Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2006, Az. V ZR 169/05

V. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1350

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 13. Oktober 2006 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2006 durch [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 11. Juli 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die unter Betreuung stehende Klägerin ist Witwe und Alleinerbin des im Juni 1996 verstorbenen [X.]

(Erblasser). Der Erblasser hatte von seinen Eltern umfangreichen Grundbesitz in [X.]und einen Produktions- und Handelsbetrieb geerbt. Zusammen mit der Klägerin bewohnte er das [X.] einer Villa auf einem der ererbten Grundstücke. Die Wohnung im Obergeschoss des Gebäudes hatte er der [X.]n und ihrem Ehemann, [X.], vermietet. 1 - 3 - Den Produktionsbetrieb hatte der Erblasser heruntergewirtschaftet und eingestellt. Die von der unter Wahnvorstellungen leidenden Klägerin geführte Buchhaltung und Finanzverwaltung des [X.] waren zum Erliegen gekommen. Seit 1992 waren keine Steuererklärungen mehr abgegeben [X.]. 1993 gab der Erblasser auch das Handelsunternehmen auf. Offene [X.] häuften sich. [X.]und die [X.] kümmerten sich [X.] um den Erblasser. 2 Im April/Mai 1995 musste die Klägerin eine 30-tägige Ersatzfreiheitsstra-fe verbüßen, weil weder sie noch der Erblasser sich in der Lage sahen, eine gegen die Klägerin verhängte Geldstrafe von 1.000 DM zu bezahlen. Für die [X.] vom 23. Mai 1995 bis zum 16. Oktober 1995 wurde die Klägerin in eine geschlossene psychiatrische Anstalt aufgenommen. 3 Im Juni 1995 kam es zu einer Steuerprüfung des Erblassers. Hierbei wurden [X.] ungeöffneter Post vorgefunden. Im Juli 1995 nahmen der [X.] und [X.]Verhandlungen über eine Übertragung der Grundstücke des Erblassers auf. Am 20. Juli 1995 erfasste die Architektin [X.]im [X.]und der [X.]n den Grundbesitz des Erblassers. Am 28. Juli 1995 suchten der Erblasser und R. [X.]den Notar Dr. B. auf und legten ihm den Entwurf eines Vertrages vor, auf Grund dessen der Erblasser seine Grundstücke nach näherer Maßgabe [X.]übertragen sollte. Der Notar nahm in der Folgezeit Kontakt zu den Gläubigern des Erblassers auf, um dessen Verbindlichkeiten festzustellen. Mit von [X.]beurkundetem Kaufvertrag vom 1. September 1995 verpflichtete sich der Erblasser, seine Grundstücke gegen Ablösung bzw. Übernahme seiner in dem Vertrag erfassten Verbindlichkeiten, die Gewährung eines Wohnrechts an der von ihm bewohnten Wohnung und Zahlung einer Leibrente auf die [X.] - 4 - klagte zu übertragen, und ließ ihr die Grundstücke auf. Am 11. Januar 1996 wurde die [X.] als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Die Klägerin hat geltend gemacht, der [X.] sei sittenwid-rig und nichtig. Des Weiteren habe die [X.] ihre Verpflichtung zur Erfüllung der Forderungen gegen den Erblasser zunächst teilweise nicht erfüllt. Sie sei deshalb von dem [X.] gemäß § 326 [X.] a.F. zurückgetreten. Die Klägerin hat beantragt, die [X.] nach näherer Maßgabe zur Rücküber-tragung der Grundstücke und zur Beseitigung im Interesse der [X.]n [X.] Grundschulden zu verurteilen. Das [X.] hat die Klage [X.]. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Anträge weiter. 5 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht verneint die geltend gemachten Ansprüche. Es meint, der Beweis einer Geschäftsunfähigkeit des Erblassers bei Abschluss des [X.]es sei nicht geführt. Der Vertrag sei weder wegen [X.] noch als wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der beiderseitigen Leistungen bestehe nicht. Der Wert der Grundstücke habe unter Berücksichtigung des für den Erblasser bestellten Wohnrechts im [X.] 1995 1.266.000 DM betragen und damit die zu Gunsten des Erblassers vereinbarten Verpflichtungen der [X.]n um allenfalls 37 % überstiegen. Auch wenn davon auszugehen sei, dass die [X.] die schwä-chere Position des Erblassers ausgenutzt habe, sei der [X.] 6 - 5 - wirksam. Die zur Feststellung sittenwidrigen Handelns der [X.]n notwendi-ge subjektive Seite könne das Fehlen eines auffälligen Missverhältnisses der beiderseitigen Leistungen als objektive Voraussetzung der Nichtigkeit des [X.] nicht vollständig ersetzen. Der Vertrag sei auch nicht rückabzuwickeln. Insoweit fehle es an einer wirksamen Fristsetzung und Ablehnungsandrohung gemäß § 326 Abs. 1 [X.] a.F. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand. 7 I[X.] 1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungs-gerichts, eine Geschäftsunfähigkeit des Erblassers bei Abschluss des [X.] sei nicht bewiesen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. 8 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Verneinung ei-nes wirksamen Rücktritts der Klägerin von dem Kaufvertrag. 9 Voraussetzung eines Rücktritts nach § 326 Abs. 1 [X.] a.F. ist der [X.] des Schuldners. Daran fehlte es nach der Feststellung des Berufungsge-richts bei Ablauf der von der Klägerin bis zum 21. März 1997 gesetzten Nach-frist. Das ist nicht zu beanstanden. 10 Die Parteien haben seit Oktober 1996 um die Wirksamkeit des [X.] gestritten. Die [X.] drohte mit der Erhebung einer Feststellungsklage. 11 - 6 - In dieser Situation ließ die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 28. Oktober 1996 der [X.]n mitteilen: "Die Tatsache, dass Ihre Mandanten die Leistungen aus dem [X.] unter den jetzigen Umständen zurückhalten, ist sicherlich fol-gerichtig. Selbstverständlich werde ich für den Fall, dass ich bei dem Rückforderungsverlangen bleibe, keine Erfüllungsleistung aus dem [X.] mehr fordern." Das hat das Berufungsgericht als Zusage der Klägerin ausgelegt, von der [X.]n die Erfüllung der in dem Kaufvertrag versprochenen Leistungen einstweilen nicht zu verlangen. Diese Auslegung ist möglich und weist keinen revisionsrechtlich beachtlichen Fehler auf. Die Revision meint zu Unrecht, ein pactum de non petendo setze das Bewusstsein der Vertragspartner voraus, die Leistung verlangen zu können, woran es bei der Klägerin gefehlt habe. Das [X.], eine ausstehende Teilleistung aus einem Vertrag einstweilen nicht zu fordern, ist gerade im Fall eines Streits über die Grundlage des geltend ge-machten Anspruchs häufig und sinnvoll. Eines Zugangs der Erklärung, das [X.] der Klägerin anzunehmen, bedurfte es nicht, um einen Verzug der [X.] mit der Erfüllung der entgegen der Zusage der Klägerin verlangten Leistungen auszuschließen, § 151 Satz 1 [X.]. 12 3. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Verneinung der Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags gemäß § 138 Abs. 1 [X.] durch das [X.]. 13 Ein gegenseitiger Vertrag kann auch dann gemäß § 138 Abs. 1 [X.] nichtig sein, wenn zwischen dem Wert der Leistungen, zu denen sich die [X.]sparteien verpflichtet haben, kein auffälliges Missverhältnis besteht, der be-günstigte Vertragspartner jedoch in subjektiv vorwerfbarer Weise die [X.] - 7 - renheit oder Schwäche des Benachteiligten ausnutzt und weitere sittlich vor-werfbare Umstände hinzutreten (vgl. [X.], Urt. v. 25. März 1966, [X.], NJW 1966, 1451; Urt. v. 18. November 1982, [X.], NJW 1983, 868, 870). So kann es sein, wenn ein deutliches Ungleichgewicht zwischen dem Wert der beiderseitigen Verpflichtungen besteht und es zum Abschluss des Vertrages durch die Ausnutzung eines besonderen Vertrauensverhältnisses zu einem unerfahrenen oder hilfsbedürftigen Vertragspartner gekommen ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 138 Rdn. 61; [X.]/ [X.]/Hefermehl, [X.], 13. Aufl., § 138 Rdn. 83). Verhält es sich so, verstößt der [X.] nach der Gesamtbeurteilung von Inhalt, Zweck und der Art seines Zustandekommens gegen die guten Sitten und ist nichtig. - 8 - Unter diesem Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin nicht geprüft. Dies ist nachzuholen. 15 [X.] [X.]Schmidt-Räntsch [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 13.10.2003 - 2 O 120/98 - [X.], Entscheidung vom 11.07.2005 - I-9 U 196/03 -

Meta

V ZR 169/05

13.10.2006

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2006, Az. V ZR 169/05 (REWIS RS 2006, 1350)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1350

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9 U 196/03

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