Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2016, Az. VIII ZB 25/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8402

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:120716BVIIIZB25.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 25/15
vom
12. Juli 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 3, Art. 20 Abs. 3; ZPO § 85, § 139, § 220, § 227, § 331, § 333, § 336, §
337; [X.] VV Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3
a)
Die Fiktion des §
333 ZPO kommt auch im Rahmen des § 337 ZPO zum Tragen, so dass der Erlass eines Versäumnisurteils unzulässig ist, wenn eine erschienene [X.] nicht verhandelt und deshalb gemäß § 333 ZPO als nicht erschienen gilt, sofern die darin liegende Säumnis als
im Sinne des §
337 Satz 1 Alt.
2 ZPO ent-schuldigt gilt.
b)
Die vom Gesetzgeber mit dem [X.] gemäß §§
114
ff. ZPO getroffenen Vorkehrungen begründen keinen generellen Ablaufvorrang des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens vor dem
Hauptsacheverfahren. Eine be-dürftige [X.] kann bei einem noch nicht abgeschlossenen Prozesskostenhilfe-prüfungsverfahren ein Zuwarten mit dem Fortgang des Hauptsacheverfahrens vielmehr nur dann beanspruchen, wenn gerade die Mittellosigkeit ihr die [X.] der zur Wahrung ihrer Rechtsposition erforderlichen Prozesshandlungen, wie sie einer bemittelten [X.] in der jeweiligen Prozesssituation zu Gebote stünden, verwehren oder unverhältnismäßig erschweren würde.

[X.], Beschluss vom 12. Juli 2016 -
VIII ZB 25/15 -
[X.]

[X.]

-
2

Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat am 12. Juli
2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger,
[X.]
Achilles
und Dr.
[X.], die Richterin Dr.
Fetzer und den Richter Kosziol

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin werden die Beschlüsse des [X.] vom 25. Mai 2015 und des [X.] vom 25. Februar 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Erlass eines Versäumnisurteils an das [X.] zu-rückverwiesen, das auch
über die Kosten des Beschwerdeverfah-rens
zu befinden hat.
Dem Beklagten
wird
unter Beiordnung der Rechtsanwälte [X.] und Rinkler Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bewilligt.
Gegenstandswert der Rechtsb

Gründe:
I.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht [X.] aus einem vorzeitig beendeten Leasingvertrag über einen PKW [X.] geltend. Der Beklagte hat Prozesskostenhilfe beantragt und seine Rechtsverteidigung gegen die Klage im Wesentlichen darauf gestützt, dass er 1
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anders als im Leasingantrag angegeben -
kein Unternehmer, sondern als Be-zieher von Berufsunfähigkeitsrente Verbraucher sei und deshalb mangels Wi-derrufsbelehrung den Leasingvertrag wirksam widerrufen habe. Zudem sei die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft und die Abtretung der Forderung an die Klägerin unwirksam.
Sein Prozesskostenhilfegesuch ist vor Ablauf einer ihm gesetzten Frist zur Nachreichung von Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen am 28. Januar 2015 vom [X.] mangels nachgewiesener Bedürftigkeit zurückgewiesen worden. Hiergegen hat der Beklagte am 29. Ja-nuar 2015 sofortige Beschwerde erhoben, der das [X.] mit Beschluss vom
4. Februar 2015 nicht abgeholfen hat. Der
Nichtabhilfebeschluss, der dem Prozessbevollmächtigten am Nachmittag desselben Tages
mittels Telefax
zu-gegangen ist, ist nunmehr
auf eine
fehlende Erfolgsaussicht des Verteidigungs-vorbringens gestützt
worden.
In dem
bereits bei
Eingang der Anspruchsbegründung
vom [X.] anberaumten frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 5.
Februar 2015 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nach vorange-gangener Erörterung des Sach-
und Streitstandes erklärt, nicht auftreten
zu
wollen, sondern zunächst eine Entscheidung des [X.] über den abgelehnten Prozesskostenhilfeantrag zu begehren. Ferner hat er die Gewäh-rung einer dreiwöchigen Schriftsatzfrist zwecks Stellungnahme zu dem Nicht-abhilfebeschluss beantragt. Die Klägerin hat den Erlass eines [X.] nach Maßgabe ihres Klagebegehrens beantragt.
Mit Beschluss vom 25.
Februar 2015 hat das [X.], das dem [X.] zuvor den beantragten
[X.] gewährt hatte,
die Verhand-lung auf den 11.
Juni 2015 vertagt und den Antrag der Klägerin auf Erlass eines 2
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Versäumnisurteils zurückgewiesen,
weil
dem Beklagten Gelegenheit zu geben
sei, zu den im Nichtabhilfebeschluss angesprochenen Punkten Stellung zu nehmen und die Möglichkeiten der bereits erhobenen sofortigen Beschwerde auszuschöpfen, bevor er sich für die Aufnahme einer streitigen Verhandlung entscheide. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete sofortige Be-schwerde der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zuge-lassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Klägerin die Aufhebung der Be-schwerdeentscheidung und des ihr zugrunde liegenden erstinstanzlichen [X.].
II.
Die gemäß §
336 Abs. 1 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass ein Vertagungsgrund im Sinne des § 337 ZPO vorgelegen habe, weil der [X.] ohne sein Verschulden "am Erscheinen verhindert"
gewesen sei. Zu der Streitfrage, ob §
337 ZPO
den in §
333 ZPO genannten Fall des Nichtverhan-delns der erschienenen [X.] erfasse, sei der Auffassung zu folgen, dass die gesetzliche Fiktion des § 333 ZPO grundsätzlich auch im Anwendungsbereich des § 337 ZPO zum Tragen komme.
Der danach als nicht erschienen geltende
Beklagte
habe jedoch
im frag-lichen Termin zu Recht und damit ohne sein Verschulden nicht verhandelt. So werde ein Verschulden etwa verneint, wenn über einen
gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch nicht entschieden oder dieser unmit-telbar vor dem Termin zurückgewiesen worden sei. Auch vorliegend sei der [X.] mit der Rechtsauffassung des Gerichts erstmals am Tag vor der mündli-chen Verhandlung konfrontiert worden. Sein Anliegen, die Entscheidung des 5
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[X.] in einem Beschwerdeverfahren abzuwarten, sei mit Blick auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs als erheblicher [X.] für seine Säumnis anzusehen. Zwar könne dahinstehen, ob das [X.] zu einem Abwarten der Beschwerdeentscheidung verpflichtet gewesen wäre. Jedenfalls sei dem Beklagten aber nach der nunmehr materiell-rechtlich begründeten Nichtabhilfeentscheidung eine angemessene, hier aber nicht ge-wahrte
Überlegungsfrist für sein weiteres prozessuales Vorgehen zuzubilligen gewesen.
2. Diese
Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem ent-scheidenden Punkt nicht stand.

Nach § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Alt. 1 ZPO ist in Fällen, in denen der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil beantragt, das tatsächliche mündliche Vorbrin-gen des Klägers als zugestanden anzunehmen;
soweit dieses Vorbringen den Klageantrag rechtfertigt, hat das angerufene Gericht -
und zwar ohne zusätzli-chen
Entscheidungsspielraum ([X.]/Prütting, 4. Aufl., § 331 Rn.
37) -
nach diesem Antrag zu erkennen.
Allerdings
verpflichtet
§ 337 ZPO das Gericht ebenfalls, die Verhandlung über den Antrag auf Erlass des Ver-säumnisurteils
unter anderem
dann zu vertragen, wenn die [X.] ohne ihr [X.] am Erscheinen verhindert ist. Letztgenannte Voraussetzung
jedoch haben die Vorinstanzen
rechtsfehlerhaft bejaht.
a) Zu Recht ist das Beschwerdegericht allerdings davon
ausgegangen, dass §
337 Satz 1 Alt. 2 ZPO auch auf den im Termin zwar erschienenen, aber nicht verhandlungsbereiten und deshalb
im Sinne von §
333 ZPO säumigen Beklagten Anwendung findet.
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aa)
Die Anwendbarkeit des § 333 ZPO ist in
der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstritten. Einerseits wird
die Auffassung vertreten, die [X.] des §
333 ZPO komme im Rahmen des § 337 ZPO von vornherein nicht zum Tragen, weil §
337 ZPO einen Anwendungsfall des Schutzes der [X.] nicht erschienenen
[X.] in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör darstelle
und deshalb nur auf die [X.], die tatsächlich nicht erscheint, an-wendbar sei
([X.], NJW 1991, 1067;
Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 13.
Aufl., § 337 Rn. 1; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 337 Rn. 1; [X.]/[X.], ZPO, 8. Aufl., §
337 Rn. 3). Gleichwohl wird einer erschienenen [X.] teilweise auch von Vertretern dieser Auffassung das Recht zugebilligt,
bei zu kurz bemessenen Einlassungs-
oder Ladungsfristen
oder einem verspätet er-teilten Hinweis des Gerichts ohne Rechtsnachteil die Teilnahme an der [X.] zu verweigern und gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO Vertagung zu beanspruchen ([X.]/[X.], aaO; Prütting/Gehrlein/[X.], aaO).
Die gegenteilige Auffassung, die
auch der [X.] in der [X.] einem Beschluss vom 22. März 1989 ([X.], juris Rn. 1) zu-grunde gelegt hat, sieht für eine einschränkende Anwendung
des § 337 ZPO auf die tatsächlich nicht erschienene [X.] keine Veranlassung. [X.] erachtet sie den Erlass eines Versäumnisurteils für unzulässig und eine Vertagung von Amts wegen, zumindest aber auf Antrag für geboten, wenn eine erschienene
[X.] nicht verhandelt und deshalb gemäß oder zumindest analog § 333 ZPO als nicht erschienen gilt, sofern die darin liegende Säumnis
als im Sinne des §
337 Satz 1
Alt.
2 ZPO entschuldigt gilt
([X.], [X.], 418; [X.], [X.], 535, 536;
[X.]/Prütting, aaO, §
337 Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 37.
Aufl., §
337 Rn. 3; wohl auch [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl. § 337 Rn.
6).
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bb) Letztgenannte Auffassung verdient den Vorzug.

(1) Bereits seinem Wortlaut nach bestimmt §
333 ZPO ganz allgemein im Wege einer gesetzlichen Fiktion, dass ein (vollständiges)
Nichtverhandeln einer erschienenen [X.] ihrem Nichterscheinen gleich steht. Anders als etwa §
332 ZPO, der für den Begriff des Verhandlungstermins einschränkend auf die "vor-stehenden Paragraphen"
verweist, oder §
334 ZPO, der auf ein unvollständiges Verhandeln die Vorschriften des das Versäumnisurteil betreffenden Titels nicht angewandt wissen will, findet sich in § 333 ZPO kein geltungsbeschränkender Hinweis. Ebenso wenig bietet der Wortlaut des §
337 ZPO einen Anhalt dafür, dass
die Fiktion des § 333 ZPO unberücksichtigt bleiben
sollte.
(2) Dieses in Wortlaut und Systematik des Titels zum Versäumnisurteil (§§
330 ff. ZPO)
zum Ausdruck kommende Verständnis des
Nichtverhandelns als kennzeichnendes Merkmal eines zur Säumnis führenden
Nichterscheinens findet darüber hinaus eine Entsprechung in §
220 Abs. 2 ZPO. Danach ist der Termin von einer [X.] versäumt, wenn sie bis zum Schluss des Termins nicht verhandelt. Die zum Erlass eines Versäumnisurteils berechtigende Säumnis
tritt nach dieser Bestimmung also gleichermaßen sowohl durch Nichtauftreten als auch Nichtverhandeln ein, es sei denn, die hiernach säumige [X.] macht bis zum Schluss des Termins von der Möglichkeit des Verhandelns Gebrauch, um dadurch
die Säumnis zu beenden und den Erlass eines Versäumnisurteils ab-zuwenden ([X.], Urteile vom 24. Januar 1952

[X.], [X.]Z 4, 328, 340; vom 15. Dezember 1992

[X.], NJW
1993, 861 unter [X.]). Für die auf Antrag zum Versäumnisurteil führende Säumnis kommt es also nicht ent-scheidend auf die An-
oder Abwesenheit
der [X.]
im Termin, sondern auf ihr
Verhandeln an. Nichts anderes kann für die
nachgelagerte Frage gelten, ob die im Nichterscheinen oder Nichtverhandeln bestehende Säumnis entschuldigt ist
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und deshalb dem Erlass eines beantragten Versäumnisurteils gemäß § 337 ZPO entgegensteht.
(3) Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 337 ZPO zwischen den von ihm ansonsten gleich behandelten Fälle des Nichter-scheinens oder Nichtverhandelns differenzieren und nur die entschuldigt nicht erschienene [X.] für schutzbedürftig erachten wollte, der ohne ihr [X.] nicht verhandelnden [X.] dagegen die Hinnahme eines Versäumnisurteils zumuten wollte, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere lässt sich auch der Geset-zesbegründung dahin nichts entnehmen (vgl. BT-Drucks. 7/5250, S. 11).
b) Von [X.] beeinflusst ist dagegen
die Annahme des Be-schwerdegerichts, der Beklagte habe im Streitfall ohne sein Verschulden nicht verhandelt, weil ihm eine Überlegungsfrist zur Reaktion auf die am Nachmittag vor dem Verhandlungstermin im Prozesskostenhilfeverfahren zugegangene
und
erstmals auf eine fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung gestützte Nichtabhilfeentscheidung einzuräumen gewesen sei.
aa) Allerdings wird in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum ver-breitet die auch vom Beschwerdegericht geteilte Ansicht vertreten, wonach der unbemittelten [X.] nach Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs zur [X.] des weiteren Kostenrisikos zwecks Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, zumindest aber aus Gründen der prozessualen Fairness jedenfalls ei-ne angemessene
Überlegungsfrist eingeräumt und vertagt werden müsse (OLG
Dresden, OLGR
1996, 71, 72; [X.], NJW-RR 2003, 1078, 1079; [X.], NJW-RR 2014, 194
f.) beziehungsweise es in der Regel [X.] geboten sei, mit der Hauptsache bis zur Entscheidung über eine eingelegte Beschwerde innezuhalten ([X.], FamRZ
2011, 1971, 1972; E.
[X.], [X.] 1985, 375, 377; Musielak/[X.]/[X.], aaO, § 127 Rn. 14; 16
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MünchKommFamFG/[X.], 2. Aufl., § 76 Rn. 142; jeweils mwN). Hierbei wird die Aufgabe eines Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens verkannt. Zudem
würde
diese Ansicht
im Streitfall zu einer sachlich nicht gerechtfertigten [X.] des Beklagten gegenüber einer bemittelten [X.] führen.
bb) Zwar gebietet
Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats-prinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) eine weitgehende Angleichung der Situation von [X.] und [X.]n bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes, weshalb [X.]n

was auch
das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat -
die Rechtsverfolgung und -verteidigung im Vergleich zu [X.] nicht unverhältnismäßig erschwert werden
darf. Der [X.] muss daher
grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch [X.] können wie ein Bemittelter, der seine Aussichten vernünftig abwägt und dabei auch sein Kostenrisiko berücksichtigt ([X.], NJW 2012, 3293 Rn. 11; NJW 2010, 988 Rn. 9; jeweils mwN).
(1) Die dafür vom Gesetzgeber mit dem [X.] gemäß §§
114 ff. ZPO getroffenen
Vorkehrungen begründen jedoch zum einen keinen generellen Ablaufvorrang des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens vor dem Hauptsacheverfahren, wie dies teilweise vertreten wird (dazu vorstehend unter [X.] [X.]). Denn das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein selbständiges Verfahren, welches das bereits rechtshängige Verfahren in der Hauptsache nicht unterbricht und dessen Erledigung daher grundsätzlich auch nicht zu einer Verzögerung des [X.] führen darf, so dass ein

wie hier -
schwebendes Beschwerdeverfahren über die Prozesskostenhilfeentscheidung den Fortgang in der Hauptsache nicht ohne Weiteres hindert ([X.], NJW-RR 2010, 207 Rn. 31
mwN; vgl. auch [X.]/[X.], aaO, § 127 Rn. 33). Zum an-deren steht
Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip
(Art.
20 Abs. 3 GG) auch einer Besserstellung desjenigen
entgegen, der seine 19
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Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten muss und daher von vor-neherein kein Kostenrisiko trägt, gegenüber dem [X.], der sein Kostenri-siko wägen und darauf seine Prozessführung einrichten muss ([X.], NJW 2010, 988 aaO).
(2) Eine bedürftige [X.] kann danach
ein Zuwarten mit dem Fortgang des Hauptsacheverfahrens
nur dann beanspruchen, wenn gerade die Mittello-sigkeit ihr die Vornahme der zur Wahrung ihrer Rechtsposition erforderlichen Prozesshandlungen, wie sie einer bemittelten [X.] in der jeweiligen [X.] stünden, verwehren oder unverhältnismäßig erschweren würde,
im Streitfall also das Unterbleiben
des zur Rechtsverteidigung notwendi-gen
Verhandelns
des Prozessbevollmächtigten zur
Sache gerade auf die [X.] des Beklagten zurückzuführen wäre
(vgl. [X.], NJW 2010, 2567 Rn. 18; [X.], Beschlüsse vom 16. November 2010

[X.], NJW 2011, 230 Rn. 19; vom 6. Mai 2008

[X.], [X.], 2855 Rn. 4; vom 24.
Juni 1999

[X.], NJW 1999, 3271 unter [X.] [X.], cc; jeweils mwN). Das ist indes zu verneinen.
Der Beklagte hat bei seinem Nichtverhandeln viel-mehr ein Maß an Rücksichtnahme auf seine Bedürftigkeit beansprucht, das über die gebotene Angleichung seiner Rechtsposition an diejenige einer bemit-telten [X.] hinausgeht.
(a) Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in dem betreffenden Verhandlungstermin seine nach vorangegangener Erörterung des Sach-
und Streitstandes abgegebene Erklärung, nicht auftreten zu wollen, damit begrün-det, dass er zunächst eine Entscheidung des [X.] über den ab-gelehnten Prozesskostenhilfeantrag sowie
die Gewährung einer dreiwöchigen Schriftsatzfrist zwecks Stellungnahme zu dem am Vortag ergangenen Nichtab-hilfebeschluss begehre.
Zu diesem Zeitpunkt hatte er aber im Streitfall unge-achtet der bis dahin versagten Prozesskostenhilfe mit seinem Auftreten bei der 21
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Erörterung des Sach-
und Streitstandes, auch wenn dies für ein die Säumnis hinderndes Verhandeln noch nicht ausgereicht hat (vgl.
[X.] ZPO/von [X.], Stand: März 2016, § 128 Rn. 10, § 137 Rn. 4; [X.], ZPO, 6.
Aufl., § 137 Rn. 1; jeweils mwN; ferner auch [X.], Urteil vom 6. Mai 1987

[X.], [X.]Z 100, 383, 389 f.),
eine Tätigkeit entfaltet, welche nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 VV [X.] bereits die Terminsgebühr gemäß Nr.
3104 VV
[X.] ausgelöst hatte (vgl.
[X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., Vorbem.
3 Rn. 35 f., 40 mwN).

(b) Dieser Geschehensablauf steht der Annahme, die Bedürftigkeit des Beklagten habe das unterbliebene Verhandeln seines Prozessbevollmächtigten (mit-)verursacht, entgegen. Nimmt der Prozessbevollmächtigte einer unbemit-telten [X.] nämlich ungeachtet der (noch) ausstehenden Prozesskostenhilfe-bewilligung
vergütungspflichtige Prozesshandlungen vor, ist
die unerlässliche
Kausalität zwischen der Bedürftigkeit und einer erforderlich
werdenden Pro-zesshandlung zu verneinen, wenn der Prozessbevollmächtigte zu erkennen gibt, dass er bereit ist, einen damit verbundenen
weiteren Zeit-
und/oder
Ar-beitsaufwand auf sich zu nehmen, ohne dass
die Erfüllung seines Gebührenan-spruchs durch eine Prozesskostenhilfebewilligung oder die Leistung eines an-gemessenen Vorschusses gesichert erscheinen muss
(vgl. [X.], aaO Rn.
18
f.; [X.], Beschlüsse vom 16. November 2010 -
[X.], aaO
Rn.
21; vom 6.
Mai 2008

[X.], aaO
Rn.
6 mit [X.]. [X.], [X.], 2856, 2857).
Dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ein

kostenrechtlich
irrelevantes -
Verhandeln in dem von ihm ohnehin wahrgenommenen Termin von einer vorherigen Sicherstellung seiner Gebühren hätte abhängig machen wollen, hat er nicht zum Ausdruck gebracht. Dies
liegt, wie der
anschließend eingereichte nachgelassene
Schriftsatz zeigt,
auch sonst nach den Umständen 23
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fern. Er ist nur deshalb nicht mehr aufgetreten, weil er sich auf den unzutreffen-den Standpunkt gestellt hat, das Verfahren über die Prozesskostenhilfe habe
unbedingten Vorrang vor dem Fortgang des Hauptsacheverfahrens, und seine [X.] habe
einen
vorab zu erfüllenden Anspruch auf Beurteilung der Erfolgs-aussichten durch das Beschwerdegericht. Damit hat er in der gegebenen [X.] zugleich einen unzulässigen verfahrensrechtlichen Vorteil gegenüber einer bemittelten [X.] beansprucht, die auf einen kurzfristig erteilten gerichtlichen Hinweis zur Unschlüssigkeit ihrer Rechtsverteidigung ein Verhandeln nicht säumnisunschädlich hätte verweigern dürfen, sondern

wie hier zugunsten des Beklagten
geschehen -
etwa durch Einräumung eines [X.]es
gemäß
§ 139 Abs. 5 ZPO
lediglich noch Gelegenheit zur Reaktion hätte erhal-ten müssen
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 4. Juli 2013

[X.], NJW-RR 2013, 1358 Rn. 7; vom 13. März 2008

VII ZR 204/06, NJW-RR 2008, 973 Rn.
9; jeweils mwN).
(c) Durch den unterschiedlichen Verlauf von Hauptsache-
und Prozess-kostenhilfebewilligungsverfahren war
auch sonst keine Beeinträchtigung
der Rechtsverteidigungsmöglichkeiten des Beklagten zu erwarten, die es ihm [X.] hätten, eine Vertagung der Verhandlung bis zur Entscheidung über die von ihm eingelegte sofortige Beschwerde zu beanspruchen. Denn es ist [X.] anerkannt, dass Prozesskostenhilfe selbst nach Abschluss des Verfah-rens noch rückwirkend bewilligt werden kann, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Verfahrens gestellt, aber nicht [X.] wird. Zudem findet dabei ein
zwischenzeitlich möglicherweise einge-tretener Fortfall der Erfolgsaussichten keine Beachtung, wenn sich herausstellt, dass die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch unvertretbar verzö-gert oder sonst die Entscheidung einer zweifelhaften Rechtsfrage unzulässig in das Bewilligungsverfahren verlagert worden ist ([X.], Beschluss vom 7. März 2012

[X.] 391/10, NJW 2012, 1964 Rn. 10 ff. mwN).
25
-
13

cc) Der Beklagte muss sich die unzutreffende Einschätzung seines Pro-zessbevollmächtigten, in der gegebenen prozessualen Situation nicht zur
Sa-che verhandeln zu müssen, gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als eigenes
Verschulden an der dadurch eingetretenen Säumnis zurechnen lassen. Insbesondere hätte der Prozessbevollmächtigte mit Rücksicht auf die als bekannt vorauszusetzen-de Einschätzung des Verhältnisses von Hauptsache-
und Prozesskostenhilfe-bewilligungsverfahren (dazu vorstehend unter [X.] [X.] [1]) nicht mehr ohne Weiteres den unter [X.] [X.] wiedergegebenen Auffassungen folgen dürfen, sondern zur Wahrung der Belange des Beklagten im Zweifel den ihm ohne zu-sätzlichen Aufwand möglichen und zumutbaren sicheren Weg wählen müssen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Mai 2012 -
VI [X.]/11,
NJW 2012, 2523 Rn. 10; vom 17.
Oktober 2000

[X.], [X.], 271 unter [X.]; jeweils mwN). Dieser hätte in einem die Säumnis vermeidenden
Verhandeln gelegen, um anschließend über den begehrten [X.] die Rechtsposition des Beklagten zu Gehör zu bringen und darüber gegebenenfalls auf eine [X.] der Verhandlung gemäß § 227 ZPO hinzuwirken (vgl. dazu Zöl-ler/[X.], aaO).
dd) Ohne Erfolg macht die Beschwerdeerwiderung geltend, nach zwi-schenzeitlicher Bewilligung der Prozesskostenhilfe könne kein rechtliches Inte-resse am Erlass eines Versäumnisurteils mehr bestehen, da keine Säumnis des Beklagten mehr zu erwarten sei und auch die vom [X.] ausgesprochene Vertagung nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Vielmehr regelt §
336 Abs. 1
Satz 2 ZPO diese Konstellation ausdrücklich dahin, dass nach Aufhebung des Beschlusses, durch den der Erlass eines Versäumnisurteils zu-rückgewiesen worden ist, die nicht erschienene [X.] zu dem neuen Termin nicht zu laden ist, der Klägerin also auf diese Weise der durch die Säumnis des Beklagten erwachsene prozessuale Vorteil erhalten werden soll.
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14

III.
Nach alldem können die mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Ent-scheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Sie sind gemäß § 577 Abs. 4 Satz
1 ZPO unter Zurückverweisung der Sache an das [X.] auf-zuheben, das sodann nach § 336 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verfahren hat, um in dem anzuberaumenden neuen Termin die in § 331 ZPO geregelten Vorausset-zungen für den Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten erneut zu prüfen (vgl. auch Senatsurteil vom 31. Mai 1995

[X.], NJW 1995, 2563 unter I 3).
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. [X.]

Dr.
Fetzer
Kosziol

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.02.2015 -
1 [X.]/14 -

[X.], Entscheidung vom 25.05.2015 -
I-24 W 24/15 -

28

Meta

VIII ZB 25/15

12.07.2016

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2016, Az. VIII ZB 25/15 (REWIS RS 2016, 8402)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8402

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

VIII ZB 25/15

VIII ZB 55/10

VII ZR 192/11

XII ZB 391/10

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