Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2012, Az. XII ZB 232/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9380

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betreuervergütung: Erhöhter Stundensatz bei betreuungsrelevanten Fachkenntnissen auf Grund eines hierauf ausgerichteten Hochschulstudiums oder einer gleichwertiger Ausbildung


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des [X.] vom 7. April 2011 wird auf Kosten des Beteiligten zurückgewiesen.

[X.]: 918 €

Gründe

I.

1

Der Beteiligte wurde 2006 vom Betreuungsgericht zum Berufsbetreuer des Betroffenen bestellt. Er absolvierte eine Ausbildung auf dem Gebiet der Elektrotechnik. Danach studierte er an der [X.] und schloss das Studium mit Diplom ab. Er ist weiter zugelassener Rentenberater. Zudem nahm er an verschiedenen Fortbildungsmaßnahmen aus dem Bereich des Betreuungsrechts teil.

2

Für den Abrechnungszeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. März 2010 beantragte er die Festsetzung einer pauschalen Betreuervergütung gegen das Vermögen des Betroffenen auf der Grundlage des ihm bis dahin regelmäßig zugebilligten Stundensatzes von 44 €. Das Betreuungsgericht hat dem Antrag nur unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 27 € stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten ist erfolglos geblieben.

3

Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Vergütungsantrag in voller Höhe weiter.

II.

4

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde (§ 70 Abs. 1 FamFG). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

5

2. Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

6

a) Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das von dem Beteiligten zu 1 abgeschlossene Fachhochschulstudium sei im Kernbereich nicht auf die Vermittlung von für eine Betreuung besonders nutzbarer Fachkenntnisse gerichtet gewesen. Die erfolgreiche Teilnahme am Zertifikationskurs für Berufsbetreuer des katholisch-sozialen Instituts "[X.]" sei weder einem Hochschulstudium noch einer Lehre gleichzusetzen. Es fehle bereits an einem Abschluss vor einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Umstand, dass der Landesgesetzgeber von der Möglichkeit des § 11 [X.] keinen Gebrauch gemacht habe, verfassungswidrig sei. Denn dies führe nicht dazu, dass gegen Gesetzeszweck und Wortlaut des § 4 [X.] Ausbildungen vergütungserhöhend berücksichtigt werden könnten. Der Beteiligte zu 1 könne sich auch nicht aufgrund der bisher bewilligten Vergütung von 44 € pro Stunde auf Vertrauensschutz berufen.

7

b) Die Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

8

aa) Ob ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen für eine erhöhte Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfüllt, unterliegt einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüft werden (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - [X.] 312/11 - [X.] 2011, 1505 Rn. 10).

9

bb) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des [X.] stand, nach der der Beteiligte die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Stundensatzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht erfüllt.

(1) Besondere Kenntnisse im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] sind Kenntnisse, die - bezogen auf ein bestimmtes Sachgebiet - über ein Grundwissen deutlich hinausgehen. Für die Führung einer Betreuung nutzbar sind Fachkenntnisse, die ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - [X.] 409/10 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN). Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist deshalb ein erhöhter Stundensatz nicht bereits gerechtfertigt, wenn die Ausbildung wegen ihrer Komplexität gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist (vgl. [X.], 844; [X.] FamRZ 2002, 1306; KG BtPrax 2002, 167; [X.], 135; OLG Saarbrücken BtPrax 2003, 227, 228). Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und nach Inhalt und Umfang der Ausbildung sichergestellt ist, dass dieses über bloßes Grundwissen deutlich hinausgeht (vgl. [X.] 2008, 60, 61; [X.] FamRZ 2007, 1043).

(2) Nach den Feststellungen des [X.] entfiel nur ein untergeordneter Teil der Ausbildung des Beteiligten zu 1 im Studium der Versorgungstechnik mit geringer Stundenzahl auf die vom Beschwerdegericht als betreuungsrelevant angesehenen Fächer. Es ist danach nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht diese Fächer als nicht zum Kernbereich des Studiums gehörend angesehen hat.

Auch die Teilnahme des Beteiligten zu 1 an dem Zertifikationskurs für Berufsbetreuer des Instituts "[X.]" kann weder einem Hochschulstudium noch einer abgeschlossenen Lehre gleichgestellt werden. Für eine Vergleichbarkeit fehlt es schon an dem Abschluss vor einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle.

Das Beschwerdegericht musste auch nicht ausdrücklich die Zulassung des Beteiligten zu 1 zum Rentenberater erörtern. Denn die Fortbildung des Beteiligten zu 1 zum Rentenberater, die er durch Teilnahme an einem Kompaktseminar und einem Sachkundelehrgang erworben hat, erfüllt ersichtlich nicht die Voraussetzungen für eine Vergütungserhöhung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Sie lässt sich weder mit einem Hochschulstudium noch mit einer mehrjährigen Lehre vergleichen.

cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Betreuungsgericht auch nicht nach [X.] und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verpflichtet, an dem in früheren [X.] dem Beteiligten zu 1 zugebilligten Stundensatz von 44 € für die Zukunft festzuhalten.

Es musste vielmehr auf den neu gestellten [X.] hin erneut das Vorliegen der Voraussetzungen für die Höhe der Vergütung prüfen. Nachdem es dabei abweichend von seiner früheren Wertung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Beteiligte zu 1 die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Stundensatzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht erfüllt, war es seine Aufgabe, diese gewonnene bessere Erkenntnis umzusetzen (vgl. [X.] 18, 224, 240 f.; [X.] Urteil vom 2. Dezember 1976 - [X.] - NJW 1977, 375, 376). Der Beteiligte zu 1 konnte deshalb nicht davon ausgehen, dass ihm der einmal vergütete Stundensatz auch in Zukunft immer wieder zuerkannt wird. Schließlich musste der Beteiligte zu 1 auch schon früher stets damit rechnen, dass der vom Betreuungsgericht zugebilligte Stundensatz bei einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht herabgesetzt wird.

Das Beschwerdegericht hat somit zu Recht ein schützenswertes Vertrauen des Beteiligten zu 1 verneint.

dd) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch daraus, dass der Gesetzgeber des [X.] keinen Gebrauch von der ihm nach § 11 [X.] eröffneten Möglichkeit gemacht hat, eine vergütungssteigernde Nachqualifikation einzuführen, kein Anspruch des Beteiligten zu 1 auf einen höheren Stundensatz. Der Landesgesetzgeber war nicht verpflichtet, ein entsprechendes Ausführungsgesetz zu erlassen.

Die Gründe, aus denen das [X.] die Landesgesetzgeber aufgrund der inhaltsgleichen Vorschrift des § 2 [X.] für verpflichtet gehalten hat, Nachqualifizierungen zu ermöglichen ([X.] FamRZ 2000, 1277) gelten für § 11 [X.] nicht.

Durch die mit § 1 [X.] zum 1. Januar 1999 eingeführte Anknüpfung der Vergütung an die formale Ausbildung des Betreuers wurden die bisher tätigen Berufsbetreuer, die über nutzbare Fachkenntnisse, nicht jedoch über einen formalen Bildungsabschluss verfügten, auf die niedrigste Vergütungsstufe verwiesen. § 2 [X.], der den Ländern die Einführung einer vergütungssteigernden Nachqualifikation ermöglichte, hatte deshalb auch die Funktion, zum Schutz des Vertrauens dieser Berufsbetreuer eine Übergangsregelung zu schaffen, die es ihnen für eine begrenzte Zeit ermöglichte, die Voraussetzungen auch für die höchste Vergütungsstufe zu erwerben. Im Hinblick auf dieses durch § 2 [X.] geweckte Vertrauen der bisher tätigen Berufsbetreuer, waren die Landesgesetzgeber während einer Übergangszeit verpflichtet die Möglichkeit einer vergütungssteigernden Nachqualifikation durch Umschulungen oder Fortbildungen zu schaffen ([X.] FamRZ 2000, 1277, 1280).

Diese Vertrauensschutzgesichtspunkte gelten für § 11 [X.] nicht. Denn § 4 [X.] hat an der bereits am 1. Januar 1999 durch § 1 [X.] eingeführten Bemessungsgrundlage nichts geändert, sondern diese beibehalten.

[X.]                                           [X.]                                       Dose

                      Klinkhammer                                   [X.]

Meta

XII ZB 232/11

08.02.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Stuttgart, 7. April 2011, Az: 19 T 181/10, Beschluss

§ 4 Abs 1 S 2 VBVG, § 11 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2012, Az. XII ZB 232/11 (REWIS RS 2012, 9380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9380

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 230/11 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des Berufsbetreuers: Besondere Kenntnisse auf Grund eines abgeschlossenen Fachhochstudiums der Versorgungstechnik, durch eine Fortbildung …


XII ZB 230/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 231/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 232/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 409/10 (Bundesgerichtshof)

Betreuervergütung: Erhöhung des Stundensatzes bei einer dem Hochschulstudium vergleichbaren abgeschlossenen Ausbildung bzw. bei Qualifikation auf …


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.