Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2012, Az. II ZR 205/10

II. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6256

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BUN[X.]ESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN [X.]ES VOLKES

URTEIL
II [X.]/10
Verkündet am:

22. Mai 2012

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 723 Abs. 3; ZPO § 592
a)
[X.]ie Regelung im [X.]svertrag einer Kapitalanlagegesellschaft in der Form einer [X.] bürgerlichen Rechts, die dem nur in geringem Umfang kapital-mäßig beteiligten Anleger eine ordentliche Kündigung seiner Beteiligung erstmals nach 31 Jahren gestattet, stellt wegen des damit für den Anleger verbundenen unüberschaubaren [X.] eine unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 723 Abs. 3 [X.] dar.
b)
[X.] Urkunden (hier: eidesstattliche Versicherung des [X.] über die
Entstehung der Geschäftsgebühr), die ihrem Inhalt nach auf einen "[X.]" für die im [X.] ausgeschlossene Zeugenver-nehmung hinauslaufen, scheiden als Beweismittel im Sinne des §
592 ZPO aus.
[X.], Urteil vom 22. Mai 2012 -
II [X.]/10 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
[X.]er I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 22.
Mai 2012 durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
[X.]r.
Bergmann, die Richterin [X.] und die Richter
[X.]r.
[X.], [X.] und Sunder
für Recht erkannt:
[X.]ie Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer
51 des [X.] vom 14.
Oktober 2010 wird auf ihre Kosten zu-rückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[X.]er [X.] beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 20.
[X.]ezember 2005, die am 29. [X.]ezember 2005 angenommen wurde, an der Klägerin, einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer [X.] bürgerlichen Rechts. Er wählte unter den im Beitrittsformular angebotenen Beteiligungsmög-lichkeiten das Programm Multi
[X.] und verpflichtete sich zu monatlichen Raten-zahlungen von 50

Jahren ([X.]ssumme: 18.900

hlungsdauer von 18, 25, 30 und 40
Jahren hatte wählen können.

[X.]ie erste Rate war am 1.
Februar 2006 fällig; der [X.] zahlte ledig-lich die Raten für Februar und März 2006.

1
2
-
3
-
[X.]as Beitrittsformular enthält folgende, vom [X.] unterschriebene Widerrufsbelehrung:

Widerrufsbelehrung
Ich bin an meine auf den Abschluss der oben genannten Beitrittserklärung ge-richtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn ich sie binnen zwei [X.] widerrufe. [X.]ie M.

GbR verzichtet auf ein etwaiges vor-zeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts nach den gesetzlichen Bestimmungen (§§
312
d Abs.
3, 355 Abs.
3 [X.]). Mit dem Widerruf meiner Willenserklärung kommt auch meine Beteiligung an der M.

GbR nicht wirksam zustande.
Form des Widerrufs
[X.]er Widerruf muss in Textform (z.B. Brief, Fax) erfolgen. [X.]er Widerruf muss keine Begründung enthalten.
Fristablauf
[X.]er Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem ich diese [X.] unterschrieben habe und [X.]

ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und

mein schriftlicher [X.]santrag oder eine Abschrift der [X.] bzw. meines [X.] zur Verfügung ge-stellt wurden.
Zur
Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Adressat des Widerrufs
[X.]er Widerruf ist zu senden an die M.

GbR c/o Privatbank R.

GmbH
&
[X.]o.
[X.], G.

str.

,

M.

, Telefon: (0

)
6

, Fax: (0

) 6
Widerruf bei bereits erhaltener Leistung
Habe ich vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits Leistungen von der M.

GbR und/oder der Privatbank R.

GmbH
&
[X.]o.
[X.] erhalten, so kann ich mein Widerrufsrecht dennoch ausüben. Widerrufe ich in diesem Fall, so muss ich empfangene Leistungen jedoch binnen 30 Tagen an die M.

GbR bzw. Privatbank R.

GmbH
&
[X.]o. [X.] zurückgewäh-ren und der M.

GbR bzw. Privatbank R.

GmbH
&
[X.]o.
[X.] die von [X.] aus den Leistungen gezogenen Nutzungen her-ausgeben. [X.]ie Frist beginnt mit Absendung des Widerrufs.
3
-
4
-
Kann ich die von der M.

GbR bzw. Privatbank R.

GmbH
&
[X.]o.
[X.] [X.] gegenüber erbrachten Leistungen ganz oder teilweise nicht zurückgewähren -
beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der [X.] Leistungen ausgeschlossen ist
-, so bin ich verpflichtet, insoweit Werter-satz zu leisten. [X.]ies gilt auch für den Fall, dass ich die von der M.

GbR bzw. Privatbank R.

GmbH
&
[X.]o.
[X.] erbrachten Leistun-gen bestimmungsgemäß genutzt habe. [X.]ie Verpflichtung zum Wertersatz kann ich vermeiden, wenn ich die Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nehme.

Regelungen:

10.
Mindestlaufzeit des [X.]s

[X.]ie Mindestbeteiligungsdauer beträgt beim Beteiligungsprogramm Multi
A 12
Jahre. Beim [X.], [X.] und [X.] entspricht die Mindestbetei-
ligungsdauer jeweils der Rateneinzahlungsdauer zuzüglich eines weiteren Jah-
res (Ruhejahr).

11. [X.]liche Kündigungsbedingungen
Eine ordentliche Kündigung der Beteiligung ist nach Maßgabe des [X.] mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Geschäftsjah-res, in dem die gewählte [X.] endet, ganz oder teilweise möglich. [X.]ie Kündigungsmöglichkeit besteht beim Beteiligungsprogramm Multi
A zum Ende des 12. [X.] und danach jeweils zum Ende des 19., 26., 31. oder 41.
[X.]. Beim Beteiligungsprogramm Multi
B, [X.] und [X.] be-steht die Kündigungsmöglichkeit jeweils zum Ende des 19., 26., 31. oder 41.
[X.]. [X.]arüber hinaus besteht ein Sonder-Teilkündigungsrecht bei Vollendung des 65.
Lebensjahres, wenn die [X.] 25
Jahre [X.] erbracht wurden. [X.]ie restliche Einzahlungsverpflichtung besteht in

12. Stornobeitrag

en, wenn sie die Einlage [X.] erbringen und 12 Jahre ihren vertraglichen [X.] nachgekommen sind, schriftlich die Freistellung von der ausstehenden Einzahlungsverpflichtung be-antragen. Im Fall der Beitragsfreistellung schuldet der [X.]er einen 4
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-
Stornobeitrag, der die Kosten, die für die nicht mehr zu leistenden Einlagen durch den Abschluss des [X.] und die Kosten, die durch die Beitragsfreistellung entstanden sind, umfasst.

Mit ihrer im [X.] erhobenen Klage verlangt die Klägerin vom [X.] die rückständigen Raten April 2006 bis
[X.]ezember 2009 (= 2.362,50

272,87

März 2010 hat der [X.] die au-ßerordentliche Kündigung des [X.] erklärt, die Beitrittser-klärung wegen
arglistiger Täuschung angefochten und deren Widerruf erklärt.

[X.]as Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläge-rin hat das [X.] die Klage hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten abgewiesen und im Übrigen festgestellt, dass die Forderung der Klägerin gegen im Rahmen der Berechnung des Abfindungsanspruchs des [X.] einzu-stellen sei. Es hat darüber hinaus dem [X.] die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Klägerin gegen das Berufungsurteil, soweit es sie [X.].

Entscheidungsgründe:

[X.]ie Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

[X.] [X.]as Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:

5
6
7
8
-
6
-
[X.]er [X.] habe den [X.] weder wirksam angefochten noch wirk-sam widerrufen. Aufklärungspflichten oblägen bei einer Publikumsgesellschaft dem [X.] und ihre Verletzung werde der [X.] nicht zugerechnet. Ein gesetzliches Widerrufsrecht stehe dem [X.] nicht zu, da er sich den [X.] selbst vermittelt habe. [X.]as ihm in der Beitrittserklärung [X.] vertragliche Widerrufsrecht habe er nicht fristgerecht ausgeübt. Er habe seine Beteiligung jedoch mit Schriftsatz vom 4.
März 2010 wirksam ge-mäß § 723 Abs. 1 Satz 1 [X.] gekündigt, da der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts über einen Zeitraum von 19
Jahren gegen §
307 Abs.
2 Nr.
1 [X.] in Verbindung mit §
307 Abs.
1 [X.] verstoße. Infolge der Kündigung erlö-sche das [X.]sverhältnis ex nunc und werde die Auseinandersetzung zwischen dem ausscheidenden und den anderen [X.]ern ausgelöst. Einzelforderungen könnten grundsätzlich nicht mehr isoliert geltend gemacht werden und demnach unterliege die Forderung der Klägerin auf die rückständi-gen Raten der [X.]urchsetzungssperre. [X.]ie Klage sei aber nicht insgesamt abzu-weisen, weil in der klageweise Geltendmachung der Forderung ohne weiteres auch ein entsprechendes Feststellungsbegehren enthalten sei, dass die Forde-rung in die zu erstellende Auseinandersetzungsrechnung einzustellen sei. [X.]ie Klägerin habe keinen Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Kosten, da sie ihren Anspruch, den der [X.] bestritten habe, nicht mit den im [X.] zulässigen Beweismitteln bewiesen habe.

I[X.] [X.]ie dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. [X.]as Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die vertragliche Kündigungsbeschränkung unwirksam war mit der Folge, dass der [X.] sein Beteiligungsverhältnis am 4.
März 2010 wirksam gekündigt hat.

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7
-
1. [X.]ies folgt jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht daraus, dass die Kündigungsbeschränkung in Nummer
11 der [X.] zum Nachteil des Verbrauchers von einem gesetzlichen Leit-bild abweicht (§
307 Abs.
2 Nr.
1 [X.]). §
723 [X.] geht, anders als das [X.] meint, nicht von dem gesetzlichen Leitbild einer jederzeit ordentlich kündbaren [X.] aus. [X.]ort sind vielmehr lediglich die Kündigungs-regelungen für die unterschiedlichen, jedoch gleichwertig nebeneinanderste-henden Formen der unbefristeten und der befristeten [X.] aufge-führt.

2. [X.]ie Beschränkung des Kündigungsrechts des [X.] verstößt [X.] gegen § 723 Abs. 3 [X.].

a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], dass aufgrund der allgemeinen [X.]sfreiheit rechtsgeschäftliche Bindungen über einen langen Zeitraum eingegangen werden
können. Eine Grenze bilden lediglich §§
138, 242, 723 Abs.
3 [X.] und gegebenenfalls §
307 Abs.
1 [X.]. Eine langfristige Bindung ist dann sittenwidrig, wenn durch sie die persönliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit so beschränkt wird, dass die eine Seite der anderen in einem nicht mehr hinnehmbaren Übermaß "auf Gedeih und [X.]" ausgeliefert ist. Maßgebend ist eine Abwägung der jeweiligen vertragsty-pischen und durch die Besonderheiten des Einzelfalls geprägten Umstände (vgl. [X.], Urteil vom 21.
März
2005 -
II
ZR
140/03, [X.], 753, 756 m.w.[X.]). [X.]iese Abwägung führt vorliegend dazu, die [X.]sbindung des [X.] als eine gegen §
723 Abs.
3 [X.] verstoßende, unzulässige Kündi-gungsbeschränkung zu bewerten mit der Folge, dass der [X.] sich jeder-zeit durch Kündigung von seiner Beteiligung an der Klägerin lösen konnte.

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8
-
b) [X.]abei ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der [X.] nach den vertraglichen Bedingungen nicht von einer 19-jährigen, sondern von einer 31-jährigen Befristung
der Beteiligung des [X.] als [X.] der Klägerin auszugehen. [X.]er [X.] kann die Auslegung selbst vornehmen, da die Verbraucherinformationen über den Bereich des [X.] verwendet wurden und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Ausle-gung besteht (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 19. Juli 2011 -
II ZR 300/08, [X.], 1657 Rn. 46; Urteil vom 27. November 2000 -
II ZR 218/00, [X.], 243, 244 jew. m.w.[X.])

Nach Nummer
10 der Verbraucherinformationen entsprach die Mindest-laufzeit des [X.]s des [X.] mit der Klägerin der gewählten [X.] zuzüglich eines Ruhejahres. [X.]er [X.] hatte eine [X.] von 30
Jahren gewählt. Nach Nummer
11 Satz 1 der [X.] war bei dem gewählten Beteiligungsprogramm
[X.] eine or-dentliche Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Ge-schäftsjahres, in dem die "gewählte [X.]" endet, möglich. Nach Satz 3 dieser Verbraucherinformation besteht die Kündigungsmöglichkeit u.a. beim Beteiligungsprogramm
[X.] zum Ende des 19., 26., 31. oder 41.
"Beteili-gungsjahres". Aus der Zusammenschau der Regelungen in den Nummern
10 und 11 folgt, dass derjenige, der 30
Jahre als Mindestlaufzeit (=
Beteiligungs-jahre) gewählt hat, erst zum Ende des 31.
[X.] kündigen konnte.

c) Eine Befristung von 31
Jahren stellt unter den hier gegebenen Um-ständen eine nach §
723 Abs.
3 [X.] unzulässige Kündigungsbeschränkung dar. §
723 Abs.
3 [X.] kann auch bei überlangen Befristungen von Gesell-schaftsverträgen eingreifen.

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-
9
-
aa) Im [X.] an die Entscheidung des [X.]s vom 17.
Juni 1953 (II
ZR
205/52, [X.]Z 10, 91, 98), derzufolge §
723 Abs.
3 [X.] sich nicht auf zeitliche Beschränkungen, sondern auf andere Erschwerungen oder den völli-gen Ausschluss des Kündigungsrechts bezieht, entsprach es der früher herr-schenden Meinung, dass Befristungen in [X.]sverträgen zwar nicht auf die Lebenszeit eines [X.]ers (§
724 [X.]), im Übrigen aber zeitlich un-beschränkt vereinbart werden konnten (vgl. [X.], [X.], 4.
Aufl., §
24 I, 5; [X.], [X.] 148 (1984), 503, 520; [X.], Festschrift [X.], S.
631, 646
f.; weitere Nachweise bei [X.]/[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
723 Rn.
133). Als Grenze einer nicht mehr hinnehmbaren [X.]sdauer wurde [X.] ein Verstoß gegen §
138 Abs.
1 [X.] anerkannt.

Mit Urteil vom 18.
September 2006 (II
ZR
137/04, [X.], 2316
ff.) hat der [X.] entschieden, dass dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden kann. Bereits im Urteil vom 11.
Juli 1968 (-
II
ZR
179/66, [X.]Z 50, 316, 321
f.) hatte der [X.] den Zweck des §
723 Abs.
3 [X.] darin gesehen, [X.] über die Beschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts die [X.] zu versagen, bei denen die Bindung der [X.]er an die [X.] zeitlich ganz unüberschaubar ist und infolgedessen ihre persönliche und wirt-schaftliche Betätigungsfreiheit unvertretbar eingeengt wird. Hierin ist ihm die Literatur ganz überwiegend gefolgt (vgl.
[X.]/H.P.
Westermann, [X.], 13.
Aufl., §
723 Rn.
22; [X.], [X.]srecht
II, S.
272
f.; [X.] Komm[X.]/[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
723 Rn.
65 m.w.[X.]). Eine derartige zeitli-che Unüberschaubarkeit mit den entsprechenden nachteiligen Folgen für die persönliche Freiheit des [X.]ers besteht nicht nur bei unbefristeten oder diesen wegen der Unbestimmbarkeit der [X.]slaufzeit gleichstehenden [X.], sondern auch bei zeitlich befristeten [X.]sverträ-gen, bei denen die vertragliche Bindung von so langer [X.]auer ist, dass bei Ver-17
18
-
10
-
tragsschluss die Entwicklung und damit die Auswirkungen auf die [X.] unübersehbar sind. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die Freiheit des Einzelnen zu wahren, können bei bestimmten [X.]sverträgen den Ausschluss einer übermäßig langen Bindung erfordern, wenn diese in ihrer praktischen Wirkung einem Kündigungsausschluss für unbestimmte Zeit gleich-kommt (vgl. [X.], Urteil vom 18.
September 2006 -
II
ZR
137/04, [X.], 2316 Rn.
11 m.w.[X.]).

[X.]ie Frage, wo die zeitliche Grenze einer zulässigen Zeitbestimmung ver-läuft, lässt sich nicht allgemein, sondern nur anhand der Umstände des Einzel-falls beantworten. Hierbei sind außer den schutzwürdigen Interessen der [X.] [X.]er an absehbaren, einseitigen, ohne wichtigen Grund ge-währten Lösungsmöglichkeiten auch die Struktur der [X.], die Art und das Ausmaß der für die Beteiligten aus dem [X.]svertrag folgenden Pflichten sowie das durch den [X.]szweck begründete Interesse an möglichst langfristigem Bestand der [X.] zu berücksichtigen (siehe [X.]/[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
723 Rn.
66 m.w.[X.]).

bb) [X.]ie danach erforderliche Interessenabwägung führt hier zur [X.] der [X.]sbindung von 31
Jahren.

Zwar setzt die als Kapitalanlage konzipierte [X.] notwendiger-weise eine längere Laufzeit voraus. Auch stellt die monatliche Belastung mit einer Zahlung in Höhe von 52,50

r-mäßige Einschränkung der Handlungsfreiheit eines Anlegers dar. Nicht [X.] bleiben darf bei der Abwägung auch, dass der [X.] in Kenntnis seines Alters nicht die geringere Laufzeit von 18
Jahren, sondern freiwillig eine Ratenzahlungsdauer bis zu seinem 75.
Lebensjahr gewählt hat. Gleichwohl 19
20
21
-
11
-
vermag auch unter Berücksichtigung all dessen der Umstand, dass nach zwölf Jahren die Beitragsfreistellung beantragt werden kann, nichts an der Unzuläs-sigkeit einer 31-jährigen [X.]sbindung zu ändern. [X.]enn der [X.] würde dadurch nur von seiner Einzahlungspflicht befreit, bliebe jedoch [X.]er der Klägerin und wäre für weitere 19
Jahre der unbeschränkten, persönlichen Außenhaftung mit seinem gesamten Vermögen (§
128 HGB analog) ausge-setzt. [X.]iesem grundsätzlich unbegrenzten, von einem nur kapitalistisch beteilig-ten Anleger nicht überschaubaren Haftungsrisiko über
einen Zeitraum von 31
Jahren steht, wie die geringe Ratenhöhe zeigt, wirtschaftlich nur eine Betei-ligung des [X.]ers
in geringem Umfang gegenüber.
Angesichts dessen wird der [X.]er durch das unüberschaubare [X.] in seiner persönlichen und wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit in einem Ausmaß beeinträchtigt, das zwar noch nicht die Grenze der Sittenwidrig-keit nach §
138 [X.] überschritten haben mag, das aber durch keine Interessen der [X.] an seinem Verbleib
gerechtfertigt ist und sich demnach als eine unzulässige Umgehung des in §
723 Abs.
3 [X.] verbotenen Kündigungs-ausschlusses darstellt. In diesem unüberschaubaren Haftungsrisiko liegt der Unterschied zu dem mit Urteil vom 21.
März 2005 -
II
ZR
140/03, [X.], 753 entschiedenen Fall eines stillen [X.]ers, der sich zudem nur für zwölf Jahre gebunden hatte.

d) [X.]er [X.] war am 4.
März 2010 zur ordentlichen Kündigung [X.]. [X.]ie Rechtsfolge eines Verstoßes gegen §
723 Abs.
3 [X.] besteht in der Nichtigkeit (nur) der entgegenstehenden Kündigungsbeschränkung. An die Stelle der nichtigen Kündigungsregelung tritt [X.] Recht (vgl. [X.], Ur-teil vom 18.
September 2006 -

II
ZR
137/04, [X.], 2316 Rn.
21; Urteil vom 13.
Juni 1994 -
II
ZR
259/92, [X.], 1180, 1182), das heißt der [X.] kann seine Beteiligung jederzeit nach §
723 Abs.
1 Satz
1 [X.] ordentlich 22
-
12
-
kündigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der [X.]szweck oder die sonstigen zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen erkennen [X.], dass sie übereinstimmend eine zeitlich unbegrenzte oder lang anhaltende Bindung gewollt haben und mit der Nichtigkeit aus §
723 Abs.
3 [X.] nicht [X.] haben. In derartigen Fällen ist das Gericht befugt, den Parteiwillen durch ergänzende [X.]sauslegung, das heißt durch Festsetzung einer den Vorstellungen der Beteiligten möglichst nahe kommenden, noch zulässigen Be-fristung Rechnung zu tragen (siehe insoweit [X.], Urteil vom 18.
September 2006 -
II
ZR
137/04, [X.], 2316 Rn.
21
f.; Urteil
vom 13.
Juni 1994 -
II
ZR
259/92, [X.], 1180, 1182 f.).

Anhaltspunkte für eine derartige ergänzende [X.]sauslegung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr liegt es nach Ansicht des [X.]s nahe, dass die Parteien, wenn sie den Fall der Unwirksamkeit der Kün-digungsregelung nach §
723 Abs.
3 [X.] bedacht hätten, bei der hier vorlie-genden Form der durch monatliche Ratenzahlungen anzusparenden Kapitalan-lage, die von Aufbau und Ziel her einer Prämienzahlung zwecks Aufbau einer Kapitallebensversicherung vergleichbar ist, entsprechend §
168 [X.] eine [X.] Kündigungsmöglichkeit vereinbart hätten.

3. Einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht
der Revision ebenfalls zu Recht verneint. Abgesehen davon, dass der [X.] die Zahlung der rückständigen Raten im Hinblick auf die in Folge der Kündigung für die gegenseitigen Ansprüche eingetretenen [X.]urchsetzungssperre zu Recht verweigert hat, so dass es ohnehin an einem durchsetzbaren Verzugsschaden der Klägerin fehlt, hat das Berufungsgericht weiter zu Recht darauf hingewie-sen, dass die Klägerin den vom [X.] bestrittenen Anspruch nicht, wie im 23
24
-
13
-
[X.] erforderlich, durch Urkunden bewiesen
hat (§
592 ZPO). [X.]ie von der Klägerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung ihres [X.] reicht als urkundlicher Nachweis des Entstehens der Geschäftsge-bühr nicht aus. [X.] Urkunden wie die vorgelegte eidesstattliche Versicherung, die ihrem Inhalt nach auf einen "[X.]" für die im [X.] ausgeschlossene Zeugenvernehmung hinauslaufen, scheiden als Beweismittel im Sinne des §
592 ZPO aus (vgl. [X.], Urteil vom 18. September 2007 -
XI ZR 211/06, [X.]Z 173, 366 Rn. 16 m.w.[X.]).

4. [X.]ass das Berufungsgericht zugunsten der Revisionsklägerin eine im [X.] unstatthafte Feststellung ([X.], Urteil vom 31. Januar 1955 -
II ZR 136/54, [X.]Z 16, 207, 213; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
592 Rn.
325
-
14
-
m.w.[X.]) ausgesprochen hat, ist im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot hinzunehmen, da sich der [X.] der Revision der Klägerin nicht angeschlos-sen hat (§ 554 ZPO).

Bergmann

[X.]

[X.]

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.03.2010 -
105 [X.] 249/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.10.2010 -
51 [X.]/10 -

Meta

II ZR 205/10

22.05.2012

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2012, Az. II ZR 205/10 (REWIS RS 2012, 6256)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6256

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 205/10

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