Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.04.2014, Az. 3 C 10/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 6416

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Gegenstand

Zulassung pflanzlicher Fertigarzneimittel; Anforderungen an die Kombinationsbegründung


Leitsatz

1. Im Zulassungsverfahren für pflanzliche Kombinationsarzneimittel (Phytopharmaka) ist ausreichend zu begründen, dass jeder Wirkstoff in der gewählten Dosierung entweder die Wirksamkeit des Präparats im vorgegebenen Anwendungsgebiet fördert oder unerwünschten Effekten entgegenwirkt.

2. Bei einem bibliographischen Zulassungsantrag sind die Anforderungen an die Begründung der therapeutischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Wirkstoffe nicht deshalb herabgesetzt, weil Arzneimittel mit identischer Wirkstoffkombination bereits auf dem deutschen und europäischen Markt zugelassen und etabliert sind.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die (Neu)Zulassung zweier pflanzlicher Fertigarzneimittel mit den Bezeichnungen "Enerjetic" und "[X.]" für die Anwendungsgebiete "akute und chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen (Sinusitis)". Es handelt sich um Kombinationspräparate in Drageéform mit den identischen fünf Bestandteilen Enzianwurzel, Eisenkraut, Gartensauerampferkraut, Holunderblüten und Schlüsselblumenblüten im Mischungsverhältnis 1:3:3:3:3. Fertigarzneimittel mit identischen arzneilich wirksamen Bestandteilen und Anwendungsgebieten sind im In- und Ausland zugelassen. Die Beklagte hat ein solches Arzneimittel unter der Bezeichnung "[X.](r) forte Drageés (überzogene Tabletten)" 1997 zugelassen. Grundlage war der Entwurf einer Kombinationsmonographie der seinerzeit für Phytopharmaka zuständigen [X.] vom 14. Dezember 1994. Die [X.] hatte sich ihrerseits auf Studien zu dem Präparat "[X.] Drageés" gestützt, das mindestens seit 1978 im Verkehr ist.

2

Auf die Zulassungsanträge der Klägerin vom 31. März 2004 bemängelte das [X.] ([X.]), die Kombinationsbegründung sei unzureichend, und präzisierte das mit [X.] vom 2. Mai 2005 dahin, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen keine ausreichende Begründung für den positiven Beitrag jedes arzneilich wirksamen Bestandteils ergebe. Zur Abhilfe wurde eine Frist von sechs Monaten gesetzt. Mit [X.] vom 3. November 2005 legte die Klägerin überarbeitete Zulassungsunterlagen und Sachverständigengutachten vor.

3

Das [X.] lehnte die Zulassungen beider Arzneimittel mit Bescheiden vom 26. April 2006 ab: Die vorgelegten Daten zeigten zwar, dass sowohl die Einzelbestandteile als auch die Kombination plausible pharmakologische Eigenschaften hätten. Es fehlten aber Belege für die klinische Wirksamkeit der Einzelkomponenten im beantragten Anwendungsgebiet. Offen bleibe auch die Frage, ob die klinische Dosierung der Einzelbestandteile in der beantragten Darreichungsform richtig gewählt sei. Der [X.] der [X.] vom 14. Dezember 1994 entspreche nicht mehr den Anforderungen der Rechtsprechung an eine Kombinationsbegründung. Die hiergegen gerichteten Widersprüche der Klägerin blieben erfolglos.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klagen auf Neubescheidung ihrer Zulassungsanträge mit Urteilen vom 15. Juni 2010 als unbegründet abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteilen vom 5. Juli 2012 zurückgewiesen und bestätigt, dass einer Zulassung der Arzneimittel der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a des Arzneimittelgesetzes ([X.]) entgegenstehe. Die Klägerin habe keine ausreichende Kombinationsbegründung vorgelegt. Aus den bis zum Ende des [X.] eingereichten Unterlagen ergebe sich nicht, dass alle Bestandteile der Kombination zur positiven Beurteilung beitrügen. Es gebe keine Belege dafür, dass die Bestandteile Enzianwurzel, Eisenkraut und Gartensauerampferkraut zur therapeutischen Wirksamkeit des Präparats im Anwendungsbereich Sinusitis einen Beitrag leisteten oder die Nebenwirkungen anderer Bestandteile verminderten. Aus der nationalen Zulassung des Arzneimittels mit identischen arzneilich wirksamen Bestandteilen (hier: [X.] forte) könne die Klägerin keinen Anspruch auf Gleichbehandlung ableiten. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Beklagten, die Bewertung der [X.] Zulassungsbehörde zu übernehmen. Dafür sei das gesonderte Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach § 25b [X.] vorgesehen. Der Vorteil der Kombination ergebe sich ferner nicht aus einer belegten Wirksamkeit der Kombination bei wesentlich geringerer Dosierung der Einzeldrogen, da für einzelne der Wirkstoffe keine Dosierung als Monopräparat existiere. Auch aus [X.] Leitlinien folge nicht, dass bei Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Präparats auf die Begründung des Beitrags der Einzelbestandteile verzichtet werden könne. Auf den Entwurf der [X.] könne sich die Klägerin nicht berufen. Zwar werde die Kombination mit der beantragten Mischung positiv beurteilt; allerdings sei der Entwurf nicht im [X.] veröffentlicht worden. Den Beweisantrag der Klägerin, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass der Entwurf der [X.] noch dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspreche, hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgelehnt, eine solche Überprüfung sei nach Ablauf der [X.] nicht mehr möglich. Die Klägerin habe es zudem versäumt, die dem Entwurf zugrunde liegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzulegen.

5

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revisionen macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Zulassung von Kombinationspräparaten verkannt, die bereits in ähnlicher Form zugelassen und im Markt eingeführt seien und deren Wirksamkeit und Sicherheit außer Frage stünden. Das Berufungsgericht habe den inmitten stehenden Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a [X.] falsch ausgelegt, die Beweislastverteilung verkannt, den verfassungsrechtlichen Zulassungsanspruch verkürzt sowie die Maßstäbe der Behördenbewertung aus dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gemäß § 25b [X.] und die Leitlinien der [X.] Arzneimittelbehörde [X.] nicht beachtet. Das Berufungsgericht habe ihren Beweisantrag verfahrensfehlerhaft abgelehnt, ein Sachverständigengutachten über Aussagewert und Aktualität des [X.]s der [X.] einzuholen, das zu einem wirkstoffidentischen Präparat erstellt worden sei. Die Ansicht des Berufungsgerichts, sie sei mit diesem Vortrag präkludiert, verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Beklagten zugestanden worden sei, völlig neue Belege vorzulegen. Seine weitere Annahme, die Begründung eines Kombinationsarzneimittels, dessen Wirksamkeit und Sicherheit positiv feststehe, erfordere zwingend auch eine hinreichende Darlegung zur klinischen Dosierung der Einzelbestandteile, weiche von der Rechtsprechung des [X.] ab. Danach erfordere die risikogestufte Bewertung keine Dosierungsbegründungen zu den einzelnen Wirkstoffen.

Entscheidungsgründe

6

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen der Klägerin sind unbegründet. Das [X.]erufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass einer Zulassung der Kombinationsarzneimittel der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a [X.] entgegensteht. Eine Verpflichtung der [X.]eklagten zur Neubescheidung der Zulassungsanträge (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), die im Streit um einzelne Versagungsgründe statthaft ist, kann die Klägerin daher nicht beanspruchen.

7

1. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a [X.] darf das [X.] als zuständige [X.]undesoberbehörde die Zulassung eines Arzneimittels, das mehr als einen Wirkstoff enthält, versagen, wenn eine ausreichende [X.]egründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen [X.]eitrag zur positiven [X.]eurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die [X.]esonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften [X.]ewertung zu berücksichtigen sind. Die Voraussetzungen dieses [X.] sind in der Rechtsprechung des [X.] geklärt (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2008 - [X.]VerwG 3 [X.] 23.07 - [X.] 418.32 [X.] Nr. 53 Rn. 11 ff. m.w.[X.]). Danach hat das Erfordernis der therapeutischen Wirksamkeit bei einem Kombinationsarzneimittel für jeden arzneilich wirksamen [X.]estandteil dasselbe Gewicht wie bei einem Monopräparat (Urteil vom 16. Oktober 2003 - [X.]VerwG 3 [X.] 3.03 - juris Rn. 38). Deshalb sind an den [X.]eleg des positiven [X.]eitrags jedes arzneilich wirksamen [X.]estandteils eines Kombinationsarzneimittels keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die [X.]egründung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Präparats selbst (Urteil vom 16. Oktober 2003 - [X.]VerwG 3 [X.] 28.02 - NVwZ-RR 2004, 180 <181>; [X.]eschluss vom 8. Januar 2007 - [X.]VerwG 3 [X.] 16.06 - PharmR 2007, 159 <160>). Entsprechend hat das [X.]undesverwaltungsgericht bei homöopathischen Kombinationsarzneimitteln angenommen, dass der Gesetzgeber im Grundsatz keine qualitativ geringeren [X.]egründungsanforderungen vorgesehen hat (Urteil vom 16. Oktober 2008 a.a.[X.] Rn. 15). Diese Anforderungen gelten sinngemäß auch für pflanzliche Kombinationspräparate (Phytopharmaka) im Sinne des § 4 Abs. 29 [X.] (vgl. [X.]TDrucks 11/5373 S. 22 und S. 32; [X.]TDrucks 11/6283 S. 9; [X.]TDrucks 11/6575 S. 4).

8

Zur [X.]egründung des positiven [X.]eitrags der Wirkstoffe eines Kombinationsarzneimittels gehört der [X.]eleg, dass jeder einzelne Wirkstoff entweder die Wirksamkeit des Präparats in der vorgegebenen Indikation fördert oder unerwünschten Effekten entgegenwirkt. Ausreichend dafür ist, dass der therapeutisch erwünschte Wirkungseintritt früher erreicht, verstärkt oder verlängert wird oder der erstrebte Heilerfolg mit einer geringeren Menge des Arzneimittels erreicht werden kann (Urteile vom 14. Oktober 1993 - [X.]VerwG 3 [X.] 21.91 - [X.]VerwGE 94, 215 und vom 16. Oktober 2003 - [X.]VerwG 3 [X.] 28.02 - a.a.[X.] S. 180 unter [X.]ezugnahme auf die [X.]egründung zu § 22 Abs. 3a [X.] in [X.]TDrucks 10/5112 S. 17). Es ist ferner erforderlich, dass der Antragsteller mit den eingereichten Unterlagen die Zweckmäßigkeit der gewählten Dosierung der einzelnen Wirkstoffe belegt. Insofern gilt nichts anderes als für das Gesamtpräparat, für das nach § 24 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 [X.] aus den eingereichten Unterlagen hervorgehen muss, ob die vorgesehene Dosierung zweckmäßig ist. Dies aufgreifend verlangen auch die [X.] (§ 26 [X.]) eine [X.]egründung für die Dosierung (vgl. Zweiter Abschnitt Nr. 5.2.4 der [X.] zur Anwendung der [X.] vom 11. Oktober 2004, [X.]Anz [X.]). Übertragen auf Kombinationspräparate bedeutet dies, dass die Dosierung für jeden einzelnen Wirkstoff zu begründen ist.

9

Erfüllt ein Wirkstoff die ihm zugedachte Aufgabe bei der Anwendung des Kombinationsarzneimittels gleichermaßen gut mit einer geringeren Dosis, ist die Verabreichung einer höheren nicht gerechtfertigt; denn ebenso wie jeder in ein Arzneimittel aufgenommene Wirkstoff tendenziell die Gefahr zusätzlicher unerwünschter Wirkungen erhöht, birgt auch die Zunahme der aufgenommenen Wirkstoffmenge ein erhöhtes Risiko nachteiliger Effekte. Eine gesicherte Aussage über die Qualität des [X.]eitrags lässt sich daher erst treffen, wenn auch über die zweckmäßige Dosierung des Wirkstoffs aussagekräftige Erkenntnisse vorliegen (vgl. Urteil vom 19. November 2009 - [X.]VerwG 3 [X.] 10.09 - [X.] 418.32 [X.] Nr. 55 Rn. 17). Nicht nachvollziehbare Mengenverhältnisse der arzneilich wirksamen [X.]estandteile eines Kombinationspräparats können folglich die Versagung der Zulassung rechtfertigen (Urteil vom 16. Oktober 2003 - [X.]VerwG 3 [X.] 28.02 - a.a.[X.] S. 182).

2. Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen wie zuvor die [X.]eklagte rechtsfehlerfrei ausgegangen. Abstriche an der Kombinationsbegründung sind nicht deshalb gerechtfertigt, weil Arzneimittel mit identischer Wirkstoffkombination bereits auf dem Markt etabliert ("well used") sind. Für den von der Klägerin geforderten Verzicht auf die [X.]egründung der Wirksamkeit und Dosierung der [X.] wegen der Zulassung identischer Präparate im In- und Ausland bietet das [X.] keinen Ansatz.

a) Die Zulassung eines Arzneimittels mit identischen Wirkstoffen im [X.] Ausland eröffnet der Klägerin das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach § 25b Abs. 2, 4 [X.]. Die dort vorgesehenen unionsrechtlichen Erleichterungen für eine Zulassung kommen einem Antragsteller aber nur dann zugute, wenn er den dafür vorgezeichneten Weg auch einschlägt, also die Zulassung des in dem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels für das Inland beantragt. Diesen Weg hat die Klägerin jedoch nicht beschritten. Eine weitergehende Wirkung des § 25b Abs. 2 [X.] auf die Neuzulassung von Arzneimitteln im Inland besteht nicht.

b) Die Leitlinien der [X.] ([X.]) zu fixen Arzneimittelkombinationen stützen die Ansicht der Klägerin ebenfalls nicht (vgl. insbesondere Guideline on the [X.]linical Assessment of Fixed [X.]ombinations of Herbal Substances / [X.] vom 11. Januar 2006 und Guideline on [X.]linical Development of Fixed [X.]ombination Medicinal Products vom 19. Februar 2009, http://www.emea.europa.eu). Das [X.]erufungsgericht hat sich mit diesen Leitlinien auseinandergesetzt und eine rechtliche [X.]indungswirkung zutreffend verneint. Auch wenn den Leitlinien, mit denen eine Präzisierung der [X.] 2001/83/[X.] im [X.]ereich der Kombinationspräparate angestrebt wird, durchaus Hinweise für das Verständnis von § 22 Abs. 2, 3 und 3a und § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a [X.] zu entnehmen sind, ergeben diese nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts aber doch nicht, dass die Anforderungen an die Kombinationsbegründung im Arzneimittelzulassungsverfahren in der von der Klägerin geforderten Weise abgesenkt sind. Auch die Leitlinien verlangen vielmehr eine ausreichende [X.]egründung der [X.]eiträge der einzelnen Wirkstoffe eines Kombinationspräparats. Der Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren gibt keinen Anlass für ein abweichendes Verständnis.

c) Auch die Regelung in § 22 Abs. 3 [X.] hilft der Klägerin nicht weiter. Zwar gewährt diese Vorschrift für "altbekannte und bewährte" Arzneimittel Erleichterungen der [X.]egründung; diese beziehen sich allerdings nur auf das dem Antrag beizufügende [X.], mit dem die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels oder der Wirkstoffkombination belegt werden soll, nicht aber auf den anzulegenden [X.]eurteilungsmaßstab (Urteil vom 14. Oktober 1993 - [X.]VerwG 3 [X.] 46.91 - PharmR 1994, 380 <384 f.>). Die Klägerin wird durch § 22 Abs. 3 [X.] daher nicht davon freigestellt zu begründen, dass im dargelegten Sinne jeder Wirkstoff einen [X.]eitrag zur positiven [X.]eurteilung des Arzneimittels leistet.

d) Weitere Vorschriften oder Grundsätze, aus denen sich die von der Klägerin erstrebten [X.]egründungserleichterungen ergeben könnten, sind weder von ihr aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Der Fall, dass bekannte und bewährte, im In- oder Ausland zugelassene Wirkstoffkombinationen mit dem Status eines "well established use" erneut zugelassen werden sollen, ist in den genannten Vorschriften abschließend berücksichtigt worden. Dabei misst das Gesetz der Arzneimittelsicherheit (§ 1, § 4 Abs. 34 [X.]) durchweg einen höheren Stellenwert zu als der Erleichterung der Zulassung. Es wird von dem Grundsatz beherrscht, dass Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln stets anhand der jeweils aktuellen Anforderungen beurteilt werden sollen. Das gilt auch für Fälle, in denen wirkstoffgleiche Arzneimittel aufgrund früherer Zulassung auf dem Markt sind. Ähnlich wie im Rahmen einer [X.] (§ 31 Abs. 2 [X.]) ist zu überprüfen, ob die Neuzulassung nach den mit dem bisher zugelassenen Arzneimittel gemachten Erfahrungen und nach aktuellen Erkenntnissen und rechtlichen Maßstäben gerechtfertigt ist. Das schließt es - von besonders geregelten Konstellationen abgesehen - aus, eine Zulassung allein auf der Grundlage einer früheren Sach- oder Rechtslage zu erteilen.

[X.]estätigt wird dies in § 22 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Nr. 1 dieser Vorschrift regelt den Fall eines Referenzarzneimittels, das mit dem zur Zulassung beantragten Präparat wirkstoffgleich ist. Nicht anders als beim Zulassungsantrag nach § 22 Abs. 2 [X.] muss das vom Antragsteller vorzulegende [X.] die Wirkungen und Nebenwirkungen der bekannten Wirkstoffe dokumentieren, und sind die therapeutische Wirksamkeit für das beanspruchte Anwendungsgebiet, die Unbedenklichkeit und Verträglichkeit, die Zweckmäßigkeit der Dosierung und die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen zu belegen. Nr. 3 Halbs. 2 stellt zudem klar, dass diese Anforderungen auch für Kombinationsarzneimittel gelten, und aus Nr. 3 Halbs. 1 erschließt sich, dass für die bekannten [X.]estandteile ebenfalls eine vollständige Dokumentation erforderlich ist (vgl. auch [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, 2012, § 25 Rn. 59 und 67 und [X.]/[X.]yran, [X.], Kommentar, [X.]d. II, Stand: April 2013, § 22 Rn. 95).

3. Gemessen an diesen Vorgaben hat die Klägerin bis zum Ablauf der [X.] keine ausreichende [X.]egründung vorgelegt. Das ergibt sich aus den bindenden, weil von der Klägerin nicht durchgreifend infrage gestellten Feststellungen des [X.]erufungsgerichts (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).

a) Das [X.]erufungsgericht hat, in ausdrücklicher [X.]illigung von Erwägungen des [X.], festgestellt, dass sich den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen kein [X.]eleg für die Wirksamkeit der Wirkstoffe [X.], Eisenkraut und Enzianwurzel im Anwendungsgebiet "Sinusitis" und für deren zweckmäßige Dosierung entnehmen lassen. Danach gibt es für [X.] keine bibliographischen Erkenntnisse, für Eisenkraut lediglich eine negative Monographie aus dem Jahre 1990 und für Enzianwurzel Wirksamkeitsbelege für andere als die beantragten Anwendungsgebiete. Folgerichtig sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass sich auf einer solchen Grundlage zu der angemessenen Dosierung dieser Einzelsubstanzen nichts sagen lässt.

b) Das [X.]erufungsgericht hat seine Feststellungen im Ergebnis auch auf eine vollständige Erkenntnisbasis gestützt. Zwar hat es zu Unrecht angenommen, dass der [X.] der [X.] vom 14. Dezember 1994 aus formalen Gründen nicht berücksichtigt werden kann. Der Entwurf genügt jedoch seinerseits nicht den [X.]egründungsanforderungen.

aa) In der Rechtsprechung des [X.]s ist geklärt, dass [X.] zum wissenschaftlichen [X.] zählen, mit dem die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Arzneimittelkombination unterlegt werden können (Urteile vom 16. Oktober 2008 - [X.]VerwG 3 [X.] 23.07 - [X.] 418.32 [X.] Nr. 53 Rn. 28 ff., vom 19. November 2009 - [X.]VerwG 3 [X.] 10.09 - [X.] 418.32 [X.] Nr. 55 Rn. 25 und vom 18. März 2010 - [X.]VerwG 3 [X.] 19.09 - [X.] 418.32 [X.] Nr. 56 Rn. 20; speziell zu Dosierungsempfehlungen der [X.]en auch Urteil vom 18. Mai 2010 - [X.]VerwG 3 [X.] 25.09 - [X.] 418.32 [X.] Nr. 57 Rn. 21). Nach § 25 Abs. 7 [X.] in der bis zum 16. August 1994 gültigen Fassung hatte die für die Zulassung von Arzneimitteln zuständige [X.]undesoberbehörde das wissenschaftliche [X.] nach § 22 Abs. 3 [X.] für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel durch [X.]en aufbereiten zu lassen und die Ergebnisse bekanntzumachen. Die [X.]en wurden für bestimmte Anwendungsgebiete, Stoffgruppen und Therapierichtungen gebildet. Die [X.] war zuständig für die phytotherapeutische Therapierichtung und Stoffgruppe. Für fixe Arzneimittelkombinationen erarbeitete sie Kriterien für die [X.]ewertung, ob die einzelnen arzneilich wirksamen [X.]estandteile einen positiven [X.]eitrag zur [X.]eurteilung des [X.] leisten (§ 22 Abs. 3a [X.]) und ob die Kombinationspartner in einer für die Wirksamkeit angemessenen Dosierung enthalten sind ([X.]undesgesundheitsblatt 3/89, [X.]; abgedruckt in: [X.], [X.], 1.40). Die wissenschaftliche Auswertung basierte vor allem auf Monographien der Einzelstoffe, im Übrigen auf unterschiedlichen Quellen medizinischen Erfahrungsmaterials. Die von den Aufbereitungskommissionen beschlossenen Monographien entsprachen im Informationsumfang der Fachinformation (§ 11a [X.]). Ihre Endfassung wurde vom [X.]undesgesundheitsamt im [X.]undesanzeiger bekanntgemacht ([X.]TDrucks 11/4250 S. 3 f., S. 9 f.).

bb) Hiervon ausgehend spricht grundsätzlich nichts dagegen, auch einen [X.] als "anderes wissenschaftliches [X.]" im Sinne des § 22 Abs. 3 Satz 1 [X.] zu verwerten. Voraussetzung dafür ist, dass er von der [X.] bereits als veröffentlichungsreif autorisiert worden ist (vgl. Sander, Arzneimittelrecht, Stand: Oktober 2012, § 105 S. 57). Davon sind die [X.]eteiligten im Zulassungsverfahren ausgegangen. Die [X.] ist nur deshalb unterblieben, weil die bisherigen Aufbereitungskommissionen im Rahmen der [X.] neue Funktionen erhalten hatten (vgl. [X.]TDrucks 12/7572 S. 5).

War der [X.] aber veröffentlichungsreif, musste er nicht bekannt gemacht worden sein, damit ein Antragsteller ihn zum Gegenstand der [X.]egründung eines so genannten bibliographischen Zulassungsantrags machen durfte; denn dem Erfordernis nach § 25 Abs. 7 Satz 1 [X.] a.F., die Ergebnisse einer Aufbereitungsmonographie bekanntzumachen, kommt nicht die [X.]edeutung einer Wirksamkeitsvoraussetzung zu. [X.] sind sachverständige Äußerungen, die Gewicht nach Maßgabe ihres Inhalts beanspruchen und, anders als Normen, auch keine [X.]indung von Adressaten erzeugen sollen. An veröffentlichte Monographien gebunden war, wie § 25 Abs. 7 Satz 4 und 5 [X.] a.F. erkennen lässt, allein die zuständige [X.]undesoberbehörde, welche bei Entscheidungen über Zulassungsanträge von den Ergebnissen der von ihr bekanntgemachten Monographien nur mit einer ausdrücklichen [X.]egründung abweichen durfte. Diese Regelung zeigt, dass die [X.]ekanntmachung von Monographien allein die Funktion hatte, potenzielle Antragsteller über die regelmäßig angewandte Entscheidungsgrundlage der Zulassungsbehörde zu informieren und ihnen die [X.]egründung von Zulassungsanträgen insoweit zu erleichtern.

cc) Der [X.] vom 14. Dezember 1994 ist aber aus inhaltlichen Gründen nicht geeignet, die streitigen Zulassungsanträge hinreichend zu stützen. Notwendig dazu wäre, dass dem Entwurf ein aussagekräftiger Auswertungsstand zugrunde liegt und er die nötigen Fachinformationen enthält. An beidem fehlt es hier. Zwar beurteilt der Entwurf die beantragte Kombination in der gewählten Dosierung im Anwendungsgebiet positiv; die hierfür gegebene [X.]egründung genügt aber nicht den aufgezeigten rechtlichen Anforderungen. Zum einen lässt sie nicht erkennen, worauf sich die Einschätzung einer therapeutischen Wirksamkeit der [X.]estandteile [X.], Eisenkraut und Enzianwurzel im beantragten Anwendungsgebiet gründet. Dies wäre angesichts der negativen Erkenntnislage im Übrigen, wie sie oben dargelegt worden ist, aber erforderlich gewesen. Vor allem jedoch ergibt sich kein Anhalt dafür, warum die [X.] in der angegebenen Dosierung [X.]eiträge zur positiven [X.]eurteilung der Arzneimittel leisten. Auch wenn die [X.] den gesetzlichen Auftrag hatte, genau diese Fragen nach der therapeutischen Wirksamkeit und zweckmäßigen Dosierung der Wirkstoffe zu klären, ist eine Monographie nur dann zur Stützung eines Zulassungsantrags geeignet, wenn sie über die Mitteilung ihrer Ergebnisse hinaus erkennen lässt, auf welches [X.] sie sich hierbei stützt. Daran mangelt es im Streitfall.

Diese Mängel des Entwurfs hat das [X.] auf der Grundlage der dargelegten Rechtsprechung des [X.] in den Zulassungsverfahren zutreffend erkannt und im Verfahren nach § 25 Abs. 4 [X.] gerügt. Dieser Rüge gegenüber kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die [X.]eklagte im Jahre 1997 im [X.]sverfahren für "Sinupret(r) forte Drageés" zu einer günstigeren Einschätzung gekommen sei; denn dies wäre angesichts der schon seinerzeit geltenden Anforderungen aus § 22 Abs. 3a, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a [X.] unzutreffend gewesen.

4. Ist der [X.] inhaltlich unzureichend, hat es das [X.]erufungsgericht im Ergebnis verfahrensfehlerfrei abgelehnt, den [X.]eweisanträgen der Klägerin nachzugehen.

a) Ihr Antrag, [X.]eweis zu erheben, dass der [X.] den aktuellen Stand der Wissenschaft wiedergibt, lief bei zutreffender Würdigung des Entwurfs darauf hinaus, die fehlende [X.]egründung nachzuholen. Zwar ist es im arzneimittelrechtlichen Rechtsstreit über einen Versagungsgrund grundsätzlich möglich, [X.]eweis über die Richtigkeit einer den Zulassungsantrag stützenden Tatsachenbehauptung zu erheben; die [X.]eweisbehauptung muss aber eine Tatsache betreffen, die der Antragsteller rechtzeitig vorgebracht hat. Anderenfalls könnte ein [X.]eweisantrag dazu genutzt werden, den Zulassungsantrag mit [X.] schlüssig zu machen, mit dem der Antragsteller präkludiert ist. So liegt der Fall hier. Das [X.] hatte die Klägerin mit seinem Mängelschreiben vom 2. Mai 2005 darauf hingewiesen, dass die Kombinationsbegründung auch in Würdigung des [X.]s der [X.] unzureichend sei. Damit war gemäß § 25 Abs. 4 Satz 4 [X.] nach der Versagung der Zulassung mit [X.]escheiden vom 26. April 2006 das Einreichen von hierauf bezogenen Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 27. Januar 2011 - [X.]VerwG 3 [X.] 10.10 - [X.] 418.32 [X.] Nr. 59 Rn. 14). Dass der Ausschluss, nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung weitere Unterlagen zur Mängelbeseitigung einzureichen, verfassungsgemäß ist, hat der [X.] bereits entschieden ([X.]eschluss vom 20. Januar 2014 - [X.]VerwG 3 [X.] 40.13 - juris Rn. 14). Der Fall der Klägerin gibt keine Veranlassung zu weitergehenden Erwägungen. Ein [X.]eweisantrag, der geeignet ist, die Präklusionswirkung zu umgehen, ist allein deshalb abzulehnen.

b) [X.]ei dieser Lage ist auch die [X.]egründung des [X.]erufungsgerichts nicht zu beanstanden, es sei Sache der Klägerin gewesen, zur [X.]egründung des Zulassungsantrags das dem [X.]sentwurf zugrunde liegende Material beizubringen. Mit dieser Ansicht hat es die Darlegungs- und [X.]eweislastverteilung im fraglichen Punkt nicht verkannt. Hatte die Klägerin mit dem [X.] der [X.] kein genügendes wissenschaftliches [X.] im Sinne des § 22 Abs. 3 [X.] vorgelegt, war es nach der [X.] des [X.] allein an ihr, die in dem [X.] niedergelegte Auffassung durch [X.]eibringung (etwa) der diesem zugrunde liegenden Erkenntnisse zu stützen. Gegenteiliges würde nur dann gelten, wenn es sich als notwendig erwiesen hätte, eine bereits durch verwertbares und hinreichend aussagekräftiges Material unterlegte Kombinationsbegründung zu erschüttern; denn allein der Umstand, dass es sich bei dem für die erforderliche [X.]egründung notwendigen Material um Erkenntnisse einer bei der [X.]ehörde gebildeten [X.] handelt, rechtfertigt keine Umkehr der Darlegungslast.

Meta

3 C 10/13

09.04.2014

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 5. Juli 2012, Az: 13 A 1637/10, Urteil

§ 22 Abs 3 AMG 1976, § 22 Abs 3a AMG 1976, § 25 Abs 2 S 1 Nr 5a AMG 1976, § 25 Abs 4 S 4 AMG 1976, § 25b Abs 2 AMG 1976, § 25b Abs 4 AMG 1976

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.04.2014, Az. 3 C 10/13 (REWIS RS 2014, 6416)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6416

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 U 165/03 (Oberlandesgericht Köln)


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