Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2006, Az. IX ZR 158/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3964

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 13. April 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

[X.] §§ 130 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 133 Abs. 1, § 142; [X.] §§ 16, 17, 18 a) Ist eine Angelegenheit beendigt, sind die dafür verdienten Anwaltsgebühren fällig, selbst wenn der Auftrag - der auch noch andere Angelegenheiten umfasst - insge-samt noch nicht erledigt ist. Ein Vorschussanspruch besteht insoweit nicht mehr. b) Soweit an einen Rechtsanwalt [X.] in einer abgeschlossenen An-gelegenheit erfolgen, für die bereits der Vergütungsanspruch fällig geworden, [X.] nicht geltend gemacht ist, sind die Leistungen inkongruent. c) Erbringt ein Rechtsanwalt Vorleistungen, die der inzwischen in der Krise [X.] Mandant mehr als 30 Tage später vergütet, handelt es sich nicht mehr um ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Bargeschäft. - 2 - d) Hat der insolvente Mandant durch die Gewährung von [X.], gilt für das Vorliegen eines [X.] derselbe Maßstab wie bei einer [X.]. e) Wird ein Insolvenzeröffnungsantrag mit der Bitte eingereicht, das Insolvenzgericht möge dessen Bearbeitung noch kurzfristig zurückstellen, ist er dennoch bereits mit der Einreichung wirksam gestellt. [X.], [X.]eil vom 13. April 2006 - [X.] - [X.] LG Göttingen

- 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2006 durch [X.] [X.], [X.] Ganter, [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 4. August 2005 aufgeho-ben. Die Berufung des [X.]n gegen das [X.]eil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 21. September 2004 wird [X.], soweit der [X.] verurteilt worden ist, an den Kläger 18.286,16 • zuzüglich Zinsen zu zahlen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand: Der [X.] war seit Anfang/Mitte Oktober 2001 für die in finanziellen Schwierigkeiten befindliche A.

GmbH (fortan: Schuldnerin) anwaltlich tätig. Als Honorar erhielt er von der Schuldnerin zunächst - jeweils in 1 - 4 - bar - am 1. November 2001 DM 5.000 (= • 2.556,46) und am 8. November 2001 DM 10.000 (= • 5.112,92). Am 9. November 2001 stellte der Geschäftsführer der Schuldnerin im Beisein des [X.]n beim Amtsgericht - Insolvenzgericht - einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Nach dem Vor-trag des [X.]n geschah dies mit dem Ersuchen, den Antrag erst zu bear-beiten, wenn bis zum 12. November 2001 eine erwartete Kapitaleinlage der [X.] Muttergesellschaft ausbleiben sollte. Am 12. November 2001 erhielt der [X.] - wiederum in bar - von der Schuldnerin eine weitere Zahlung in Höhe von [X.]). Über den Gesamtbetrag von [X.]) existiert eine auf den 12. November 2001 datierte Rechnung des [X.]n.

Zu der Kapitaleinlage kam es nicht. Das Insolvenzverfahren wurde am 1. Februar 2002 eröffnet. Der zum Insolvenzverwalter bestellte Kläger nimmt den [X.]n im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung des erhalte-nen Honorars in Anspruch. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat sie abgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision ver-folgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

2 3 4 - 5 - Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und teilweise zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen [X.]eils, im Übrigen zur Zurückver-weisung. [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Anfechtung wegen inkon-gruenter Deckung scheide aus. Sämtliche drei Zahlungen seien kongruent ge-wesen. Es habe sich um [X.] gehandelt, auf die der [X.] einen fälligen Anspruch gehabt habe. Der [X.] habe einen umfassenden Auftrag zur Abwendung der Insolvenz und anwaltlichen Begleitung im [X.] gehabt. Jedenfalls bis zum 20. Dezember 2001 sei dieser Auftrag noch nicht erledigt gewesen. Eine Anfechtung wegen kongruenter [X.] komme gleichfalls nicht in Betracht, weil alle drei [X.] als [X.] anzusehen seien. Eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung scheitere daran, dass die Schuldnerin nicht mit dem entsprechenden Vorsatz gehandelt habe.

I[X.] Die Revision ist unbeschränkt zugelassen. Der [X.] enthält insoweit keine Einschränkungen. Solche können sich zwar auch aus den Ent-scheidungsgründen ergeben ([X.] 153, 358, 360; [X.], [X.]. v. 23. September 2004 - [X.] ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495; v. 15. Dezember 2005 - [X.] ZR 5 6 7 - 6 - 227/04, [X.], 138, 139). Dafür ist jedoch erforderlich, dass sich diesen mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, das Berufungsgericht habe die [X.] Nachprüfung nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Ent-scheidung eröffnen wollen ([X.], [X.]. v. 12. Juni 2000 - [X.], [X.], 1967, 1968; v. 20. Mai 2003 - [X.], NJW 2003, 2529; v. 15. Dezember 2005 aaO). Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen der Frage zugelassen, "ob zu-gunsten des anfechtenden Insolvenzverwalters bei ... der Vorsatzanfechtung Beweiserleichterungen Platz greifen, und zwar insbesondere dann, wenn das Bargeschäft nach einer beiden Seiten ... bekannten Stellung eines [X.] vorgenommen worden ist". Dies könnte darauf hindeuten, dass lediglich im Hinblick auf die Zahlung vom 12. November 2001 die Revision zugelassen werden sollte. Indes hat das Berufungsgericht außerdem darauf hingewiesen, es müssten höchstrichterliche Leitlinien zu der Frage entwickelt werden, unter welchen Umständen Zahlungen an einen Berater [X.] seien, der gerade wegen einer Krise des Auftraggebers mandatiert werde und somit zwangsläufig diese Krise kenne. Diese Frage betrifft sämtliche streitge-genständlichen Zahlungen. II[X.] Soweit der Kläger die Rückzahlung des am 12. November 2001 entrich-teten Betrages verlangt, führt die Revision zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen [X.]eils. Insofern ist die Klage ohne weiteres aus § 133 Abs. 1 [X.] begründet. 8 - 7 - 1. Anfechtbar ist danach eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachtei-ligen, wenn der andere Teil zur [X.] der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
2. Diese Voraussetzungen sind für die Zahlung vom 12. November 2001 erfüllt.

a) Die Zahlung erfolgte nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des [X.].

Der Antrag wurde am 9. November 2001 gestellt. Ob zwischen dem [X.] Geschäftsführer der Schuldnerin und dem [X.] wurde, die Bearbeitung des Antrags bis zum 12. November 2001 zu-rückzustellen, ist unerheblich. Das Insolvenzgericht kann einem Wunsch des Antragstellers entsprechen, die Behandlung des Antrags kurzfristig zurückzu-stellen ([X.]/[X.], [X.] § 13 Rn. 33; [X.], [X.] 12. Aufl. § 13 Rn. 4; HK-[X.]/Kirchhof, 4. Aufl. § 13 Rn. 4; FK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 14 Rn. 21; kritisch MünchKomm-[X.]/[X.], § 13 Rn. 61). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Antrag erst mit dem [X.]punkt als gestellt gilt, zu dem das Insol-venzgericht mit seiner Bearbeitung beginnt. Bittet der Antragsteller um [X.] Zurückstellung der Behandlung, ist dies regelmäßig nur eine unverbindliche Anregung, welche die Wirksamkeit des Antrags nicht berührt. Ein [X.], der nur mit der Maßgabe gestellt würde, dass er zunächst nicht bearbeitet wird, wäre unzulässig. Der Insolvenzantrag kann weder bedingt noch befristet 9 10 11 12 - 8 - gestellt werden ([X.], 284; [X.]/[X.], aaO; MünchKomm-[X.]/[X.], § 13 Rn. 60; [X.], aaO; [X.], [X.] § 13 Rn. 71; HK-[X.]/Kirchhof, aaO). Dafür, dass der - von einem Rechtskundigen, nämlich dem [X.]n, begleitete - Geschäftsführer der Schuldnerin hier einen unzulässigen Antrag hat stellen wollen, gibt es [X.]. b) Die Schuldnerin zahlte an den [X.]n mit dem Vorsatz, ihre Gläu-biger zu benachteiligen. aa) Der [X.] ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 [X.]) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten an-deren Vorteils - erkannt und gebilligt hat ([X.] 155, 75, 84; 162, 143, 153; zur früheren Rechtsprechung vgl. [X.] 124, 76, 81 f; 131, 189, 195). Ein Schuld-ner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteili-gungsvorsatz ([X.] 155, 75, 83 f; 162, 143, 153). Dessen Vorliegen ist jedoch schon dann zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfä-higkeit kennt. Dies ergibt sich mittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Schuldner selbst keine strengeren Anforderungen gelten (HK-[X.]/[X.], aaO § 133 Rn. 10; vgl. auch MünchKomm-[X.]/ Kirchhof, § 133 Rn. 26; [X.] ZIP 2004, 1684, 1691 f).

[X.]) Bei der Zahlung am 12. November 2001 kannte die Schuldnerin ihre Zahlungsunfähigkeit. Zumindest wusste sie, dass die Zahlungsunfähigkeit droh-13 14 15 - 9 - te. Der Geschäftsführer der Schuldnerin hat ausweislich des vom Insolvenzge-richt aufgenommenen Protokolls bei der Stellung des Insolvenzantrags am 9. November 2001 erklärt: "Die Firma ist m.E. zahlungsunfähig. Die fälligen Verbindlichkeiten belaufen sich auf ca. 2,9 Mio. DM, die nicht beglichen werden können." Überdies lag der Schuldnerin das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers vor, der bereits für den 22. Oktober 2001 festgestellt hatte, dass die Schuldne-rin überschuldet sei und Zahlungsunfähigkeit drohe. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht die eigene, bei der Stellung des Insolvenzantrags offenbarte Einschätzung der Schuldnerin nicht für entschei-dend, weil die seinerzeit noch ausstehende Einlage der [X.] Mutter-gesellschaft und die von dieser übernommenen Bürgschaften ausgereicht [X.], die Verbindlichkeiten der Schuldnerin zu decken. Die alsbaldige [X.] war - wie die weitere Entwicklung ergeben hat - nicht gewährleistet. Im Übrigen waren sie zur Deckung der [X.] der Schuldnerin nicht ausreichend, und davon ist diese selbst ausgegan-gen, weil sie ansonsten nicht bereits zum damaligen [X.]punkt den [X.] gestellt hätte.

[X.]) Umstände, welche die Vermutung des [X.] hätten entkräften können, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Solche sind auch nicht ersichtlich.

c) Da der [X.] denselben Kenntnisstand wie die Schuldnerin hatte, ist schließlich auch davon auszugehen, dass er deren Gläubigerbenachteili-gungsabsicht gekannt hat. 16 17 18 - 10 - IV. Hinsichtlich der beiden vorausgegangenen Zahlungen vom 1. und 8. November 2001 ist das Berufungsurteil ebenso wenig haltbar; insoweit ist der Rechtsstreit jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Anfechtung nach § 131 In-sO scheide aus, weil die Zahlungen als Vorschüsse auf Grund eines umfassen-den Auftrags zur anwaltlichen Beratung und Begleitung und somit als kongruent anzusehen seien, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach derzeiti-ger Sach- und Rechtslage kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um Vorschüsse gehandelt und der [X.] einen dahingehenden Anspruch gehabt hat.

a) [X.] ist allerdings die Meinung der Revision, die Annahme eines umfassenden (Dauer-) Mandats stehe im Widerspruch zu der von dem [X.]n vorgelegten, mit dem Datum des 12. November 2001 versehenen Rechnung. Falls diese die Abrechnung verschiedener Angelegenheiten enthält (dazu sogleich Näheres unter b), steht dies dem Vorliegen eines einheitlichen Auftrags nicht entgegen; ein Auftrag kann sich auf mehrere Angelegenheiten beziehen ([X.] in [X.]/Sußbauer, [X.] 8. Aufl. § 13 Rn. 5; [X.], [X.] 33. Aufl. § 13 [X.] Rn. 15).

b) Indes kommt es nicht auf den Auftrag an, weil sowohl die Gebühren- als auch die Vorschussforderung des Rechtsanwalts auf die jeweilige Angele-genheit - und nicht auf den Auftrag - bezogen ist. Die Gebühren entgelten die Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit (§ 13 Abs. 1 [X.]); in derselben Angelegenheit kann der Rechtsanwalt die 19 20 21 22 - 11 - Gebühren nur einmal fordern (§ 13 Abs. 2 [X.]). Das Recht auf Vorschüsse (§ 17 [X.]) dient der Sicherung des späteren Vergütungsanspruchs des vorleistungspflichtigen Rechtsanwalts ([X.], [X.]. v. 29. September 1988 - 1 StR 332/88, [X.]. 1989, 227, 228; v. 11. Dezember 2003 - [X.] ZR 109/00, [X.]R [X.] § 17 - Rahmengebühren 1). Der [X.] ist in vier verschiedenen Angelegenheiten tätig geworden. Die von ihm vorgelegte, mit dem Datum vom 12. November 2001 versehene [X.] enthält die jeweils getrennten, lediglich in einer Schlussrech-nungssumme zusammengefassten Abrechnungen verschiedener, konkret be-zeichneter Angelegenheiten. Im einzelnen sind in der Rechnung vier [X.] aufgeführt: "(1) Besprechung und Verhandlung mit Insolvenzverwal-ter B. betreffend Kaufpreisreduzierung ... , [X.]) Überprüfung und Bera-tung Mietverträge ..., (3) Beratung in arbeitsvertraglichen Angelegenheiten (nicht übernommene Mitarbeiter [X.]) ..., (4) beratende Tätigkeit im Übrigen bis zur Antragstellung, Antragstellung im Insolvenzverfahren und Besprechung mit dem Insolvenzverwalter ...". Dies hat der [X.] dahin erläutert, die Tätigkeit laut Nr. (1) habe den Erwerb des Unternehmens der Schuldnerin von dem [X.], ebenfalls insolvent gewordenen Unternehmensträger betroffen. Unter der Nr. [X.]) seien Verhandlungen mit der Grundstückseigentümerin abgerechnet worden, die den Zweck gehabt hätten, durch Herabsetzung des Mietzinses für die von der Schuldnerin angemieteten Räume "Luft" für die Fortführung des [X.] zu schaffen. Gegenstand der Abrechnung unter der Nr. (4) seien Verhandlungen mit der [X.] Muttergesellschaft gewesen, um diese zur Erfüllung der von ihr übernommenen Patronatsverpflichtungen anzuhalten. 23 - 12 - c) [X.] waren die Zahlungen an den [X.]n, wenn er - bezogen auf eine konkrete Angelegenheit - keinen fälligen Anspruch darauf gehabt hat. aa) Gemäß § 16 Satz 1 [X.] wird die Vergütung des Rechtsanwalts fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendigt ist. Ist eine Angelegenheit beendigt, sind die dafür verdienten Gebühren fällig, selbst wenn der Auftrag - der auch noch andere Angelegenheiten umfasst - insgesamt noch nicht erledigt ist ([X.] aaO § 16 Rn. 8). Den Vorschussanspruch erwirbt der Rechtsanwalt zwar bereits mit Abschluss des Anwaltsvertrages ([X.]St 35, 357 = NJW 1988, 1167). Er erlischt jedoch, sobald der Vergütungsanspruch fällig geworden ist (vgl. auch [X.], aaO § 17 Rn. 8: Wegfall des [X.]). Dies ist mit der Beendigung der Angelegenheit der Fall (§ 16 Satz 1 Alt. 2 [X.]). Soweit [X.] in bereits abgeschlossenen Angelegenhei-ten erfolgt sind, sind die Leistungen somit ohne weiteres inkongruent. Sofern an Stelle des [X.] ein Vergütungsanspruch bestand und mögli-cherweise auch bereits fällig war, ändert dies nichts an der [X.], wenn der Vergütungsanspruch mangels einer dem Auftraggeber mitgeteilten [X.] noch nicht eingefordert werden konnte (§ 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]). In-kongruent sind ferner Zahlungen, die auf einen Vergütungsanspruch geleistet worden sind, der noch nicht fällig war, weil die Erledigung der Angelegenheit noch ausstand.

[X.]) Da die Rechnung vom 12. November 2001 mehrere Angelegenheiten betraf, durfte das Berufungsgericht sich nicht mit der Feststellung begnügen, der [X.] sei jedenfalls bis zum 20. Dezember 2001 für die Schuldnerin tätig 24 25 26 27 - 13 - gewesen, und dabei offen lassen, in welcher Angelegenheit er nach dem 12. November 2001 noch gearbeitet hat. Es bedarf der Feststellung, auf welche der in der Rechnung vom 12. November 2001 abgerechneten Angelegenheiten die jeweiligen Zahlungen erfolgt sind. Weiter muss festgestellt werden, ob die Angelegenheit, in der gezahlt worden ist, im [X.]punkt der Zahlung noch nicht abgeschlossen, der aus der fraglichen Angelegenheit erwachsene Vergütungs-anspruch somit noch nicht fällig war, so dass (nur) ein Vorschuss verlangt wer-den konnte. Solche Feststellungen fehlen, desgleichen ausreichender Vortrag. d) Sollte die erneute tatrichterliche Prüfung ergeben, dass die Zahlungen inkongruent sind, so liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vor. Die Zahlungen sind im letzten Monat vor der Stellung des Insolvenzantrags erfolgt und haben dem [X.]n, der im Insolvenzverfahren bloßer Insolvenzgläubiger gewesen wäre, volle Befriedigung verschafft. Falls die Zahlungen unter die [X.]ausnahme (§ 142 [X.]) fallen sollten (da-zu unten 2a), wird die Anfechtung nach § 131 [X.] dadurch nicht ausgeschlos-sen. Nach der Rechtsprechung des Senats werden Rechtsgeschäfte nur dann als [X.] anerkannt, wenn die Leistung des Schuldners kongruent ist ([X.] 150, 122, 130; [X.], [X.]. v. 17. Juni 2004 - [X.] ZR 124/03, [X.], 1576, 1577; vgl. auch zur Konkursordnung [X.] 123, 320, 328 f; zur Gesamt-vollstreckungsordnung [X.], [X.]. v. 3. Dezember 1998 - [X.] ZR 313/97, NJW 1999, 645, 646).

2. Werden die Zahlungen nicht von § 131 [X.] erfasst, kann eine An-fechtung nach § 130 Abs. 1 [X.] eingreifen; § 142 [X.] steht möglicherweise nicht entgegen. 28 29 - 14 - a) Unter dem Gesichtspunkt des [X.] (§ 142 [X.]) werden Leis-tungen privilegiert, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt ist. Dieser Ausnahmeregelung liegt der [X.] Gesichtspunkt zugrunde, dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten [X.] der Anfechtung unterlä-gen (Amtliche Begründung zu § 161 RegE-[X.], BT-Drucks. 12/2443 [X.]).
Leistung und Gegenleistung müssen beim Bargeschäft nicht Zug um Zug erbracht werden (so noch [X.], 62, 64). Dem Erfordernis der [X.] entsprechen auch solche Geschäfte, bei denen Leistung und Gegenleis-tung in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht werden (Amtliche Begründung zu § 161 RegE-[X.], aaO; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 142 Rn. 15; HK-[X.]/[X.], aaO § 142 Rn. 5; [X.]/[X.], aaO § 142 Rn. 13). Der für ein Bargeschäft unschädliche [X.]raum lässt sich kaum allgemein fest-legen. Er hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und da-von ab, in welcher [X.]spanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht (HK-[X.]/[X.], aaO § 142 Rn. 5; [X.]/ [X.], Festschrift für Kirchhof 2003 [X.], 308).

Es ist anerkannt, dass die Erfüllung beliebiger gegenseitiger Verträge unter die [X.]ausnahme fallen kann (MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 142 Rn. 4; HK-[X.]/[X.], aaO § 142 Rn. 3). Auch länger dauernde Vertrags-beziehungen scheiden nicht von vornherein als Bargeschäft aus. Insbesondere können Dienstleistungen eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts [X.] sein (vgl. [X.] 28, 344, 347 f; 77, 250, 252 f; [X.], [X.]. v. 28. Januar 1988 - [X.] ZR 102/87, [X.], 472, 474; v. 18. Juli 2002 - [X.] ZR 480/00, NJW 2002, 3252 f; vgl. auch Kirchhof Z[X.] 2005, 340, 343 f). Anwaltliche Dienstleistungen 30 31 32 - 15 - können sich über einen längeren [X.]raum hinziehen. Selbst wenn es sich nicht um [X.] handelt, sind [X.]spannen von Monaten oder gar Jahren nicht selten. Dies wäre unter dem Gesichtspunkt des engen zeitlichen Zusammen-hangs unproblematisch, wenn auf den [X.]raum zwischen der Beendigung der Dienstleistung und der Zahlung des Honorars abzustellen wäre (so [X.]/[X.], aaO S. 312; ähnlich Kirchhof Z[X.] 2005, 340, 344). Dies ist jedoch unzutreffend. Zwar hat der Rechtsanwalt, der von dem Mandanten alsbald nach Fälligkeit der Vergütung bezahlt wird, dem Mandanten keinen Kre-dit durch Stundung gewährt. Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Barge-schäft nicht in Betracht kommt, rechtfertigt jedoch nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde. Der [X.] erbringt eine Vorleistung, wenn seine Vergütung erst nach [X.] fällig wird. Im Allgemeinen hat, wer an den Schuldner [X.] erbracht hat, wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung ([X.] 135, 25, 27). Die dem § 142 [X.] zugrundelie-gende gesetzgeberische Erwägung, dass dem in der Krise befindlichen Schuld-ner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr ermöglicht werden soll, falls dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigt, betrifft nicht Fälle, in denen über längere [X.] vorgeleistet wird. Wer beispielsweise für den Schuldner ein Gebäude errichtet und sich darauf einlässt, dass der Werklohn insgesamt erst nach Abschluss der Bauarbeiten zu entrichten ist, kann sich, wenn der Schuld-ner ihn in der Krise bezahlt, nicht darauf berufen, der Bauvertrag sei ein Barge-schäft gewesen. Mit Dienstverträgen verhält es sich nicht anders. Der [X.] hat deshalb bei der Prüfung, ob der [X.] eines anwaltlichen oder steuerlichen Beraters ein privilegiertes Bargeschäft darstellt, grundsätzlich auf den [X.]raum zwischen der Annahme des [X.] - oder dem Beginn der Tätigkeit und der Gegenleistung abgestellt ([X.] 28, 334, 348; [X.], [X.]. v. 18. Juli 2002 aaO S. 3253 - in dem zuletzt genannten Fall konnte er offen lassen, ob dieser [X.]raum zu lang war, weil der Gläubiger dem Schuldner auch zu dem späteren [X.]punkt der Fälligkeit die Gegenleis-tung gestundet hatte). Bei länger währenden Vertragsbeziehungen ist für die Annahme eines [X.] zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistun-gen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah - entweder in Teilen oder abschnittsweise - ausgetauscht werden. So können Zahlungen, mit denen ein Bauunternehmer nach Baufortschritt entlohnt wird, [X.] sein, falls der Abstand zwischen den einzelnen Raten nicht zu groß wird. Entsprechendes gilt für die Saldierung von [X.] und [X.] im Rahmen eines debito-risch geführten Kontos; hier ist der erforderliche unmittelbare [X.] gegeben, wenn zwischen den Buchungen weniger als zwei Wochen vergehen; die Abrechnungsperiode des [X.] wäre zu lang ([X.] 150, 122, 131; [X.], [X.]. v. 25. Februar 1999 - [X.] ZR 353/98, NJW 1999, 3264, 3265 f; v. 25. Januar 2001 - [X.] ZR 6/00, NJW 2001, 1650, 1651 f).

Wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbrin-gung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, liegt kein Bargeschäft mehr vor. Dies entspricht der Verzugsfrist (§ 286 Abs. 3 BGB), die hier in Ermange-lung anderer Anhaltspunkte als Maßstab für einen unmittelbaren [X.] dienen kann. Rechtsanwälte werden dadurch nicht unangemessen be-nachteiligt. Denn sie können jederzeit Vorschüsse verlangen. 34 35 - 17 - Allerdings sind die Voraussetzungen eines [X.] wiederum nicht erfüllt, wenn der Rechtsanwalt einen Vorschuss in einer Höhe geltend macht, der die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die [X.] möglicherweise bereits verwirklicht sind. Es ist einem Rechtsanwalt, der in den Genuss der [X.]ausnahme kommen will, möglich und zumutbar, in regelmäßigen Abständen Vorschüsse einzufordern, die in etwa dem Wert seiner inzwischen entfalteten oder der in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit entsprechen. Ferner kann vereinbart werden, Teilleistungen gegen entspre-chende Vergütung zu erbringen. b) Stellt man nur darauf ab, wann der [X.] seine Tätigkeit begonnen hat, wäre der Rahmen des engen zeitlichen Zusammenhangs wohl noch ge-wahrt. Der erste Vorschuss wurde dem [X.]n höchstens drei bis vier [X.] nach der Aufnahme seiner Tätigkeit bezahlt, der zweite Vorschuss eine Woche später.

Indessen lässt sich dies derzeit nicht abschließend beurteilen, weil nicht feststeht, auf welche Angelegenheit gezahlt worden ist, wann der [X.] mit der Bearbeitung dieser Angelegenheit begonnen und wann er sie beendet hat. Zugunsten der Revision muss deshalb unterstellt werden, dass alle Zahlungen in einer Angelegenheit erbracht worden sind, die ihn bis zuletzt beschäftigt hat. Das Ende der Tätigkeit hat nach dem Vortrag des [X.]n "nicht vor dem 20. Dezember 2001" gelegen. Die erste Zahlung ist dann zumindest fast sieben Wochen, die zweite zumindest fast sechs Wochen und die Dritte immerhin noch mehr als fünf Wochen zuvor erfolgt. Dies wäre zu lang, wobei wiederum nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass die Arbeiten "Anfang/Mitte Oktober 2001" 36 37 38 - 18 - aufgenommen worden sind. Sie erstreckten sich insgesamt also über einen [X.]raum von mehr als zwei Monaten. In diesem Zusammenhang wird im Schrifttum diskutiert, ob der Maßstab des engen zeitlichen Zusammenhangs weniger streng ist, wenn der Schuldner (hier durch die Gewährung von Vorschüssen) vorgeleistet hat, als bei einer [X.] des Gegners, der somit dem Schuldner Kredit gewährt hat. Teilweise wird dies bejaht (MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 142 Rn. 16). Andere lehnen dies ab (HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 142 Rn. 6; [X.]//[X.], [X.] 12. Aufl. § 142 Rn. 15; [X.]/Prütting/[X.], [X.] § 142 Rn. 7). Zutreffend ist die zu-letzt genannte Ansicht. Dass wegen des Normzwecks der [X.]raum zwischen Leistung und Gegenleistung größer sein könne, wenn der Schuldner selbst vor-leiste (so MünchKomm-[X.]/Kirchhof, aaO), trifft nicht zu. Für eine Privilegie-rung des Gegners besteht kein Anlass, wenn der Schuldner seinerseits vorge-leistet hat. Denn dies ist für die künftige Masse sogar nachteiliger als der umge-kehrte Fall. Außerdem könnte die anfechtungsrechtliche Privilegierung der Kre-ditgewährung durch den Schuldner für einen Geschäftspartner, der einen [X.] auf Vorschuss hat (andernfalls kommt ein Bargeschäft ohnehin nicht in Betracht), Anreiz bieten, möglichst frühzeitig auf einem solchen zu bestehen. Im Interesse der Gläubigergesamtheit liegt dies nicht.

3. Sofern danach die Voraussetzungen eines [X.] nicht erfüllt sind, kommt es für die Anfechtbarkeit der beiden ersten Zahlungen darauf an, ob die Schuldnerin zur [X.] der jeweiligen Zahlung zahlungsunfähig war und der [X.] zu dieser [X.] die Zahlungsunfähigkeit gekannt hat (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Dazu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerich-tig - keine Feststellungen getroffen. 39 40 - 19 - V. Die Sache ist somit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies gibt den Parteien Gelegenheit, unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ihr Vorbringen zu ergänzen. Das Berufungsgericht wird sodann zu prüfen haben, ob die beiden ersten Zahlungen als Vorschuss angefordert und vereinnahmt worden sind und ob zu den fraglichen [X.]punkten ein entsprechender Vorschussanspruch bestanden hat und fällig gewesen ist. Soweit die Schuldnerin auf fällige Forderungen geleistet hat, wird sich das [X.] erneut dem Problem des [X.] zuwenden und klären müs-sen, ob zwischen der Aufnahme der Bearbeitung der Angelegenheit, in der [X.] worden ist, und der Zahlung oder zwischen dieser und der Erledigung der jeweiligen Angelegenheit ein enger zeitlicher Zusammen- 41 - 20 - hang bestanden hat. Falls es danach noch auf eine Anfechtung nach § 133 In-sO ankommt, wird sich das Berufungsgericht auch nochmals mit deren Voraus-setzungen befassen müssen. [X.] Ganter [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 21.09.2004 - 8 O 16/04 - [X.], Entscheidung vom 04.08.2005 - 8 U 177/04 -

Meta

IX ZR 158/05

13.04.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2006, Az. IX ZR 158/05 (REWIS RS 2006, 3964)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3964

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 113/06 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 104/07 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzanfechtung: Anfechtbarkeit des Erwerbs einer Aufrechnungslage


IX ZR 104/07 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 228/03 (Bundesgerichtshof)


6 AZR 262/10 (Bundesarbeitsgericht)

Zahlung rückständiger Vergütung - Insolvenzanfechtung


Referenzen
Wird zitiert von

12 U 31/19

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.