Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.01.2015, Az. VII ZB 30/13

7. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16878

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Privilegierte Pfändung bei auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangenen Unterhaltsansprüchen


Tenor

Auf die Beschwerden des Gläubigers wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - [X.] vom 19. Dezember 2012 unter Aufhebung des Beschlusses der 1. Zivilkammer des [X.] vom 11. April 2013 teilweise abgeändert und der dem Schuldner pfändungsfrei zu belassende Betrag auf 900 € festgesetzt.

Die Kosten der Beschwerdeverfahren werden dem Schuldner auferlegt.

Gründe

I.

1

Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen von ihm in der [X.] vom 1. September 2003 bis 31. März 2012 für den minderjährigen [X.] des Schuldners nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ([X.]) geleisteter Unterhaltsbeträge in Höhe von 10.312,68 €. Der Gläubiger hat den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt, mit dem Ansprüche des Schuldners aus Kontoverbindungen jeder Art mit der Drittschuldnerin gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen werden sollten, und vorgetragen, dass der Schuldner nach seiner Kenntnis keinen Unterhalt an [X.] leiste. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat in dem [X.] und Überweisungsbeschluss den dem Schuldner pfändungsfrei zu belassenden Betrag unter Berücksichtigung seines notwendigen Lebensunterhalts in Höhe von 900 € sowie der gegenüber [X.] bestehenden Unterhaltsverpflichtungen in Höhe von 272 € auf insgesamt 1.172 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers, mit der er beantragt hat, den pfändungsfreien Betrag auf 900 € herabzusetzen, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag weiter.

II.

2

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

3

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dem Schuldner seien die gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO festgesetzten Pfändungsfreibeträge zu belassen. § 850d ZPO finde auf die Vollstreckung der auf den Gläubiger nach § 7 Abs. 1 [X.] übergegangenen Unterhaltsansprüche Anwendung. Davon erfasst würden auch die vorliegend vollstreckten Unterhaltsrückstände, da der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Schuldner nicht dargelegt habe, dass er sich damals seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen habe (§ 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO). Hierfür sei auch sonst nichts ersichtlich. Durch den Übergang auf den Gläubiger hätte der gesetzliche Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes seine Privilegierung gemäß § 850d ZPO nicht eingebüßt. Auch die Rangfolge gemäß § 850d Abs. 2 ZPO, § 1609 BGB habe sich durch den Übergang nicht geändert. Dennoch gingen die Ansprüche des unmittelbar unterhaltsberechtigten Kindes [X.] auf Zahlung des laufenden Unterhalts den Ansprüchen des Gläubigers vor. Dies folge aus § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Der Nachrang der Forderung der [X.] sei nicht erst auf Einrede des Schuldners zu berücksichtigen. Der Gläubiger habe vielmehr das Fehlen vorrangig zu berücksichtigender anderer Forderungen darzulegen. Diese bestünden auch dann, wenn der Schuldner tatsächlich keine Unterhaltszahlungen leiste.

4

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das hat der [X.] nach Erlass der angefochtenen Entscheidung inzwischen zu einem gleichgelagerten Sachverhalt entschieden ([X.], Beschluss vom 17. September 2014 - [X.], NJW 2015, 157, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen).

5

a) Danach geht das Beschwerdegericht allerdings zutreffend davon aus, dass § 850d ZPO auf die Vollstreckung der gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf den Gläubiger übergegangenen Unterhaltsansprüche grundsätzlich Anwendung findet (vgl. [X.], Beschluss vom 17. September 2014 - [X.], aaO Rn. 5).

6

b) Von der für den Gläubiger günstigen Feststellung des [X.], dass eine Herabsetzung des dem Schuldner gewährten [X.] nicht nach § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO ausgeschlossen ist, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen.

7

c) Zu Recht geht das Beschwerdegericht auch davon aus, dass im Anwendungsbereich des § 7 [X.] die Vorschriften der § 850d Abs. 2 ZPO, § 1609 BGB zum Rangverhältnis der Unterhaltsansprüche durch die speziellere Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] verdrängt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 17. September 2014 - [X.], aaO Rn. 7).

8

d) Fehlerhaft ist dagegen das Verständnis des [X.] vom Begriff des [X.] im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Ein solches Verlangen setzt einen Zugriff des unmittelbar Unterhaltsberechtigten auf das Vermögen des Schuldners voraus. Ein Verlangen von Unterhalt in diesem Sinne ist danach insbesondere anzunehmen, wenn der Unterhaltsberechtigte den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung auf Befriedigung seiner Unterhaltsforderung in Anspruch nimmt und insoweit einen Vollstreckungsantrag stellt. Der unmittelbar Unterhaltsberechtigte verlangt Unterhalt im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] außerdem dann, wenn er Unterhaltsansprüche, die durch die Vollstreckung der auf die [X.] übergegangenen Forderungen nicht beeinträchtigt werden dürfen, gegenüber dem Schuldner gerichtlich oder außergerichtlich geltend macht und der Schuldner daraufhin Unterhaltsleistungen an ihn erbringt ([X.], Beschluss vom 17. September 2014 - [X.], aaO Rn. 9-12).

9

e) Entgegen der Auffassung des [X.] ist die privilegierte Pfändung nach § 850d ZPO nicht davon abhängig, dass der Gläubiger im Vollstreckungsverfahren das Fehlen der nach § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorrangig zu berücksichtigenden Unterhaltsansprüche darlegt und gegebenenfalls nachweist (vgl. [X.], Beschluss vom 17. September 2014 - [X.], aaO Rn. 13-17).

f) Jedenfalls wenn nicht feststeht, ob der unmittelbar Unterhaltsberechtigte Unterhalt gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] verlangt und ob der Schuldner Unterhaltszahlungen tatsächlich leistet, kann die [X.] Ansprüche des Schuldners gegen Dritte auch wegen des zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem vorrangigen Unterhaltsberechtigten erforderlichen Betrags wegen der bestehenden rückständigen Unterhaltsforderungen zunächst pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen ([X.], Beschluss vom 17. September 2014 - [X.], aaO Rn. 18-20).

3. Die Entscheidung des [X.] kann danach keinen Bestand haben. Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, dass der unmittelbar unterhaltsberechtigte [X.] des Schuldners für einen nach Leistung des [X.] liegenden [X.]raum die Zahlung von Unterhalt gegenüber dem Schuldner im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] verlangt hat. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO. Der dem Schuldner gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO pfändungsfrei zu belassende Betrag ist ohne Berücksichtigung der gegenüber [X.] bestehenden laufenden Unterhaltsverpflichtung auf einen Betrag von 900 € herabzusetzen, der dem notwendigen Unterhalt des Schuldners entspricht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Eick                               Halfmeier                           Jurgeleit

               Graßnack                               Feilcke

Meta

VII ZB 30/13

21.01.2015

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Ellwangen, 11. April 2013, Az: 1 T 31/13

§ 850d Abs 1 S 1 ZPO, § 7 Abs 1 S 1 UhVorschG, § 7 Abs 3 S 2 UhVorschG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.01.2015, Az. VII ZB 30/13 (REWIS RS 2015, 16878)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1830 REWIS RS 2015, 16878

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