Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2012, Az. V ZR 49/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 289

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Gegenstand

Nachbarrecht in Nordrhein-Westfalen: Notwendiger Inhalt einer Anzeige der beabsichtigten Ausübung eines Hammerschlags- und Leiterrechts; Wirkungen der Anzeige


Leitsatz

1. Die Anzeige der beabsichtigten Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts muss Angaben zu dem voraussichtlichen Umfang der geplanten Arbeiten, zu deren Beginn und Dauer sowie zu Art und Umfang der Benutzung des Nachbargrundstücks enthalten.

2. Die Anzeige ist Voraussetzung für die Ausübung des Rechts, nicht für das Bestehen des Duldungsanspruchs.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des [X.] vom 7. Februar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eigentümer (Klägerin) bzw. Nutzungsberechtigter ([X.]r) aneinandergrenzender Grundstücke. Die Klägerin plant Renovierungs- und Sanierungsarbeiten an der Giebelwand ihres Gebäudes, die an das von dem [X.]n genutzte Grundstück angrenzt. Mit Schreiben vom 7. April 2009 kündigte sie dem [X.]n ihre Absicht an, näher bezeichnete Arbeiten ab der ersten Juniwoche 2009 in einem Zeitraum von zwei bis drei Wochen durchzuführen. Sie bat den [X.]n, die Nutzung seines Grundstücks einschließlich der Aufstellung eines Gerüsts zu ermöglichen. Später teilte sie ihm mit, dass die Arbeiten in einem Zeitraum von etwa vier Wochen durchgeführt werden sollen. Der [X.] stimmte der Nutzung des Grundstücks nicht zu.

2

Die Klägerin hat die Verurteilung des [X.]n beantragt, es zu dulden, dass sie auf dem Nachbargrundstück für die Dauer von einem Monat an ihrer Hauswand ein Gerüst zur Durchführung von Sanierungsarbeiten errichten sowie das Nachbargrundstück für die Durchführung der Arbeiten betreten und benutzen lässt. Das Amtsgericht hat der Klage mit Versäumnisurteil stattgegeben und dieses nach Einspruch des [X.]n aufrechterhalten. Das [X.] hat das Versäumnisurteil mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Duldungsverpflichtung des [X.]n unter der Bedingung steht, dass die Klägerin Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten im Einzelnen mindestens einen Monat vor deren Beginn schriftlich anzeigt. Hinsichtlich der unbedingten Duldungsverurteilung hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

3

Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision will der [X.] die vollständige Aufhebung des Versäumnisurteils und die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Ansicht des [X.]erufungsgerichts hat die Klägerin einen Duldungsanspruch nach § 24 [X.]. Der [X.]eklagte sei [X.] des Nachbargrundstücks im Sinne dieser Vorschrift. Seine Duldungspflicht bestehe unabhängig davon, ob die beabsichtigten Arbeiten notwendig oder erforderlich seien. Die Absicht der Klägerin, an der Giebelwand Sanierungsarbeiten durchzuführen, reiche aus. Obwohl Art und Umfang der Arbeiten bisher nicht ausreichend dargelegt seien, sei ersichtlich, dass sie anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden könnten. Es bestünden keine Zweifel, dass die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder [X.]elästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von der Klägerin erstrebten Vorteil stünden. Allerdings fehle es bisher an der Anzeige der beabsichtigten Arbeiten, welche Voraussetzung der Duldungspflicht sei. Die Anzeige vom 7. April 2009 sei unzureichend, weil der darin genannte Zeitpunkt für den [X.]eginn der Arbeiten längst verstrichen sei und Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten nicht im Einzelnen angegeben seien. Da die ordnungsgemäße Anzeige nachgeholt werden könne, sei es sachgerecht, sie als [X.]edingung des [X.] auszuurteilen. Denn dem Kläger dürfte es nahezu unmöglich sein, den Zeitpunkt des beabsichtigten [X.]eginns der Arbeiten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nach Tag und Stunde anzugeben. Sollte zwischen den Parteien ein Streit über die Rechtzeitigkeit oder die inhaltliche Ordnungsmäßigkeit der Anzeige entstehen, könne hierüber im Vollstreckungsverfahren entschieden werden.

II.

5

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

6

1. Zu Unrecht bejaht das [X.]erufungsgericht einen Duldungsanspruch der Klägerin. Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht, dass die in § 24 Abs. 1 [X.] genannten Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.

7

a) Das in der Vorschrift geregelte [X.] gibt dem [X.]erechtigten die [X.]efugnis, bestimmte Arbeiten an den auf seinem Grundstück stehenden [X.]aulichkeiten unter den in den Nachbarrechtsgesetzen der [X.]undesländer genannten Voraussetzungen von dem Nachbargrundstück aus durchzuführen. Nach der hier maßgeblichen Vorschrift des § 24 Abs. 1 [X.] ist die [X.]efugnis auf [X.]au- und Instandsetzungsarbeiten beschränkt. [X.]auarbeiten sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits; die Klägerin will allenfalls Instandsetzungsarbeiten durchführen. Diese setzen begrifflich eine Reparaturbedürftigkeit voraus; denn was instand ist, kann und muss nicht instand gesetzt werden ([X.]/[X.], [X.], 7. Aufl. [X.] § 28 [X.]. I 1 b). Sie müssen zur [X.]eseitigung von Schäden notwendig sein ([X.], [X.] 1985, 34, 35). Auch Unterhaltungsarbeiten, die den Eintritt von Schäden vermeiden und die [X.]aulichkeiten in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten sollen ([X.], aaO), gehören dazu ([X.]/[X.], aaO, [X.] § 28 [X.]. I 1 a; [X.]/Fink-Jamann/[X.], [X.], 16. Aufl., § 24 Rn. 3; [X.], [X.], § 24 [X.]. 1), ebenso Maßnahmen, die dazu führen, dass die [X.]aulichkeiten in einen den heutigen Erfordernissen und Anschauungen entsprechenden Zustand versetzt werden, z.[X.]. durch das Anbringen einer Wärmedämmung (vgl. Senat, Urteil vom 11. April 2008 - [X.], [X.], 2032, 2033). Reine Verschönerungsmaßnahmen, bei denen lediglich das Aussehen der [X.]aulichkeit verändert wird, ohne dass dafür eine objektive Notwendigkeit besteht, sind dagegen keine Instandhaltungsarbeiten im Sinne der Vorschrift ([X.], aaO). Der bloße Wunsch des Eigentümers nach einer solchen Veränderung rechtfertigt nicht den Eingriff in das von der Rechtsordnung besonders geschützte Eigentums- bzw. [X.]esitzrecht (§ 862 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 [X.]G[X.]) des [X.]. Die diesem durch das [X.] auferlegte Duldungspflicht wird nicht erst durch die in den [X.] aufgeführten besonderen Voraussetzungen begrenzt (hier: § 24 Abs. 1 Nr. 1-4 [X.]), sondern bereits dadurch, dass sie nur bei bestimmten Arbeiten (hier: Instandsetzungsarbeiten, § 24 Abs. 1 [X.]) besteht (vgl. Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - [X.], NJW 2011, 1060, 1071 Rn. 28).

8

b) Feststellungen dazu, ob die Klägerin Instandsetzungsarbeiten in dem vorgenannten Sinn ausführen will, hat das [X.]erufungsgericht nicht getroffen. Dazu war es jedoch verpflichtet.

9

aa) Der [X.]eklagte hat ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils die Instandsetzungsbedürftigkeit des Anstrichs der Giebelwand ebenso bestritten wie das Vorhandensein von Dachrinnen und Fallrohren an der Wand sowie die Notwendigkeit des Aufstellens eines Gerüsts. Er hat damit zulässigerweise geltend gemacht, dass zum Teil kein Anlass für die Durchführung der beabsichtigten Arbeiten besteht (vgl. [X.]/[X.], aaO, [X.] § 28 [X.]. I 1 b), zum Teil das von ihm genutzte Grundstück nicht in der von der Klägerin gewünschten Weise in Anspruch genommen werden muss.

bb) Hinzu kommt, dass das [X.]erufungsgericht die Darlegungen der Klägerin zu Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten für nicht ausreichend hält. Zwar meint es, es sei ersichtlich, dass Putz-, Abdichtungs- und Malerarbeiten ausgeführt werden sollen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass es sich um Instandsetzungsarbeiten im Sinn von § 24 Abs. 1 [X.] handelt.

2. Fehlt es somit an der Grundvoraussetzung für das [X.]estehen des [X.], kann das [X.]erufungsurteil keinen [X.]estand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die fehlenden Feststellungen nachholen kann. Es muss klären, ob die von der Klägerin beabsichtigten Arbeiten - die sie noch konkretisieren kann - Instandsetzungsarbeiten im Sinne von § 24 Abs. 1 [X.] sind. Falls es das bejaht, muss das [X.]erufungsgericht prüfen, ob die in § 24 Abs. 1 Nr. 1-4 [X.] genannten zusätzlichen Voraussetzungen vorliegen. Erst wenn diese Prüfung - die das [X.]erufungsgericht bisher mangels ausreichender Darlegungen der Klägerin zu Art und Umfang der Arbeiten im Einzelnen und zu dem räumlichen Umfang der gewünschten Inanspruchnahme des benachbarten Grundstücks nicht durchführen konnte - zugunsten der Klägerin ausfällt, besteht der Duldungsanspruch.

3. Für diesen Fall weist der Senat darauf hin, dass die Verurteilung des [X.]eklagten nicht, wie in der angefochtenen Entscheidung geschehen, unter der [X.]edingung erfolgen darf, dass die Klägerin dem [X.]eklagten Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten vorher anzeigt. Die Anzeigepflicht besteht nur noch hinsichtlich des [X.]eginns der Arbeiten.

a) Nach § 16 Abs. 1, § 24 Abs. 3 [X.] muss der [X.]erechtigte dem Verpflichteten die Absicht, das [X.] in Anspruch zu nehmen, mindestens einen Monat vor dem [X.]eginn der Arbeiten anzeigen. Dadurch soll der Verpflichtete in die Lage versetzt werden, sich auf die geplanten Arbeiten einzustellen; zugleich soll er auch Gelegenheit erhalten zu überprüfen, ob er zur Duldung des [X.]etretens und Nutzens der Grundstücke verpflichtet ist ([X.], Urteil vom 1. Juni 1978 - 5 [X.], juris Rn. 1). Hierfür ist es erforderlich, sowohl den [X.]eginn der Arbeiten nach Tag und Uhrzeit anzugeben als auch - entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht - den voraussichtlichen Umfang der Arbeiten so genau wie möglich zu umreißen ([X.], Urteil vom 1. Juni 1978 - 5 [X.], aaO), also die Maßnahme konkret zu bezeichnen ([X.]/[X.], aaO, A § 6 [X.]. II 6). Da der Verpflichtete sich auch darauf einstellen können muss, in welchem Umfang er sein Grundstück freizuhalten hat ([X.], Urteil vom 1. Juni 1978 - 5 [X.], aaO), sind Art und Umfang der beabsichtigten Grundstücksnutzung ebenfalls anzugeben ([X.]/[X.], aaO). Schließlich sind Angaben zu der voraussichtlichen Dauer der Arbeiten notwendig.

b) Die Anzeige ist an den Eigentümer und den Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks zu richten (§ 16 Abs. 1 [X.]). Ob die Klägerin dieser Verpflichtung hinsichtlich der Anzeige an den Grundstückseigentümer nachgekommen ist, spielt - anders als das [X.]erufungsgericht offenbar meint - für das Rechtsverhältnis der Parteien keine Rolle und ist deshalb für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich.

c) Die Anzeige ist Voraussetzung für die Ausübung des Rechts ([X.]/[X.], aaO, A § 6 [X.]. II 8), nicht aber - wie das [X.]erufungsgericht meint - [X.]edingung des [X.]. Erklärt sich der Verpflichtete nicht, darf der [X.]erechtigte das Nachbargrundstück ohne weiteres für die Durchführung der Arbeiten betreten und nutzen. Verweigert der Verpflichtete - wie hier - dies, darf der [X.]erechtigte das Recht - außer in dem Fall des Notstands (§ 904 [X.]G[X.]) - nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen; vielmehr muss er Duldungsklage erheben und darf das Nachbargrundstück erst aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung in Anspruch nehmen ([X.], [X.]eschluss vom 13. Oktober 2011 - 5 W 48/11, juris Rn. 14 mwN; KG, [X.] 1977, 448, 449 f.; [X.], [X.], § 24 Rn. 8; [X.]/Fink-Jamann/[X.], [X.], 16. Aufl., § 24 Rn. 34; [X.], [X.], § 24 Rn. 8; [X.]/[X.], aaO, A § 6 [X.]. II 7).

d) In diesem Fall besteht kein [X.]edürfnis dafür, dass der [X.]erechtigte im Fall der Verurteilung des Verpflichteten diesem die Arbeiten und deren Dauer anzeigt. Denn mit der Klageerhebung setzt er den Verpflichteten - ebenso wie mit der Anzeige - über seine Absicht, die Arbeiten auszuführen, in Kenntnis ([X.]/[X.], aaO). Die Klage muss auf die Verurteilung zur Duldung des [X.]etretens und Nutzens des Nachbargrundstücks für ihrer Art nach aufgeführte und innerhalb eines bestimmten Zeitraums auszuführende Arbeiten gerichtet sein. Der Vortrag des [X.] zu Art und Umfang der Arbeiten und der Nutzung des Nachbargrundstücks hat zwangsläufig denselben Inhalt wie die Anzeige, wenn er der Klage zum Erfolg verhelfen soll.

e) Die von dem [X.]erufungsgericht gesehene Schwierigkeit, in dem Rechtsstreit den Zeitpunkt des beabsichtigten [X.]eginns der Arbeiten anzugeben, besteht nicht. Zum einen kommt es auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung entgegen der Ansicht des [X.]erufungsgerichts nicht an, weil sie von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist (§§ 708, 709 ZPO). Der [X.]erechtigte kann also bereits vor der Rechtskraft seinen Anspruch durchsetzen. Zum anderen muss er seinen Klageantrag dahingehend formulieren, dass er die Arbeiten erst einen Monat nach dem Zugang der Mitteilung über den beabsichtigten Arbeitsbeginn ausführen darf. Dass er der Mitteilungspflicht nachgekommen ist, hat er im Zwangsvollstreckungsverfahren durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachzuweisen (§ 726 Abs. 1 ZPO).

Stresemann                              Lemke                             Schmidt-Räntsch

                       [X.]rückner                           Weinland

Meta

V ZR 49/12

14.12.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Wuppertal, 7. Februar 2012, Az: 16 S 33/11

§ 16 Abs 1 NachbG NW, § 24 NachbG NW

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2012, Az. V ZR 49/12 (REWIS RS 2012, 289)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 289

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