Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2018, Az. XII ZB 448/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6661

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[X.]:[X.]:BGH:2018:040718BXIIZB448.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

BESCHLUSS
XII ZB 448/17
Verkündet am:

4. Juli 2018

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1; BGB § 1578 b
a)
Leistungen nach §
16 Abs.
1 [X.] bleiben bei der [X.]
stets unberücksichtigt (im [X.] an [X.]sbeschluss vom 16.
Juli 2014

XII
ZB
164/14
Z 2014, 1619
zur Conterganrente).
b)
Auch wenn eine abschließende
Entscheidung über die Folgen des §
1578
b BGB noch nicht möglich ist, darf eine Entscheidung darüber nicht [X.] zurückgestellt werden. Vielmehr muss das Gericht insoweit entschei-den, als eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der [X.] voraussehbaren Umstände möglich ist. Das gilt insbesondere für eine bereits mögliche Entscheidung über die Herabsetzung nach §
1578
b Abs.
1 BGB (im [X.] an [X.]surteil [X.], 50

[X.], 454).
BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 -
XII ZB 448/17 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 4.
Juli 2018 durch [X.], [X.]
Dr.
[X.], Schilling
und
Dr.
[X.] und die Richterin Dr.
Krüger
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]s wird der Be-schluss des 4.
Zivilsenats

Familiensenat

des Oberlandesge-richts [X.] vom 10.
August 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über [X.]en Unterhalt.
Die Beteiligten haben am 31.
Dezember 1992 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind
zwei Töchter (geboren 1998 und 2003) hervorgegangen, von de-nen eine bei der Antragstellerin und eine beim [X.] lebt.
Seit dem 1
2
-
3
-

26.
April 2016 ist die Ehe rechtskräftig geschieden. Der Versorgungsausgleich ist durchgeführt; zum Ausgleich des Zugewinns erhielt die Antragstellerin [X.] 90.000

Die 1968 geborene Antragstellerin absolvierte eine Ausbildung als Ein-zelhandelskauffrau und war danach bei der G.
K. GmbH
tätig. Seit August 1990 arbeitete sie als Kassiererin bei der
Kreissparkasse, zunächst in Vollzeit, später
halbtags. Nach der Geburt der ersten Tochter nahm sie Erziehungsurlaub,
be-endete danach ihr Arbeitsverhältnis mit der Kreissparkasse und widmete sich fortan der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung. Nach der Trennung der Beteiligten fand sie eine vollschichtige Anstellung als Kassiererin bei der W.
GmbH & Co. KG. Die dort erzielten Einkünfte bleiben hinter den Einkünften zurück, die sie bei einer Weiterbeschäftigung bei der Kreissparkasse erzielt [X.]. Ab Februar 2017
beläuft
sich die Differenz auf monatlich rund 506

Der ebenfalls 1968 geborene [X.] ist bei der F.
W. GmbH
an-gestellt. Über sein Arbeitsentgelt hinaus bezieht er eine monatliche Rente ge-mäß §
16 Abs.
1 des Gesetzes über die humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen vom 24.
Juli 1995 ([X.]
I 1995, 972 und 979; [X.]

im Folgenden: [X.])
in Höhe von rund 1.500

to).
Er bewohnt ein Eigenheim, für das er Zins-
und Tilgungsleistungen aufbringt.
Das Amtsgericht hat den [X.] unter Berücksichtigung der ge-nannten Rente zur Zahlung von [X.]em Unterhalt in Höhe von monat-lich 1.660

sowie eines Unterhaltsrückstands
für die [X.]
ab April 2016 verpflichtet; eine Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts hat es abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] durch Beschluss gemäß §§
112 Nr.
1, 117 Abs.
3, 68 Abs.
3 Satz
2 FamFG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde 3
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5
-
4
-

des [X.]s, mit der er weiterhin eine Berechnung des [X.]en Unterhalts ohne die Berücksichtigung seiner Rente gemäß §
16 Abs.
1 [X.] sowie die Befristung und/oder Herabsetzung des Unterhalts
anstrebt.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefoch-tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandes-gericht.
1.
Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt:
Die monatliche Rente in Höhe von 1.500

dem [X.]
beziehe, sei als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu berücksichtigen. Denn grundsätzlich seien insoweit alle zufließenden Einkünfte
anzurechnen, gleichgültig welcher Art sie seien und aus welchem [X.] sie gezahlt würden. Anders als bei Renten nach dem [X.] sei dieser Grundsatz bei Leistungen nach dem [X.]
auch nicht aufgrund gesetzlicher Regelung ausgeschlossen. Zwar besage §
17 Abs.
1 [X.], dass die Leistungen der Stiftung nicht auf andere Leistungen aus öffentlichen Mitteln angerechnet und auch nicht bei der gesetzlich vorgese-henen Ermittlung von Einkommen und Vermögen berücksichtigt werden. [X.] könnten private Unterhaltsgläubiger aber nicht gemeint sein, da sie keine öffentlichen Mittel verwalteten. Zudem sei der Zweck des [X.]es
nach dessen §
1 ausdrücklich, erkrankten Personen und deren unterhaltsbe-rechtigten Angehörigen finanzielle Hilfe zu leisten. Wollte man die Leistung nach dem [X.]
im Rahmen des Unterhalts nicht berücksichtigen, 6
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-
5
-

wären die unterhaltsberechtigten Angehörigen bei fehlender [X.] ohne weiteres von der ihnen zugedachten Unterstützung abgeschnitten. Auch der unterschiedliche Wortlaut von §
18 Abs.
1 [X.] und §
17 Abs.
1 [X.] spreche dafür, die Leistungen nach dem HIVHilfe-gesetz
als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu behandeln. Eine ab-weichende Bewertung ergebe sich auch nicht daraus, dass nicht infizierten [X.] und Ehepartnern für gewisse [X.]räume nach dem Tod der infizierten Per-son eigene Ansprüche aus dem [X.]
zustehen können.
Eine Herabsetzung oder zeitliche Befristung
des Unterhaltsanspruchs nach §
1578
b BGB sei im Rahmen der
vorliegenden Entscheidung nicht aus-zusprechen. Zwar erscheine die unbefristete Zubilligung des vollen Unterhalts-anspruchs nicht angemessen. Allerdings sei der Antragstellerin unter Berück-sichtigung der Ehedauer von über 23
Jahren, ihres Alters
und ihrer in der
Ehe übernommenen Verpflichtungen hinsichtlich der Erziehung der Töchter aus Gründen der [X.]en Solidarität eine angemessene Übergangsphase zwischen den günstigeren eheprägenden Verhältnissen und der wirtschaftlichen Eigenständigkeit einzuräumen, woran auch der Zugewinnausgleich nichts ände-re. Insoweit erscheine die Zubilligung des vollen Unterhalts für acht Jahre sowie die eines Betrags in Höhe des ehebedingten Nachteils zuzüglich der halben Differenz zum vollen Unterhalt für weitere vier Jahre angemessen. Eine weiter-gehende Herabsetzung oder gar eine vollständige Befristung komme dagegen im Hinblick auf den fortwirkenden ehebedingten Nachteil nicht in Betracht. Denn zwischen den Verfahrensbeteiligten sei unstreitig geblieben, dass sich der [X.], den die Antragstellerin durch die familienbedingte Aufgabe ihrer Stelle als Kassiererin bei der Kreissparkasse erleide, ab Februar 2017 monatlich auf jedenfalls 506,34

Danach komme ohnehin nur eine Befristung des Unterhaltsanspruchs in Betracht, der über die Kompensation des ehebedingten Nachteils hinausgehe. Wie sich der ehebedingte Nachteil aber 9
-
6
-

konkret etwa im Jahre 2024 auf das Einkommen der Antragstellerin auswirken werde, lasse sich derzeit noch nicht mit hinreichender
Zuverlässigkeit abschät-zen.
2.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand.
a) Das [X.] hat die Rente
des [X.]s
nach §
16 Abs.
1 [X.] zu Unrecht im Rahmen der [X.] berücksichtigt.
aa) Zweck des [X.]es
ist nach
dessen
§
1, aus humanitären und [X.] Gründen und unabhängig von bisher erbrachten Entschädigungs-
und [X.] Leistungen an Personen, die durch Blutprodukte unmittelbar oder mittelbar mit HIV infiziert wurden oder infolge davon an AIDS erkrankt sind, und an deren unterhaltsberechtigte Angehörige finanzielle Hilfe zu leisten. [X.] sind dabei nach §
15 [X.] über die vor dem 1.
Januar 1988 HIV-Infizierten
und/oder an AIDS Erkrankten hinaus auch mittelbar infi-zierte Personen (Ehepartner, Verlobte und Lebenspartner oder bei der Geburt infizierte Kinder) sowie nicht infizierte Kinder und Ehepartner von Infizierten oder
Erkrankten. Nach §
16 Abs.
3 [X.] erhielten nicht infizierte Ehepartner für einen [X.]raum von fünf Jahren monatlich 511,29

r-son im [X.]punkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 31.
Juli 1995 bereits ver-storben war, während nicht infizierte Kinder
gemäß §
16 Abs.
2 [X.] nach dem Tod der infizierten Person monatlich 511,29

e-rufsausbildung erhalten, längstens bis zum Ablauf des 25.
Lebensjahres. Nach §
16 Abs.
1 [X.] erhalten HIV-infizierte Personen monatlich 766,94

AIDS-erkrankte Personen monatlich 1.533,88

bb) Sämtliche Leistungen werden nach §
17 Abs.
1 [X.] nicht auf an-dere Leistungen aus öffentlichen Mitteln angerechnet und auch nicht bei der 10
11
12
13
-
7
-

gesetzlich vorgesehenen Ermittlung von Einkommen und Vermögen berück-sichtigt.
Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift beschränkt sich
allerdings
nicht darauf, dass die Leistungen nach dem [X.]
nicht auf andere Leis-tungen aus öffentlichen Mitteln angerechnet werden (vgl. dazu BT-Drucks. 13/1298 S.
11), sondern umfasst nach seinem Wortlaut allgemein auch die Er-mittlung des Einkommens von infizierten Personen. Die gesetzliche Regelung erstreckt sich daher auch auf die unterhaltsrechtliche Einkommensermittlung.
cc) Die in §
17 Abs.
1 [X.] getroffene Regelung

die bei Inkrafttreten des [X.]es im Juli 1995 §
17 Abs.
2 [X.] a.F. entsprach, vgl. §
14 des Antiilfegesetzes
vom 2.
August 2000 ([X.]
I 1270, 1272)

orientierte sich an der damaligen Regelung über die sogenannte
Conterganrente (vgl. da-zu [X.]sbeschluss vom 16.
Juli 2014

XII
ZB
164/14

FamRZ 2014, 1619).
Durch das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "[X.]"
vom 17.
Dezember 1971 ([X.] 1971
I
2018; 1972
I 2045; im Folgenden: Errichtungsgesetz) wurde eine Stiftung mit dem Zweck errichtet, behinderten Menschen, deren Fehlbildungen mit der Einnahme bestimmter Präparate durch die Mutter während der Schwangerschaft in [X.] werden können, Leistungen zu erbringen, insbesondere die sogenannte
Conterganrente. Diese Leistungen
blieben nach §
21 Abs.
2 des Errichtungsge-setzes bei der Ermittlung von Einkommen und Vermögen nach anderen Geset-zen, insbesondere dem [X.], dem Arbeitsförderungsgesetz
und dem [X.], außer Betracht.
Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und Träger der Sozialhilfe oder anderer So-zialleistungen wurden nach §
22 Satz
1 des Errichtungsgesetzes nicht berührt.

14
15
16
-
8
-

§
21 Abs.
2 des Errichtungsgesetzes wurde nachfolgend durch das [X.] ([X.]

[X.]) vom 13.
Oktober 2005 ([X.]
I 2967; neu gefasst durch Bekanntmachung vom 25.
Juni 2009

[X.]
I 1537, zuletzt geändert durch Art.
1 des Gesetzes vom 21.
Februar 2017 ([X.]
[X.]) aus systematischen Gründen zu §
18 Abs.
1 [X.] (BT-Drucks. 15/5654 S.
13). Nach §
18 Abs.
1 [X.] bleiben Leistungen nach diesem Gesetz
bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem [X.], [X.], Fünften, [X.] und [X.] und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, außer Be-tracht.
Die frühere Regelung in §
22 Satz
1 des Errichtungsgesetzes wurde in §
18 Abs.
2 [X.] übernommen.
In der Gesetzesbegründung wird insoweit ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei der Aufnahme des Bürgerlichen Gesetzbuches als Verweis um eine Klarstellung handele, da die beispielhafte Aufzählung von Gesetzen in §
21 Abs.
2 Satz
1 des Errichtungsgesetzes nicht abschließend sei. Obwohl die Bundesregierung von jeher die Auffassung vertreten habe, dass diese Leistun-gen bei der Bemessung von Unterhaltsleistungen grundsätzlich nicht berück-sichtigt werden dürften, habe in der Vergangenheit in Einzelfällen bei Schei-dungen offensichtlich Unsicherheit darüber bestanden, ob die [X.] bei der Bemessung von Unterhaltsleistungen nach dem Bürgerlichen Gesetz-buch herangezogen werden könnten. Ein ausdrücklicher Verweis auf das [X.] sei im Errichtungsgesetz unterblieben, da in Anbetracht des damaligen Alters der Contergangeschädigten eine Unterhaltsanrechnung im Trennungs-
oder Scheidungsfall nicht explizit geregelt worden sei. Dem Gesetzgeber
obliege es jedoch, auch in Zukunft darüber zu wachen, dass die Leistungen der Stiftung der
übernommenen Verantwortung gerecht würden.
Zur Vermeidung von Auslegungsproblemen sei es daher erforderlich, klarzustel-17
18
-
9
-

len, dass die Leistungen nach dem neuen Conterganstiftungsgesetz auch bei der Bemessung des Unterhalts als echte Zusatzleistungen erhalten bleiben (BTDrucks. 15/5654 S.
13).
dd) Diese Erwägungen gelten für die Leistungen nach dem [X.]
entsprechend. Sinn und Zweck des HIVilfegesetzes
war, den unmittelbar und mittelbar Betroffenen sowie ihren Angehörigen eine schnelle und angemessene Unterstützung zu gewähren. Die Leistungen, die ohne Prü-fung der Einkommens-
oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgen, haben keine Einkommensersatzfunktion, sondern werden als humanitäre Hilfe gewährt.
Dem in §
1 [X.] und in der Gesetzesbegründung (vgl. etwa BT-Drucks. 13/1298 S.
8, 11) ausgewiesenen
Zweck, auch den unterhaltsberech-tigten Angehörigen von infizierten/erkrankten Personen finanzielle Hilfe zu leis-ten, wird durch an
nicht infizierte
Kinder und Ehepartner
von infizierten/erkrank-ten Personen gewährten Leistungen gemäß §§
15 Abs.
4, 16 Abs.
2 und 3 [X.] Rechnung getragen. Dagegen gebietet der Zweck es nicht, den Unter-halt von nicht infizierten Ehegatten zu Lasten des infizierten Ehegatten unter Berücksichtigung von dessen [X.] zu bemessen.
Da die Renten nach dem [X.] kein unterhaltsrechtliches Ein-kommen darstellen, findet §
1610
a BGB insoweit keine Anwendung. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass dem [X.] nach den nicht ange-griffenen Feststellungen des Amtsgerichts bislang ein krankheitsbedingter Mehrbedarf nicht entstanden ist.
b) Die Rechtsbeschwerde rügt zudem zu Recht, dass das Oberlandesge-richt es abgelehnt hat, derzeit über eine Befristung/Herabsetzung des [X.] gemäß §
1578
b BGB zu entscheiden.
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-
10
-

aa) Nach §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB ist ein Anspruch auf nacheheli-chen Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des [X.] auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen
Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für
die Billigkeitsabwägung sind §
1578
b Abs.
1 Satz
2 und 3 BGB zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu [X.], inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetre-ten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Ein [X.] Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte [X.] nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde
([X.]sbeschluss vom 8.
Juni 2016

XII
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FamRZ 2016, 1345 Rn.
14
mwN).
§
1578
b BGB beschränkt sich allerdings nicht auf die Kompensation [X.] Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausge-hende [X.]e Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile fest-stellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des [X.]en Unter-halts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen. Bei der insoweit gebotenen [X.] Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der nachehe-lichen Solidarität festzulegen. Wesentliche Aspekte hierbei sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung
der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind [X.] die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unter-23
24
-
11
-

haltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewie-sen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige

unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten

durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhalts-zahlungen bedeutsam sein
([X.]sbeschluss vom 8.
Juni 2016

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FamRZ 2016, 1345 Rn.
15 mwN).
Als Rechtsfolge sieht §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB die Herabsetzung bis auf den angemessenen Lebensbedarf vor. Dieser Maßstab bildet regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des [X.]en Unterhalts und bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt
aber zugleich, dass der nach §
1578
b Abs.
1 BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten
erreichen muss ([X.]sbeschluss vom 8.
Juni 2016

XII
ZB
84/15

FamRZ 2016, 1345 Rn.
16
mwN).
Die Abwägung aller für die
Billigkeitsentscheidung nach §
1578
b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht aber daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der rechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt
([X.]sbeschluss vom 8.
Juni 2016

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FamRZ 2016, 1345 Rn.
17 mwN).
25
26
-
12
-

Zwar kann über eine Unterhaltsbefristung oder -herabsetzung erst dann abschließend entschieden werden, wenn die Verhältnisse der Ehegatten wirtschaftlich
entflochten sind und sich danach abschätzen lässt, ob ehebe-dingte
Nachteile dauerhaft bestehen oder nicht. Dementsprechend hat es der [X.] im Einzelfall gebilligt, wenn die Entscheidung über eine Befristung und Herabsetzung nach §
1578
b BGB insoweit hinausgeschoben und einem späte-ren Abänderungsverfahren vorbehalten wurde
([X.]surteil vom 27.
Mai 2009

XII
ZR
78/08

FamRZ 2009, 1300 Rn.
62
f.). Die Rechtskraft einer Entschei-dung, die das spätere Eingreifen der Folgen des §
1578
b BGB offen lässt, schließt dann eine künftige Abänderung nicht aus. Daraus, dass eine abschlie-ßende Entscheidung über die Folgen des §
1578
b BGB noch nicht möglich ist, folgt aber nicht, dass eine Entscheidung darüber vollständig zurückgestellt wer-den darf. Vielmehr muss das Gericht insoweit entscheiden, als eine Entschei-dung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände möglich ist. Das gilt insbesondere für eine bereits mögliche Ent-scheidung über die Herabsetzung nach §
1578
b Abs.
1 BGB. Die materielle Rechtskraft einer solchen Entscheidung und die mit ihr verbundenen [X.] gehen dann nur so weit, als
die Entscheidung eine abschließende Beurteilung der gegenwärtigen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände enthält. Eine
auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung
schließt eine spätere Abänderung insbesondere dann nicht aus, wenn zunächst beste-hende ehebedingte Nachteile später ganz oder teilweise entfallen sollten ([X.] [X.], 50

[X.], 454 Rn.
42
f. mwN).
bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe durfte das [X.] die Ent-scheidung über eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs nicht einem späte-ren Abänderungsverfahren überlassen.

27
28
-
13
-

Zwar ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass ei-ne Befristung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin im Hinblick auf den fortwirkenden ehebedingten Nachteil regelmäßig ausscheidet (vgl. etwa [X.] vom 18.
Februar 2015

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ZR
80/13

FamRZ 2015, 824 Rn.
24 mwN). Für den Ausnahmefall einer Befristung trotz fortbestehender [X.] Nachteile ist nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen kein Raum; er wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.
Etwas anderes gilt hingegen für die Herabsetzung des [X.] gemäß
§
1578
b Abs.
1 BGB
nach Maßgabe der [X.]en [X.] (vgl. insoweit Dose, [X.], 1341, 1347). Insoweit durfte das [X.] die Entscheidung nicht einem späteren Abänderungsverfahren überlassen. Das [X.] hat den ehebedingten Nachteil als Differenz zwischen dem angemessenen Lebensbedarf der
Antragstellerin im Sinne des §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB und ihrem tatsächlich erzielten Einkommen (zur Berechnung vgl. [X.]sbeschluss vom 8.
Juni 2016

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84/15

FamRZ 2016, 1345 Rn.
19 mwN) für die [X.] ab Februar 2017 mit monatlich rund 506

festgestellt. Darüber hinaus hat das [X.] unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in rechtlich nicht zu beanstandender
Weise aus-geführt, dass ein Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen für die Dauer von acht Jahren und sodann für die Dauer von vier Jahren ein Anspruch in Höhe des ehebedingten Nachteils zuzüglich der halben Differenz zum vollen Unterhalt der Billigkeit entspricht. Dass der auf Seiten der Antrag-stellerin entstandene ehebedingte Nachteil sich im weiteren Verlauf verringern
oder wieder ausgeglichen werden könnte, ist kein Grund, derzeit von einer Ent-scheidung über die Herabsetzung des Unterhalts abzusehen. Es wäre vielmehr widersprüchlich, dem Unterhaltspflichtigen eine Entscheidung über die Herab-setzung zu versagen, nur weil sich die Sachlage noch zu seinen Gunsten ver-ändern kann (vgl. [X.]surteil [X.], 50

[X.], 454 Rn.
46). Er-29
30
-
14
-

geben sich nachfolgend hinsichtlich der Einkünfte der Antragstellerin wesentli-che Änderungen der Verhältnisse, so wird durch die Erstentscheidung eine Ab-änderung des Unterhalts nicht ausgeschlossen.
3. Danach war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der [X.] kann nicht selbst abschließend entscheiden, da noch weitere tatrichterliche Feststellungen zu treffen sind. Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesge-richt zugleich Gelegenheit, auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.]s ([X.]sbeschluss BGHZ
213, 288 =
FamRZ 2017, 519) im Zusammenhang mit dem angerechneten Wohnvorteil die Berücksichtigung auch der Tilgungsleis-tungen des [X.]s in Betracht zu ziehen.

Dose

[X.]

Schilling

[X.]

Krüger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.12.2016 -
65 [X.]/16 -

OLG [X.], Entscheidung vom 10.08.2017 -
4 UF 7/17 -

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Meta

XII ZB 448/17

04.07.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2018, Az. XII ZB 448/17 (REWIS RS 2018, 6661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6661

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