Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.07.2022, Az. B 7 AS 3/22 B

7. Senat | REWIS RS 2022, 4594

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Prozessurteil statt Sachurteil - Statthaftigkeit der Berufung - Zulassungsbedürftigkeit - Verfahren wegen der Kosten eines isolierten Vorverfahrens - Kostengrundentscheidung - Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes - unbezifferter Antrag - Schätzung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 2. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des [X.] gerichtete Beschwerde des [X.] ist zurückzuweisen, weil sie - soweit sie die Zulässigkeitsanforderungen überschreitet - unbegründet ist.

2

Gemäß § 160 Abs 2 [X.] SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Kläger behauptet zwar, das [X.] habe zu Unrecht durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil entschieden. Damit hat er einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG benannt, der zur Zulassung der Revision führt, wenn er gegeben ist (stRspr seit BSG vom 27.10.1955 - 4 RJ 105/54 - [X.], 283; BSG vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/16 B - [X.] 4-1500 § 156 [X.] Rd[X.]). Der behauptete Verfahrensmangel liegt aber nicht vor.

3

In der Sache ging es um eine Kostengrundentscheidung im isolierten Widerspruchsverfahren. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung in diesem Widerspruchsverfahren waren (noch) nicht abgerechnet worden. Das [X.] hat, ausgehend von einem selbst bestimmten Wert des [X.], die Berufung des [X.] als unzulässig verworfen.

4

1. Der Kläger bringt vor, die Berufung habe nicht der Zulassung bedurft. Das [X.] habe den Wert nicht selbst bestimmen dürfen. Es greife § 143 SGG mit der Folge, dass die Berufung statthaft sei. Das trifft für den Gegenstand der vorinstanzlichen Verfahren nicht zu.

5

Maßgeblich für die Frage, ob eine Berufung mit oder ohne Zulassung statthaft ist, ist auch bei einer auf die Erstattung von Kosten eines isolierten Widerspruchsverfahrens gerichteten Klage § 144 Abs 1 Satz 1 SGG (vgl [X.] KR 3/16 R - Rd[X.]1). Ohne Bedeutung ist dabei, dass noch über eine positive Kostengrundentscheidung gestritten wird (vgl [X.] KR 3/16 R - Rd[X.]6) und daher im Verhältnis zum Beklagten nicht die konkrete Zahlung, sondern noch eine grundsätzliche Voraussetzung des Anspruchs im Streit steht (vgl BSG vom 19.11.1996 - 1 RK 18/95 - [X.] 3-1500 § 158 [X.] S 4, juris Rd[X.]9).

6

2. Soweit mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht wird, bei einer Bestimmung des Werts des [X.] durch das Berufungsgericht sei eine Schätzung nicht erlaubt und auszugehen sei von Kosten unter Ansatz der Höchstgebühr des einschlägigen [X.]s oder vom [X.] (5000 Euro), ist die Beschwerde unbegründet.

7

Der für eine statthafte Berufung zu erreichende Wert des [X.] iS von § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] SGG richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt. Bei einem unbezifferten Antrag muss das Gericht den Wert ermitteln bzw anhand des wirtschaftlichen Interesses des Rechtsmittelführers am Ausgang des Rechtsstreits schätzen (BSG vom [X.] [X.] 32/17 B - RdNr 9 unter Hinweis auf die [X.] nach freiem Ermessen gemäß § 202 SGG iVm § 3 ZPO; zum Anwendungsbereich bei der Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 2. Aufl 2020, § 2 RdNr 7). Insoweit kann auf eine überschlägige Berechnung zurückgegriffen werden (BSG vom 19.5.2021 - [X.] [X.]/20 B - RdNr 8 mwN).

8

Bei - wie hier - noch erforderlicher, aber dem Grunde nach bereits möglicher Konkretisierung der angefallenen Kosten des Widerspruchsverfahrens (vgl zur Fälligkeit der Vergütung § 8 RVG) obliegt es dem Kläger, sein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zu konkretisieren oder für das Gericht konkretisierbar zu machen. Anderenfalls ist das Berufungsgericht berechtigt, den Wert des [X.] zu schätzen. Dazu kann es sich an allgemeinen gesetzlichen Vorgaben orientieren. Insoweit betrug für die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, der [X.] nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV-RVG) zwar 50 bis 640 Euro, jedoch konnte für die abzurechnende anwaltliche Tätigkeit eine Gebühr von mehr als 300 Euro nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog Schwellengebühr; [X.] VV-RVG idF des [X.] des Kostenrechts vom [X.], [X.] 2586; vgl auch [X.] - [X.] [X.]/18 R - [X.] 4-1935 § 14 [X.] Rd[X.]8). Eine Kostennote, die dem [X.] zugrunde gelegt werden kann, erreicht ausgehend von der Schwellengebühr den Betrag von 750,01 Euro damit nicht. Das gilt auch, soweit das [X.] zur Sicherheit Aufschläge in Höhe von [X.] auf die Schwellengebühr und in Höhe von 10 Euro auf die Auslagenpauschale vorgenommen hat.

9

Den vom Kläger zur Schätzung des Werts des [X.] in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG (BSG vom 25.6.2015 - [X.] [X.]/14 R - [X.]19, 170 = [X.] 4-1300 § 63 [X.] und [X.] KR 3/16 R) lag der Streit um bereits bezifferte Kostenerstattungsforderungen zugrunde. Für das vorliegende Verfahren lassen sich daraus keine Schlussfolgerungen ziehen.

Andere Verfahrensmängel, die sich auf den vom Kläger geführten Rechtsstreit wegen der Kosten des isolierten Vorverfahrens beziehen können, sind in der Beschwerdebegründung nicht bezeichnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

[X.][X.]

Meta

B 7 AS 3/22 B

13.07.2022

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Hamburg, 9. Juni 2021, Az: S 16 AS 327/20, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a SGG, § 143 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 3 ZPO, § 63 SGB 10, RVG, RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.07.2022, Az. B 7 AS 3/22 B (REWIS RS 2022, 4594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4594

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