Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2009, Az. XI ZR 44/09

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 1435

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[X.][X.] vom 29. September 2009 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Ellenberger und [X.] am 29. September 2009 beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des 17. Zivilsenats des [X.] vom 14. No-vember 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Gründe: [X.] Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung der [X.] in ihr persönliches Vermögen aus einer notariellen Urkunde. 1 Nach Verhandlungen mit der Rechtsvorgängerin der [X.] (nachfol-gend: Beklagte) am 11. März 1994 über die Gewährung eines Darlehens und die hierfür erforderlichen Sicherheiten bestellte der Kläger zu 2), zugleich als Vertreter der Klägerin zu 1) handelnd, am 14. März 1994 unter Verwendung eines Formulars der [X.] zu deren Gunsten eine Grundschuld über 2 - 3 - 100.000 DM, übernahm für beide Kläger wegen des Grundschuldbetrages nebst Zinsen und Nebenleistungen gesamtschuldnerisch die persönliche Haf-tung und unterwarf beide Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr ge-samtes Vermögen. Am 16. März 1994 unterzeichneten die Kläger einen von der [X.] ausgefertigten Vertrag über ein Darlehen in Höhe von 120.000 DM. Als Sicherheiten wurden u.a. Grundschulden in Höhe von insgesamt 300.000 DM vereinbart. Zugleich unterzeichneten die Kläger eine Sicherungs-zweckerklärung, nach der die Grundschulden alle bestehenden und künftigen Ansprüche der [X.] sichern sollten. Darlehensvertrag und Zweckerklärung enthielten keinen Hinweis auf die [X.] unter die [X.] in das persönliche Vermögen der Kläger. Nach einer Kündigung der [X.] vom 20. Januar 1999 ließ diese das Grundstück der Kläger [X.]. Die Kläger halten die Zwangsvollstreckung für unzulässig, da die [X.] im Darlehensvertrag nicht enthalten gewesen und also nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Die Klausel in der [X.] sei überraschend gewesen; eine Belehrung durch den Notar sei [X.] wenig erfolgt wie eine Verlesung der Urkunde oder eine Einsichtnahme der Kläger in dieselbe. 3 Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen, die Revision nicht zugelassen und seine Entscheidung im [X.] wie folgt begründet: 4 Das von den Klägern in der Grundschuldbestellungsurkunde abgegebe-ne abstrakte Schuldversprechen sichere in Verbindung mit ihrer Vollstreckungs-unterwerfung als eigenständiger Rechtsgrund auch die Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag. Das Schuldversprechen der Kläger verstoße nicht ge-5 - 4 - gen § 9 [X.], sondern sei [X.]. Für ihre Behauptung einer fehlerhaften Beurkundung durch den Notar hätten die Kläger erstmals kurz vor der mündli-chen Verhandlung im Berufungsverfahren Zeugenbeweis angetreten, der ge-mäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen sei. I[X.] Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den [X.] auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - [X.] ZB 39/03, [X.], 1407, 1408 f. und vom 18. Januar 2005 - [X.] ZR 340/03, [X.] 2005, 939 f.). Aus dem-selben Grunde ist das angefochtene Urteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuhe-ben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. 6 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Senats einem Darlehensnehmer hinsichtlich seines eine wirksame Darlehensverbindlichkeit sichernden abstrakten [X.] mit Vollstreckungsunterwerfung kein Rückgewähranspruch zusteht, weil das abstrakte Schuldversprechen (§ 780 BGB) in Verbindung mit der [X.] seinerseits mit Rechtsgrund eine wirksame Verbindlichkeit aus dem Darlehensvertrag sichert. [X.] wie das hier abgege-bene vollstreckbare Schuldversprechen tragen ihren Rechtsgrund in sich selbst. Deshalb besteht für den Darlehensgeber ein [X.], solange die gesi-cherte Darlehensverbindlichkeit besteht. Ein nicht im [X.] ist deshalb - wenn es wie hier eine noch bestehende Verbindlichkeit sichert - nicht kondizierbar (Senat, [X.], 7 - 5 - 345, [X.]. 21 ff.; Urteile vom 22. Juli 2008 - [X.] ZR 389/07, [X.], 1679, [X.]. 21 und vom 17. März 2009 - [X.] ZR 124/08, Juris, [X.]. 14, jeweils m.w.[X.]). 8 2. [X.]falls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegan-gen, dass ein in einer notariellen Urkunde als allgemeine Geschäftsbedingung enthaltenes vollstreckbares Schuldversprechen in Höhe des [X.] nebst Zinsen und Nebenkosten nicht nach § 9 [X.] (jetzt § 307 Abs. 1 und 2 BGB) unwirksam ist, weil es den Schuldner nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, sondern [X.] ist ([X.], 274, 283 ff.; 114, 9, 12 f.; Senat, Urteile vom 26. November 2002 - [X.] ZR 10/00, [X.], 64, 65 f. und vom 22. Juli 2008 - [X.] ZR 389/07, [X.], 1679, [X.]. 31 f.). 3. Das von den Klägern abgegebene vollstreckbare Schuldversprechen ist - entgegen der Rechtsansicht der Revision - auch keine überraschende Klausel im Sinne von § 3 [X.] (jetzt § 305c Abs. 1 BGB). Es entspricht jahr-zehntelanger Praxis, dass sich mit den persönlichen Kreditschuldnern identi-sche Grundschuldbesteller bei Bankdarlehen regelmäßig der Zwangsvollstre-ckung in ihr gesamtes Vermögen unterwerfen müssen. Die Kläger mussten deshalb mit einer solchen Klausel rechnen (Senat, Urteil vom 26. November 2002 - [X.] ZR 10/00, [X.], 64, 65 f.). 9 4. Das Berufungsurteil verletzt jedoch den Anspruch der Kläger auf [X.] Gehör. 10 a) Artikel 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, Ausführungen der Pro-zessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass gerichtli-che Entscheidungen frei von Verfahrensfehlern ergehen, die ihren Grund in [X.] Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der 11 - 6 - Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblichen Vorbringens und der Beweisanträge. Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass ein Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Vortrages bzw. [X.]s verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet ([X.] 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144). b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt. Die Klä-ger haben mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2008 vorgetragen, die Grundschuld-bestellungsurkunde sei bei der Beurkundung am 14. März 1994 nicht verlesen worden. Für die Richtigkeit dieser Behauptung haben sie das Zeugnis des [X.] Notars angeboten. Ihr Vorbringen nebst [X.] haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht [X.]. 12 c) Das Berufungsgericht hat das Vorbringen im Hinblick auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO mit der Begründung zurückgewiesen, die Kläger hätten es nachlässig versäumt, ihren Vortrag bereits im ersten Rechtszug anzubringen. Dies verletzt den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör. 13 aa) Das Berufungsgericht hat bei der Anwendung von § 531 Abs. 2 ZPO übersehen, dass vorliegend ein Anwendungsfall von § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegeben ist, denn das [X.] hat die Klage im Hinblick auf die Einrede der Kläger aus § 821 BGB für begründet erachtet und deshalb die Frage der [X.] des Vollstreckungstitels für unerheblich gehalten. Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 14 - 7 - 2008 darauf hingewiesen, dass es der Beurteilung der Rechtslage durch die Vorinstanz in diesem entscheidungserheblichen Punkt nicht folgen will. [X.] deshalb hätte es den Vortrag der Kläger zur fehlerhaften Beurkundung der Grundschuldbestellungsurkunde als neues Angriffsmittel zulassen und den an-gebotenen Zeugenbeweis erheben müssen. 15 [X.]) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind in zweiter Instanz [X.], wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten [X.] erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist (§ 531 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn das Berufungsgericht die Rechtslage abweichend von der Vorinstanz beurteilt und dadurch neuer Vortrag nebst Beweisantritt entscheidungserheblich wird, um auf der Grundlage dieser Beurteilung zu obsiegen (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 139 Rn. 14 und 19). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das neue Angriffs- und Verteidigungsmittel schon in erster Instanz oder in der Berufungserwide-rung hätte vorgebracht werden können. Die Parteien sollen durch die Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu Darlegungen und [X.]en gezwungen werden, die vom Standpunkt des erstinstanzlichen Gerichts aus unerheblich sind ([X.], Urteil vom 30. Juni 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 1292, 1293; Beschluss vom 26. Juni 2008 - [X.]/07, Juris, [X.]. 6). cc) Die fehlerhafte Rechtsansicht des [X.]s hat auch [X.], dass die Kläger in erster Instanz keine Veranlassung gesehen haben, zu den Umständen der Beurkundung am 14. März 1994 vorzutragen, und deshalb ihren diesbezüglichen Vortrag erst in der Berufungsinstanz gehalten haben ([X.], Urteile vom 19. Februar 2004 - [X.], [X.] 2004, 906, 907 und vom 23. September 2004 - [X.], NJW-RR 2005, 167, 168). 16 - 8 - [X.]) Das Berufungsgericht ist zudem seiner Pflicht, die Kläger darauf [X.], dass es die Rechtslage anders beurteilt als das [X.], nur un-zureichend nachgekommen. Zwar hat es in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2008 darauf hingewiesen, dass ein Rückforderungsanspruch hin-sichtlich des vollstreckbaren Schuldversprechens nicht bestehe, da die [X.] dieses mit Rechtsgrund erlangt habe, das Schuldversprechen in Verbindung mit der Vollstreckungsunterwerfung auch eine wirksame [X.] sichere und kein Verstoß gegen das [X.] bzw. gegen § 307 BGB vorlie-ge. Den zuvor ausdrücklich wiederholten Vortrag der Kläger zur unterbliebenen Verlesung der Grundschuldbestellungsurkunde durch den Notar nebst Beweis-antritt hätte es jedoch gerade deshalb berücksichtigen müssen. 17 ee) Der Beweisantritt ist auch entscheidungserheblich, denn das [X.] der Kläger stellt eine Willenserklärung dar, über deren Beurkundung eine Niederschrift aufgenommen werden muss (§ 8 [X.]). Diese Niederschrift ist in Gegenwart des Notars den Klägern [X.] (§ 13 Abs. 1 Satz 1 [X.]), sofern hierauf nicht verzichtet wird (§ 14 Abs. 3 [X.]). Bei Fehlen einer dieser Wirksamkeitsvoraussetzungen ist der Beurkundungsakt gemäß § 125 Abs. 1 BGB formnichtig und das beurkundete Rechtsgeschäft deshalb unwirksam ([X.], [X.], 16. Aufl., § 13 Rn. 2; [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl. § 13 Rn. 1). Dem steht auch die in § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] enthaltene Vermutungsregelung nicht entgegen. Der in der notariellen Urkunde vom 14. März 1994 enthaltene [X.] begründet zwar gemäß § 415 Abs. 1 ZPO den Vollbeweis für die Abgabe der beurkundeten Erklärung durch die Kläger. Ihnen steht wegen der angeblichen Unrichtigkeit dieser Beurkundung hinsichtlich einer Nichtabga-be ihrer Erklärung mangels Verlesung jedoch der Gegenbeweis gemäß § 415 Abs. 2 ZPO offen ([X.], 381 f.). Einer Anfechtung wegen [X.] nach den Regeln des bürgerlichen Rechts bedarf es daneben nicht 18 - 9 - ([X.]/[X.], 3. Aufl., § 415 Rn. 28; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 415 Rn. 31). 19 d) Die Zurückweisung des Vortrages und des [X.]es der für die Unrichtigkeit der Beurkundung beweisbelasteten Kläger verletzt deren [X.] auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, denn das Be-rufungsurteil beruht auf dieser Verletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte ([X.] 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392 f.). Die Gehörsver-letzung führt nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert ([X.]Z 154, 288, 296 f.), und rechtfertigt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die [X.]. - 10 - 5. Das Berufungsgericht wird nunmehr dem übergangenen Vortrag der Kläger zur angeblich unterbliebenen Verlesung der notariellen Urkunde am 14. März 1994 nachzugehen und den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben haben. 20 [X.] Joeres [X.] Ellenberger Matthias
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 3 O 133/07 - [X.], Entscheidung vom 14.11.2008 - [X.] U 261/07 -

Meta

XI ZR 44/09

29.09.2009

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2009, Az. XI ZR 44/09 (REWIS RS 2009, 1435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1435

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