 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 28.09.2012 -
13 W 56/12 -

23

Meta

VII ZB 57/12

18.11.2015

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2015, Az. VII ZB 57/12 (REWIS RS 2015, 2157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2157

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 57/12

I ZB 63/09

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