Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2007, Az. 1 StR 48/07

1. Strafsenat | REWIS RS 2007, 4545

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 48/07 vom 27. März 2007 in dem Sicherungsverfahren gegen - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. März 2007, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.] und [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.], Dr. Graf, Staatsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwältin als Verteidigerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des [X.] vom 5. Oktober 2006 wird verworfen. Der Beschuldigte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Von Rechts wegen Gründe: Der heute neunundsechzigjährige Beschuldigte leidet in Folge einer pa-ranoiden Schizophrenie ([X.] F20.0) an einer ausgeprägten Wahnsympto-matik. Nach den Feststellungen des [X.] verletzte der Beschuldigte den Zeugen [X.]mittels eines [X.] und verwirklichte so den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), handelte aber mangels Einsichtsfähigkeit aufgrund seiner krankhaften seelischen Störung ohne Schuld (§ 20 StGB). Das [X.] hat die Unter-bringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet; die - sofortige - Aussetzung von deren Vollstreckung zur [X.] (§ 67b StGB) hat sie versagt. 1 Die Feststellungen der Strafkammer zur [X.] sind rechtsfehlerfrei, wie auch die Anordnung der Maßnahme. Die Unterbringung in einem psychiat-rischen Krankenhaus steht insbesondere nicht außer Verhältnis zur [X.], zu erwartenden Taten sowie zu der vom Beschuldigten ausgehenden Gefahr. Dass der Angriff des Beschuldigten auf den Geschädigten letztlich glimpflich 2 - 4 - verlief, war lediglich dem geschickten Abwehrverhalten des Geschädigten und dessen Flucht zu verdanken. Die gezielte Bereitstellung des [X.] als Kampfgerät und das des Öfteren beim Beschuldigten beobachtete Beisicht-ragen eines Messers "zu Verteidigungszwecken" lassen ohne die Unterbrin-gung in der Zukunft Taten mit schwerwiegenden Folgen befürchten. Ebenso hat das [X.] die Aussetzung der Vollstreckung der Un-terbringung zur Bewährung nach § 67b Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei abgelehnt. Besondere Umstände, die die Erwartung rechtfertigen könnten, auch bei [X.] der Unterbringung könne der Zweck der Maßregel erreicht werden, waren nach den Feststellungen der Strafkammer zum Urteilszeitpunkt nicht er-sichtlich. Der Beschuldigte war zur ambulanten Behandlung nicht bereit. Die Einnahme von Medikamenten verweigerte er auch seit seiner vorläufigen Un-terbringung. Er hatte keinerlei Einsicht in die Notwendigkeit einer psychiatri-schen Behandlung. 3 Zwar können dem Beschuldigten im Falle der Aussetzung der Vollstre-ckung der Unterbringung zur Bewährung zugleich mit dem Urteil Weisungen erteilt werden (§ 268a Abs. 2 StPO), etwa sich einer medikamentösen [X.] zu unterziehen oder sich im Rahmen eines "betreuten Wohnens" oder in einer "Nachsorgeeinrichtung" ambulant behandeln zu lassen. Außerdem tritt nach § 67b Abs. 2 StGB mit der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbrin-gung Führungsaufsicht ein. Dann wird der Beschuldigte zugleich einem [X.]shelfer unterstellt (§ 68a StGB). Für sich genommen begründen diese rechtlichen Möglichkeiten noch nicht die Voraussetzungen des § 67b Abs. 1 StGB (vgl. [X.] 2002, 192; [X.], Urteil vom 16. März 1993 - 1 StR 888/92 - in NStZ 1993, 395 insoweit nicht abgedruckt), sondern nur dann, wenn die damit gegebenen Überwachungsmöglichkeiten und das dem Beschuldigten zu 4 - 5 - verdeutlichende Risiko, bei Nichterfüllung anzuordnender Weisungen (§ 68b StGB) mit dem Vollzug der Unterbringung rechnen zu müssen, im konkreten Fall tatsächlich eine hinreichende Gewähr dafür bieten, der Beschuldigte werde sich einer ambulanten medikamentösen Behandlung unterziehen, so dass die Erwartung gerechtfertigt ist, der Zweck der Maßregel werde auch ohne Vollzug der Unterbringung erreicht werden (vgl. [X.]R StGB § 67b Gesamtwürdi-gung 1; [X.] NStZ 1988, 309, 310; vgl. auch [X.]/[X.], StGB 54. Aufl. § 67b Rdn. 3; [X.] in [X.]/[X.], StGB 27. Aufl. § 67b Rdn. 6). [X.] der verfestigten Wahnvorstellungen des Beschuldigten und seiner damit argumentativ eng verknüpften entschiedenen Weigerung, sich - insbesondere medikamentös - behandeln zu lassen, lag - zum Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils - die Annahme, allein gerichtliche Weisungen oder Anordnungen eines Bewährungshelfers könnten beim Beschuldigten einen Gesinnungswandel her-beiführen, jedoch fern. [X.] Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte dies daher nicht. Die weniger stigmatisierende und schon deshalb regelmäßig für einen Beschuldigten günstigere Unterbringung nach Landesgesetzen, hier gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Unterbringungsgesetzes, ist zwar grundsätz-lich eine Alternative zur strafrechtlichen Unterbringung ([X.]St 34, 313, 316 ff.). Gegenstand einer strafprozessualen Anordnung, einer Bewährungsauflage, kann dies jedoch - im Hinblick auf die landesrechtlichen Zuständigkeiten zur Anordnung der Maßnahme - nicht sein. Entsprechendes gilt für eine zivilrechtli-che Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch den Betreuer mit [X.] des Vormundschaftsgerichts gemäß § 1906 Abs. 2 BGB (vgl. [X.]R StGB § 67b Abs. 1 Besondere Umstände 3 [Unterbringung durch den [X.]]), die dann auch das Recht umfasst, den notwendigen ärztlichen [X.] entgegenstehenden Willen des Betreuten zu überwinden (vgl. [X.]Z 5 - 6 - 166, 141, 148 ff.). Die Vollstreckung einer strafprozessualen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67b StGB auszusetzen - oder gar von deren Anordnung abzusehen - kommt in entsprechenden Fällen deshalb nur in Betracht, wenn eine alternative Maßnahme von der hierfür zuständigen Stelle bereits angeordnet ist und ein nahtloser Übergang so gewährleistet ist. Im vorliegenden Fall war diese Voraussetzung zum Urteilszeitpunkt nicht gege-ben. Allerdings werden die genannten Alternativen in Zukunft im Rahmen der gemäß § 67e StGB gebotenen Überprüfung der Maßregel zur Gewährleistung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Erwägung zu ziehen, unter [X.] sogar geboten sein. Hierzu werden wegen der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und der darauf beruhenden auseinander gehenden Kompe-tenzzuweisungen Absprachen mit den für die jeweiligen Anordnungen zuständi-gen Stellen und Personen notwendig sein. Der Grundsatz der Subsidiarität des Vollzugs der landesrechtlichen Unterbringung gemäß Art. 1 Abs. 2 des Bayeri-schen Unterbringungsgesetzes steht bei entsprechender Abstimmung des [X.] nicht entgegen. Entsprechendes in die Wege zu leiten, ist im vorliegen-den Fall primär Sache der Justiz, als dem staatlichen Bereich, der den kranken schuldunfähigen Beschuldigten - bereits mit der vorläufigen Unterbringung ge-mäß § 126a StPO - in Obhut nahm und damit auch dafür verantwortlich ist, dass das mit der Maßnahme der Unterbringung des - 7 - schuldunfähigen Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus verbun-dene Übel minimiert wird ([X.], Beschluss vom 28. September 2006 - 1 [X.]). Herr Ri[X.] Dr. Wahl befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. [X.] [X.] Kolz [X.] Graf

Meta

1 StR 48/07

27.03.2007

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2007, Az. 1 StR 48/07 (REWIS RS 2007, 4545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4545

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