Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2007, Az. VI ZR 173/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 1439

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] Verkündet am: 16. Oktober 2007 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja HPflG § 1 Abs. 1 und 2, § 13 Im Verhältnis der [X.] zueinander ist die Versper-rung des [X.] allein dem Risikobereich des [X.] zuzurechnen. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2007 - [X.]/06 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], Pauge und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.] und die [X.] der Klä-gerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 21. Juli 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, begehrt von der [X.], die als Eisenbahninfrastrukturunternehmen den Gleisbetrieb unterhält, Schadensersatz wegen eines Bahnunfalls. 1 Am 8. Mai 2003 befuhr ein Triebwagen der Klägerin den von der [X.] betriebenen Streckenabschnitt Görlitz-[X.]. Nach Durchfahren einer 2 - 3 - Kurve kollidierte er mit einer von mehreren auf dem Gleis stehenden Kühen, die zuvor von einer Weide auf das Bahngleis gelaufen waren. Die Klägerin beziffert ihren Schaden an dem Triebwagen auf insgesamt 3.691,50 • und verlangt davon nach Anrechnung ihrer eigenen Betriebsgefahr zwei Drittel, also 2.461 •, von der [X.] ersetzt. Das Amtsgericht hat der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.218,26 • zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und der Klägerin hälftigen Schadensersatz, also 1.845,75 • zuerkannt; die An-schlussberufung der [X.] blieb ohne Erfolg. 3 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin verfolgt mit der Anschluss-revision ihre Klage weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil er-kannt hat. 4 Entscheidungsgründe: [X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte als Eisen-bahninfrastrukturunternehmerin der Klägerin aus § 1 Abs. 1 [X.]. Ein Haf-tungsausschluss wegen höherer Gewalt nach § 1 Abs. 2 [X.] greife nicht ein. 5 Nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 [X.] sei eine hälftige Aufteilung der Haftungsverantwortung zwischen den Parteien gerechtfertigt. Eine Kuh auf den Gleisen sei zwar ein die Betriebsgefahr erhöhender Umstand zu Lasten der [X.]. Zu Lasten der Klägerin sei aber gefahrerhöhend zu berücksichtigen, 6 - 4 - dass sich ihr Zug in Reisegeschwindigkeit bewegt und dies ein rechtzeitiges A[X.]remsen unmöglich gemacht habe. Außerdem sei in Rechnung zu stellen, dass die Beklagte für Risiko erhöhende Umstände einstehen müsse, die sie auch bei Anwendung jeder praktisch möglichen Sorgfalt nicht habe vermeiden können. An[X.] als bei in die Fahrtrasse hineinreichenden Steinen oder Bäu-men habe es der Eisenbahninfrastrukturunternehmer bei Tierunfällen praktisch nicht in der Hand, die Fahrbahn wirksam gegen Hindernisse abzusichern. Hier sei die Fahrtrasse aus Sicht des Unternehmers vielmehr technisch in Ordnung und "eigentlich Hindernis frei". Ein praktisches Bedürfnis, Maßnahmen zur Be-seitigung des Hindernisses zu ergreifen, entstehe in aller Regel nicht, weil sich die Tiere wieder entfernten, bevor ein Eingreifen möglich sei. Das Berufungsgericht erkennt der Klägerin demgemäß hälftigen Ersatz des von ihr geltend gemachten Schadens zu. Den Vortrag, mit dem die [X.] den von der Klägerin nach Ansicht des Berufungsgerichts in erster Instanz schlüssig vorgetragenen Schaden mit Nichtwissen bestritten hat, hat es nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen, weil das Bestreiten durch die Beklagte erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 5. Juli 2005 erfolgt und deswegen nach § 296a ZPO ausgeschlossen gewesen sei. Das der [X.] gewährte [X.] habe nicht zum Einreichen neuen Vortrags oder erstmaligen Bestreiten früheren Vortrags der Klägerin gedient. 7 I[X.] Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die [X.] rügt mit Recht die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Bildung der Haftungsquote als rechtsfehlerhaft. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift ebenfalls durch. 8 - 5 - 1. Zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die [X.] der Klägerin gemäß § 1 Abs. 1 [X.] dem Grunde nach hafte. 9 a) Dieser von der Revision nicht angegriffene Ausgangspunkt entspricht der Rechtsprechung des Senats, nach der das den Gleisbetrieb unterhaltende Eisenbahninfrastrukturunternehmen als [X.] im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.] anzusehen ist (Senat [X.] 158, 130, 133 ff. sowie Urteil vom 22. Juni 2004 - [X.] ZR 8/04 - juris Rn. 4; ebenso [X.], Haftpflichtgesetz, 7. Aufl., § 1 Rn. 55 m.w.[X.]). Auch ein Eisenbahnverkehrsunternehmen kann im Verhältnis zu dem den benutzten Gleisbetrieb unterhaltenden Eisenbahninfra-strukturunternehmen jedenfalls dann Geschädigter im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.] sein, wenn die den Unfall auslösenden Ursachen im Bahnbetrieb lie-gen und dem Risikobereich des [X.] zuzuordnen sind (Senat [X.] 158, 130, 137 ff. m.w.[X.]; ebenso [X.], Urteil vom 12. Februar 2003 - 4 U 180/02 - [X.], 648, 649). 10 b) Nicht gefolgt werden kann der Revision, soweit sie in Zweifel zieht, ob sich der Bahnunfall "bei dem Betrieb" der Eisenbahninfrastruktur im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.] ereignet hat. 11 aa) Ein Betriebsunfall im Sinne des § 1 Abs. 1 [X.] liegt vor, wenn ein unmittelbarer äußerer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten [X.] der Bahn besteht oder wenn der Unfall durch eine dem Bahn-betrieb eigentümliche Gefahr verursacht worden ist (Senat [X.] 158, 130, 132 m.w.[X.]). Ein unmittelbarer äußerer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn sich der Unfall, wie im Streitfall, bei der eigentlichen Beför-derungstätigkeit ereignet hat ([X.], aaO, § 1 Rn. 68). Darüber hinaus steht der Unfall auch in innerem Zusammenhang mit einer der von der [X.] [X.] - 6 - triebenen Infrastruktur eigentümlichen Gefahr, weil sich in dem Unfall das [X.] einer Versperrung des [X.] in Zusammenhang mit einem Beförde-rungsvorgang verwirklichte (vgl. Senat [X.] 158, 130, 138 f.; [X.], aaO, Rn. 76 ff.). [X.]) Im Verhältnis der [X.] zueinander ist die Versper-rung des [X.] allein dem Risikobereich des [X.] zuzurechnen (Senat [X.] 158, 130, 142). Das gilt entgegen der [X.] der Revision gleichermaßen für einen den Fahrweg versperrenden Stein oder Baum wie auch im Streitfall, in dem Weidevieh die Trasse versperrte (ebenso [X.], Urteil vom 23. März 2006 - 1 U 1049/05 -; [X.], Urteil vom 31. Mai 2006 - 12 U 2215/05). In allen diesen Fällen ist die [X.] uneingeschränkte Nutzbarkeit der Trasse für den Schienenverkehr nicht gewährleistet. Auch in der Versperrung des [X.] durch ein nur kurzfristig bestehendes, eine dauerhafte Gleisblockade nicht darstellendes Hindernis in Form von Weidetieren verwirklicht sich eine der Gefahren, die die Beklagte [X.] schafft, wenn sie einen Verkehrsweg zum Zwecke des Befahrens durch Schienenfahrzeuge eröffnet und unterhält. Daraus rechtfertigt sich die Gefährdungshaftung aus § 1 [X.], die die Beklagte auch bei Einhaltung al-ler Sorgfalt grundsätzlich bis zur Grenze der höheren Gewalt trifft (vgl. Senat [X.] 158, 130, 140 f.). 13 2. Einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt nach § 1 Abs. 2 [X.] hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Höhere Gewalt im Sinne des § 1 Abs. 2 [X.] ist ein "betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirt-schaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünf-tigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht 14 - 7 - werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunterneh-men in Kauf zu nehmen ist" (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1966 - [X.] ZR 280/64 - VersR 1967, 138, 139; vom 15. März 1988 - [X.] ZR 115/87 - NJW-RR 1988, 986; ferner [X.], 104, 105 f.; [X.] 7, 338, 339). Das Berufungsge-richt hat von der Revision unbeanstandet festgestellt, dass das Entlaufen einer Kuh von eingezäuntem Gelände und deren Auftauchen auf der Bahntrasse in ländlichen Gebieten nicht derart ungewöhnlich sei, dass dies als außergewöhn-lich und schicksalhaft einzustufen sei, und dass sich der Unfall im Streitfall in einem solchen ländlichen Gebiet ereignet habe. Dies trägt die Annahme, ein Haftungsausschluss nach § 1 Abs. 2 [X.] greife nicht ein (vgl. zur fehlenden Außergewöhnlichkeit von Zusammenstößen mit Weidevieh bzw. Wildtieren auf Bahnkörpern Senatsurteil vom 20. April 1955 - [X.] ZR 42/54 - [X.], 346, 347; [X.] NZV 1991, 189, 190; [X.], Urteil vom 23. März 2006 - 1 U 1049/05 -; [X.], Urteil vom 31. Mai 2006 - 12 U 2215/05 -; [X.], aaO, § 1 Rn. 177 m.w.[X.]). 3. Nicht frei von [X.] sind dagegen die Ausführungen des [X.] zur Abwägung der bei[X.]eitigen Verursachungs- und Verantwor-tungsanteile nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 [X.]. 15 a) Die Entscheidung über die Haftungsverteilung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Kriterien zu Grunde gelegt worden sind, insbe-sondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl. Senatsurteile vom 25. März 2003 - [X.] ZR 161/02 -, [X.], 783, 785 f.; vom 13. Dezember 2005 - [X.] ZR 68/04 -, [X.], 369, 371, jeweils zu § 254 [X.] und § 17 StVG m.w.[X.]). Dies gilt auch für § 13 [X.]. [X.] ist auf Grund aller festgestellten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen; 16 - 8 - in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das bei[X.]eitige [X.] ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. Senatsurteile vom 25. März 2003 - [X.] ZR 161/02 - und vom 13. Dezember 2005 - [X.] ZR 68/04 -, jeweils a-aO; [X.], aaO, § 4 Rn. 17, § 13 Rn. 12). b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht in jeder Hinsicht [X.]. 17 aa) Unbedenklich ist allerdings, dass das Berufungsgericht zu Lasten der Klägerin das Gefahrenpotenzial, das von ihrem Fahrzeug ausgeht, namentlich für in Fahrt befindliche Züge die fehlende Ausweichmöglichkeit als Folge der Schienengebundenheit und den langen Bremsweg infolge des hohen Gewichts des Zuges, als allgemeine Betriebsgefahr in die Abwägung eingestellt hat (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 1970 - [X.] -, [X.], 1049, 1050; [X.], Urteil vom 31. Mai 2006 - 12 U 2215/05; [X.], aaO, § 4 Rn. 22 m.w.[X.]). 18 [X.]) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht als allgemeine Be-triebsgefahr der [X.] die Gefahren berücksichtigt, die sich aus dem Be-reithalten und dem Eröffnen eines Verkehrs auf der von der [X.] unterhal-tenen Trasse ergeben, insbesondere das Risiko, dass die Trasse nicht hinder-nisfrei ist. Denn mit der Aufnahme eines dualistischen Eisenbahnbegriffs in das [X.] vom 27. Dezember 1993 ([X.] I 2378, 2396; [X.]) und der dauerhaften Verselbstständigung von Fahrbetrieb und Infrastruk-tur (§§ 2 Abs. 1, 3 [X.]) ist Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsun-ternehmen ein jeweils eigenständiger [X.] zugeordnet, für den jeder auch im Verhältnis der [X.] untereinander eigenständig die Verantwortung trägt; im Rahmen der von ihr wahrgenommenen Teilaufgabe des 19 - 9 - Bahnbetriebs hat die Beklagte gemäß §§ 2 Abs. 3, 4 Abs. 1 [X.] insbesondere die Sicherheit der Schienentrasse zu gewährleisten und die Eisenbahninfra-struktur in betriebssicherem Zustand zu halten (Senat [X.] 158, 130, 134 f., 140 f.; vgl. auch [X.], aaO, § 1 Rn. 55; [X.]. [X.], 1348, 1351). Dazu gehört auch die Gewährleistung der Hindernisfreiheit der Trasse, indem diese von herabfallenden oder herabhängenden Gegenständen oder Tieren freigehal-ten wird. [X.]) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Berufungsgericht eine Kuh auf der Trasse zu Lasten der [X.] als gefahrerhöhenden Umstand einge-stuft hat. Besondere Umstände, die nicht schlechthin und regelmäßig mit dem Betrieb verbunden sind und deshalb die mit ihm ohnehin schon verbundenen Gefahren vergrößern, begründen eine bei der Abwägung verstärkt ins Gewicht fallende erhöhte Betriebsgefahr ([X.], [X.], 7. Aufl., § 4 Rn. 23; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 254 Rn. 113). 20 [X.]) Soweit das Berufungsgericht allerdings zu Lasten der Klägerin ge-fahrerhöhend berücksichtigt hat, dass sich ihr Fahrzeug bei Auftauchen der Kü-he auf der Fahrtrasse in einer (zulässigen) Reisegeschwindigkeit bewegt habe, wodurch ein rechtzeitiges A[X.]remsen vor dem Hindernis unmöglich gewesen sei, begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Wie oben ausgeführt begründen die hohe kinetische Energie eines sich in Reisegeschwindigkeit [X.] Zuges und der entsprechend lange Bremsweg die Gefährdungshaf-tung der Klägerin im Sinne einer allgemeinen Betriebsgefahr, weswegen sie nicht zusätzlich anteilserhöhend auf die Abwägung einwirken können (vgl. Se-natsurteil vom 11. Juli 1961 - [X.] ZR 203/60 - VersR 1961, 908, 909; [X.], Urteil vom 9. Juli 1970 - [X.] -, aaO; [X.], aaO; [X.], aaO, § 4 Rn. 26). Deshalb war es rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht auf Seiten beider Parteien eine erhöhte Betriebsgefahr in seine Abwägung eingestellt hat. 21 - 10 - ee) Nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu Gesichtspunkten des Verschuldens bzw. der Unab-wendbarkeit des [X.]. 22 (1) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, auf Seiten der [X.] sei ein Verschulden nicht zu berücksichtigen. Hierzu hat es festgestellt, dass sich der Unfall in ländlichem Gebiet und auf freier Strecke ereignet habe und die Kuh, mit der der Zug kollidiert sei, vor dem Unfall von einer Weide aus auf das Bahngleis gelaufen sei. Eine Verkehrssicherungspflicht des Inhalts, sämtliche von ihr betriebenen Trassen auf freier Strecke einzuzäunen, um [X.] Vieh am Betreten des [X.] zu hindern, besteht für die Beklagte nicht (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juni 1963 - [X.]I ZR 85/62 - [X.] 1963, 922; [X.], aaO, § 4 Rn. 54). Umstände, aus denen sich eine von der Anschluss-revision angesprochene Verpflichtung der [X.] ergeben könnte, auf Landwirte, deren Weideflächen an die Bahnstrecke angrenzen, dahingehend einzuwirken, ihre Zaunanlagen in Ordnung zu halten, sind nicht vorgetragen. 23 (2) Rechtsfehlerhaft stellt das Berufungsgericht aber den Umstand zu Gunsten der [X.] in seine Abwägung ein, dass das Unfallereignis im Streitfall für diese auch bei Anwendung jeder praktisch möglichen Sorgfalt nicht vermeidbar gewesen sei. 24 (a) Zwar ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Ge-sichtspunkt, ob es sich um ein unabwendbares Ereignis handelte, überhaupt als für die Abwägung erheblich angesehen hat. Dass im Streitfall die etwaige Un-abwendbarkeit des [X.] nicht schon einen gesetzlichen Haftungs-ausschlusstatbestand zu Gunsten der [X.] darstellt, schließt die Berück-sichtigung dieses Gesichtspunkts bei der nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 [X.] vorzunehmenden Abwägung nicht aus. Im Haftungsrecht des [X.] - 11 - verkehrs ist anerkannt, dass die Unabwendbarkeit des [X.] einen erheblichen Abwägungsfaktor im Rahmen der Abwägung nach §§ 9 StVG, 254 [X.] darstellen kann, auch wenn ihr nach §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG nicht die Bedeutung eines haftungsausschließenden Umstandes zukommt (vgl. [X.] des Entwurfs eines [X.] zur Änderung [X.] Vorschriften, BT-Drucks. 14/7752, [X.]; [X.], [X.], 39. Aufl., § 7 StVG Rn. 31; [X.], [X.], 318, 324; wohl auch [X.], [X.], 135, 137). Entsprechendes gilt auch hier. (b) Nicht gefolgt werden kann jedoch der Auffassung des Berufungsge-richts, dass es sich zwar bei der Kollision eines Triebwagens mit einem die Trasse versperrenden Tier, nicht aber bei der Kollision mit [X.] oder Baum (s. hierzu Senatsurteile [X.] 158, 130 ff. sowie vom 22. Juni 2004 - [X.] ZR 8/04 - juris) um ein für die Beklagte unabwendbares Ereignis handle (gegen eine derartige Differenzierung [X.], Urteil vom 23. März 2006 - 1 U 1049/05 -; [X.], Urteil vom 31. Mai 2006 - 12 U 2215/05). Denn im einen wie im anderen Fall ist es bei Anwendung der höchstmöglichen Sorg-falt denkbar, Streckenabschnitte mit diesbezüglichem erhöhtem Gefährdungs-potenzial zu erkennen und Abwehrmaßnahmen zu treffen. Zudem trifft es nicht zu, dass im Gegensatz zur Blockade durch Steine oder Bäume bei Auftreten von Weidevieh auf der Trasse diese "eigentlich Hindernis frei" ist. Vielmehr verwirklicht sich auch dann bei einer Kollision gerade das von der [X.] zu tragende Risiko einer Versperrung des [X.]. Nur darauf kommt es im Rahmen der Gefährdungshaftung der [X.] an, nicht dagegen darauf, wie lange die Tiere bereits die Trasse versperrt hatten, bevor sich die Gefahr ver-wirklichte, oder ob sie sich gewöhnlich vor einer Kollision mit einem heranna-henden Zug von der Bahntrasse bereits wieder entfernt haben. 26 - 12 - (c) Dass das Berufungsgericht bei seiner Abwägung zu Gunsten der [X.] in Rechnung gestellt hat, diese habe die Kollision im Streitfall auch bei Anwendung jeder praktisch möglichen Sorgfalt nicht vermeiden können, wird zudem von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Dem Berufungsurteil ist nichts darüber zu entnehmen, wie es zu dem Entlaufen der Kühe aus der Weide kam, oder dazu, ob der [X.] keine konkreten Anhaltspunkte im Vorfeld der zu beurteilenden Kollision erkennbar waren, aus denen sie ein zu-mindest erhöhtes Risiko solcher Unfälle am Unfallort ableiten konnte. Ist dies nicht ausgeschlossen, kann das Vorliegen eines für die Beklagte unabwendba-ren Ereignisses jedoch nicht angenommen werden. Jedenfalls hätte das [X.], wenn es die Unabwendbarkeit des Ereignisses zu Gunsten der [X.] in seine Abwägung einstellt, erwägen müssen, ob das Schadenser-eignis nicht auch für die Klägerin unabwendbar war. 27 4. Rechtsfehlerhaft ist auch die von der Revision angegriffene Auffas-sung des Berufungsgerichts, das Bestreiten der Schadenshöhe durch die [X.] mit Nichtwissen sei ein nach §§ 531 Abs. 2, 296a ZPO unzulässiges neues Verteidigungsmittel. 28 Um neues Vorbringen handelt es sich, wenn dieses sehr allgemein ge-haltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert und erstmals substantiiert, nicht jedoch, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht [X.] erläutert wird (vgl. Senat [X.] 159, 245, 251; 164, 330, 333; [X.], Urteil vom 26. Juni 2003 - [X.]I ZR 281/02 - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Beschluss vom 21. Dezember 2006 - [X.]I ZR 279/05 - NJW 2007, 1531, 1532). Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem erstmals ausdrücklich erklärten Bestreiten der Schadenshöhe mit Nichtwissen im erstinstanzlich nachgelassenen Schrift-satz der [X.] vom 19. Juli 2005 nicht um ein neues Vorbringen, das nach 29 - 13 - §§ 531 Abs. 2, 296a ZPO ausgeschlossen ist. Das ausdrückliche Bestreiten mit Nichtwissen verdeutlicht vielmehr nur die sich bereits aus dem Schriftsatz der [X.] vom 17. Juni 2005 ergebende Absicht, die Schadenshöhe bestreiten zu wollen, nachdem die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4. Juli 2005 die [X.] vertreten hat, die Beklagte habe das Tatsachenvorbringen der Klägerin nicht bestritten. Bereits aus dem Vorbringen der [X.] in ihrem Schriftsatz vom 17. Juni 2005, dass sie den Vortrag der Klägerin zur Schadenshöhe als gänzlich unschlüssig und unsubstantiiert ansehe, hat sich zugleich ihre Absicht ergeben, die geltend gemachte Schadenshöhe nicht zu akzeptieren. Dies reich-te gemäß § 138 Abs. 3, 4 ZPO als ausreichendes Bestreiten der Schadenshö-he aus. II[X.] Das Berufungsurteil konnte im Hinblick auf die fehlerhafte Abwägung nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 [X.] und die Zurückweisung des Bestreitens des klägerischen Vortrags zur Schadenshöhe durch die Beklagte keinen [X.] haben. Das Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststel-lungen treffen kann. Dadurch erhält das Berufungsgericht auch Gelegenheit, 30 - 14 - seine Entscheidung über die Anschlussberufung der [X.] im [X.] zum Ausdruck zu bringen, was bisher, wie die Revision zu Recht rügt, unter-blieben ist. [X.] [X.] [X.] Pauge [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 16.08.2005 - 21 C 250/05 - LG [X.], Entscheidung vom 21.07.2006 - 1 S 113/05 -

Meta

VI ZR 173/06

16.10.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2007, Az. VI ZR 173/06 (REWIS RS 2007, 1439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1439

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