Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2010, Az. I ZR 19/08

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5253

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 19/08 Verkündet am: 1. Juli 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] UWG § 4 Nr. 11; [X.] § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 Hat ein Produkt ab einer bestimmten Menge eine pharmakologische Wirkung, so ist es als Funktionsarzneimittel anzusehen, wenn davon auszugehen ist, dass diese Menge bei Einhaltung der normalen Verzehrgewohnheiten [X.] wird. Eine auf dem Produkt angegebene Empfehlung, von dem [X.] täglich eine bestimmte, nicht präzise umschriebene Menge (hier: ein bis zwei Gläser) zu trinken, steht der Einordnung als Funktionsarzneimittel auch dann nicht entgegen, wenn diese Menge (bei Gläsern üblicher Größe) noch knapp unter der Grenze liegt, von der ab eine pharmakologische Wirkung nachgewiesen ist. [X.], [X.]eil vom 1. Juli 2010 - I ZR 19/08 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 15. April 2010 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Schaffert, [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 21. Dezember 2007 aufgehoben. Die Berufung der [X.] gegen das [X.]eil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 3. Februar 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es insgesamt wie folgt neu gefasst wird: Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] in [X.] ein Produkt unter der Bezeichnung "[X.]" und/oder "Ginkgo" mit den Inhaltsstoffen Wasser, Saccharose, Traubenzucker, Koh-lensäure, natürliche und naturidentische Aromen, Säuerungsmittel: Zitronensäure und Apfelsäure, Grüntee-Extrakt, [X.], Farbstoff: Zuckercouleur und der Angabe: "Empfohlen werden [X.] ein bis zwei Gläser" als Lebensmittel in den Verkehr zu brin-gen. Der [X.] wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 • und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden - 3 - kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten [X.]. Die Kosten des Rechtsstreits werden der [X.] auferlegt. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Parteien vertreiben Erzeugnisse, die unter Verwendung von Trocken-extrakt der [X.] hergestellt werden. Ginkgo biloba ist eine aus [X.] stammende Pflanze, der - abhängig von der eingenommenen Menge - unter anderem heilende Wirkungen zugeschrieben werden. 1 Die Beklagte vertreibt im Rahmen ihrer "Wirkungsgetränkelinie [X.]" ein Getränk, das zu 0,02% aus [X.] und im Übrigen aus Was-ser, Traubenzucker und weiteren Zutaten besteht. Sie gibt das Getränk in [X.]n ab, auf deren Rückenetikett sich die Angabe "Empfohlen wer-den täglich ein bis zwei Gläser" befindet. 2 Die Klägerin hält das Erzeugnis der [X.] als Lebensmittel für nicht verkehrsfähig, weil es ein nicht zugelassenes Arzneimittel sei, jedenfalls aber nicht zugelassene [X.] enthalte und gesundheitsgefähr-dend sei. 3 - 4 - Das [X.] hat der [X.] antragsgemäß verboten, ihr Produkt in der konkret beanstandeten Ausstattung in Verkehr zu bringen, solange sie dafür nicht über eine Zulassung als Arzneimittel nach §§ 21 ff. [X.] verfügt. 4 5 In der Berufungsinstanz hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] in [X.] ein Produkt unter der Bezeichnung "[X.]" und/oder "Ginkgo" mit den Inhaltsstoffen Wasser, Saccharose, Traubenzucker, Kohlen-säure, natürliche und naturidentische Aromen, Säuerungsmittel: Zitronensäure und Apfelsäure, Grüntee-Extrakt, [X.], Farbstoff: Zuckercouleur und der Angabe: "Empfohlen werden täglich ein bis zwei Gläser" als Lebensmittel in den Verkehr zu bringen. Hilfsweise hat sie das Verbot, das Produkt mit der konkreten Ausstattung ohne Zulassung als Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, und weiter [X.] das Verbot bestimmter Werbeangaben begehrt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen ([X.] 2008, 230 = PharmR 2008, 506). 6 7 Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurück-weisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren mit den in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträgen weiter.
Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die gel-tend gemachten Ansprüche nicht zu, weil es sich bei dem Produkt der Beklag-ten nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein verkehrsfähiges Lebensmittel handele. Zur näheren Begründung hat es ausgeführt: 8 - 5 - 9 Das Produkt der [X.] sei kein Arzneimittel, weil es keine pharmako-logische Wirkung aufweise. Eine pharmakologische Wirkung sei erst bei der Aufnahme von 120 mg [X.] pro Tag zu bejahen. Diese Menge werde aber bei Einhaltung der von der [X.] gegebenen [X.] nicht erreicht. Trinke der Verbraucher entsprechend der Verzehrempfehlung der [X.] am Tag ein bis zwei Gläser, so nehme er bis zu 100 mg des Erzeugnis-ses zu sich. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. G. könne es nach dem Stand der Wissenschaft nicht als gesichert angese-hen werden, dass schon eine solche Tagesdosis eine pharmakologische Wir-kung aufweise. Die pharmakologische Wirkung des Produktes sei entgegen der [X.] der Klägerin auch nicht deshalb zu bejahen, weil der Verbraucher sich an die [X.] nicht halten und damit mehr als die empfohlene Verzehr-menge zu sich nehmen werde. Für die Beurteilung, ob ein Erzeugnis ein Funk-tionsarzneimittel sei, sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Euro-päischen Union auf die normale Anwendungsweise abzustellen. Aus der Zwei-felsregel des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] zur Schaffung eines Ge-meinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der Fassung der Richtlinie 2004/27/[X.] ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die [X.] diene der [X.] anderer Erzeugnisse von Arzneimitteln und räume letzteren dann den Vorrang ein, wenn das fragliche Produkt die Kriterien sowohl eines [X.]s als auch eines andersartigen Erzeugnisses erfülle. Das Produkt der Beklag-ten erfülle die Definition eines Arzneimittels nicht, weil der Verbraucher durch seinen bestimmungsgemäßen Verzehr die für eine pharmakologische Wirkung erforderliche Menge nicht zu sich nehme. 10 - 6 - Dem Erzeugnis der [X.] könne die Verkehrsfähigkeit als Lebens-mittel auch nicht mit der Begründung abgesprochen werden, es enthalte mit dem Trockenextrakt aus der [X.] einen nicht zugelassenen Zusatzstoff. Der in dem Produkt enthaltene [X.] stelle keinen den [X.]n gleichgestellten Stoff [X.] des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB dar. Denn Trockenextrakt aus Ginkgo biloba werde üblicherweise als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet. 11 Es handele sich bei dem Produkt der [X.] schließlich auch weder um ein [X.] des Art. 14 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 178/2002 ([X.]) nicht sicheres Lebensmittel noch - wie die Klägerin mit ihrem ersten Hilfsantrag geltend mache - um ein Präsentationsarzneimittel [X.] von § 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Die mit dem zweiten Hilfsantrag beanstandeten Werbeangaben der [X.] seien nicht nach § 3a Satz 1 HWG unzulässig, weil das Produkt in der hier in Rede stehenden Konzentration kein Arzneimittel darstelle. 12 I[X.] Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Die Beur-teilung des [X.], es handele sich bei dem Produkt der [X.] nicht um ein (Funktions-)Arzneimittel, sondern um ein Lebensmittel, kann aus Rechtsgründen keinen Bestand haben. Entgegen der Auffassung des [X.] steht der Klägerin der mit dem Klagehauptantrag geltend ge-machte Unterlassungsanspruch daher nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu. 13 1. Die Begründetheit des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsbegeh-rens der Klägerin ist nach dem im [X.]punkt der Entscheidung des Revisionsge-richts geltenden Recht zu beurteilen. Da das Unterlassungsbegehren auf [X.] gestützt ist, ist es allerdings nur begründet, wenn das bean-standete Verhalten auch schon zur [X.] seiner Begehung wettbewerbswidrig 14 - 7 - war. Der im Streitfall in Rede stehende [X.] nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken jedoch keine Ände-rung erfahren. Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/[X.] ist eine Unter-scheidung zwischen altem und neuem Recht nicht geboten. 2. Die Auffassung des [X.], die Beklagte verstoße nicht gegen § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.], weil ihr Produkt kein Arzneimittel, sondern ein Lebensmittel sei, beruht auf rechtsfehlerhaften Erwägungen. 15 a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] den objektiven pharmakologischen Eigenschaften ei-nes Produkts eine zentrale Bedeutung für die Beurteilung zukommt, ob es sich bei einem Erzeugnis um ein Arznei- oder ein Lebensmittel handelt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Begriff des Funktionsarzneimittels nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.] im Sinne des europarechtlichen Arzneimittelbegriffs nach den Richtlinien 2004/27/[X.] vom 31. März 2004 und 2001/83/[X.] vom 6. November 2001 zu bestimmen ([X.], [X.]. v. 26.6.2008 - I ZR 61/05, [X.], 830 [X.]. 12, 16 = [X.], 1213 - L-Carnitin II; [X.]. v. 26.6.2008 - I ZR 112/05, [X.], 834 [X.]. 14 = [X.], 1209 - [X.]). Danach sind bei der Beurteilung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimit-tels fällt, alle seine Merkmale und insbesondere seine Zusammensetzung, sei-ne pharmakologischen Eigenschaften, wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern sowie die Risiken zu berücksichtigen, die seine Verwendung mit sich bringen kann ([X.], [X.]. v. [X.] - [X.]/03, [X.]/03 und [X.]/03 bis [X.]/03, [X.]. 2005, [X.] = [X.], 863 [X.]. 51 - [X.] [X.] und [X.]; [X.]. v. 15.11.2007 16 - 8 - - [X.]/05, [X.]. 2007, [X.] = [X.], 271 [X.]. 55 = [X.], 59 - [X.]; [X.]. v. 15.1.2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 511 [X.]. 37 - Hecht-Pharma/[X.]; vgl. ferner [X.] 151, 286, 293 - Muskelaufbaupräparate; [X.] [X.], 830 [X.]. 18 - L-Carnitin II; [X.], 834 [X.]. 19 - [X.]). Die pharmakologi-schen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind dabei der Faktor, auf dessen Grundlage - ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses - zu beurteilen ist, ob dieses im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann ([X.], [X.]. v. 30.4.2009 - [X.]/08, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 790 [X.]. 20 = [X.], 728 - BIOS Naturprodukte/[X.], m.w.N.; [X.], [X.]. v. 14.1.2010 - I ZR 138/07, [X.], 259 [X.]. 15 = [X.], 374 - Zimtkapseln). Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbe-dingungen nicht wirklich beeinflussen, dürfen nicht als Funktionsarzneimittel eingestuft werden ([X.] [X.], 271 [X.]. 60 - [X.]; [X.], 511 [X.]. 41 - Hecht-Pharma/[X.]; [X.], [X.]. v. 5.3.2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.] 2009, 321 [X.]. 75 - Kommis-sion/[X.]; [X.] [X.], 830 [X.]. 19 - L-Carnitin II; [X.], 834 [X.]. 20 - [X.]). Der Begriff des Funktionsarzneimittels soll allein diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztli-che Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen ([X.] [X.], 271 [X.]. 61 - [X.]). Wirkt ein Stoff pharmakologisch nur in einer bestimmten Menge oder in einer bestimmten Dosis, tritt eine pharmakologische Wirkung dagegen [X.] dieser Menge nicht ein, so kann ein Erzeugnis, das diesen Stoff enthält, 17 - 9 - nur dann als Arzneimittel eingestuft werden, wenn und soweit es die für die Wirkung erforderliche Menge dieses Stoffes aufweist (vgl. [X.], [X.]. v. 29.4.2004 - [X.]/00, [X.]. 2004, [X.] = [X.] 2004, 479 [X.]. 68, 74, 80 - Kom-mission/[X.]; [X.] [X.], 271 [X.]. 66, 68 - [X.]). b) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht eine pharmakologische Wirkung des Erzeugnisses der [X.] in dem dargelegten Sinn der Recht-sprechung des Gerichtshofs der [X.] und des Bundesgerichts-hofs bei Einhaltung der empfohlenen Trinkmenge nicht feststellen können. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision verhelfen ihr zum Erfolg. 18 aa) Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] ist eine pharmakologische Wirkung des Produkts der [X.] bei Aufnahme einer Tagesdosis von 120 mg [X.] gegeben. Das [X.] hat das Produkt der [X.] jedoch deshalb nicht als [X.] angesehen, weil diese Menge seiner Ansicht nach bei Einhaltung der von der [X.] gegebenen Verzehrempfehlung nicht erreicht werde. Dabei ist es davon ausgegangen, die Empfehlung, täglich ein bis zwei Gläser des Produkts der [X.] zu trinken, führe dazu, dass der Verbraucher lediglich bis zu 100 mg des Erzeugnisses der [X.] zu sich nehmen werde. Nach dem Stand der Wissenschaft könne nicht als gesichert angesehen werden, dass schon eine Tagesdosis von nur 100 mg eine pharmakologische Wirkung auf-weise. 19 bb) Die Annahme des [X.], die [X.] der [X.] führe dazu, dass pro Tag allenfalls eine Menge von 100 mg [X.] verzehrt werde, beruht auf einem rechtsfehlerhaften Verständnis des 20 - 10 - auf dem Produkt angebrachten Hinweises, empfohlen würden täglich ein bis zwei Gläser. 21 (1) Das Berufungsgericht hat die Empfehlung, täglich ein bis zwei Gläser zu trinken, als die Festlegung einer bestimmten Aufnahmemenge verstanden und daraus gefolgert, dass bei einer Missachtung der Verzehrempfehlung ein Genuss im Übermaß gegeben sei; für die Beurteilung, ob ein Produkt als Arz-neimittel einzustufen sei, dürfe jedoch nur auf den normalen Gebrauch, nicht dagegen auf eine Aufnahme im Übermaß abgestellt werden. (2) Diesem Verständnis des Hinweises, empfohlen würden täglich ein bis zwei Gläser, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Verbraucher nach der Lebenserfahrung die bloße Empfehlung einer lediglich durch eine der-artig vage Angabe umschriebenen Trinkmenge nicht dahin versteht, er dürfe eine darüber hinausgehende Menge nicht zu sich nehmen. Eine bloße Empfeh-lung wird nicht ohne weiteres als eine Beschränkung der Trinkmenge aufge-fasst. In dem auf dem Produkt der [X.] angebrachten Hinweis ist weder eine Obergrenze noch eine genau bestimmte Trinkmenge genannt. Die Menge, die der Verbraucher zu sich nimmt, wenn er sich an die Empfehlung hält, hängt vielmehr von der Füllmenge des benutzten Glases ab. Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung auf die Berechnungen des gerichtlichen Sach-verständigen gestützt. Dieser hat bei seiner Annahme, ein Verbraucher, der am Tag ein bis zwei Gläser des Produkts der [X.] trinke, nehme bis zu 100 mg des Erzeugnisses zu sich, ein durchschnittlich großes Trinkglas mit ei-nem Volumen von 250 ml zugrunde gelegt. 22 Nach der Lebenserfahrung kann jedoch nicht davon ausgegangen wer-den, der Durchschnittsverbraucher verstehe die [X.] der [X.] dahin, die Angabe "ein bis zwei Gläser täglich" beziehe sich auf ein Trinkglas 23 - 11 - mit einem Volumen von 250 ml. Es kann auch nicht mit einer hinreichenden Sicherheit angenommen werden, dass nach den normalen Trinkgewohnheiten beim Verzehr des Produkts der [X.] (allein) Trinkgläser dieser Größe verwendet werden oder die im Einzelfall benutzten Gläser nur bis zu einem Vo-lumen von 250 ml gefüllt werden. Der Hinweis enthält ferner keine weiteren An-gaben, denen der Verbraucher entnehmen könnte, die Empfehlung sei im Sinne einer Begrenzung der täglichen Trinkmenge auf ein bestimmtes Maß (höchs-tens zwei Gläser mit einem Volumen von je 250 ml) zu verstehen. Sonstige [X.] für die Annahme, beim normalen Verzehr des Erzeugnisses der [X.] würden nicht mehr als 100 mg [X.] aufgenommen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind von der [X.] auch nicht vorgetragen worden. (3) Kann die Verzehrempfehlung der [X.] nicht dahin verstanden werden, sie enthalte eine solche Begrenzung auf eine bestimmte Trinkmenge, dass die Tagesdosis von 100 mg [X.] nicht überschritten werde, so kann die pharmakologische Wirkung des Produkts der [X.] nicht verneint werden. Denn auch bei einem den normalen Trinkgewohnheiten entsprechen-den Genuss des Produkts der [X.] besteht danach die naheliegende Möglichkeit, dass Verbraucher aus der [X.] eine Menge von 120 mg [X.] pro Tag (ca. 0,6 l) zu sich nehmen, bei der eine pharmakologi-sche Wirkung festgestellt ist. Diese Aufnahmemenge ergibt sich schon dann, wenn der Verbraucher bei einem Volumen von 250 ml am Tag etwas mehr als zwei Gläser zu sich nimmt oder wenn er Trinkgläser verwendet, die mit einer geringfügig größeren Menge gefüllt werden können. 24 cc) Da das Produkt der [X.] demnach bereits wegen der festge-stellten pharmakologischen Wirkung bei einer Tagesdosis von 120 mg als ein Arzneimittel [X.] von § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.] anzusehen ist, kann dahingestellt 25 - 12 - bleiben, ob die Beurteilung des [X.], bei einer Tagesdosis von lediglich 100 mg könne eine pharmakologische Wirkung nicht bejaht werden, den Angriffen der Revision standhält. 26 3. Das mit dem in der Berufungsinstanz gestellten Klagehauptantrag ver-folgte Unterlassungsbegehren der Klägerin ist somit nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründet. Es bedarf [X.] keiner Prüfung, ob das Inverkehrbringen des Produkts der [X.] noch gegen die weiteren von der Klägerin zur Begründung ihres [X.] verstößt. Auf das mit den [X.] ver-folgte Begehren der Klägerin kommt es danach gleichfalls nicht an. II[X.] Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Die Berufung der [X.] ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das erstinstanzliche [X.]eil entspre-chend dem in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag neu zu fassen ist. 27 - 13 - [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der [X.] sind auch die Kosten der ersten Instanz aufzuerlegen, weil die Berufung ohne die Klageänderung in der Berufungsinstanz gleichfalls erfolglos geblieben wäre. 28 [X.]Büscher Schaffert

Bergmann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.02.2006 - 81 O 257/02 - O[X.], Entscheidung vom 21.12.2007 - 6 U 64/06 -

Meta

I ZR 19/08

01.07.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2010, Az. I ZR 19/08 (REWIS RS 2010, 5253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5253

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I ZR 19/08

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