Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.07.2020, Az. 4 StR 419/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1434

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Fahrlässiger unerlaubter Umgang mit Abfällen: Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes; Einordnung als gefährlicher Abfall


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 2. Oktober 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässigen unerlaubten Umgangs mit Abfällen ([X.]) unter Auflösung der Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, von der als Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vier Monate als vollstreckt gelten. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten und vom [X.] vertretenen Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Abfällen und rügt die unterbliebene Prüfung einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zum unerlaubten Betreiben von Anlagen. Darüber hinaus beanstandet sie den Strafausspruch und die [X.]. Der Angeklagte wendet sich mit seiner ebenfalls mit der Sachrüge begründeten Revision gegen seine Verurteilung.

2

Während das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.

I.

3

1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte langjährig zuletzt als Mitgesellschafter der [X.].        GmbH und der [X.] sowie als Geschäftsführer der von ihm gegründeten [X.] in der Entsorgungsbranche tätig und unterhielt Geschäftsbeziehungen zur [X.]h.    GmbH, die eine Mineralölraffinerie betrieb.

4

In dem Raffineriebetrieb der [X.]h.    GmbH fielen täglich 80 bis 90 Tonnen [X.] an, die einer Entsorgung zugeführt werden mussten. Die [X.], die eine körnige Konsistenz aufwiesen und sich aus [X.], [X.]ß und Wasser zusammensetzten, enthielten große Mengen an Mineralölkohlenwasserstoffen sowie der Schwermetalle Nickel und Vanadium. Aufgrund dieser Beschaffenheit und der bei großen Lagermengen bestehenden Gefahr der Selbstentzündung waren die [X.] für eine Deponierung nicht geeignet. Die Kosten für eine fachgerechte thermische Entsorgung beliefen sich auf mindestens 500 € pro Tonne.

5

Der Angeklagte bezog über die Unternehmen [X.] und [X.] [X.] von der [X.]h.    GmbH und erhielt dafür 93 bis 120 € je Tonne als Entgelt. Die Lieferung der [X.] erfolgte bis Februar 2009 als Abfall unter der [X.] 06 13 03 ‒ [X.] ‒ und von April 2009 bis Oktober 2009 unter der Bezeichnung als Nebenprodukt. Die [X.] wurden teils nach Vermischung mit anderen Materialien vom Angeklagten als Ersatzbrennstoff weitergehandelt, wobei sich der Absatz der Pellets zunehmend schwieriger gestaltete, weil es wiederholt zu Bränden in Folge von Selbstentzündungen der [X.] kam. Um vor diesem Hintergrund dem [X.] nachkommen zu können, der aus der gegenüber der [X.]h.   GmbH übernommenen täglichen Abnahmeverpflichtung von 40 Tonnen Pellets resultierte, änderte der Angeklagte die Vorgehensweise im Umgang mit den [X.].

6

Von den im Tatzeitraum von 2010 bis 2013 von der [X.]h.   GmbH übernommenen [X.] wurden auf Veranlassung des Angeklagten, nachdem die Pellets bei der [X.].    GmbH des Angeklagten zunächst gesiebt und mit anderen Materialien vermischt und zum Teil weiterhin als Ersatzbrennstoff weitergehandelt worden waren, eine Gesamtmenge von 17.611,64 Tonnen als Abfall unter der [X.] 19 12 12 ‒ sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) ‒ an die [X.] geliefert. Bei der [X.] erfolgte erneut eine Vermischung mit weiteren Stoffen, um nunmehr die [X.] 19 12 09 ‒ Mineralien (z.B. Sand, Steine) ‒ verwenden zu können. Anschließend wurden die vermischten [X.] zu einer von einem weiteren Unternehmen betriebenen Tongrube transportiert, wo das Gemisch verkippt und einplaniert wurde. Des Weiteren ließ der Angeklagte insgesamt 7.508,58 Tonnen [X.], die zuvor anderweitig eingelagert sowie zum Teil bereits vermischt und als Abfälle nach Schlüsselnummer 19 12 09 ‒ Mineralien (z.B. Sand, Steine) ‒ deklariert waren, ebenfalls an die [X.] liefern. Dort wurden die Pellets ‒ soweit noch nicht geschehen ‒ mit anderen Materialien vermischt und anschließend in der Tongrube deponiert.

7

Keines der in den [X.] eingebundenen Unternehmen besaß eine Genehmigung zur Annahme oder Behandlung von gefährlichen Abfällen. Die in der Tongrube deponierten [X.] haben bislang noch zu keinem konkret feststellbaren Umweltschaden geführt. Es besteht aber die Gefahr, dass mit Kohlenwasserstoffverbindungen kontaminiertes Sickerwasser durch Versickern oder im Falle eines oberirdischen Wasserabflusses in tiefere Erdschichten und letztlich ins Grundwasser gelangt.

8

Im Zuge der Lieferungen der [X.] an die [X.] war dem Angeklagten bekannt, dass die Pellets über dieses Unternehmen einer Beseitigung zugeführt werden. Die letztendlich erfolgte Deponierung der [X.] hielt er für möglich und nahm sie in Kauf. Dabei ging der Angeklagte davon aus, dass die [X.] keine Stoffe enthielten, die einer Deponierung entgegenstehen und zwingend eine thermische Entsorgung gebieten. Aufgrund dieser Fehlvorstellung über die Inhaltsstoffe hielt er die Einordnung der [X.] als [X.] seitens der [X.]h.   GmbH für zutreffend. Letztlich beschäftigte sich der Angeklagte nicht weiter mit der Frage, wie mit den [X.] verfahren wurde, da es ihm allein darauf ankam, die [X.] selbst "absteuern" und so seiner vertraglichen Pflicht gegenüber der [X.]h.   GmbH nachkommen zu können.

9

2. Das [X.] hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass sich der bedingte Vorsatz des Angeklagten auch darauf bezog, dass die in der Tongrube abgelagerten [X.] nach ihrer Beschaffenheit und Menge geeignet waren, die in § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB geschützten [X.] Boden und Grundwasser nachhaltig zu verunreinigen. Da der Angeklagte als Entsorgungsfachmann nach seinen Fähigkeiten bei Beachtung der objektiv erforderlichen Sorgfalt aber in der Lage gewesen sei, die Umweltgefährlichkeit der [X.] im Sinne des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB zu erkennen, hat es ihn des fahrlässigen unerlaubten Umgangs mit Abfällen gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 4a, Abs. 5 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Beweiserwägungen der [X.], mit denen sie einen auf die Umweltgefährlichkeit der [X.] im Sinne des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB bezogenen bedingten Vorsatz des Angeklagten verneint hat, halten unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen [X.] (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 7. Juni 1979 ‒ 4 StR 441/78, [X.]St 29, 18, 20 f. [X.]; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. [X.]) einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet, mag ihm der [X.] auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn sich der Täter entweder des Risikos eines [X.]s nicht bewusst ist oder er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.

Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung setzt eine Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls voraus, bei welcher die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Gegebenheiten zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement darstellt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 22. März 2012 ‒ 4 StR 558/11, [X.]St 57, 183 Rn. 26; vom 1. März 2018 ‒ 4 StR 399/17, [X.]St 63, 88 Rn. 17 ff. jeweils [X.]).

2. Die Feststellung der im Einzelfall vorsatzrelevanten Umstände, deren Bewertung im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sowie die Gesamtwürdigung selbst obliegen dem Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung ist vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen. Einer solchen rechtlichen Prüfung halten die Beweiserwägungen des [X.]s, mit welchen es einen auf die Eignung der [X.] zur nachhaltigen Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers bezogenen bedingten Vorsatz des Angeklagten verneint hat, nicht stand. Denn die Gesamtwürdigung der [X.] erweist sich in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft.

a) Das [X.] hat die Ablehnung eines bedingten Vorsatzes maßgeblich unter anderem darauf gestützt, dass von der [X.]h.   GmbH durch die wiederholte Umdeklarierung der [X.] ein erheblicher Aufwand betrieben wurde, um die Gefährlichkeit der Pellets nicht unmittelbar ersichtlich zu machen. Die Lieferung der Pellets als Nebenprodukt und die Verwendung der [X.] für [X.] hätten für sämtliche mit den [X.] befassten Personen eine zutreffende Einschätzung als gefährlicher Abfall deutlich erschwert. Bei diesen Erwägungen hat die [X.] nicht bedacht, dass weder aus der Einordnung eines Stoffes als Nebenprodukt nach § 4 [X.] noch aus der unterbliebenen Bezeichnung mit einer in der [X.] für gefährliche Abfälle vorgesehenen Schlüsselnummer auf die fehlende Eignung des betreffenden Stoffes zur nachhaltigen Schädigung eines der in § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB geschützten [X.] geschlossen werden kann.

Die Einordnung als Nebenprodukt nach § 4 [X.] hat zur Folge, dass ein Stoff oder Gegenstand, so lange die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 [X.], insbesondere eine weitere rechtmäßige Verwendung, vorliegen, nicht den abfallrechtlichen Regelungen unterliegt (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Schomerus, [X.], 4. Aufl., § 4 Rn. 15). Über die Umweltgefährlichkeit des Stoffes oder Gegenstands besagt die Einordnung nichts.

Die Bezeichnung von Abfällen mit einer in der [X.] für gefährliche Abfälle vorgesehenen [X.] führt dazu, dass die Abfälle nach § 3 Abs. 5 [X.] (früher § 3 Abs. 8 KrW-/AbfG) als gefährliche Abfälle im Sinne des Abfallrechts bestimmt sind und den besonderen Überwachungsanforderungen des § 48 [X.] (früher § 41 KrW-/AbfG) unterliegen. Da die Strafvorschrift des § 326 Abs. 1 StGB nicht an die abfallrechtliche Klassifizierung als gefährlicher Abfall nach der [X.] anknüpft, sondern die an taugliche Tatobjekte zu stellenden tatbestandlichen Anforderungen selbst bestimmt, sind der Tatbestand des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB und die Kennzeichnung nach der [X.] in ihrer Reichweite nicht deckungsgleich. Die abfallrechtliche Bezeichnung als gefährlicher Abfall stellt zwar ein Indiz für dessen Umweltgefährlichkeit im Sinne des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB dar (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 326 Rn. 6; [X.] in Satzger/Schluckebier/[X.], StGB, 4. Aufl., § 326 Rn. 32; [X.], StGB, 67. Aufl., § 326 Rn. 19). Umgekehrt kann aus der Verwendung einer für nicht gefährliche Abfälle vorgesehenen Schlüsselnummer aus der [X.] jedoch nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass dem betreffenden Abfall nach Art, Beschaffenheit oder Menge die Eignung fehlt, eines der in § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB tatbestandlich bezeichneten [X.] nachhaltig zu schädigen.

b) Die [X.] ist davon ausgegangen, dass dem Angeklagten aufgrund der von ihm betriebenen Weitervermarktung von [X.] als Ersatzbrennstoff der hohe Brennwert der Pellets bekannt war, und hat diesen Umstand in subjektiver Hinsicht nur zur Begründung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs gegen den Angeklagten herangezogen. Der beim Angeklagten vorhandene Wissensstand über die Eigenschaften der [X.] hätte aber als vorsatzrelevanter Gesichtspunkt auch im Rahmen der Vorsatzprüfung Berücksichtigung finden müssen, zumal es aus der Perspektive eines ausgebildeten [X.] überaus nahelag, dass der hohe Brennwert und der dem Angeklagten ebenfalls bekannte Mineralölgeruch der Pellets auf einen hohen Gehalt an umweltschädlichen Kohlenwasserstoffen zurückzuführen war.

c) Nach den zur Tatvorgeschichte getroffenen Feststellungen entzündete sich am 17. November 2009 eine durch Unternehmen des Angeklagten bei einer Fremdfirma eingelagerte Menge von 25.000 Tonnen [X.] und verursachte einen Brand. Den in Brand geratenen und wieder gelöschten Teil der [X.] ließ der Angeklagte als gefährlichen Abfall nach der [X.] mit der Schlüsselnummer 19 02 09* ‒ feste brennbare Abfälle, die gefährliche Stoffe enthalten ‒ entsorgen. Auch diese auf Veranlassung des Angeklagten erfolgte Gefährlichkeitsbewertung wäre unbeschadet des Umstands, dass sich die Kennzeichnung auf diejenigen [X.] beschränkte, die den Brand- und Löscheinwirkungen ausgesetzt gewesen waren, in die erforderliche Gesamtbetrachtung zur Feststellung des kognitiven Elements eines auf die Umweltgefährlichkeit im Sinne des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB bezogenen bedingten Vorsatzes einzustellen gewesen.

d) Gleiches gilt für die vom Angeklagten veranlasste Aufbereitung der [X.] bei der [X.].     GmbH. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils ließ der Angeklagte die im Tatzeitraum von der [X.]h.   GmbH übernommenen [X.] bei der [X.].       GmbH zunächst sieben und anschließend mit anderen Materialien, wie Bleicherde, [X.]ß, Aktivkohle, Anoden und Graphit, mischen, um sie einfacher als Ersatzbrennstoff verkaufen zu können. Dieser Mischvorgang, der nach Ansicht der [X.] dazu führte, dass eine Verbindung zur Raffinerie der [X.]h.    GmbH nicht mehr offenkundig und der Rückschluss auf einen Ölgehalt der Pellets für alle weiteren Abnehmer erschwert war, wurde aber nicht nur bei den kleineren, vom Angeklagten als Ersatzbrennstoff weitergehandelten [X.], sondern auch bei den größeren Pellets vorgenommen, die als Abfälle unter der [X.] 19 12 12 ‒ sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) ‒ an die [X.] abgegeben wurden. Bei dieser Sachlage wäre vom Tatrichter zu erwägen gewesen, ob die mit finanziellem Aufwand verbundene Aufbereitung der anschließend als Abfälle abgegebenen [X.] von vornherein dem Zweck diente, die umweltschädliche Beschaffenheit der Pellets zu verschleiern, um letztlich eine nicht genehmigte Deponierung zu ermöglichen.

III.

Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die von der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung angesprochene Änderung des § 326 StGB im Tatzeitraum ist für die rechtliche Würdigung ohne Bedeutung, da die von der [X.] angenommene [X.] unverändert geblieben ist.

IV.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Der neue Tatrichter wird eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Betreiben von Anlagen nach § 327 Abs. 2 Nr. 1 und 3 StGB in den Blick zu nehmen und ferner zu prüfen haben, ob der Angeklagte im Rahmen des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB über die im angefochtenen Urteil angenommene Tatmodalität des Ablagerns hinaus weitere [X.] verwirklicht hat.

Zur konkurrenzrechtlichen Bewertung des strafbaren Verhaltens des Angeklagten wird es erforderlich sein, nähere Feststellungen zu den konkreten Tatbeiträgen des Angeklagten zu treffen, um auf dieser Grundlage entscheiden zu können, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen für die Annahme eines uneigentlichen Organisationsdelikts (vgl. [X.], aaO, vor § 52 Rn. 25 [X.]; [X.] in Satzger/Schluckebier/[X.], aaO, § 52 Rn. 32 [X.]) oder gegebenenfalls einer tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl. [X.], Urteil vom 6. April 2001 ‒ 2 [X.]) vorliegen.

2. Erlittene Untersuchungshaft ist regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine strafmildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 25. Oktober 2018 ‒ 4 [X.], [X.], 81; vom 2. Februar 2017 ‒ 4 StR 481/16, [X.], 105, 106; vom 20. August 2013 ‒ 5 StR 248/13, [X.], 31), die konkret festzustellen sind.

3. Die Zubilligung einer Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nach der in der Rechtsprechung des [X.] entwickelten [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Januar 2008 ‒ [X.], [X.]St 52, 124) setzt Feststellungen des Tatrichters zu Art, Ausmaß und Ursache der Verfahrensverzögerung voraus, die es dem Revisionsgericht ermöglichen, im Sinne einer [X.] nachzuvollziehen, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 [X.] tragen und sich die gewährte Kompensation innerhalb des tatrichterlichen [X.] hält (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 2013 ‒ 2 StR 392/13, [X.], 21). Diesen Anforderungen werden die bisherigen [X.] nicht gerecht, da sie sich zum Verlauf der Ermittlungen, der nach Ansicht des [X.]s eine Anklageerhebung bereits im Jahr 2014 gemeinsam mit den Tatvorwürfen aus dem Parallelverfahren ermöglicht hätte, nicht näher verhalten.

Sost-Scheible     

        

Bender     

        

Hoch   

        

Sturm     

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 419/19

30.07.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bochum, 2. Oktober 2018, Az: II-2 KLs 1/17

§ 326 Abs 1 Nr 4 Buchst a StGB, § 3 Abs 5 KrWG, § 1 AVV, §§ 1ff AVV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.07.2020, Az. 4 StR 419/19 (REWIS RS 2020, 1434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1434

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 419/19 (Bundesgerichtshof)


Au 9 K 18.1776, Au 9 K 18.1780, Au 9 K 18.1781, Au 9 K 18.1782 (VG Augsburg)

Keine Überlassungspflicht für infektiöse Abfälle zur Verwertung


6 StR 227/21 (Bundesgerichtshof)

Falsche uneidliche Aussage: Verjährungsbeginn bei Aussage vor einem Untersuchungsausschuss des Landes Sachsen-Anhalt)


2 StR 307/20 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen: Tatvariante der wesentlichen Abweichung von einem zugelassenen Verfahren als abstraktes …


4 StR 601/18 (Bundesgerichtshof)

Einstellungsurteil: Notwendigkeit einer im Strengbeweisverfahren festgestellten Sachverhaltsgrundlage


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.