Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.11.2020, Az. 30 W (pat) 510/19

30. Senat | REWIS RS 2020, 3216

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Wir geben Ihrem Kunststoff ein neues Leben" – fehlende Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 103 966.9

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 12. November 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

[X.].

1

Die Wortfolge

2

Wir geben [X.]hrem Kunststoff ein neues Leben

3

ist am 10. April 2018 als Marke für die Waren und Dienstleistungen

4

Klasse 01: Kunststoffe im Rohzustand, insbesondere als Granulat

5

[X.]: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Abtransport von Müll

6

[X.]: Recycling und Müllbearbeitung, insbesondere Recycling von Kunststoffen

7

zur Eintragung in das beim [X.] geführte Register angemeldet worden.

8

Die mit einer Tarifbeschäftigten besetzte Markenstelle für Klasse 1 des [X.]s hat die Anmeldung mit Beschluss vom 26. März 2019 zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

9

Bei der angemeldeten Wortfolge Wir geben [X.]hrem Kunststoff ein neues Leben handele es sich um einen aus gewöhnlichen Worten gebildeten Aussagesatz, welcher sich in eine Vielzahl vergleichbar mit dem Personalpronomen "Wir" gebildeter sloganartiger Wortfolgen wie zB "Wir geben [X.]hrem Leben neuen Schwung", "Wir geben [X.]hrer Kunst den richtigen Rahmen!", "Wir geben [X.]hrer Strategie Gestalt", "Wir geben [X.]hren Produkten Form" einreihe und bei dem die Wendung "neues Leben geben" wie in den vergleichbaren Wortfolgen "[X.] ein neues Leben geben", "Alten Geräten ein neues Leben geben", "Alten Dingen ein neues Leben geben", "[X.] neues Leben geben" als schlagwortartiger Hinweis darauf diene, dass verbrauchten oder nicht mehr verwendbaren Gegenständen durch Wiederverwertung "ein neuer Sinn gegeben" werde. So könnten insbesondere "Kunststoffe" durch verschiedene Formen der Wiederverwertung einen "neuen Sinn erhalten" und ihnen damit gleichsam ein "neues Leben" gegeben werden. Dieser Zusammenhang liege für den Verkehr auch nahe, da gerade bei Kunststoffen angesichts zunehmender Mengen von Kunststoffabfällen das Thema Wiederverwertung allgegenwärtig sei.

Der Sinngehalt der hier zu betrachtenden Wortfolge Wir geben [X.]hrem Kunststoff ein neues Leben sei daher ohne weiteres verständlich und werde als reine Sachaussage über die beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden. So beschreibe die angemeldete Bezeichnung die Dienstleistungen der [X.] bezüglich des Gegenstandes und die Waren der Klasse 01 hinsichtlich ihrer Art und Beschaffenheit.

Die weiterhin beanspruchten Dienstleistungen der [X.] stünden jedenfalls in einem engen sachlichen Zusammenhang zu den Recycling- und Müllbearbeitungsleistungen, da eine solche Wiederverwertung von Kunststoffen ein Sammeln derselben voraussetze.

Die von der Anmelderin zitierten Voreintragungen mit der Wortfolge "Wir geben …" böten keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung, zumal den von der Anmelderin benannten Voreintragungen eine Vielzahl von Zurückweisungen vergleichbar gebildeter Aussagesätze mit der Wortfolge "Wir geben …." gegenüberstünde.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt, die sie jedoch nicht näher begründet hat.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des [X.]s vom 26. März 2019 aufzuheben.

[X.]hren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nach [X.] mit [X.] vom 19. Oktober 2020 zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.][X.].

A. Die Beschwerde ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] zulässig. Ein konkreter Antrag ist ebenso wenig erforderlich wie eine Beschwerdebegründung. Fehlt – wie vorliegend – ein Antrag, ist von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang auszugehen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 66 Rdnr. 40).

B. [X.]n der Sache hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg, da es der angemeldeten Wortmarke Wir geben [X.]hrem Kunststoff ein neues Leben in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.] 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 932 Rn. 7 – #darferdas? [X.]; [X.] 2018, 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.] 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 608 Rn. 66 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]/[X.] [Bio[X.]D]; BGH [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.] 2014, 565 Rn. 12 – [X.]).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.] 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 934 Rn. 10 – [X.]; [X.] 2014, 872 Rn. 13 – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH [X.],1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.] 2019, 1194 Rn. 20 – [X.] [#darferdas?]; [X.], 608 Rn. 67 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 411 Rn. 24 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird ([X.] [X.] 2004, 674 Rn. 86 – [X.]/[X.] [Postkantoor]; [X.], 932 Rn. 8 – #darferdas? [X.]). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.] 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).

Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beurteilung von (sloganartigen) Wortfolgen auszugehen, an deren Unterscheidungskraft Grundsätzlich keine strengeren Anforderungen als an andere Wortmarken zu stellen sind ([X.] [X.] [X.]nt 2012, 914 Rn. 25 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.] [X.] 2010, 228 Rn. 36 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] 2014, 872 Rn. 14 – [X.]; [X.] 2014, 565 Rn. 14 – [X.]; BGH [X.], 270 Rn. 11 – Link economy). Daher ist die Tatsache allein, dass ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird, nicht genügend zur Verneinung der für die Schutzfähigkeit erforderlichen Unterscheidungskraft (vgl. [X.] [X.] 2010, 228 Rn. 44 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]). Denn der anpreisende Sinn einer Bezeichnung schließt deren Eignung, als Herkunftshinweis zu wirken, nicht von vorneherein aus. Entscheidend ist, ob der Verkehr die Bezeichnung ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht, oder ob die Marke zugleich auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen wahrgenommen wird (vgl. [X.] [X.] 2010, 228 Rn. 45 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] 2014, 872 Rn. 23 – [X.]). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Kürzeren Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder bei Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen (vgl. [X.] 2014, 872 Rn. 23 – [X.]; [X.], 522 Rn. 9 – [X.] schönste Seiten; [X.], 949 Rn. 12 – [X.]; [X.], 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Weist die Wortfolge einen unterscheidungskräftigen Bestandteil auf, wird dies im Regelfall dazu führen, dass auch der Wortfolge in ihrer Gesamtheit die Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht fehlt (vgl. [X.] 2014, 872 Rn. 14 – [X.]; [X.] 2014, 565 Rn. 14 – [X.]). Grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig werden des Weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein (vgl. [X.] 2014, 565 Rn. 14 – [X.]; [X.], 522 Rn. 9 – [X.] schönste Seiten; [X.], 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). [X.]ndizien für die Eignung, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und [X.]nterpretationsbedürftigkeit einer Wortfolge kann einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung nicht überspannt werden (vgl. [X.] [X.] 2010, 228 Rn. 57 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] 2014, 565 Rn. 14 – [X.]; [X.], 522 Rn. 9 – [X.] schönste Seiten).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Unterscheidungskraft der angemeldeten Wortfolge Wir geben [X.]hrem Kunststoff ein neues Leben im hier relevanten Waren- und Dienstleistungszusammenhang zu verneinen, da die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung ohne besonderen gedanklichen Aufwand nur und ausschließlich als beschreibende Sachangabe mit anpreisendem Charakter auffassen, so dass sie diese nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb bzw. Unternehmen erkennen.

a. Die angemeldete Wortfolge ist aus allgemein verständlichen Begriffen der [X.] gebildet.

aa. "Wir" ist das Personalpronomen der 1. Person Plural und bezeichnet allgemein eine Gruppe von Personen unter Einschluss des Sprechers; es wird regelmäßig auch von Unternehmen und Einrichtungen verwendet, wenn sie von sich sprechen (vgl. [X.] PAV[X.]S PROMA, 30 W (pat) 517/15 – Wir sind Spitzenmedizin; 30 W (pat) 550/10 – Wir sind Public Viewing; siehe ferner [X.] 28 W (pat) 522/10 – Wir sind [X.]nnovation!; 28 W (pat) 127/09 – [X.]). Der Verkehr ist dabei in der Werbung seit langem nicht nur an mit der einleitenden Formulierung "Wir sind ..", sondern auch an mit den Worten "Wir geben.." gebildete sloganartige Aussagesätze gewöhnt – wie die von der Markenstelle im angefochtenen Beschluss genannten Wortfolgen sowie nicht zuletzt auch der seit Jahrzehnten allgemein bekannte Werbespruch einer Bausparkasse "Wir geben [X.]hrer Zukunft ein Zuhause" belegen –, mit denen ihm in werblich-einprägsamer Form eine Aussage zu [X.]nhalt, Bestimmung, Beschaffenheit, Qualität etc. der von dem mit "wir" bezeichneten Anbieter vertriebenen Waren- und/oder Dienstleistungsprodukte vermittelt werden soll.

bb. Die in der angemeldeten Wortfolge enthaltene Wendung "neues Leben geben" wird regelmäßig in Zusammenhang mit (alten, gebrauchten o.ä.) Sachen und Gegenständen verwendet, um in werblich-prägnanter Form auf deren "Wiederbelebung" zB durch Wiederherstellung oder Wiederverwertung (Recycling) hinzuweisen, wie die seitens der Markenstelle recherchierten und der Anmelderin mitgeteilten vergleichbaren Wortfolgen "[X.] ein neues Leben geben", "Alten Geräten ein neues Leben geben", "Alten Dingen ein neues Leben geben", "[X.] neues Leben geben" belegen.

[X.]nsbesondere bei den in der beanspruchten Wortfolge in Bezug genommenen Kunststoffen kommt dem Thema Recycling und Wiederverwertung in Zusammenhang mit der Vermeidung von Müll und der sparsamen Verwendung von natürlichen Ressourcen wie vor allem Erdöl eine große Bedeutung zu. Kunststoff(abfall) kann daher durch Recycling oder andere Formen der Wiederverwertung eine neue Form und Verwendungsmöglichkeit und Aufgabe und damit gleichsam ein "neues Leben" erhalten. Ein entsprechender (Werbe-)Sprachgebrauch ist auch bereits für den Zeitpunkt der Anmeldung nachweisbar, wie die seitens der Markenstelle dem Beanstandungsbescheid vom 7. Juni 2018 beigefügte Fundstelle mit der Überschrift "Recycling - Neues Leben für [X.]" belegt.

cc. Bei der sich – wie bereits dargelegt – in eine Vielzahl vergleichbar mit den einleitenden Worten "Wir geben …" einreihenden sloganartigen Wortfolge Wir geben [X.]hrem Kunststoff ein neues Leben handelt sich daher ebenfalls um einen sprachüblichen, grammatikalisch korrekt und aus gewöhnlichen Worten gebildeten werblich-anpreisenden Aussagesatz mit der für den Verkehr ohne weiteres verständlichen Bedeutung, dass der mit dem Personalpronomen "Wir" bezeichnete Anbieter bzw. das dahinterstehende Unternehmen "Kunststoff" durch Wiederverwertung und Recycling einer neuen Aufgabe/Verwendungsmöglichkeit und damit einem "neuen Leben" zuführt.

b. Ausgehend davon werden die angesprochenen inländischen Verkehrskreise der inhaltlich ohne weiteres verständlichen Wortfolge Wir geben [X.]hrem Kunststoff ein neues Leben in Zusammenhang mit sämtlichen beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne besonderen gedanklichen Aufwand ausschließlich eine in Form eines Slogans gefasste sachbezogene Aussage zur Beschaffenheit der Waren bzw. zu [X.]nhalt und Zweck der angebotenen Dienstleistungen entnehmen, nämlich dass diese auf recyceltem Kunststoff bestehen und/oder aus diesem hergestellt sind bzw. – was die Dienstleistungen betrifft – sich mit der "Wiederbelebung" von Kunststoffen zB durch Recycling beschäftigen.

aa. So können die zu Klasse 01 beanspruchten Waren "Kunststoffe im Rohzustand" aus wiederverwerteten Kunststoffen bzw. Kunststoffabfällen hergestellt sein und bestehen, so dass sich die angemeldete Wortfolge insoweit auf eine in Form eines üblichen Slogans gefasste Bestimmungs- und Beschaffenheitsangabe beschränkt. Dabei werden recycelte Kunststoffe insbesondere auch in Form von Granulaten angeboten, die zu neuen Waren weiterverarbeitet werden können.

bb. Die zu [X.] beanspruchten Dienstleistungen "Recycling und Müllbearbeitung" umfassen auch das beispielhaft ("insbesondere") benannte "Recycling von Kunststoffen", so dass die Wortfolge lediglich in sloganartiger Form den Gegenstand der Dienstleistung benennt.

cc. Was die zu [X.] beanspruchten Dienstleistungen "Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Abtransport von Müll" betrifft – wobei unter den weiten Oberbegriff "Transportwesen" auch der enge Dienstleistungsbegriff "Abtransport von Müll" fällt –, besteht zu Kunststoffrecycling jedenfalls insoweit ein enger beschreibender Bezug, als einer Wieder- und/oder Weiterverarbeitung von Kunststoff(abfällen) ein regelmäßig mit speziellen Anforderungen verbundener Abtransport von (Kunststoff)Müll vorausgeht. Der Verkehr wird daher der angemeldeten Wortfolge auch insoweit lediglich den Hinweis entnehmen, dass diese Dienstleistungen sich auf das Recycling von Kunststoffen beziehen, so dass es sich auch insoweit um einen in Form eines Werbespruchs gehaltenen Hinweis zu Gegenstand und Zweck der so bezeichneten Dienstleistungen handelt.

Dies gilt auch in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen "Verpackung und Lagerung von Waren", da sowohl für eine Wiederverwertung bestimmte Kunststoffabfälle als auch recycelter Kunststoff zB in Form von Granulat Gegenstand dieser Dienstleistung sein können. Daher wird der Verkehr der Wortfolge auch insoweit lediglich den in Form eines üblichen Slogans gehaltenen Hinweis entnehmen, dass die Dienstleistungen sich mit recyceltem oder auch noch zu recycelndem Kunststoff befassen.

dd. [X.]nsoweit bedarf es für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Endverbraucher angesichts des klaren und leicht zu erfassenden Aussagegehalts der angemeldeten Wortfolge sowie nicht zuletzt aufgrund seiner Gewöhnung an vergleichbar mit der Wortfolge "Wir geben …" gebildete Slogans keiner gedanklichen Auseinandersetzung oder Überlegung, um die angemeldete Wortfolge nur und ausschließlich als sachbezogene Aussage zur Beschaffenheit der Waren bzw. zu [X.]nhalt und Zweck der angebotenen Dienstleistungen in Form eines gängigen Werbeslogans zu verstehen, so dass diese sich nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen eignet.

c. Einem markenrechtlichen [X.]ndividualschutz an der angemeldeten Wortfolge steht zudem ein schutzwürdiges [X.]nteresse der Allgemeinheit und insbesondere der Mitbewerber entgegen, solche Redewendungen ebenso wie Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art im Wettbewerb frei zu halten. Jeder muss die Möglichkeit haben, sich solcher Formeln und Redewendungen des allgemeinen Sprachschatzes zu bedienen. Den Wettbewerbern darf die Möglichkeit, mit einer umgangssprachlichen Wortfolge wie Wir geben [X.]hrem Kunststoff ein neues Leben auf ein entsprechendes Angebot hinzuweisen, nicht zugunsten eines einzelnen Mitbewerbers genommen werden. Eine Schutzfähigkeit kann einer solchen auf einer allgemeinen Redensart basierenden Wortfolge daher Grundsätzlich nicht zuerkannt werden (vgl. [X.] PAV[X.]S PROMA, 30 W (pat) 55/17 – Wir geben den Ton an; 30 W (pat) 523/13 – ...ist [X.] Recht!).

d. Was die geltend gemachten Voreintragungen mit den einleitenden Worten "Wir geben …" betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese zum einen rechtlich nicht bindend sind und zudem den von der Anmelderin benannten Eintragungen eine Vielzahl von (Teil-)Zurückweisungen vergleichbar gebildeter Aussagesätze gegenübersteht, wie die von der Markenstelle durchgeführte Recherche zu Voreintragungen belegt.

3. Die angemeldete Wortfolge kann daher im Umfang der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität zu garantieren, nicht erfüllen. Sie ist deshalb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Meta

30 W (pat) 510/19

12.11.2020

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.11.2020, Az. 30 W (pat) 510/19 (REWIS RS 2020, 3216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3216

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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