Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.02.2018, Az. 3 StR 560/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14213

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Gegenstand

Einziehung von Taterträgen: Ausschluss der Einziehung bei Zahlung von Versicherungsleistungen an den Geschädigten; Einziehung des Verkaufserlöses


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 13. Juli 2017 aufgehoben, soweit von der Anordnung der Einziehung von Taterträgen oder des Wertes von Taterträgen abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] in fünf Fällen, wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf das Unterbleiben einer Einziehungs-entscheidung beschränkten und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision; sie begehrt die Ergänzung des Urteils um die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von insgesamt 38.546,85 €. Das vom [X.] teilweise vertretene Rechtsmittel hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Der weitergehende Antrag war zurückzuweisen.

I.

2

Nach den Feststellungen entwendete der Angeklagte bei fünf Einbruchdiebstählen Bargeld und Wertgegenstände im Wert von insgesamt [X.] €. Aus Verkäufen der Gegenstände erlangte er insgesamt 3.070 €. Das [X.], das die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB in der ab dem 1. Juli 2017 geltenden Fassung zur Anwendung gebracht hat, hat von einer Einziehung eines dem Wert der [X.] entsprechenden Geldbetrages abgesehen, da - bis auf einen Betrag von 321,75 € - alle Schäden von den jeweiligen Versicherungen der Geschädigten reguliert worden sind; damit seien nach Übergang der Forderungen auf die Versicherungen nach § 86 [X.] die Ansprüche der Geschädigten gegen den Angeklagten im Sinne des § 73e Abs. 1 StGB nF erloschen. Hinsichtlich der Einziehung der nicht von der Versicherung abgedeckten Schadenssumme von 321,75 € sei versehentlich eine Einziehungsentscheidung unterblieben.

3

Demgegenüber vertritt die Staatsanwaltschaft die Auffassung, die Ansprüche der Geschädigten gegen den Angeklagten seien mit der Versicherungsleistung lediglich nach § 86 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf die Versicherung übergegangen, aber nicht erloschen. Zudem habe der Angeklagte auch den Betrag von 3.070 €, den er durch den Verkauf der Gegenstände eingenommen habe, durch die Taten im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF erlangt, so dass auch dieser der Einziehung unterliege.

II.

4

1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die unterbliebene Einziehungsentscheidung ist wirksam. Zwar konnte nach früherer Rechtslage die Revision regelmäßig nicht wirksam auf eine Entscheidung über die Einziehung nach § 74 StGB aF beschränkt werden: Da jedenfalls die Einziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB aF eine Nebenstrafe und damit Teil der Strafzumessung war, konnte der Strafausspruch nur insgesamt angegriffen werden ([X.], Urteil vom 22. Dezember 1992 - 1 [X.], [X.], 400). Jedoch handelt es sich bei der Einziehung von [X.] nach § 73 StGB nF, die in der Sache dem Verfall nach § 73 StGB aF entspricht, nicht um eine Strafe oder strafähnliche Maßnahme, so dass sie, wie der Verfall nach alter Rechtslage, den Strafausspruch in der Regel nicht berührt und einer Beschränkung der Revision jedenfalls dann zugänglich ist, wenn die Entscheidung - wie hier - losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft werden kann (vgl. [X.], Urteile vom 2. Dezember 2004 - 3 [X.], [X.], 104; vom 17. Juni 2010 - 4 [X.], [X.]St 55, 174, 175 f.).

5

2. Das Rechtsmittel hat auch - soweit das [X.] von der Einziehung der [X.] oder eines Geldbetrages in ihrem Wert abgesehen hat - Erfolg. Die [X.] ist rechtsfehlerhaft von einem Ausschluss der Einziehung ausgegangen.

6

Nach § 73 Abs. 1 StGB nF ist zwingend das einzuziehen, was der Täter durch oder für die Tat erlangt hat. Ist die Einziehung des erlangten Gegenstandes nicht möglich, so ist nach § 73c Satz 1 StGB nF die Einziehung eines Geldbetrages auszusprechen, der dem Wert des [X.] entspricht. Eine Einziehung ist nach § 73e Abs. 1 StGB nF zwar dann ausgeschlossen, wenn der Anspruch auf Rückgewähr des [X.] oder auf Ersatz des Wertes des [X.], der dem Verletzten aus der Tat erwachsen ist, erloschen ist.

7

Dies ist vorliegend entgegen der Auffassung des [X.]s indes nicht der Fall. Die Vorschrift des § 73e Abs. 1 StGB nF soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Täter, der durch die Tat etwas erlangt hat, sich nach der Gesetzesänderung neben der Einziehung auch weiterhin den Ansprüchen des Geschädigten ausgesetzt sieht. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung soll die Einziehung deshalb entfallen, wenn der Anspruch des Geschädigten bis zum Abschluss des Erkenntnisverfahrens - etwa durch Rückgabe des entwendeten Gegenstandes - erlischt (vgl. [X.], [X.], 497, 500). Mit der vorliegend erbrachten Leistung der Versicherung an die Geschädigten sind jedoch die [X.] der Verletzten nicht erloschen, sondern nach § 86 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf die Versicherung übergegangen. Sie bestehen also fort. Als Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF gilt nunmehr der Versicherer (BT-Drucks. 18/9525, [X.]). Der Einziehung des durch die Tat [X.] stand § 73e Abs. 1 StGB nF somit nicht entgegen. Die [X.] hätte mithin das Erlangte, nämlich die [X.], oder - soweit diese nicht mehr vorhanden war - entweder nach § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB nF das dafür erlangte Surrogat oder nach § 73c StGB nF die Einziehung des Wertersatzes anordnen müssen.

8

Die Entscheidung über eine Einziehung des (Wertes des) [X.] bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Die vom [X.] beantragte [X.] über die Einziehung des Wertersatzes analog § 354 Abs. 1 StPO durch den Senat selbst kam hingegen nicht in Betracht, da die Urteilsgründe die Höhe des Wertes des [X.] nicht sicher ergeben. Insoweit kann das Tatgericht nach § 73d Abs. 2 StGB nF zwar eine Schätzung vornehmen. Den Urteilsgründen kann indes nicht in allen Fällen entnommen werden, auf welcher Grundlage das [X.] den Wert der [X.] festgestellt hat, insbesondere ob es sich dabei an den Angaben der Geschädigten zum Wert der entwendeten Gegenstände oder an den Leistungen der Versicherung orientiert hat.

9

3. Dagegen scheidet - entgegen dem [X.] der Staatsanwaltschaft - eine zusätzliche Einziehung des Betrages von 3.070 €, den der Angeklagte durch den Verkauf der [X.] erlangt hat, aus. Insoweit gilt:

Die Einziehung von [X.] nach § 73 Abs. 1 StGB nF ersetzt die Vorschrift über den Verfall nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF, wobei die Formulierung "aus" der Tat erlangt durch die Worte "durch eine rechtswidrige Tat" erlangt ersetzt wurde. Abzuschöpfen ist damit jeder Vermögenswert, den der Tatbeteiligte durch die rechtswidrige Tat erlangt hat, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (BT-Drucks. 18/9525, [X.]; vgl. auch [X.] [X.], 497, 503). Allerdings erstreckt sich die Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nF - wie der frühere Verfall - nach seinem Umfang grundsätzlich nur auf das unmittelbar erlangte Etwas (vgl. LK/[X.], StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 17). [X.] durch die Verwertung der [X.] erlangte [X.] können weiterhin nur als Surrogat aufgrund einer Anordnung nach § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB nF (früher § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB aF) eingezogen werden. Die vom Gesetz getroffene Unterscheidung zwischen der Einziehung des [X.] nach § 73 Abs. 1 StGB nF und der Einziehung des [X.] nach § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB nF ergäbe keinen Sinn, wenn - wie die Staatsanwaltschaft meint - der mittelbar durch die Verwertung der [X.] erzielte Gewinn ebenfalls "durch die Tat" erlangt und damit Gegenstand einer Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nF wäre. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit dem Wortlaut der Regelung des § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB nF klarstellen, dass die Anordnung der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nF sich nicht ohne weiteres auf die Surrogate "erstreckt" (BT-Drucks. 18/9525, [X.]). Einer Auslegung des § 73 Abs. 1 StGB nF, wonach neben der Einziehung des unmittelbar [X.] bzw. des Wertersatzes auch eine solche des [X.] aus der Verwertung der Beute anzuordnen wäre, steht zudem der unmissverständliche Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nF entgegen, wonach der Wert des [X.] (nur) einzuziehen ist, wenn entweder die Einziehung des [X.] nicht möglich ist oder aber von der Einziehung des [X.] abgesehen wird.

[X.]     

        

Gericke     

        

Spaniol

        

Tiemann     

        

Hoch     

        

Meta

3 StR 560/17

08.02.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Trier, 13. Juli 2017, Az: 8032 Js 45022/16 - 5 KLs

§ 73 Abs 1 StGB, § 73 Abs 2 S 2 StGB vom 13.11.1998, § 73 Abs 3 Nr 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 73e Abs 1 StGB, § 86 Abs 1 S 1 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.02.2018, Az. 3 StR 560/17 (REWIS RS 2018, 14213)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14213

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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