Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2015, Az. III ZR 29/14

III. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 15555

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 29/14

Verkündet am:

12. Februar 2015

B o t t

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 19; [X.] § 53; [X.] § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 11 Abs. 1

Der in dem [X.] eines Rechts liegende Schaden, der durch die [X.] der nach § 53 [X.] bestehenden Amtspflicht des Notars, für die Beseitigung von einer Grundbucheintragung entgegenstehenden Hindernissen Sorge zu tragen, entstanden ist, ist dem Notar nicht zuzurechnen, wenn das Recht im Fall seiner vorrangigen Eintragung nach den [X.] erfolgreich angefochten worden wäre.

[X.], Urteil vom 12. Februar 2015 -
III ZR 29/14 -
OLG [X.]

[X.]
-

2

-

Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2015
durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.]
[X.], [X.], Tombrink
und
Dr. Remmert

für Recht erkannt:

Auf die Revision der
[X.]
wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.]s [X.]
vom 8. Januar
2014
aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt die beklagte Notarin
aus Amtshaftung auf Schadens-ersatz in Anspruch. Er
ist Eigentümer eines
Hausgrundstücks in [X.]

, das er zusammen mit seinem Lebensgefährten
bewohnt. Am 7. Dezember 2009 beur-kundete die [X.] im Auftrag des [X.] die Bewilligung und Beantragung eines lebenslangen
Wohnungsrechts an diesem
Hausgrundstück für ihn selbst und seinen Lebensgefährten "als Gesamtberechtigte".
Am 14.
Dezember 2009
stellte sie beim Grundbuchamt den Antrag auf Eintragung des Wohnungsrechts. Mit Zwischenverfügung vom 17. Dezember 2009 unterrichtete das [X.] die [X.] darüber, dass der Grundbucheintragung ein [X.]
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dernis entgegenstehe, weil die in der Eintragungsbewilligung angegebene all-gemeine Bezeichnung "als Gesamtberechtigte"
unzureichend sei.
Ebenfalls am 17.
Dezember 2009 ersuchte
das Finanzamt V.

wegen
(titulierter) Steuerschulden des [X.] das Grundbuchamt um die Eintragung einer Siche-rungshypothek. Daraufhin trug das Grundbuchamt am 21. Dezember 2009
-
gegenüber der am selben
Tag eingetragenen Sicherungshypothek
für das [X.] N.

-
gemäß § 18 Abs.
2 Satz
1 GBO von Amts wegen eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung des Wohnungsrechts
für den Kläger und seinen Lebensgefähr-ten in das Grundbuch ein. Mit an das Grundbuchamt gerichtetem Schreiben vom 30. Dezember 2009
teilte die [X.] mit, sie gehe davon aus, dass sich die Zwischenverfügung erledigt habe.
Das Grundbuchamt wies die [X.] mit weiterer Zwischenverfügung vom 11. Januar 2010 darauf hin, dass sich die Zwischenverfügung
vom 17. Dezember 2009 durch die Eintragung der Vormer-kung nicht erledigt habe. Hierauf reagierte die [X.] ebenso wenig wie auf die Erinnerung des [X.] vom 16. März 2010.
Das Grundbuchamt wies den Eintragungsantrag vom 7.
Dezember 2009 mit Beschluss vom 20.
April 2010 zurück.

Auf den als Beschwerde bezeichneten erneuten Eintragungsantrag der [X.] vom 10. Mai 2010
wies das Grundbuchamt mit Verfügung vom 12.
Mai 2010 auf das fortbestehende [X.] hin.
Mit dem Kläger am 29. Juli 2010 zugestellten Beschluss vom 27. Juli 2010 wies es auch den Eintragungsantrag vom 10. Mai 2010 zurück. Es löschte die am 21. Dezember 2009 in das Grundbuch eingetragene Vormerkung am 4. August 2010.

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Nach Beurkundung einer geänderten Eintragungsbewilligung durch die [X.] am 30. Juli 2010 wurde das Wohnungsrecht
schließlich am 4. August 2010 in das Grundbuch eingetragen.

Der Lebensgefährte des [X.] hat mit schriftlicher Erklärung vom 29.
Januar 2013 unter anderem alle Schadensersatzansprüche aus dem [X.] zur Beurkundung eines lebenslangen Wohnungsrechts für ihn bei der [X.] an den Kläger abgetreten.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der [X.], ihm jeden Schaden zu ersetzen, der daraus entstehen wird, dass die [X.] in ihrer Bewilligungsurkunde vom 7.
Dezember 2009 das [X.] nicht näher bezeichnet und hiernach eine ergänzende Eintra-gungsbewilligung nicht fristgerecht beigebracht hat.
Er hat behauptet, er habe mit der Eintragung des lebenslangen Wohnungsrechts seinen erkrankten [X.] absichern wollen. Seine finanzielle Situation sei chronisch defizi-tär. Der Kläger
hat die Auffassung vertreten, im Ergebnis seien sein Eigenheim und sein Wohnungsrecht
durch die Eintragung des Wohnungsrechts in dessen derzeitigem
Rang nicht effektiv gegen Forderungen Dritter abgesichert. Das Wohnungsrecht
sei daher wertlos. Er und sein Lebensgefährte hätten damit zu rechnen, dass Dritte die Zwangsvollstreckung betreiben würden. Da bereits Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzverwaltung erfolgt seien, sei zwangsläu-fig von einer drohenden Gefahr der Zwangsversteigerung auszugehen.

Die
[X.] hat die Auffassung vertreten, die unentgeltliche Zuwendung des [X.] an seinen Lebensgefährten in Gestalt der Eintragung des [X.]s unterliege der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz. Mittels des Wohnungsrechts habe der Kläger eine Sperrwirkung gegenüber
nachfol-3
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gend in Abteilung III des Grundbuchs eingetragenen Gläubigern und eine [X.] von Gläubigern beabsichtigt. Ein Schaden des [X.] oder seines Lebensgefährten sei nicht erkennbar.

Das [X.] hat die Feststellungsklage abgewiesen, da der Kläger die ernsthafte Möglichkeit des Eintritts eines Schadens nicht hinreichend darge-legt habe.
Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] die Ver-pflichtung der [X.] festgestellt,
dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der daraus entstehen wird, dass die [X.] in ihrer Bewilligungsurkunde vom 7.
Dezember 2009 das Berechtigungsverhältnis nicht näher bezeichnet und hiernach eine ergänzende Eintragungsbewilligung nicht fristgerecht beigebracht hat.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene
Revision der
[X.].

Entscheidungsgründe

Die Revision der
[X.]
hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts
ist das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse des [X.] zu bejahen. Vorliegend seien eine objektive Verschlechterung der Vermögenslage und [X.] ein Schaden des [X.] schon deshalb zu bejahen, weil die geltend ge-7
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machten Pflichtverletzungen dazu geführt hätten, dass das Wohnungsrecht im Rang nach der Sicherungshypothek im Grundbuch eingetragen worden sei.

Die Klage sei auch begründet. Die [X.] sei dem Kläger wegen [X.] notarieller Amtspflichten nach § 19 [X.] zum Schadensersatz ver-pflichtet. Sie habe gegen die ihr nach § 53 [X.] obliegende
Pflicht versto-ßen, das Notwendige zu veranlassen, um die Eintragung des begehrten [X.]s zu gewährleisten und die Beteiligten rechtzeitig über [X.] zu informieren. Die von ihr eingereichte Eintragungsbewilligung sei evident unzureichend gewesen, weil
die darin enthaltene Bezeichnung "als Ge-samtberechtigte"
nicht hinreichend klar und bestimmt gewesen sei. Dies ergebe sich unmittelbar aus § 47 GBO; darüber hinaus sei
die [X.] über diesen Umstand bereits mit Zwischenverfügung vom 17. Dezember 2009 unterrichtet worden. Die [X.] sei
verpflichtet gewesen, das daraus resultierende Ein-tragungshindernis umgehend zu beseitigen, was nicht geschehen sei.

Der auf Feststellung gerichtete Anspruch sei auch nicht mit Rücksicht auf den Vortrag der [X.] zu verneinen, dass die Eintragung des Wohnungs-rechts der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz unterliege. Offenbar wolle die [X.]
geltend machen, dass der potentielle Schaden aufgrund einer [X.] [X.] ebenfalls eingetreten wäre. Insoweit könne [X.] bleiben, unter welchen Umständen sich ein Notar auf die Grundsätze der hypothetischen Kausalität berufen könne. Selbst wenn dieser Einwand
grundsätzlich erhoben werden könnte, rechtfertige der pauschale Sachvortrag der [X.] nicht die Annahme, dass die Eintragung des Wohnungsrechts von Anfang an oder jedenfalls rückwirkend gescheitert wäre. Der pauschale Hinweis auf Gläubigerbenachteiligung in Verbindung mit dem Hinweis auf das Anfechtungsgesetz reiche nicht aus. Denn nach dem unsubstantiierten Vortrag 10
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der [X.] bleibe offen, ob das Finanzamt die Einrede der Anfechtung über-haupt erheben werde und ob überhaupt dem Grunde nach ein Recht
zur An-fechtung bestehe, welches zudem auch nur einen [X.] zur Folge habe. Zudem habe die [X.] auch keinen Beweis für ihre Behauptung angetreten.

[X.]

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem [X.] Punkt
nicht stand.

1.
Das Berufungsgericht hat -
zutreffend
-
einen Verstoß der beklagten No-tarin gegen die ihr gemäß § 53 [X.] obliegenden Pflichten
angenommen, weil sie nicht dafür Sorge getragen hat, dass das ihr vom Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 17. Dezember 2009 erstmals mitgeteilte [X.] umgehend beseitigt wird. Aufgrund dieses Versäumnisses wurde in der Folgezeit der Eintragungsantrag vom 7. Dezember 2009 zurückgewiesen, die zugunsten des [X.] und seines Lebensgefährten nach § 18 Abs.
2 Satz
1 GBO eingetragene Vormerkung von Amts wegen
gelöscht (§ 18 Abs.
2 Satz
2 GBO)
und so die [X.] Wirkung der Vormerkung gegenüber der für das [X.] N.

eingetragenen Sicherungshypothek wieder [X.] gemacht.
Hiergegen wendet sich die Revision nicht.

2.
Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht jedoch davon ausgegangen, dass der Schaden, der dem Kläger und seinem Lebensgefährten in Gestalt des Nachrangs ihres am 4. August 2010 aufgrund der notariell beurkundeten Bewil-ligung
vom 30. Juli 2010 in das Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts 12
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gegenüber der auf Ersuchen des Finanzamts V.

am 21. Dezember 2009 in das Grundbuch eingetragenen Sicherungshypothek entstanden ist
(zur Rangverschlechterung als
Schaden vgl. [X.], Urteile vom 14. November 1967
-
VI
ZR 45/66, [X.], 96, 97
und vom 15. Oktober 1992 -
IX
ZR 43/92, [X.], 1358, 1360
mwN), dem amtspflichtwidrigen Verhalten der [X.] zuzurechnen ist. Eine solche Schadenszurechnung steht angesichts einer möglichen Anfechtbarkeit eines im Rang vor der Sicherungshypothek eingetra-genen Wohnungsrechts nach dem derzeitigen Sach-
und Streitstand nicht fest.

a) Das Berufungsgericht hat übersehen, dass bereits aufgrund des un-streitigen Sachverhalts dem [X.] N.

als Gläubiger der Siche-rungshypothek ein Anfechtungsrecht nach § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 11 Abs.
1 [X.]
zugestanden hätte, wenn das Wohnungsrecht -
ohne die Amtspflichtver-letzung der [X.]
-
aufgrund der notariell
beurkundeten Bewilligung vom 7.
Dezember 2009 im Rang vor der zugunsten des [X.] N.

ein-getragenen Sicherungshypothek im Grundbuch eingetragen worden wäre.

aa) Das Wohnungsrecht
hätte in diesem Fall das [X.] N.

als Gläubiger im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.] benachteiligt, weil es gemäß §
44 Abs.
1 [X.] in das geringste Gebot aufzunehmen und vom Ersteigerer zu über-nehmen gewesen wäre (§ 52 Abs. 1 Satz 1 [X.]) mit der Folge eines geringe-ren Versteigerungsinteresses oder zumindest
-erlöses
(vgl. hierzu [X.], Urteil vom 13.
Juli 1995 -
IX
ZR 81/94, [X.]Z 130, 314, 323; zur Gläubigerbenachtei-ligung durch Abschluss eines langfristigen Mietvertrags vgl. [X.], Urteil vom 16.
Januar 2008 -
VIII
ZR 254/06, [X.], 464 Rn. 16).

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bb)
Bei der Bewilligung des Wohnungsrechts handelte es sich ausweis-lich der notariellen Urkunde vom 7. Dezember 2009 um eine unentgeltliche Leistung des [X.] im Sinne von § 4 Abs. 1 [X.]. Eine Entgeltlichkeit ist auch von den Parteien nicht vorgetragen worden.

cc) Das [X.] N.

wäre nach § 2 [X.] anfechtungsberechtigt gewesen. In Anbetracht des Vortrags des [X.] zu seiner "chronisch schwa-chen Finanzlage"
ist davon auszugehen, dass die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen ohne Verwertung des Grundstücks nicht zu einer sofortigen vollstän-digen Befriedigung des Gläubigers geführt
hätte.

Das Berufungsgericht hat mithin den
Vortrag des [X.] zu Unrecht als unsubstantiiert im Hinblick auf die Frage beanstandet, ob dem Grunde nach ein Recht des [X.] N.

zur Anfechtung besteht. Insofern genügte vielmehr der Hinweis der [X.] auf die vom Kläger mittels des Wohnungs-rechts beabsichtigte "Sperrwirkung"
und Vereitelung des Zugriffs von Gläubi-gern (Gläubigerbenachteiligung) sowie die Unentgeltlichkeit der Zuwendung und die Anfechtbarkeit nach dem Anfechtungsgesetz.

dd) Ein bei vorrangiger Eintragung des Wohnungsrechts bestehendes Anfechtungsrecht des [X.] N.

hätte im Fall seiner Ausübung dazu geführt, dass die Finanzverwaltung nach § 11 Abs. 1 [X.] von den Be-rechtigten des Wohnungsrechts als Anfechtungsgegnern hätte verlangen [X.], der Sicherungshypothek entsprechend § 880 BGB Vorrang gegenüber dem anfechtbar bestellten Wohnungsrecht
einzuräumen
(vgl. [X.], Urteil vom 13.
Juli 1995 aaO [X.] ff, 326 f sowie Leitsatz c;
BFH, Urteil vom 30. März 2010 -
VII
R 22/09, juris Rn. 42; MüKo[X.]/Kirchhof, 1. Aufl., § 11 Rn. 69, 74). Die Berechtigten des Wohnungsrechts hätten mithin im Fall der Ausübung des 17
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Anfechtungsrechts im Ergebnis so
gestanden, wie sie nunmehr infolge der Amtspflichtverletzung der [X.] stehen.

b) Rechtsfehlerhaft sind des Weiteren die Ausführungen des Berufungs-gerichts, aus dem [X.]vortrag ergebe sich nicht, ob das Finanzamt die "Einrede der Anfechtung"
überhaupt erhoben hätte. Zwar hat die [X.] [X.] nicht ausdrücklich behauptet und unter Beweis gestellt. Ihr
Vortrag, die unentgeltliche Zuwendung des Wohnungsrechts wäre der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz unterworfen gewesen, ist
jedoch ohne weiteres dahin zu verstehen, dass die Finanzverwaltung
im Fall einer anfechtbaren vorrangi-gen Eintragung des Wohnungsrechts von seinem Anfechtungsrecht auch tat-sächlich Gebrauch gemacht hätte. Dies gilt insbesondere
vor dem Hintergrund, dass das Finanzamt unstreitig im fraglichen Zeitraum bereits Zwangsvollstre-ckungsmaßnahmen gegen den Kläger eingeleitet hatte.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass es den Berechtigten des Wohnungs-rechts bei mangelnder Amtspflichtverletzung der [X.] zeitlich nur knapp gelungen
wäre, das am 7. Dezember 2009 bewilligte Wohnungsrecht vorrangig vor der Sicherungshypothek in das Grundbuch eintragen zu lassen. Die rang-wahrende Vormerkung
(vgl. § 18 Abs. 2 Satz 1 GBO), die den Anspruch auf Eintragung des Wohnungsrechts gemäß Bewilligung vom 7. Dezember 2009 sicherte, und die Sicherungshypothek wurden an
demselben Tag in das Grund-buch eingetragen. Es erscheint daher lebensnah, dass die Finanzverwaltung angesichts dieser zeitlichen Nähe
das
vorrangige, ihr Sicherungsrecht erheblich beeinträchtigende Wohnungsrecht
angefochten hätte.

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-

Hielt das Berufungsgericht dennoch einen ausdrücklichen Vortrag und
ein entsprechendes Beweisangebot der [X.] für erforderlich, so hätte es sie nach § 139 Abs. 1, 2 ZPO hierauf hinweisen müssen. Denn die [X.] hatte in erster Instanz obsiegt, wobei
es aus Sicht des [X.]s auf ihren Vortrag zur Anfechtbarkeit und -
hypothetischen
-
Anfechtung
des Wohnungs-rechts nicht angekommen ist. Da das Berufungsgericht die Rechtslage anders beurteilt
hat
als das [X.] und es in Folge dessen auf die hypothetische Ausübung eines Anfechtungsrechts
durch die Finanzverwaltung ankam, hätte es dem Berufungsgericht
obgelegen, die [X.] zur Vermeidung einer Über-raschungsentscheidung auf die Notwendigkeit ergänzenden Vortrags hinzuwei-sen
(vgl. hierzu [X.], Urteil vom 10. März 2011 -
VII ZR 40/10, NJW-RR 2011, 742, 743; Beschlüsse vom 15. Februar 2005 -
XI ZR 144/03, [X.]R 2005, 936 und vom 4. Mai 2011 -
XI [X.], NJW-RR 2011, 1009 Rn. 12 ff; HK-ZPO/
[X.], 6.
Aufl., §139 Rn. 6; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 139 Rn. 6).

3.
Das Berufungsgericht hat -
aus seiner Sicht folgerichtig
-
dahinstehen lassen, ob die [X.] sich im Rahmen der Schadenszurechnung auf die Grundsätze der hypothetischen Kausalität berufen könnte, wenn das [X.] der Anfechtung unterläge.
Sollte von einer -
hypothetischen
-
An-fechtung des Wohnungsrechts auszugehen sein, führte
dies im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage zur Verneinung einer Schadenswahrschein-lichkeit.

a) Das Berufungsgericht hat den Vortrag der [X.] zur [X.] des am 7. Dezember 2009 bewilligten Wohnungsrechts dahin verstanden, dass die [X.] eine "[X.]"
geltend machen wolle.
Nach der Rechtsprechung des [X.] ist im Bereich der [X.] eine hypothetische "[X.]"
beachtlich, wenn der Geschädigte ihr bereits 23
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-

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-

bei Eintritt des schädigenden Ereignisses ausgesetzt war und aus ihr ohne die-ses Ereignis alsbald in Anspruch genommen worden wäre
([X.], Urteil vom 11.
Juli 1996 -
IX
ZR 116/95, NJW 1996, 3343, 3345; [X.] in [X.]/
[X.]/[X.], Handbuch der [X.], 3. Aufl., Rn. 2207). Dagegen haben hypothetische Ereignisse, die zu einem späteren Zeitpunkt aus anderem Anlass eingetreten wären, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben
([X.], Urteil vom 11.
Juli 1996 aaO).

Vorliegend waren der Kläger und sein Lebensgefährte zum Zeitpunkt der Amtspflichtverletzung der [X.] noch nicht einem Anfechtungsanspruch des [X.] N.

-
als möglicher
[X.]
-
ausgesetzt. Ein Anfechtungsanspruch
wäre vielmehr erst mit der vorrangigen
Eintragung des das [X.] N.

als Gläubiger benachteiligenden Wohnungsrechts im Grundbuch, das heißt
nur im Fall eines pflichtgemäßen Verhaltens der [X.]
entstanden.

Die Frage, ob angesichts dieser Besonderheit dennoch von einer "[X.]"
oder eher von der Situation eines rechtmäßigen Alternativverhal-tens
auszugehen ist, bedarf keiner abschließenden Klärung. Der Sache nach handelt sich in jedem Fall um die
Frage der Zurechnung des in dem -
das [X.] betreffenden
-
[X.] liegenden Schadens.

b) Der in dem schlechteren Rang des Wohnungsrechts bestehende Schaden des
[X.] und seines Lebensgefährten ist der [X.] nicht zuzu-rechnen, wenn sich feststellen lässt, dass das Finanzamt V.

von einem ihm zustehenden Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hätte und so der
bei pflichtgemäßem Verhalten der [X.] "buchmäßig"
entstandene
Rangvorteil wieder beseitigt worden wäre. Ein bei vorrangiger Eintragung des Wohnungs-26
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13

-

rechts bestehendes Anfechtungsrecht des [X.] N.

hätte im Fall seiner -
in vorliegendem Zusammenhang zu unterstellenden
-
Ausübung dazu geführt, dass die Finanzverwaltung nach § 11 Abs. 1 [X.] von den Berechtig-ten des Wohnungsrechts hätte verlangen können, der Sicherungshypothek Vor-rang gegenüber dem anfechtbar bestellten Wohnungsrecht einzuräumen (s.o. zu 2 a dd). Die Berechtigten des Wohnungsrechts hätten bei
Ausübung des Anfechtungsrechts daher genauso gestanden, wie sie nunmehr infolge der Amtspflichtverletzung der [X.] stehen. Auch
ein pflichtgemäßes Verhalten der [X.] konnte mithin in diesem Fall nicht dauerhaft einen Rangvorteil des Wohnungsrechts gegenüber der Sicherungshypothek sicherstellen.
Eine Zurechnung des durch die Amtspflichtverletzung der [X.] erlittenen Rang-nachteils als Schaden kommt dann nicht in Betracht.

4.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist
563 Abs. 1, 3 ZPO). Insbesondere ist nunmehr zu klären, ob die Finanzverwaltung im Fall der gegenüber der Sicherungshypo-thek vorrangigen Eintragung des am 7. Dezember 2009 bewilligten Wohnungs-rechts von einem dem [X.] N.

zustehenden Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hätte. Hierzu wird zunächst den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu gewähren sein. Bestreitet der Kläger die -
hypothetische
-
Geltendmachung des Anfechtungsrechts
durch die Finanzverwaltung, wird auf-grund eines entsprechenden Beweisangebots der [X.] gegebenenfalls

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Beweis zu erheben sein, wobei allerdings in Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO ein reduziertes Beweismaß gilt.

[X.]
[X.]
[X.]

Tombrink
Remmert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.05.2013 -
7 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.01.2014 -
3 [X.] -

Meta

III ZR 29/14

12.02.2015

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2015, Az. III ZR 29/14 (REWIS RS 2015, 15555)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15555

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 29/14

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