Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.12.2022, Az. III ZR 54/21

3. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8377

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Gegenstand

Amtshaftung im Rahmen der Gewässerunterhaltungspflicht: Drittschützender Charakter einer öffentlich-rechtlichen Unterhaltungspflicht; Umfang der Gewässerschau; Häufigkeit der Sichtkontrollen


Leitsatz

1. Wenn und soweit die öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht einer Verkehrssicherungspflicht inhaltlich gleichkommt, hat sie drittschützenden Charakter im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB (Weiterentwicklung von Senat, Urteile vom 24. Februar 1994 - III ZR 4/93, BGHZ 125, 186, 188 und vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92, BGHZ 121, 367, 374).

2. Die Gewässerschau dient der Prüfung der ordnungsgemäßen Unterhaltung oberirdischer Gewässer. Fallen bestimmte Anlagen nicht in die Unterhaltungslast des mit der Gewässerschau betrauten Unterhaltungsverpflichteten, sind sie auch nicht von seiner Schaupflicht erfasst. Stellt eine solche Anlage aber eine ganz offensichtliche für den Gewässerunterhaltungspflichtigen ohne weiteres zu erkennende Gefahrenquelle dar, kann dieser gleichwohl verpflichtet sein, an der Beseitigung der (drohenden) Gefahr mitzuwirken.

3. Wie oft ein bestimmtes Gewässer zu beschauen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 18. März 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Ersatz eines ihm infolge starken Regens entstandenen Überschwemmungsschadens in Anspruch.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines in [X.]       - Ortsteil B.          - belegenen Grundstücks. Neben diesem verläuft der [X.], ein Gewässer der zweiten Ordnung, für das der Beklagte unterhaltungspflichtig ist. Der Graben fließt innerhalb der Ortschaft unterirdisch durch eine Rohrleitung, in dem hier maßgeblichen Bereich ist er jedoch wieder offen. Auf einem der Nachbargrundstücke des [X.] - dem des Eigentümers [X.]     - befinden sich drei Rohrdurchlässe, durch die das Gewässer geführt wird. Zweck der Durchlässe ist es - so der Vortrag des Beklagten -, eine bessere Überquerung des Grundstücks zu ermöglichen.

3

Am 2. Juni 2016 kam es zu einem Starkregenereignis, in dessen Folge der [X.]      graben über die Ufer trat, wodurch das Grundstück des [X.] überschwemmt wurde. Die Regulierung des auf dem Anwesen eingetretenen Schadens lehnte die Wohngebäudeversicherung ab. Der Kläger nimmt nunmehr den beklagten [X.] auf Ersatz seines Schadens, den er zuletzt mit gut 20.000 € beziffert hat, in Anspruch.

4

Er hat behauptet, der Beklagte habe den [X.] seit Jahren nicht mehr unterhalten, insbesondere nicht mehr beräumt und gesäubert. [X.] hätten nicht stattgefunden.

5

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat eine Pflichtverletzung in Abrede genommen. Zudem - so hat er behauptet - habe es sich bei dem Starkregen um ein Jahrhundertereignis gehandelt.

6

Das [X.], das Beweis durch Zeugen und einen Sachverständigen erhoben hat, hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das [X.] hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich dieser mit der vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist [X.]gründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Das Berufungsgericht hat - wie vor ihm das [X.] - angenommen, dass die [X.] auf dem Grundstück K.     zu gering dimensioniert gewesen seien. Es hat ausgeführt, der [X.] hafte dem Kläger gemäß § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 [X.] auf Schadensersatz. Der [X.] trage die [X.] für das Gewässer. Dies umfasse den Schutz vor Ü[X.]rschwemmungen und diene insoweit auch Individualinteressen. Selbst wenn mit der Verrohrung - wofür die Umstände durchaus sprächen - eine außerhalb der Wasserwirtschaft liegende Zielsetzung im Sinne der Ü[X.]rfahrungsmöglichkeit des Gewässers durch den Grundstückseigentümer verfolgt würde, stünde dies einem Anspruch des [X.] gegen den [X.]n nicht entgegen. Dem [X.]n sei die - der Erfüllung der Unterhaltungspflichten dienende - [X.] der in seine Zuständigkeit fallenden Gewässer ü[X.]rtragen. Die sich daraus erge[X.]nden Pflichten ha[X.] er verletzt. Bei einer ordnungsgemäß durchgeführten [X.] wäre der durch die [X.] entstandene regelwidrige Zustand des Gewässers offenbar geworden. Es seien zwar keine [X.]stimmten Kontrollintervalle vorgeschrie[X.]n, diese dürften a[X.]r nicht länger [X.]messen sein, als es die effektive Erfüllung der Unterhaltspflicht erlau[X.]. Nach der Aussage der Zeugin B.          sei das Gewässer jedoch seit Jahren nicht mehr geschaut worden, weil es keine Anregung von den Anliegern gege[X.]n ha[X.]. Einen Plan, der regelmäßige Schauen der Gewässer sichergestellt ha[X.], ha[X.] es nicht gege[X.]n. Die Verletzung der Pflicht zur [X.] sei schadensursächlich geworden. Da die Zeugin erklärt ha[X.], dass [X.]i einer [X.] die ü[X.]r das Gewässer geführten [X.] [X.]anstandet worden wären, [X.]stünden keine Zweifel daran, dass eine Verengung des Gewässers durch die Rohre erst recht Anlass zu näherer Untersuchung ihres Durchlassvermögens gege[X.]n und zu Beanstandungen geführt hätte. Dem Vortrag des [X.]n sei nicht zu entnehmen, dass die Durchmesser der [X.] für wasserwirtschaftlich geschultes Personal unverdächtig hätten erscheinen müssen. Schon dem Laien erschließe sich, dass [X.] den Wasserabfluss [X.]hindern könnten und deshalb großzügig dimensioniert sein müssten, um keine Gefahr darzustellen. Selbst wenn der [X.] im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse an der Anlage gehindert gewesen wäre, die Erweiterung oder Entfernung selbst durchzuführen, hätte er die erforderlichen Maßnahmen durch den Eigentümer - gege[X.]nenfalls im Wege der Ersatzvornahme - erwirken müssen. Dass weitere Schadensursachen - etwa der Zustand des dem Gewässerabschnitt vorgelagerten Verteilerbauwerks - auszumachen gewesen seien, stehe der Kausalität der Pflichtverletzung nicht entgegen. Um einen sogenannten [X.] ha[X.] es sich nicht gehandelt.

II.

9

Dies hält rechtlicher Ü[X.]rprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann ein auf Amtshaftung gestützter Anspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 [X.] nicht [X.]jaht werden.

1. Um den nach Amtshaftungsgrundsätzen zu [X.]urteilenden Hochwasserschutz (vgl. zB [X.], Urteile vom 5. Juni 2008 - [X.], NVwZ-RR 2008, 672 Rn. 9 und vom 1. Juni 1970 - [X.], [X.], 165, 167 f; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 39 Rn. 85), für den der [X.] auch nicht zuständig wäre (vgl. § 11 Satz 2, § 12 Abs. 1 Satz 1 WG LSA, § 2 Abs. 1 und 2 Sätze 1 und 2 seiner Satzung vom 26. August 1992 in der Neufassung vom 27. Januar 2010, zuletzt geändert am 3. Februar 2022, abrufbar auf der Homepage des [X.]n), geht es vorliegend zwar nicht. Dem [X.]n obliegt jedoch die Unterhaltung der in den Verbands[X.]zirk fallenden Gewässer zweiter Ordnung - wozu der [X.] gehört - einschließlich der der Abführung von Wasser dienenden Anlagen (§ 40 [X.]; § 54 Abs. 1 Satz 1 WG LSA in Verbindung mit der Anlage 2 Nr. 10; § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der Satzung des [X.]n).

Nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s [X.]steht die Unterhaltungspflicht nur im Interesse der Allgemeinheit. [X.] ha[X.]n grundsätzlich keinen Rechtsanspruch gegen den Träger der [X.] auf Erfüllung der Unterhaltungspflicht oder auf Vornahme [X.]stimmter Unterhaltungsar[X.]iten (vgl. [X.], Urteile vom 24. Februar 1994 aaO und vom 25. Februar 1993 - [X.], [X.], 367, 374). Eine Haftung des [X.] kommt danach a[X.]r unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer bürgerlich-rechtlichen Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Betracht, wo[X.]i [X.]ide Pflichten ineinander ü[X.]rgehen sollen. Diese Rechtsprechung [X.]darf jedoch der Korrektur und Weiterentwicklung. Wenn und soweit die öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht einer Verkehrssicherungspflicht inhaltlich gleichkommt, [X.]steht kein Grund dafür, ihr den drittschützenden Charakter im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB zu versagen. Dies entspricht der Systematik des Amtshaftungsrechts, nach der die Drittgerichtetheit jeder Amtspflicht anhand ihres [X.]eiligen Schutzzwecks einzeln zu [X.]stimmen ist.

2. Das Berufungsgericht hat eine Pflichtverletzung des [X.]n [X.]reits wegen fehlender Maßnahmen zur Erweiterung oder Entfernung der seiner Auffassung nach zu gering dimensionierten [X.] im Bereich des Grundstücks K.      angenommen und sich - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - mit den weiteren dem [X.]n vorgeworfenen Versäumnissen nicht mehr [X.]fasst. Jedoch genügen die im Zusammenhang mit den [X.]n getroffenen Feststellungen nicht, um eine Haftung des [X.]n anzunehmen.

a) Es ist im Berufungsurteil offengeblie[X.]n, wer für die [X.] unterhaltungs- und dementsprechend auch verkehrssicherungspflichtig war (vgl. dazu [X.]/[X.], aaO, § 36 Rn. 27) und damit für die nötigen Erhaltungsmaßnahmen oder für eine - hier näherliegende - nicht von der Unterhaltung im Sinne des § 36 [X.] erfasste bauliche Veränderung zu sorgen hatte, um Schäden abzuwenden.

Ob eine Anlage in die [X.] des Gewässerunterhaltungspflichtigen fällt (§ 39 [X.]) oder sie unterhaltungsrechtlich selbständig zu [X.]trachten ist (vgl. dazu § 36 Satz 1 [X.] in der bis zum 4. Januar 2018 geltenden Fassung; jetzt: § 36 Abs. 1 [X.]; sowie § 60 Abs. 1 WG LSA), richtet sich nach ihrer Ausgestaltung und Funktion (BVerwGE 168, 86 Rn. 37 [X.]). Hat die Anlage eine wasserwirtschaftliche Zielsetzung, wird sie von der Gewässerunterhaltungspflicht miterfasst, anderenfalls trägt derjenige, der die Vorteile der Anlage nutzt, regelmäßig ihr Eigentümer oder Betrei[X.]r, die [X.] (vgl. zB [X.], Urteil vom 24. Februar 1994 - [X.], [X.], 186, 193; BVerwG aaO Rn. 37 f; [X.], NVwZ-RR 2001, 20 f; [X.], [X.] 1994, 373, 374 f; [X.], BeckRS 2020, 21674 Rn. 24; [X.], Urteil vom 4. Septem[X.]r 2015 - 17 K 1997/14, juris Rn. 24; [X.], BeckRS 2011, 54682 [Seite 3]; [X.]/[X.], [X.]. [Stand: 1. April 2022], § 36 Rn. 7). Soll mit der Verrohrung oder dem Durchlass in einem Gewässer allein die Nutzbarkeit eines Grundstücks ver[X.]ssert werden, dient sie ausschließlich privatrechtlichen Zwecken (vgl. zB [X.], Urteil vom 3. Mai 2010 - 6 U 142/09, juris Rn. 21; dass. NVwZ-RR 2003, 107, 108; [X.] aaO; [X.] aaO; dass., Urteil vom 22. August 1991 - 20 A 1272/90, [X.] 1992, 387, 388; [X.] aaO; [X.] aaO Rn. 30, 34; [X.], BeckRS 2011 aaO und BeckRS 2006, 22964; [X.]/[X.], aaO, § 36 Rn. 25). Die Pflichten zur Unterhaltung solcher Anlagen sind keine Gewässerunterhaltungspflichten ([X.] [X.]. aaO; [X.]/[X.], aaO Rn. 26).

Mangels entgegenstehender tatrichterlicher Feststellungen ist im Revisionsverfahren zugunsten des [X.]n davon auszugehen, dass den [X.]n der wasserwirtschaftliche Zweck fehlte und dementsprechend der Eigentümer oder Nutznießer für ihre Unterhaltung zuständig war. In diesem Fall obliegt auch die Ü[X.]rwachung der Einhaltung der insoweit [X.]stehenden Pflichten nicht dem [X.]klagten [X.], sondern der unteren Wasser[X.]hörde als Inha[X.]rin der allgemeinen Gewässeraufsicht (§ 100 [X.]; § 12 Abs. 1 Satz 1 WG LSA; vgl. [X.]/[X.] aaO Rn. 26; [X.] in Landmann/[X.], Umweltrecht, Stand: Dezem[X.]r 2021, § 100 [X.] Rn. 4 ff).

b) Jedoch ist damit eine Haftung des [X.]n nicht ausgeschlossen. Vielmehr kommt ein Schadensersatzanspruch des [X.] gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 34 Satz 1 [X.] in Betracht, wenn den Bediensteten des [X.]n [X.]i einer - vorliegend nicht durchgeführten - [X.] auf Anhieb hätte auffallen müssen, dass die [X.] zu gering dimensioniert waren und die Gefahr [X.]stand, dass sich an ihnen [X.]i starker Belastung des Gra[X.]ns ein Rückstau bilden konnte.

aa) Gemäß § 67 Abs. 1 WG LSA ist es Zweck der [X.] zu prüfen, ob die o[X.]rirdischen Gewässer ordnungsgemäß unterhalten werden. Gewässer erster und zweiter Ordnung sind regelmäßig zu ([X.])schauen. Die Pflicht zur [X.] ist dem [X.]n nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts für Gewässer zweiter Ordnung - also auch für den K.     gra[X.]n - ü[X.]rtragen worden (§ 67 Abs. 2 Satz 1 WG LSA). Er hatte sie daher e[X.]nso wie die (sonstigen) von ihm zu [X.]treuenden Anlagen (vgl. § 67 WG LSA, § 44 f des Gesetzes ü[X.]r Wasser- und Bodenverbände, § 5 Abs. 1 der Satzung des [X.]n; vgl. [X.]/[X.] aaO, § 36 Rn. 7, § 100 Rn. 21) regelmäßig - im Rahmen einer Sichtkontrolle - zu inspizieren. Der Schaupflicht unterfallen a[X.]r nicht die Anlagen in der Verantwortung Dritter (§ 60 Abs. 1 WG LSA, vgl. vorstehend).

bb) Dies schließt indessen nicht aus, dass im Rahmen der [X.] außerhalb der Unterhaltung liegende Gege[X.]nheiten, die den Wasserabfluss [X.]einträchtigen, festgestellt werden, auf deren Beseitigung hingewirkt werden muss (ähnlich: Zeiler in [X.]/Zeiler, [X.] Wassergesetz, § 78 Rn. 2 [Stand: Okto[X.]r 2017]). Der [X.] muss auch jenseits des eigenen unmittelbaren Aufga[X.]n[X.]reichs tätig werden, wenn [X.]sondere Umstände dies gebieten, ohne dass dadurch die grundsätzliche Trennung der Verantwortungs[X.]reiche verwischt wird (vgl. [X.], Urteil vom 15. Juni 2000 - [X.], [X.], 1209). Dementsprechend kann der Gewässerunterhaltungspflichtige im Einzelfall verpflichtet sein, auf eine von o[X.]rirdischen Gewässern oder ihren Anlagen ausgehende Gefahr hinzuweisen, um auf diese Weise auf eine Änderung des Zustands hinzuwirken. Er darf seine Augen vor einer zwar nicht in seinen Zuständigkeits[X.]reich fallenden, a[X.]r gleichwohl offensichtlichen Gefahrenquelle, [X.]i der sich die Notwendigkeit baldiger Abwehrmaßnahmen geradezu aufdrängt, nicht verschließen (vgl. zB [X.] aaO S. 1209 f; zu entsprechenden Hinweispflichten etwa im sozialrechtlichen Bereich zB [X.], Urteile vom 11. März 2021 - [X.], NVwZ-RR 2021, 671 Rn. 17 und vom 2. August 2018 - [X.], NJW 2019, 68 Rn. 14; [X.]. [X.]). Andernfalls handelt er amtspflichtwidrig im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der [X.] wäre daher anlässlich einer von ihm durchzuführenden [X.] verpflichtet gewesen, den Landkreis als die mit der notwendigen Eingriffs[X.]fugnis (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 2 [X.]; § 11 Satz 3 WG LSA) ausgestattete zuständige Aufsichts[X.]hörde auf einen Missstand hinzuweisen, sofern [X.]i der Besichtigung eine von den [X.] ausgehende Gefahrenlage für den ordnungsgemäßen Wasserabfluss so offenkundig gewesen wäre, dass sie ihm unabhängig von einer genaueren Betrachtung hätte "ins Auge springen" müssen.

cc) Vorliegend mangelt es jedoch [X.]reits an tragfähigen Feststellungen dazu, dass der [X.] die [X.] pflichtwidrig unterlassen hat. Die gegenteilige Würdigung des Berufungsgerichts ist von Rechtsfehlern [X.]einflusst.

Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der Aussage der vor dem [X.] vernommenen Zeugin B.       davon ausgegangen, dass der [X.] seit Jahren nicht [X.]schaut worden war und es auch keinen konkreten Plan gab, wonach die Gewässer in der Zuständigkeit des [X.]n in einem [X.]stimmten Turnus kontrolliert wurden. Dies allein genügt jedoch nicht, um ein pflichtwidriges Unterlassen des [X.]n feststellen zu können.

§ 67 Abs. 1 Satz 2 WG LSA schreibt - wie die Vorinstanz zutreffend ausführt - keine [X.]stimmten Kontrollintervalle vor, sondern nur, dass die Gewässer - hier der zweiten Ordnung - "regelmäßig zu schauen" sind. Dies [X.]deutet nicht, dass alle [X.]troffenen Gewässer auf ihrer gesamten Länge gleichermaßen oft kontrolliert werden müssen, sondern es eröffnet dem [X.]n einen Beurteilungsspielraum, die Häufigkeit der [X.] der von ihm zu unterhaltenden Gewässer an den - zum Beispiel aufgrund geografischer oder hydrologischer Besonderheiten [X.]stehenden - konkreten Erfordernissen auszurichten. So werden etwa zu Versandung oder Verkrautung neigende Gewässer in der Nähe von Wohngebieten ins[X.]sondere, wenn sie [X.]reits ausgeufert sind, öfter zu [X.]schauen sein als solche, die in der Vergangenheit keine oder wenige Probleme [X.]reitet ha[X.]n oder außerhalb eines [X.]bauten Gebiets liegen. Anlass zur [X.] wird ü[X.]rdies [X.]stehen, wenn es Hinweise auf einen unzureichenden Wasserabfluss [X.]ziehungsweise notwendige Unterhaltungsmaßnahmen - sei es aus der Bevölkerung oder in sonstiger Weise - gege[X.]n hat.

Davon geht zwar im Ausgangspunkt auch das Berufungsgericht aus, das angenommen hat, als problemlos geltende Gewässer müssten nicht so oft kontrolliert werden wie solche, die zum Ü[X.]rtreten neigten. In Bezug auf den K.     gra[X.]n hat es jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, in welchen Abständen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände eine [X.] geboten war. Allein der Umstand, dass der Gra[X.]n vor dem Hochwasserereignis "seit Jahren" nicht mehr [X.]schaut worden ist, stellt für sich [X.]trachtet noch keine Pflichtverletzung dar, auch wenn es einen Plan, der sicherstellt, dass die verschiedenen Gewässer nach einem [X.]stimmten System wiederkehrend kontrolliert werden, nicht gibt. Vielmehr hätte es näherer Erkenntnisse dazu [X.]durft, welcher Unterhaltungs[X.]darf und welches damit gege[X.]nenfalls im Zusammenhang stehende Gefahrenpotential vom [X.] ausging, die dessen [X.] innerhalb eines [X.]stimmten - nicht eingehaltenen - [X.] vor dem Schadensereignis erforderten und wie sich dies in die sonstigen Schautermine - anderer möglicherweise zu priorisierender Gewässer - einfügte. Ohne Kenntnis der Einzelfallumstände kann eine nicht mehr hinzunehmende Ü[X.]rschreitung eines solchermaßen ermittelten Intervalls nicht festgestellt werden. Auch ein abzuar[X.]itender Plan, der ein bloßes Hilfsmittel zur Einhaltung der Pflichten darstellt, kann nur auf der Grundlage solcher Ü[X.]rlegungen erstellt werden.

dd) Weitere Voraussetzung ist, dass sich anlässlich einer solchen [X.] den Bediensteten der [X.]n nach Maßga[X.] der obigen Ausführungen eine Unterdimensionierung der [X.] [X.]i einer Sichtkontrolle hätte aufdrängen müssen.

Hiervon ist das Berufungsgericht im Ergebnis ausgegangen. Seine dies[X.]züglichen Feststellungen [X.]ruhen jedoch e[X.]nfalls auf einem Rechtsfehler.

Die Würdigung des O[X.]rlandesgerichts, dem Vortrag des [X.]n sei nicht zu entnehmen, dass "wasserwirtschaftlich geschultem Personal" [X.]i einer [X.] im Vorfeld des Schadensereignisses die Durchmesser der [X.] hätten unverdächtig erscheinen müssen, weil Rohrleitungen den Wasserabfluss generell [X.]hinderten und daher großzügig dimensioniert sein müssten, [X.]ruht auf der Verkennung der Darlegungs- und Beweislast. Die [X.] für einen Schadensersatzanspruch trägt grundsätzlich derjenige, der ihn geltend macht (vgl. ins[X.]sondere zur Kausalität [X.], Urteil vom 7. Februar 2012 aaO Rn. 9). Die Vorinstanz geht indessen von einer Art tatsächlicher Vermutung aus, dass von jedem [X.] eine potentielle Gefahr für den Wasserabfluss ausgeht, die der Unterhaltspflichtige entkräften muss (vgl. zur tatsächlichen Vermutung zB [X.], Urteil vom 2. März 1999 - [X.], NJW 1999, 2273, 2274). Es ist a[X.]r nicht ersichtlich, woraus sich ein entsprechender Erfahrungssatz herleiten ließe, zumal es für die Frage der ausreichenden Kapazität eines Durchlasses auf die konkreten Einzelfallumstände ankommt. Auf die - ü[X.]rdies wohl [X.]rechtigte - Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht ha[X.] sich [X.]i der Beurteilung, was wasserwirtschaftlich geschultem Personal hätte auffallen müssen, nicht vorhandene Sachkunde angemaßt, kommt es damit nicht mehr an.

III.

Das Berufungsurteil kann aus diesen Gründen keinen Bestand ha[X.]n (§ 562 Abs. 1 ZPO). Es ist aufzuhe[X.]n und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Im neuen [X.] wird sich die Vorinstanz gege[X.]nenfalls auch mit den weiteren vom Kläger dem [X.]n vorgeworfenen Pflichtverletzungen zu [X.]fassen ha[X.]n, zu denen es - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen hat, weshalb der [X.] auch keine Veranlassung hat, auf diese Fragen im vorliegenden Verfahrensstadium einzugehen.

[X.]     

      

Reiter     

      

Arend 

      

Böttcher     

      

Herr     

      

Meta

III ZR 54/21

01.12.2022

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 18. März 2021, Az: 4 U 72/20

§ 823 Abs 1 BGB, § 839 Abs 1 S 1 BGB, § 39 WHG, § 40 WHG, § 52 Abs 1 WasG ST, § 67 WasG ST, Art 34 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.12.2022, Az. III ZR 54/21 (REWIS RS 2022, 8377)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8377


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZR 75/21

Bundesgerichtshof, IX ZR 75/21, 23.06.2022.


Az. 4 U 72/20

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 72/20, 20.07.2021.


Az. III ZR 54/21

Bundesgerichtshof, III ZR 54/21, 01.12.2022.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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