25. Senat | REWIS RS 2010, 1710
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Markenbeschwerdeverfahren - "ALLERNIL/AlLERGODIL" – weder klangliche noch schriftbildliche Verwechslungsgefahr -
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 304 58 226
hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters [X.] sowie [X.] und Metternich
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
[X.]ie am 11. Oktober 2004 angemeldete Wortmarke
[X.]
ist am 1. [X.]ezember 2004 für die Waren
„Pharmazeutische Erzeugnisse“
in das Markenregister unter der Nummer 304 58 226 eingetragen worden.
[X.]agegen hat die Inhaberin der für
„Arzneimittel gegen Erkrankungen allergischer Genese“
seit dem 30. [X.]ezember 1982 unter der Nummer 1 042 583 registrierten Wortmarke
[X.]
Widerspruch erhoben.
[X.]ie Markenstelle für Klasse 5 des [X.] hat mit zwei Beschlüssen vom 18. September 2007 und 9. April 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch aus der Marke 1 042 583 zurückgewiesen.
Eine Verwechslungsgefahr könne nicht festgestellt werden. Trotz einer möglichen Warenidentität, einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie unter Berücksichtigung allgemeiner Verkehrskreise genüge die angegriffene Marke den strengen Anforderungen, die an den [X.] zu stellen seien, in ausreichendem Maße.
[X.]ie Marken unterschieden sich im klanglichen Gesamteindruck trotz der Übereinstimmung in der [X.] „ALLER-“ am Wortanfang durch die unterschiedliche Anzahl der [X.], der abweichenden [X.] ([X.]/a-e-o-i) sowie der sich daraus ergebenden Unterschiede in der Sprech- und Betonungsweise hinreichend deutlich. In der [X.] verfüge die angegriffene Marke über den [X.] „N“, die Widerspruchsmarke dagegen über den [X.] „G“, den Vokal „O“ sowie den [X.] „[X.]“. Zudem würden auch allgemeine Verkehrskreise, welche bei Waren, die die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden beeinflussen könnten, eine gewisse Sorgfalt walten lassen würden, den Bedeutungsanklang von „[X.]-“ bzw. „ALLER-“ an „Allergologie“ bzw. „Allergie“ erkennen und daher die nachfolgenden Markenbestandteile gleichermaßen beachten und die Unterschiede in jedem Fall bemerken.
Schriftbildlich werde durch die Buchstabenfolge „-GO[X.]-/-god-“ in der Widerspruchsmarke, die in der angegriffenen Marke kein Äquivalent habe, ein ausreichend deutlicher Abstand gewahrt.
[X.]er Verkehr werde wegen des übereinstimmenden Wortanfangs „ALLER“ auch nicht davon ausgehen, dass es sich bei der jüngeren Marke um ein Produkt der Widersprechenden handele, da dieser Bestandteil nicht zwingend auf die Widersprechende hinweise.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des [X.] vom 18. September 2007 und 9. April 2010 die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Ausgehend von einer möglichen Warenidentität sowie einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke könne eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken nicht verneint werden. [X.]ie jüngere Marke stimme in sieben ihrer acht Buchstaben mit der Widerspruchsmarke überein, wobei neben der Übereinstimmung am Wortende „[X.]“ vor allem der übereinstimmenden [X.] „ALLER“ am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang maßgebliche Bedeutung zukomme. [X.]ies gelte umso mehr, als entgegen der Auffassung der Markenstelle eine Verwendung von „ALLER-“ als Bestandteil mit beschreibendem Anklang nicht belegt sei. Soweit die „[X.]“ Produktbezeichnungen mit dem Bestandteil „ALLER“ enthalte, sei deren Anzahl zum einen eher gering; zudem könne der „ROTEN LISTE“ allein auch nichts zur deren Benutzung entnommen werden.
Gegenüber den weitgehenden Übereinstimmungen in beiden [X.] fielen die geringen Unterschiede in der ohnehin regelmäßig weniger beachteten [X.] nicht ins Gewicht. [X.]iese gingen klanglich insbesondere bei schneller Sprechweise oder einer flüchtigen Aussprache unter. Auch schriftbildlich spielten sie keine Rolle, zumal die Widerspruchsmarke aufgrund ihrer Eintragung in Großbuchstaben über keine Ober- bzw. Unterlänge in den Buchstaben „g“ und „d“ verfüge. [X.] wirke sich weiterhin aus, dass bei Arzneimitteln ohne festgeschriebene Rezeptpflicht nicht allein auf die Auffassung fachlich geschulter Ärzte und Apotheker, sondern auch auf den Endverbraucher abzustellen sei, welchem jedoch Unterschiede wegen seiner generell geringeren Aufmerksamkeit weniger auffielen.
Zur Begründung ihrer Auffassung beruft sich die Widersprechende ferner auf ihrer Meinung nach vergleichbare Entscheidungen der Beschwerdekammern des [X.] in den Widerspruchsverfahren [X.]/2006-1 v. 7. November 2006 - „[X.] / [X.]“ und R-734/2008-1 v. 14. September 2009 - „[X.] / [X.]“ sowie auf eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung des [X.] v. 12. November 2008 - „[X.] / [X.]“.
[X.]ie Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Angesichts der deutlichen Unterschiede in der [X.] sei eine sichere Unterscheidung beider Marken auch bei identischen Waren gewährleistet, zumal dem übereinstimmenden Markenanfang „ALLER“ wegen seines rein beschreibenden Charakters kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
[X.]ie zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
[X.]er Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen beiden Marken keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht, so dass der nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erhobene Widerspruch von der Markenstelle gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu Recht zurückgewiesen worden ist.
Entgegen der in der Entscheidung der 4. Beschwerdekammer des [X.] vom 29. September 2009 ([X.]/2007-4) vertretenen Auffassung, die bei identischer Kollisionslage getroffen wurde, verfügt die Widerspruchsmarke nach Auffassung des Senats allerdings jedenfalls in ihrer Gesamtheit über eine (noch) durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Auch wenn die ersten drei Silben „[X.]“ der Widerspruchsmarke relativ deutlich auf „Allergie“ und damit das Indikationsgebiet bzw. den Anwendungsbereich hinweisen (so auch bereits Senatsentscheidung 25 W (pat) 218/98 - [X.] / [X.]), bildet die Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit aufgrund der Verbindung des [X.] „ALLER“ mit der Endsilbe „[X.][X.]“ eine hinreichend fantasievolle und zur Kennzeichnung geeignete Gesamtbezeichnung. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es bei pharmazeutischen Erzeugnissen übliche Praxis ist, Marken in der Weise zu bilden, dass diese als sprechende Zeichen durch eine phantasievolle Zusammenstellung jedenfalls für den Fachmann Wirkstoff- und/oder Anwendungsangaben, die stoffliche Beschaffenheit und/oder das Indikationsgebiet kenntlich machen (vgl. [X.], 815, 817 - Nitrangin).
Auch wenn die [X.] zudem nach der vorliegend maßgeblichen [X.] verwechslungsfördernd zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden können und ausgehend davon strenge Anforderungen an den [X.] gestellt werden müssen, wird die angegriffene Marke nach Auffassung des Senats diesen Anforderungen noch gerecht, auch wenn man im Hinblick auf die im [X.] nicht festgeschriebenen Rezeptpflicht neben dem Fachverkehr die allgemeinen Verkehrskreise berücksichtigt, welche jedoch auch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnen als dies bei vielen anderen Produkten des täglichen Lebens der Fall ist (vgl. [X.], 50 - IN[X.]OREKTAL / IN[X.]OHEXAL).
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der [X.], wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rdnr. 170). [X.]er Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im ([X.] und im [X.] zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus ([X.], 340, 347 - Lions; [X.], 393, 395 [X.]. 21 - HEITEC).
Auch wenn beide Markenwörter bei rein formaler Betrachtungsweise weitreichende Übereinstimmungen, nämlich am Wortanfang „ALLER-“ und in den Endlauten „-[X.]“ aufweisen, wobei ferner auch der Unterschied in den [X.] Anlauten der Endsilben „[X.]“/“N“ für sich betrachtet eher unauffällig ist, heben sie sich nach Auffassung des Senats im klanglichen Gesamteindruck aufgrund der durch die zusätzliche Zwischensilbe „GO“ der Widerspruchsmarke hervorgerufenen Unterschiede in der [X.], dem Sprechrhythmus sowie in der für den klanglichen Gesamteindruck besonders wichtigen [X.] („[X.]“ gegenüber „[X.]“) noch hinreichend deutlich voneinander ab. Bei der gegenüber der angegriffenen Marke zusätzlichen Mittelsilbe „-GO-“ der Widerspruchsmarke handelt es sich nicht um eine eingeschobene, im klanglichen Gesamteindruck zu vernachlässigende unbetonte Zwischensilbe; vielmehr sorgt der Eingangskonsonant „G“ gemeinsam mit dem nachfolgenden Vokal „O“ für eine durchaus wahrnehmbare klangliche Zäsur zwischen der zweiten und dritten Sprechsilbe der Widerspruchsmarke und führt zu einer deutlichen Abweichung in der Betonung und im Sprechrhythmus gegenüber der angegriffenen Marke, bei der die drei [X.] „AL-LER-N[X.]“ zu einer einheitlichen [X.] verschmelzen. Neben dieser unüberhörbaren Abweichung im [X.] beider Marken trägt weiterhin zur Unterscheidung bei, dass die dritte Wortsilbe „-GO-“ der Widerspruchsmarke sich mit der in beiden Marken formal übereinstimmenden [X.] „ALLER“ zu einem beschreibenden Hinweis auf „Allergie“ bzw. „allergisch“ und damit auf das Indikationsgebiet der betreffenden Arzneimittel verbindet, wodurch auch der Charakter des gesamten Wortanfangs der Widerspruchsmarke gegenüber der angegriffenen Marke, bei der die [X.] „ALLER“ in der Gesamtbezeichnung „[X.]“ aufgeht und die daher in ihrer Gesamtheit als einheitlicher Fantasiebegriff wahrgenommen wird, verändert wird. Anders als bei der unvollständigen, das Indikationsgebiet allenfalls andeutenden und daher nach Auffassung des Senats nicht zwingend in ihrer Kennzeichnungskraft eingeschränkten [X.] „ALLER“ handelt es sich bei „[X.]“ um ein Wortbildungselement, welches häufig zur Bezeichnung von Arzneimitteln, die zur Bekämpfung von Allergien oder zur Linderung allergischer Beschwerden eingesetzt werden, verwendet wird und daher in seiner Bedeutung auch allgemeinen Verkehrskreisen weitgehend bekannt sein dürfte. So enthält die Rote Liste 2010 eine Reihe entsprechend gebildeter Marken für Arzneimitteln der Hauptgruppen 07 ([X.]), 28 (Broncholytika/[X.]), 67 (Ophthalmika) und 72 ([X.]) wie z. B. „Allergo-COMO[X.]“, „[X.]“, „Allergokatt“, „allergologes“, „Allergopos“, „[X.]“, „Allergoval“ und „[X.]“, wobei der Eintrag in der Roten Liste entgegen der Auffassung der Widersprechenden ein starkes Indiz für eine tatsächliche Verwendung der entsprechenden Kennzeichnung darstellt. Berücksichtigt man weiterhin, dass der bei der Widerspruchsmarke der eigenständig hervortretende Bestandteil „[X.]“ regelmäßig auch eine deutlichere Betonung der zweiten Wortsilbe „-LER-“ nach sich zieht als dies bei der angegriffenen Marke „[X.]“ der Fall ist, reichen die aufgezeigten Unterschiede in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der generell erhöhten Aufmerksamkeit des Verkehrs gegenüber Arzneimitteln aus, um auch unter ungünstigeren Übermittlungsbedingungen bzw. aus der ungenauen Erinnerung heraus eine klangliche Verwechslungsgefahr in einem markenrechtlich relevanten Umfang auszuschließen.
[X.]ie seitens der Widersprechenden genannten Entscheidungen des [X.] (Beschwerdekammer bzw. Widerspruchsabteilung) bieten keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. „[X.]“ und „[X.]“ stimmen bei identischer [X.], [X.] und Sprech- und Betonungsrhythmus in dem Bestandteil „[X.]“ überein - was vorliegend alles nicht der Fall ist - und weisen zudem auch noch Übereinstimmungen in der Endsilbe auf (Vokal „I“ und Konsonant „L“). Auch die weiteren genannten Entscheidungen zu den Kollisionsverfahren „[X.] / [X.]“ bzw. „[X.] / [X.]“ sind nicht vergleichbar, da in diesen Fällen beide Marken ebenfalls über übereinstimmende [X.], [X.] etc. verfügen.
Beim schriftbildlichen Vergleich - wobei entgegen der Auffassung der Widersprechenden neben den registrierten Markenformen auch alle anderen verkehrsüblichen Schreibweisen zu berücksichtigen sind (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rdnr. 207) - fällt insbesondere die unterschiedliche Wortlänge auf. Hinzu kommt eine auffällige Umrisscharakteristik der Mittelsilbe „GO“ der Widerspruchsmarke, wobei insbesondere die kreisrunde Form des Vokals „O“ in der angegriffenen Marke „[X.]“ keine Entsprechung findet. Auch die Anfangskonsonanten der Endsilben „N“/“[X.]“ bzw. „n/d“ heben sich aufgrund der abgerundeten Form bzw. der Oberlänge des Konsonanten „[X.]/d“ der Widerspruchsmarke deutlich voneinander ab. Ferner verfügt die Widerspruchsmarke bei einer regelmäßig zu erwartenden Wiedergabe in Kleinbuchstaben mit großem Anfangsbuchstaben aufgrund der zusätzlichen Unterlänge des Buchstabens „g" sowie der Oberlänge des Konsonanten „d“ über weitere Unterscheidungshilfen gegenüber der angegriffenen Marke. Zu beachten ist weiterhin, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort (vgl. dazu auch [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rdnr. 206 m. w. N.), so dass schon aus diesem Grund auch vergleichsweise größere Annäherungen der [X.] hinzunehmen sind, ohne dass dies zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr führen muss.
Eine Verwechslungsgefahr aus anderen Gründen wie z. B. unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens kommt bei den erkennbar als einheitliche Wortzeichen ausgestalteten und wahrgenommenen Vergleichsmarken ebenfalls nicht in Betracht.
[X.]ie Beschwerde hat daher keinen Erfolg
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 [X.]).
Meta
04.11.2010
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.11.2010, Az. 25 W (pat) 27/10 (REWIS RS 2010, 1710)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 1710
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
30 W (pat) 42/14 (Bundespatentgericht)
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