Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.2020, Az. VIII ZR 238/18

8. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1193

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) MIETWOHNUNG SCHADENSERSATZ MIETVERTRAG MAKLER

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Eigenbedarfskündigung des Wohnraummieters: Hinweispflicht des Vermieters bei Wegfall des Eigenbedarfs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist; Ersatzfähigkeit von Maklerkosten für den Erwerb einer Eigentumswohnung als Ersatzwohnraum


Leitsatz

1. Hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt, hat er - zur Vermeidung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens - den Mieter auf einen späteren Wegfall des Eigenbedarfs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hinzuweisen (im Anschluss an Senatsurteile vom 9. November 2005 - VIII ZR 339/04, BGHZ 165, 75, 81; vom 27. Juni 2007 - VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 22; vom 13. Juni 2012 - VIII ZR 356/11, juris Rn. 10; vom 14. Dezember 2016 - VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136 Rn. 62; vom 22. Mai 2019 - VIII ZR 167/17, NJW-RR 2019, 972 Rn. 28 und Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2016 - VIII ZR 300/15, WuM 2016, 743 Rn. 2 und 9). Dieser Zeitpunkt ist für das Bestehen einer Hinweispflicht grundsätzlich auch dann maßgebend, wenn die Parteien in einem (gerichtlichen) Räumungsvergleich einen späteren Auszugstermin des Mieters vereinbaren.

2. Der ersatzfähige (Kündigungsfolge-)Schaden eines Mieters nach einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter umfasst nicht die zum Zwecke des Eigentumserwerbs einer Wohnung angefallenen Maklerkosten (im Anschluss an Senatsurteil vom 9. Dezember 2020 - VIII ZR 371/18).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 18. Juni 2018 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren sowie des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, ehemals Mieter einer Wohnung der Beklagten in [X.], nimmt diese auf Schadensersatz wegen einer aus seiner Sicht unberechtigten, auf vorgetäuschten Eigenbedarf gestützten Kündigung in Anspruch.

2

Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 2. Dezember 2011 zum 31. August 2012 und machte geltend, die Wohnung werde für die Tochter eines ihrer Gesellschafter benötigt.

3

Der nachfolgenden Räumungsklage gab das Amtsgericht im Januar 2013 statt. Während des laufenden Berufungsverfahrens erwarb der Kläger unter Einschaltung eines Maklers eine Eigentumswohnung in [X.]. Hierfür wurde ihm seitens des Maklers ein Betrag in Höhe von 29.543,42 € in Rechnung gestellt. In der Berufungsinstanz schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach sich der Kläger zur Räumung der Wohnung bis Ende Februar 2016 verpflichtete. Da sich die Bezugsfertigstellung der von ihm erworbenen Eigentumswohnung verzögerte, gab der Kläger die Wohnung erst im Juni 2016 an die Beklagte heraus.

4

Die Tochter des Gesellschafters der Beklagten zog nicht in die Wohnung ein. Der Kläger macht geltend, der Eigenbedarf sei von Anfang an nur vorgetäuscht gewesen; zudem habe es die Beklagte jedenfalls versäumt, ihn darauf hinzuweisen, dass der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen sei. Hierauf gestützt nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Seiner - einschließlich der vorgenannten Maklerkosten - auf Zahlung von insgesamt 32.626,23 € nebst Zinsen gerichteten Klage hat das Amtsgericht lediglich bezüglich der Umzugskosten (3.024,03 €) sowie der Kosten für einen neuen Telefonanschluss (58,78 €) stattgegeben.

5

Auf die Berufung des [X.] hat ihm das [X.] auch die Maklerkosten zugesprochen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte insoweit ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Der Kläger könne von der Beklagten wegen Verletzung der nachvertraglichen Treuepflicht (§ 280 Abs. 1 BGB) auch die für den Ersatzwohnungskauf angefallenen Maklerkosten verlangen. Die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass die Eigenbedarfslage zum maßgeblichen [X.]punkt des Ablaufs der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist (29. Februar 2016) noch bestanden habe. Somit habe die Beklagte ihre Pflicht zum Hinweis auf den nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs verletzt.

9

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts zählten zum hiernach erstattungsfähigen Schaden auch die für die Vermittlung der Eigentumswohnung angefallenen Maklerkosten. Denn auch diese Kosten seien adäquat kausal auf die Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen. Es könne keinen Unterschied machen, ob sich der Kläger dafür entscheide, Eigentum zu erwerben oder eine Wohnung anzumieten, da die Kausalität in beiden Fällen gegeben sei.

Dem Kläger könne auch eine Verletzung seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) nicht vorgeworfen werden. Der Kauf einer Wohnung - statt einer Anmietung - könne aus Gründen der Alterssicherung, dem Schutz vor Geldentwertung, der deutlich gestiegenen Mietpreise sowie der niedrigen Zinsen die erheblich wirtschaftlichere und günstigere Variante sein.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der für den Erwerb der Eigentumswohnung gezahlten Maklerkosten aus § 280 Abs. 1 BGB nicht zu. Das Berufungsgericht ist bereits zu Unrecht von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen, die es in deren fehlendem Hinweis auf den nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs gesehen hat. Eine solche Hinweispflicht des Vermieters besteht - auch bei einem geschlossenen [X.] - jedoch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, nicht hingegen bis zum Ablauf der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist. Zudem sind die Maklerkosten für den Eigentumserwerb kein ersatzfähiger Schaden, da sie vom Schutzzweck der - unterstellt - verletzten Vertragspflicht nicht erfasst sind.

1. Der Prüfung des Vorliegens einer Pflichtverletzung ist der [X.] nicht durch die [X.] (§ 322 Abs. 1 ZPO) des erstinstanzlichen Urteils enthoben, das die Beklagte zur Leistung eines Teils des eingeklagten Schadensersatzes verpflichtete und gegen welches sie Berufung nicht eingelegt hat. Denn die Ausführungen zum Vorliegen einer Pflichtverletzung erwachsen als Tatbestandsvoraussetzung des § 280 Abs. 1 BGB nicht in Rechtskraft (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 17. Februar 1983 - [X.], NJW 1993, 2032 unter [X.]; vom 7. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 137, 139 f.; vom 5. November 2009 - [X.], [X.]Z 183, 77 Rn. 9; vom 10. April 2019 - [X.], NJW 2019, 2308 Rn. 30, und [X.], NJW 2019, 1745 Rn. 16).

2. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Vermieter seine vertraglichen Pflichten verletzt und dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine Kündigung des Mietvertrags schuldhaft auf einen in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) stützt oder er den Mieter nicht über einen späteren Wegfall des geltend gemachten Eigenbedarfs informiert (st. Rspr., vgl. nur [X.]surteile vom 9. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 75, 79 ff.; vom 8. April 2009 - [X.], NJW 2009, 2059 Rn. 11; vom 13. Juni 2012 - [X.], juris Rn. 10; vom 10. Juni 2015 - [X.], NJW 2015, 2324 Rn. 14).

3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht diese Hinweispflicht jedoch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Lediglich über einen vor diesem [X.]punkt eingetretenen Wegfall des Eigenbedarfs - auf den sich auch die Beklagte als teilrechtsfähige ([X.] des bürgerlichen Rechts berufen kann (vgl. [X.]surteil vom 14. Dezember 2016 - [X.], [X.]Z 213, 136 Rn. 14) - hat der Vermieter den Mieter zu unterrichten. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Parteien - wie hier - in dem der Kündigung nachfolgenden Räumungsrechtsstreit einen Vergleich schließen, wonach sich der Mieter bis zu einem bestimmten Termin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet.

a) Der Wegfall des ursprünglich gegebenen Kündigungsgrundes des Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) löst dann eine Hinweispflicht des Vermieters aus, wenn er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten ist. Nur in einem solchen Fall ist der Vermieter mit Rücksicht auf das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) gehindert, sich angesichts des bei Wegfall des Kündigungsgrundes noch bestehenden Mietverhältnisses auf die Kündigung zu berufen (vgl. [X.]surteile vom 9. November 2005 - [X.], aaO; vom 22. Mai 2019 - [X.], NJW-RR 2019, 972 Rn. 28). Diese zeitliche Eingrenzung bringt - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise, vgl. [X.], NJW 2006, 2033 Rn. 5 - die berechtigten Interessen von Mieter und Vermieter in einen angemessenen Ausgleich und sorgt für Rechtssicherheit (vgl. [X.]surteile vom 9. November 2005 - [X.], aaO S. 79; vom 27. Juni 2007 - [X.], NJW 2007, 2845 Rn. 22; vom 13. Juni 2012 - [X.], aaO; vom 14. Dezember 2016 - [X.], aaO Rn. 62; vom 22. Mai 2019 - [X.], aaO).

Der [X.] hat entschieden, dass es eine nachvertragliche Hinweispflicht des Vermieters nicht gibt, sondern eine solche nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht. Dies hat er maßgebend darauf gestützt, dass eine zeitliche Ausdehnung der Hinweispflicht über das Ende des Mietverhältnisses hinaus mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und eines effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren wäre (vgl. [X.]surteil vom 9. November 2005 - [X.], aaO S. 84).

b) Nach diesen Maßstäben musste die Beklagte den Kläger nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (31. August 2012) und nicht, wie vom Berufungsgericht angenommen, bis zum Ablauf der vergleichsweise vereinbarten Räumungsfrist (29. Februar 2016) über einen Wegfall des Eigenbedarfs unterrichten.

aa) Die vorgenannten Aspekte der Rechtssicherheit und des effektiven Rechtsschutzes greifen auch in dem Fall ein, in welchem über die Räumungsklage des Vermieters nicht gerichtlich entschieden wurde, sondern die Parteien sich im Wege eines Vergleichs über den [X.]punkt des Auszugs des Mieters verständigen (vgl. [X.]sbeschluss vom 11. Oktober 2016 - [X.], [X.], 743 Rn. 2 und 9).

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, das insoweit auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug nimmt, ist es nicht "sachgerecht", deshalb auf den im Vergleich festgelegten Auszugszeitpunkt abzustellen, weil die Parteien diesen an die Stelle des Ablaufs der Kündigungsfrist gesetzt haben. Allein die Vereinbarung eines Auszugszeitpunkts hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die mit dem Ablauf der Kündigungsfrist eingetretene Beendigung des Mietverhältnisses (§ 542 BGB). Zwar kann die durch eine wirksam erklärte Kündigung bewirkte Umgestaltung des Mietverhältnisses grundsätzlich durch ein rechtsgeschäftliches Zusammenwirken der Parteien - nicht einseitig - rückgängig gemacht werden (vgl. [X.]surteil vom 19. September 2018 - [X.], [X.]Z 220, 1 Rn. 22 mwN). Ein solcher Wille muss sich jedoch aus dem [X.] mit hinreichender Klarheit entnehmen lassen.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es fehlt - entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] geäußerten Sicht der Revisionserwiderung - an Anhaltspunkten dafür, dass die Parteien hierdurch die Rechtswirkungen der Kündigung einvernehmlich rückgängig machen und damit zugleich die Hinweispflichten des Vermieters zeitlich ausdehnen wollten. Insbesondere ist für einen Willen der Beklagten, die von der Wirksamkeit ihrer bereits einige Jahre zuvor ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung ausging, das Ende des Mietverhältnisses hinauszuschieben, nichts ersichtlich. Im Gegenteil spricht, worauf auch die Revision in der mündlichen Verhandlung zutreffend abgestellt hat, der Umstand, dass der Kläger die Eigentumswohnung zum [X.]punkt des [X.]s bereits gekauft hatte, schon gegen die Annahme, dass er Interesse an einem solchen Hinweis hatte.

4. Ebenso rechtsfehlerhaft ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die zum Erwerb der Eigentumswohnung aufgewandten Maklerkosten seien ein ersatzfähiger Schaden des [X.] (§ 249 Abs. 1 BGB). Diese wären zwar - unterstellt der Eigenbedarf habe schon im Kündigungszeitpunkt nicht vorgelegen - noch adäquat kausal, unterfallen jedoch nicht dem Schutzzweck der - für das Revisionsverfahren zu Gunsten des [X.] zu unterstellenden - Vertragspflichtverletzung der Beklagten und zwar unabhängig davon, ob diese darin besteht, dass der Eigenbedarf von Anfang an nicht bestand und somit bereits der Ausspruch der Kündigung eine Pflichtverletzung dargestellt hat oder ob der Eigenbedarf später - bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - weggefallen ist und die Pflichtverletzung im fehlenden Hinweis der Beklagten hierauf gelegen hat.

a) Der Schaden des [X.] in Form der Maklerkosten ist zwar noch adäquat kausal auf die - unterstellte - Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen.

aa) [X.] ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen. Die Adäquanz kann fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 11. Januar 2005 - [X.], NJW 2005, 1420 unter 2 b; vom 25. Januar 2018 - [X.], NJW 2018, 944 Rn. 16).

bb) Bei Anwendung dieses Maßstabs liegt es noch nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, dass ein Mieter die ihm gegenüber ausgesprochene Eigenbedarfskündigung zum Anlass nimmt, seinen künftigen Wohnbedarf nicht wie bisher in angemieteten Räumlichkeiten, sondern in einer Eigentumswohnung zu verwirklichen, und zu dessen Erwerb einen Makler einschaltet.

b) Die Maklerkosten für den Erwerb der Eigentumswohnung unterfallen jedoch nicht mehr dem Schutzzweck der vertraglichen Pflicht, welche die Beklagte - unterstellt - durch den Ausspruch der Kündigung beziehungsweise durch ihren fehlenden Hinweis auf den Wegfall des Eigenbedarfs verletzt hat. Denn eine vertragliche Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde, was vorliegend bezüglich der Maklerkosten und der mietvertraglichen Pflicht zur Gebrauchserhaltung nicht der Fall ist.

aa) In der Rechtsprechung des [X.] ist es anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Dies gilt unabhängig davon, auf welche Bestimmung die Haftung gestützt wird. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die [X.], für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (vgl. [X.], Urteile vom 22. April 1958 - [X.], [X.]Z 27, 137, 139 ff.; vom 4. Juli 1994 - [X.], [X.], 126 unter II 4 a; vom 14. März 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 965 Rn. 9; vom 11. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 2873 Rn. 24; vom 22. Mai 2012 - [X.], [X.], 2024 Rn. 14). Die Schadensersatzpflicht hängt zum einen davon ab, ob die verletzte Bestimmung überhaupt den Schutz Einzelner bezweckt und der Verletzte gegebenenfalls zu dem geschützten Personenkreis gehört. Zum anderen muss geprüft werden, ob die Bestimmung das verletzte Rechtsgut schützen soll. Darüber hinaus muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung beziehungsweise - wie vorliegend - der geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Der Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. [X.], Urteile vom 14. März 2006 - [X.], aaO; vom 22. Mai 2012 - [X.], aaO; vom 20. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 263 Rn. 10; vom 2. April 2019 - [X.], [X.]Z 221, 352 Rn. 30).

Bei der Verletzung vertraglicher Pflichten hängt die Ersatzpflicht des Schädigers - vorliegend der Vermieterin - davon ab, dass die verletzte Vertragspflicht das Entstehen von Schäden der eingetretenen Art verhindern sollte. Der Schädiger hat nur für die Einbußen einzustehen, die die durch den Vertrag geschützten Interessen betreffen (vgl. [X.], Urteile vom 30. Januar 1990 - [X.], NJW 1990, 2057 unter [X.]; vom 22. September 2016 - [X.], [X.]Z 211, 375 Rn. 14; [X.]/[X.], Schadensersatz, 3. Aufl., [X.]). Maßgebend ist somit die vertragliche Interessenlage der Parteien und der damit korrespondierende Vertragszweck. Denn in gleicher Weise, wie der Vertragszweck Entstehen, Entwicklung und Untergang der primären Pflichten festlegt, werden hierdurch auch die ihrer Sanktion dienenden sekundären Schadensersatzverbindlichkeiten ihrem Umfang nach bestimmt (vgl. [X.]/[X.], aaO S. 101).

bb) Hiernach stammen die Kosten des Maklers, welcher vom Kläger mit der Suche nach einer Eigentumswohnung beauftragt war - anders als bei einer Anmietung (vgl. [X.]surteil vom 16. Dezember 2009 - [X.], NJW 2010, 1068 Rn. 18) -, nicht aus dem Bereich der Gefahren, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht besteht. Denn der Kläger ist aus seiner bisherigen Stellung als Mieter unter Einschaltung des Maklers in diejenige eines Eigentümers gewechselt.

(1) Die - unterstellte - Pflichtverletzung der Beklagten läge in der Beeinträchtigung des vertraglich geschützten Gebrauchserhaltungsinteresses des [X.].

Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob die Eigenbedarfskündigung im [X.]punkt ihres Ausspruchs berechtigt war. Zwar tritt die Gestaltungswirkung einer Kündigung nicht ein, wenn ein Kündigungsgrund fehlt; das Mietverhältnis besteht vielmehr fort. Jedoch macht der Vermieter mit der wegen fehlender materieller Gründe unwirksamen Kündigung dem Mieter den Gebrauch der Mietsache streitig und stellt dessen Besitzrecht in Frage. Damit verletzt er zugleich seine eigene vertragliche Leistungspflicht zur Überlassung der Mietsache (vgl. [X.], Urteile vom 11. Januar 1984 - [X.], [X.]Z 89, 296, 302; vom 16. Januar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 238 Rn. 16). Gleiches gilt der Sache nach, wenn der zunächst bestehende Eigenbedarf bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entfällt und der Vermieter den Mieter hierauf nicht hinweist, sondern vielmehr - rechtsmissbräuchlich - an der Kündigung festhält.

(2) Danach ist der Vermieter zum Ersatz solcher Schäden verpflichtet, die auf der Verletzung seiner Pflicht zur Wahrung des [X.] beruhen. Infolge des gerichtlichen [X.]s im [X.] an die unberechtigte Eigenbedarfskündigung büßt der Mieter sein vertragliches Recht zum Gebrauch der Mietsache ein, so dass der Vermieter dann verpflichtet ist, dem Mieter den Schaden zu ersetzen, der in einem inneren Zusammenhang mit dessen Gebrauchserhaltungsinteresse steht (vgl. [X.], Urteile vom 6. Februar 1974 - [X.], [X.], 345 unter [X.]; vom 2. November 2016 - [X.], NJW 2017, 1104 Rn. 26).

(3) Dieser gebotene Zusammenhang zur Besitzbeeinträchtigung fehlt bei den Maklerkosten, die im Zuge des Erwerbs der Eigentumswohnung angefallen sind. Entgegen der - nicht näher begründeten - Ansicht des Berufungsgerichts stellen diese keinen ersatzfähigen Schaden dar. Denn durch den Eigentumserwerb, der Gegenstand des [X.] war, hat der Kläger nicht (lediglich) seinen [X.] ausgeglichen, sondern im Vergleich zu seiner bisherigen Stellung als Mieter eine hiervon zu unterscheidende Stellung als Eigentümer eingenommen.

Darauf, dass das Besitzrecht des Mieters auch den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießt, kann sich der Kläger insoweit nicht mit Erfolg berufen. Hiernach ist das Bestandsinteresse des Mieters geschützt; der Eigentumsschutz dient daher der Abwehr solcher Regelungen, die dieses Bestandsinteresse des Mieters gänzlich missachten oder unverhältnismäßig einschränken (vgl. [X.]E 89, 1, 8). Vorliegend beruft sich der Kläger jedoch nicht auf Abwehrrechte, sondern macht Schäden infolge des [X.]s geltend.

(4) Mit dem Wechsel des [X.] von der - vertraglich geschützten - Stellung eines Besitzers in diejenige eines Eigentümers geht auch eine andere Rechts- und Pflichtenstellung einher, die sich von derjenigen einer [X.] signifikant unterscheidet.

Anders als in der Position des Mieters unterliegt der Kläger nunmehr - hinsichtlich der Wohnungsnutzung - keinen vertraglichen Bindungen. Sein Besitzrecht an der Wohnung ist nicht mehr, wie zuvor, ein abgeleitetes (vgl. [X.]E 89, 1, 7 f.; [X.]surteil vom 9. November 2005 - [X.], aaO S. 82), sondern ein ihm originär zustehendes Recht. Ihm steht eine grundsätzlich uneingeschränkte und eigenverantwortliche Nutzungs- und Verfügungsbefugnis zu (§ 903 Satz 1 BGB).

Zudem ist das (Nutzungs-)Recht des [X.] an der ihm gehörenden Eigentumswohnung nicht zeitlich begrenzt. Demgegenüber ist es das Wesen des Mietvertrags, dass dem Mieter (lediglich) ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung auf [X.] zusteht (vgl. [X.], Urteile vom 6. Dezember 1972 - [X.], [X.]Z 60, 22, 25; vom 17. April 1996 - [X.], NJW 1996, 2028 unter 3). Dieser zeitlichen Begrenzung ist bei der Bestimmung der [X.] Rechnung zu tragen.

Gemessen daran fehlt es bei den vorliegend geltend gemachten Maklerkosten an dem gebotenen inneren Zusammenhang mit dem vertraglich geschützten Interesse des Mieters. Denn durch den Vertragsschluss zeigt dieser - dem Wesen des Mietvertrags entsprechend - sein Interesse an der Erlangung eines zeitlich begrenzten [X.]. Somit ist auch (nur) dieses Interesse geschützt. Erwirbt er eine Wohnung zu Eigentum, verfolgt er jedoch bezüglich der Deckung seines [X.] andere Interessen als bisher. Daher fallen Vermögenseinbußen mittels derer sich der Mieter in die Lage versetzen will, (auf Dauer angelegtes) Eigentum zu erwerben, bei wertender Betrachtung nicht mehr unter den Schutzzweck der Vertragspflicht des Vermieters zur (vorübergehenden) Gebrauchserhaltung.

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung des [X.] ist zurückzuweisen. Zwar fehlt es an Feststellungen zu einer Pflichtverletzung der Beklagten, insbesondere dazu, ob bei ihr zum für das Bestehen einer Hinweispflicht maßgebenden [X.]punkt des Ablaufs der Kündigungsfrist noch ein Eigenbedarf bestand. Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da dem Kläger - wie ausgeführt - ein Anspruch auf Ersatz der Maklerkosten für den Erwerb der Eigentumswohnung selbst bei Vorliegen einer Pflichtverletzung nicht zusteht.

Dr. Milger     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Kosziol     

      

Dr. Schmidt     

      

Meta

VIII ZR 238/18

09.12.2020

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 18. Juni 2018, Az: 64 S 24/18

§ 249 Abs 1 BGB, §§ 249ff BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 573 Abs 2 Nr 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.2020, Az. VIII ZR 238/18 (REWIS RS 2020, 1193)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1193

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 214/15 (Bundesgerichtshof)

Wohnraummiete: Vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung bei bestehender Verkaufsabsicht


VIII ZR 76/20 (Bundesgerichtshof)

Wohnraummiete: Sonderkündigungsrecht des Erstehers bei vereinbartem Ausschluss der Eigenbedarfskündigung zwischen Mieter und vormaligem Eigentümer


VIII ZR 356/20 (Bundesgerichtshof)

Kündigungssperrfrist nach Bildung und Veräußerung von Wohnungseigentum: Wirksamkeit der Berliner Kündigungsschutzklausel-Verordnung; Übertragung eines Miteigentumsanteils an …


VIII ZR 214/15 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 99/14 (Bundesgerichtshof)

Gekündigter Wohnraummietvertrag: Vermieterhaftung wegen einer Vortäuschung von Eigenbedarf und Voraussetzungen eines stillschweigenden Mieterverzichts auf Schadensersatzansprüche …


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.