19. Zivilkammer | REWIS RS 2021, 6647
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wird der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vom 12.01.2021 zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Mitwirkung an der Veräußerung und Übertragung der im Klageantrag näher bezeichneten Grundstücke an Herrn I.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in der von ihm beantragten Form nicht zu. Nach § 2042 BGB hat jeder Miterbe zwar einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Ein Anspruch besteht aber nur in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise.
Wie die Auseinandersetzung zu erfolgen hat, ist im Gesetz in den §§ 2042 ff BGB geregelt. Grundstücke sind nach § 753 BGB durch Zwangsversteigerung und Verteilung des Erlöses zu verwerten.
Der Anspruch des Klägers auf Mitwirkung bei der Eigentumsübertragung folgt insbesondere nicht aus § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB. Denn die Veräußerung der Grundstücke ist grundsätzlich keine Maßregel der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses, zu der gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB jeder Miterbe den anderen Miterben gegenüber mitzuwirken verpflichtet ist.
Es ist zwar anerkannt, dass sich die Verwaltung eines Nachlasses nicht in dessen Sicherung, Erhaltung und Nutzung erschöpft, sondern auch die Veräußerung von Nachlassgegenständen umfassen kann, vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 – IV ZR 82/04 –, zitiert nach juris. Unter den Begriff gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses im Sinne von § 2038 Abs. 1 BGB fallen alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom 22. Februar 1965 aaO unter 3; Beschluss vom 29. Januar 1952 - V BLw 16/51 - LM Nr. 2 zu § 2038 BGB). Dazu zählen grundsätzlich auch Verfügungen über Nachlassgegenstände, nur muss neben der Ordnungsmäßigkeit die Erforderlichkeit einer solchen Verwaltungsmaßnahme durch besondere Umstände belegt sein, um eine Mitwirkungspflicht zu begründen.
Es kann vorliegend dahinstehen, ob dringender Handlungsbedarf im Sinne der Erforderlichkeit der Veräußerung mit Blick auf von dem Grundstück ausgehende drohende Gefahren, etwa Trinkwasserverunreinigungen wegen der nahegelegenen Talsperre durch einen sich auswaschenden Misthaufen auf dem Grundstück, drohende Wasserschäden etc., besteht.
Für die „Wesentlichkeit“ einer Veränderung ist auf den gesamten Nachlass abzustellen, anderenfalls läge in jeder Verfügung über einen Nachlassgegenstand eine wesentliche Veränderung; derartige Maßnahmen wären mithin nie ordnungsgemäß. Das wäre indes mit Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Mitwirkungsregelungen unvereinbar, die Verfügungen in den Katalog der möglichen Verwaltungsmaßregeln grundsätzlich mit einbeziehen, vgl. BGH a.a.O. mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand.
Eine wesentliche Veränderung setzt voraus, dass durch die Verwaltungsmaßnahme die Zweckbestimmung oder Gestalt des Nachlasses in einschneidender Weise geändert werden würde (BGHZ 101, 24, 28; BGH, Urteile vom 8. März 2004 - II ZR 5/02 - BGH-Report 2004, 970 unter II 2 b; 14. November 1994 - II ZR 209/93 - NJW-RR 1995, 267).
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller darauf, dass die Wesentlichkeit einer Veränderung vorrangig wertmäßig und nicht gegenständlich zu beurteilen sei. Zwar weist auch der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung vom 28. September 2005 darauf hin, dass durch den Verkauf des Grundstücks der an die Erbengemeinschaft zu zahlende Erlös im Wege der dinglichen Surrogation an die Stelle der Immobilie getreten sei (§ 2041 Satz 1 BGB). Der Verkauf hätte also nur die Zusammensetzung des Nachlasses verändert, ohne dessen Substanzwert zu mindern. Zweck der §§ 2038 ff., 743 ff. BGB sei es hingegen, Wertverluste des Nachlasses bis zu dessen Teilung zu vermeiden. In dem zu entscheidenden Fall ging es bei einem Gesamtnachlasswert von über 800.000 € nur um eine Veränderung des Nachlassbestandes in Höhe eines zu erzielenden Kaufpreises von 144.000 €, die vom BGH als nicht wesentlich gewertet wurde. Zudem wird in der Entscheidung darauf hingewiesen, dass dadurch der Charakter des gesamten Nachlasses nicht geändert werde. Zum Nachlass gehörten mehrere Immobilien; das streitgegenständliche Ferienhaus habe ihm also nicht das maßgebliche Gepräge geben können, vgl. BGH a.a.O..
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf das Urteil des OLG Düsseldorf vom 16. Februar 2018 – I-7 U 59/16 –, juris. Die darin als ordnungsgemäße Nachlassverwaltung angesehen Grundstücksveräußerungen betrafen einen Nachlass, zu dem mindestens zehn Reihenhäuser und damit zehn Verkaufseinheiten gehörten, von denen zwei veräußert worden waren.
Soweit das OLG Koblenz, Versäumnisurteil vom 22. Juli 2010 – 5 U 505/10 –, juris, bei der Veräußerung eines Grundstücks, das den wesentlichen Teil des Nachlasses bildete, eine wesentliche Veränderung des Nachlasses verneint hat, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Argumentation des OLG Koblenz, es gebe keinen Anhalt dafür, dass der an die Erbengemeinschaft zu zahlende Verkaufserlös, der an die Stelle der Immobilie tritt (§ 2041 Satz 1 BGB), kein marktgerechtes Entgelt darstelle und das streitige Grundstück - auch wenn sein Wert verglichen mit den anderen ererbten Gegenständen hoch sei - den Nachlass nicht essentiell präge, da es nicht bebaut und nicht weiter genutzt werde, überzeugt nicht. Denn sie stellt für die Beurteilung der wesentlichen Veränderung allein auf eine wertmäßige Betrachtung ab. Zudem lässt sie § 2042 BGB, wonach Grundstücke nach § 753 BGB durch Zwangsversteigerung und Verteilung des Erlöses zu verwerten sind, unberücksichtigt.
Vorliegend ist nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar, dass weitere Grundstücke zum Nachlass gehören. Eine Veräußerung würde daher den Charakter des aus den im Klageantrag näher bezeichneten Grundstücken bestehenden Nachlass wesentlich verändern. Der Nachlass würde nicht mehr aus den überwiegend landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücken, sondern ausschließlich aus Geldvermögen bestehen.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wenn
1. der Wert der Hauptsache 600,00 EUR übersteigt,
2. das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint oder
3. das Gericht die Zahlung von Raten angeordnet hat.
Die sofortige Beschwerde ist bei dem Landgericht Köln oder dem Oberlandesgericht Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von 1 Monat bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, oder dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
Köln, 21.04.202119. Zivilkammer
Meta
21.04.2021
Landgericht Köln 19. Zivilkammer
Beschluss
Sachgebiet: O
Zitiervorschlag: Landgericht Köln, Beschluss vom 21.04.2021, Az. 19 O 41/21 (REWIS RS 2021, 6647)
Papierfundstellen: REWIS RS 2021, 6647
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
IV ZR 82/04 (Bundesgerichtshof)
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XII ZR 210/05 (Bundesgerichtshof)
Übertragung von Teileigentum und von Anteilen an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
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