14. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 8751
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1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 28.08.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 30.04.2020 (26 F 186/17) aufgehoben.
2. Der Antrag des Antragstellers auf Zahlung rückständigen und zukünftigen Kindesunterhaltes wird zurückgewiesen.
3. Der Antragsteller hat die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Verfahrenswert wird auf 10.537,77 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Bei den Beteiligten handelt es sich um die seit dem 31.03.2020 geschiedenen Eltern der Kinder A (geboren am xx.xx.2002) und B (geboren am xx.xx.2004). Die Beteiligten trennten sich im November 2008 bzw. Mai 2009. Die beiden Kinder lebten seitdem bei der Antragsgegnerin. Der Sohn A ist Ostern 2017 bei der Antragsgegnerin ausgezogen und wohnt seitdem dauerhaft bei dem Antragsteller. A hat weder Kontakt zu der Antragsgegnerin noch zu seiner Schwester. B hat ihrerseits keinen Kontakt zu dem Antragsteller.
Der im Jahre 1941 geborene Antragsteller ist verrentet und verfügt über monatliche Einkünfte in Höhe von rund 2.938,92 ,00 €. Im Jahr 2016 hatte der Antragsteller nach eigenen Angaben rund 30.000 € Schulden. Gegenwärtig hat er rund 42.000,00 € Schulden. Ab September 2019 erhielt der Antragsteller für A Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von monatlich 272,00 €.
Mit Antrag vom 07.07.2017 hat der Kindesvater Auskunft über das Einkommen der Antragsgegnerin und, nach Auskunftserteilung, die Zahlung von Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn der Beteiligten i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes ab Mai 2017 geltend gemacht.
Am xx.xx.2020 ist A volljährig geworden. Er ist in den Rechtsstreit nicht eingetreten.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 30.04.2020 hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller für das Kind A einen rückständigen Kindesunterhalt für die Monate von Mai 2017 bis April 2020 in Höhe von insgesamt 16.179,08 € nebst Zinsen sowie einen laufenden monatlichen Kindesunterhalt ab Mai 2020 i.H.v. 100 % des Mindestbedarfes nach der 4. Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle abzüglich des jeweils gültigen hälftigen Kindergeld für ein erstes Kind zuzüglich 136,53 € monatlich für die private Krankenversicherung zu zahlen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Beschluss vom 30.04.2020.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Abweisung des Antrages auf Zahlung von rückständigen und zukünftigen Unterhaltes. Sie rügt aufgrund der Volljährigkeit des gemeinsamen Sohnes A die fehlende Aktivlegitimation des Antragstellers. Unabhängig davon sei sie nicht leistungsfähig und damit nicht zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet.
Die Antragsgegnerin beantragt nach Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nunmehr,
unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Bergisch Gladbach - 26 F 186/17 - vom 30.04.2020, zugestellt am 07.05.2020, den Antrag des Beschwerdegegners auf Zahlung von Kindesunterhalt sowohl für die Zeit ab dem 03.05.2017 also für die Zukunft ab Mai 2020 abzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat eine auf den 29.08.2020 datierte Abtretungserklärung des Sohnes A für rückständige Ansprüche bis zum August 2020 vorgelegt.
Er ist der Ansicht, aufgrund der erfolgten Abtretung der Ansprüche für die Fortführung des Verfahrens aktivlegitimiert zu sein. Weiter beständen gegen die Zugrundelegung fiktiver Einkünfte weder dem Grunde noch der Höhe nach Bedenken, da die Antragsgegnerin nachhaltig und dauerhaft ihre Erwerbsobliegenheit verletzt habe.
Der Senat hat mit Beschluss vom 13.08.2020, mit dem der Antragsgegnerin für die beabsichtigte Beschwerde ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, und mit Verfügung vom 12.01.2021 auf seine Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit der eingelegten Beschwerde hingewiesen.
II.
Die aufgrund der erfolgten Wiedereinsetzung zulässig erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin ist in der Sache begründet. Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Kindesunterhaltsansprüche gegenüber der Antragsgegnerin nicht zu.
1. Soweit der Antragsteller Unterhalt für den volljährigen Sohn A ab April 2020 begehrt, ist dieser Antrag unzulässig. Der gemeinsame Sohn A, geboren am xx.xx.2002, war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts am 30.04.2020 bereits volljährig. Damit ist der Antragsteller nicht mehr berechtigt, im Wege der Verfahrensstandschaft zu handeln. § 1629 Abs. 3 BGB gilt nur für ein gemeinschaftliches minderjähriges Kind (BeckOK BGB/Veit, 54. Ed. 1.11.2019, BGB, § 1629, Rn. 85). Wird das Kind während des Verfahrens volljährig, entfällt mit dem Eintritt der Volljährigkeit die Verfahrensstandschaft (BGH, Urteil vom 19.06.2013 - XII ZB 39/11 -, FamRZ 2013, 1378) und die erhobene Klage wird auch bezüglich der für die Vergangenheit geltend gemachten Unterhaltsansprüche unzulässig (BeckOK BGB/Veit, 54. Ed. 1.11.2019, BGB, § 1629, Rn. 92 f; MüKoBGB/Huber, 8. Aufl. 2020, BGB, § 1629, Rn. 83 m.w.N.; Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., 2015, § 1629, Rn. 11 m.w.N.; OLG Hamm Urteil vom 09.02.1990 – 5 UF 352/89 –, BeckRS 2007, 18588).
2. Der Antrag des Antragstellers aus abgetretenen Recht auf Zahlung rückständigen Unterhalts für den Zeitraum von Mai 2017 bis zur Volljährigkeit des Sohnes A im April 2020 ist jedenfalls unbegründet. Die auf den 29.08.2020 datierte Abtretungserklärung, mit dem der Sohn A in der Vergangenheit liegenden Ansprüche auf Unterhalt an den Antragsteller abgetreten hat, ist gemäß § 400 BGB unwirksam mit der Konsequenz, dass der Antragsteller nicht berechtigt ist, rückständigen Unterhalt im eigenen Namen von der Antragsgegnerin zu fordern.
a) Gemäß § 400 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Das ist bei unterhaltsrechtlichen Ansprüchen gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO der Fall (vgl. hierzu auch NK-BGB/Bernhard Kreße, 3. Aufl. 2016, BGB, § 400, Rn. 2). Sinn dieser Vorschrift ist die sozialpolitische Schutzbedürftigkeit des Gläubigers (hier: des unterhaltsberechtigten Kindes), dessen finanzielle Lebensgrundlage erhalten bleiben soll (vgl. BeckOK BGB/Rohe, 56. Ed. 1.11.2020, BGB, § 400, Rn. 1). Einhellig anerkannt ist indes in Rechtsprechung und Literatur, dass mangels eines Schutzbedürfnisses des Gläubigers dieser Ausschluss eines Abtretungsverbotes einzuschränken ist, wenn der Zessionar seinerseits dem Zedenten die Leistungen erbringt, deren Erhalt das Pfändungsverbot sicherstellen will (vgl. Roth/Kieninger in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 400, Rn. 7. m.w.N.). In diesem Falle ist ein Abtretungsverbot im Wege der teleologischen Reduktion des § 400 BGB nicht anzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2013 - XII ZB 192/11 -, NJW 2013, 2592, Rn. 26; Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 11.10.2001 - 4 U 20/01 -, FamRZ 2002, 1189). Gleichgültig ist dabei, ob diese Leistungen freiwillig (auf vertraglicher Grundlage) oder auf Grund gesetzlicher Verpflichtung erbracht werden, wichtig aber, dass sie tatsächlich erbracht werden und dass sie die Bedürfnisse befriedigen, deren Schutz die Unpfändbarkeitsregelung bezweckt. Zu beachten ist weiter, dass die Ausnahme vom Abtretungsverbot unter Begründungszwang steht. Konkret bedeutet dies, dass das Merkmal einer „wirtschaftlich gleichwertigen Leistung“ ernst zu nehmen ist, um Missbrauch zu verhindern (NK-BGB/Bernhard Kreße, 3. Aufl. 2016, BGB, § 400, Rn. 6).
b) Danach ist eine Abtretung der Ansprüche auf rückständigen Kindesunterhalt durch das Kind A an den Antragsteller dann möglich, wenn der Antragsteller in der Vergangenheit auch für den Barunterhalt von A in der von der Antragsgegnerin geschuldeten Höhe (zwischen 500,53 € und 515,53 € monatlich) aufgekommen wäre. Davon ist vorliegend jedoch entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht auszugehen.
Grundsätzlich besteht zwar eine Vermutung dafür, dass der Antragsteller den Barbedarf des Kindes in Höhe seines Unterhaltsanspruchs gedeckt hat, da A bei ihm gelebt hat und der Barbedarf nach der niedrigsten - ersten - Gruppe der Düsseldorfer Tabelle zu berechnen war (vgl. Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 11.10.2001 - 4 U 20/01 -, FamRZ 2002, 1189). Diese Vermutung ist jedoch vorliegend schon aufgrund des eigenen Vortrages des Antragstellers im laufenden Unterhaltsverfahren entkräftet. Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung 09.05.2019 selber erklärt, 2016 mindestens 30.000,00 € Schulden gehabt zu haben. Weiter ist er dem Vortrag der Antragsgegnerin im gleichen Termin, nach dem sie ihm einen Vorschuss i.H.v. 10.000,00 € gezahlt habe, um zumindest die dringendsten Schulden begleichen zu können, nicht entgegengetreten. Daraus muss der Senat schließen, dass sich der Antragsteller schon im Jahre 2016 in prekären finanziellen Verhältnissen befunden hat. Weiter ergibt sich aufgrund der eingereichten VKH-Unterlagen, dass sich die finanzielle Lage des Antragstellers in der Folgezeit nicht verbessert haben kann. Denn aus dem Verfahrenskostenhilfeantrages des Antragstellers vom 20.11.2020 ergibt sich, dass er zu diesem Zeitpunkt noch Restschulden i.H.v. 37.000,00 € abzuzahlen hatte. Hintergrund dieser Restschulden sind unter anderem ein Darlehensvertrag der C GmbH vom 02.05.2017 über einen Gesamtbetrag in Höhe von 21.482,77 €, einen weiteres Darlehen über einen Gesamtbetrag von 32.707,42 € bei der D mit einem ersten Zahlungstermin vom April 2020, eine Teilzahlungsvereinbarung vom Januar 2020 über einen Gesamtbetrag in Höhe von 952,83 €, Restschulden bei der E in Höhe von rund 4.250,00 €, wobei ursprünglich rund 8.000,00 € zu zahlen waren und schließlich ein Sollbetrag zum 15.11.2020 auf dem Girokonto in Höhe von 15.594,82 €. Schon aus dem Darlehensvertrag mit der C GmbH ist zu schlussfolgern, dass sich der Antragsteller zum Zeitpunkt des Umzuges des Sohnes A vom Haushalt der Antragsgegnerin in den Haushalt des Antragstellers (Ostern 2017) nicht in einer finanziellen Situation befand, die es ihm ermöglichte, den Sohn A ohne die Aufnahme eines zusätzlichen Darlehens zu versorgen. Die weiteren erheblichen Rückstände und der Abschluss eines erneuten Darlehensvertrages Anfang 2020 über einen erheblichen Darlehensbetrag zeigen, dass sich die finanzielle Situation des Antragstellers in den folgenden Jahren nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert hat. Dies wird auch durch den Umstand belegt, dass der Antragsteller im frühen Herbst des Jahres 2019 für den gemeinsamen Sohn A Unterhaltssicherung beantragte und diese auch bewilligt erhielt.
Angesichts dieser erheblichen und offensichtlich durchgängig gegebenen Schulden des Antragstellers und des Umstandes, dass es sich bei der Annahme der Abtretbarkeit entgegen der gesetzlichen eindeutigen Formulierung des § 400 BGB um eine von der Rechtsprechung vorgenommene teleologische Reduktion handelt, die zurückhaltend anzuwenden ist, damit der gesetzliche Zwecke nicht gefährdet wird, fehlt es vorliegend an den Grundlagen für die Vermutung, dass der Antragsteller im Hinblick auf die Unterhaltsansprüche des Sohnes in voller Höhe in Vorlage getreten ist und dessen vollen Unterhalt durch eigene Leistungen sichergestellt hat. Zu beachten ist insoweit weiter, dass die Gewährung von Wohnraum und Verpflegung für eine solche Annahme nicht ausreicht (vgl. BeckOK BGB/Rohe, 56. Ed. 1.11.2020, BGB § 400 Rn. 8 m.w.N.).
Nach alledem ist die Beschwerde begründet und die Anträge des Antragstellers unterliegen der Abweisung.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 242 FamFG. Die Verfahrenswertfestsetzung ergibt sich aus §§ 51 Abs. 1, 2, 41 FamGKG.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Meta
11.02.2021
Oberlandesgericht Köln 14. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: UF
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 11.02.2021, Az. 14 UF 88/20 (REWIS RS 2021, 8751)
Papierfundstellen: REWIS RS 2021, 8751
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Amtsgericht Bergisch Gladbach, 26 F 186/17, 30.04.2021.
Amtsgericht Bergisch Gladbach, 26 F 186/17, 16.04.2020.
Oberlandesgericht Köln, 14 UF 88/20, 11.02.2021.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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