Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.05.2010, Az. IX R 35/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 6765

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Gegenstand

(Fehlerbeseitigende Neufestsetzung bei Dauerverwaltungsakten und ihr Verhältnis zur Korrektur nach § 173 AO)


Leitsatz

NV: Eigenheimzulage kann auch dann zugunsten des Anspruchsberechtigten gemäß § 11 Abs. 5 EigZulG neu festzusetzen sein, wenn zuvor ein Änderungsantrag nach § 173 Abs. 1 AO fehlerhaft abgelehnt wurde.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im [X.] und nutzen seitdem selbst eine Eigentumswohnung in einem ehemals als Studentenwohnheim ohne abgeschlossene Wohnungen errichteten und in den Jahren 1999 und 2000 vollständig umgebauten und in Eigentumswohnungen aufgeteilten Gebäude. Sie beantragten, Eigenheimzulage ab dem [X.] festzusetzen. Ausgehend von einem Altobjekt i.S. von § 9 Abs. 2 Satz 2 des Eigenheimzulagengesetzes i.d.F. bis 2003 ([X.]) setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) mit Bescheid vom 11. Mai 2000 Eigenheimzulage für die [X.] bis 2007 in Höhe von jährlich 5.500 DM fest. Der Betrag umfasst den [X.] von 2.500 DM und zwei Kinderzulagen von jeweils 1.500 DM.

2

Nachdem sie erfahren hatten, dass es sich bei ihrer Wohnung um ein neu hergestelltes Objekt i.S. des § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] handele, beantragten die Kläger im Mai 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]), die Festsetzung der Eigenheimzulage ab dem Erstjahr zu ändern. Das [X.] lehnte den Änderungsantrag am 6. Juni 2002 ab. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, der zunächst im Hinblick auf anhängige Klageverfahren von Miteigentümern ruhte. Nachdem einige Miteigentümer ihre Klage im [X.] an einen Erörterungstermin zurückgenommen hatten, nahmen die Kläger den Einspruch zurück. Ein weiterer Miteigentümer war schließlich im Revisionsverfahren erfolgreich. Der erkennende Senat gab im Urteil vom 7. November 2006 [X.] ([X.], 467, [X.], 693) der Klage statt, weil der Umbau zu einer neuen Wohnung geführt habe. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung beantragten die Kläger im Mai 2007 Eigenheimzulage für die neu hergestellte Wohnung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.].

3

Das [X.] setzte mit Bescheid vom 14. September 2007 im Wege einer fehlerbeseitigenden Neufestsetzung nach § 11 Abs. 5 [X.] die Eigenheimzulage für 2007 auf 8.000 DM --4.090,34 €-- fest (statt 2.500 DM [X.] nunmehr 5.000 DM) und lehnte den weitergehenden Antrag für die [X.] bis 2006 ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Die [X.] und 2001 seien bereits festsetzungsverjährt. Für die Jahre 2002 bis 2006 fehle es an einer Korrekturnorm. Dem [X.] sei der Fehler erst durch die Entscheidung des [X.] ([X.]) bekannt geworden.

4

Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren für die Jahre 2002 bis 2006 weiter. Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage ab. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1627 veröffentlichten Urteil verneinte es die Voraussetzungen des § 11 Abs. 5 [X.]: Zwar sei der Fehler dem [X.] schon bei dem Änderungsantrag im Jahr 2002 bekannt gewesen. Denn die Kläger hätten bereits damals auf die fehlerhafte Festsetzung in ihrem konkreten Fall hingewiesen. Die Rücknahme des Einspruchs habe jedoch dazu geführt, dass eine Neufestsetzung für die Jahre vor 2007 nicht möglich sei. Unabhängig von den Wirkungen der bestandskräftigen Ablehnung der beantragten Neufestsetzung habe das [X.] nach der Rücknahme des Einspruchs keine Kenntnis (mehr) von der fehlerhaften Festsetzung.

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 11 Abs. 5 [X.] und beantragen,

das [X.] unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, in Abänderung des Bescheides vom 14. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2008 eine Neufestsetzung der den Klägern erstmals mit Bescheid vom 11. Mai 2000 gewährten Eigenheimzulage für die Jahre 2002 bis einschließlich 2006 in der Gestalt vorzunehmen, dass diesen für den vorbezeichneten Zeitraum auch die erhöhte Grundförderung für eine neu hergestellte Wohnung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] gewährt wird.

6

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

8

1. Die Kläger haben Anspruch auf ungekürzte Eigenheimzulage für die Anschaffung ihrer Eigentumswohnung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Satz 1 [X.]) in Höhe eines jährlichen [X.] in Höhe von 5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 5.000 DM (§ 9 Abs. 2 Satz 1 [X.]; vgl. dazu eingehend BFH-Urteil in [X.], 467, [X.], 693). Dementsprechend ist das [X.] verpflichtet, die Eigenheimzulage antragsgemäß ab dem [X.] neu festzusetzen.

9

a) Nach § 11 Abs. 5 [X.] können materielle Fehler (§ 177 Abs. 3 [X.]) der letzten Festsetzung durch Neufestsetzung oder durch Aufhebung der Festsetzung beseitigt werden. Wirkt sich die Neufestsetzung zugunsten des Anspruchsberechtigten aus, wird Eigenheimzulage mit Wirkung ab dem Kalenderjahr neu festgesetzt, in dem der Fehler dem [X.] bekannt wird (§ 11 Abs. 5 Satz 2 [X.]).

Diese Voraussetzungen hat das [X.] im Streitfall unzutreffend verneint.

aa) Die letzte Festsetzung liegt hier in der Ablehnung des [X.] vom 6. Juni 2002. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden. Auf die Festsetzung einer Steuervergütung sind nach § 155 Abs. 4 [X.] die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften anzuwenden. Ein Steuerbescheid liegt auch in der Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung, § 155 Abs. 1 Satz 3 [X.].

Das bedeutet: Als Festsetzung i.S. von § 11 Abs. 5 [X.] ist auch die Ablehnung eines Antrags auf Steuervergütung anzusehen (§ 155 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 [X.]). Der Antrag der Kläger auf Änderung der ursprünglichen Festsetzung der Eigenheimzulage aus dem [X.] war auf eine höhere Festsetzung der Eigenheimzulage in Höhe des ungekürzten [X.] gerichtet. Damit liegt in der Ablehnung des [X.] durch das [X.] vom 6. Juni 2002 zugleich die Ablehnung des Antrags auf (höhere) Festsetzung von Eigenheimzulage und deshalb eine Festsetzung nach § 11 Abs. 5 [X.], und zwar von der Antragstellung im Jahr 2007 aus gesehen die letzte. Diese Festsetzung war, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, fehlerhaft (vgl. dazu das BFH-Urteil in [X.], 467, [X.], 693).

bb) Nach den Feststellungen des [X.] war der Fehler, um den es hier geht, dem [X.] spätestens im [X.] bekannt. Es erfuhr jedenfalls durch den Änderungsantrag der Kläger, dass es sich bei der Eigentumswohnung um ein neu hergestelltes Objekt handelte, weil durch die Baumaßnahmen Wohnungen erstmals neu entstanden waren und mithin auch die Eigentumswohnung der Kläger neu i.S. des § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] war.

Dieser Fehler muss dem [X.] nicht nachträglich, also nach der letzten Festsetzung bekannt geworden sein. Es reicht aus, wenn er bei der Ablehnung der höheren Festsetzung bereits bekannt war. Denn das Gesetz bezieht sich in § 11 Abs. 5 Satz 2 [X.] --anders als in § 11 Abs. 4 [X.] und § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.]-- nicht auf "nachträglich" bekannt werdende und damit nicht notwendig auf neue Umstände (vgl. [X.] vom 26. Mai 2004 [X.]/03, [X.], 1221; zu § 22 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes BFH-Urteil vom 16. September 1987 II R 237/84, [X.] 1988, 690).

b) Entgegen der Auffassung des [X.] ist für die Entscheidung unerheblich, dass die Kläger ihren Einspruch gegen die Ablehnung der Änderung zurückgenommen haben. Dadurch wird der Ablehnungsbescheid lediglich bestandskräftig - es entfällt aber nicht zugleich die Kenntnis von der fehlerhaften Festsetzung der Eigenheimzulage. § 11 Abs. 5 [X.] durchbricht diese Bestandskraft nämlich auch rückwirkend ab dem Kalenderjahr, in dem der Fehler dem [X.] bekannt wird. Derartige Fehler wirken sich --bei einer Neufestsetzung   zugunsten   des [X.] entgegen der in der Vorentscheidung geäußerten Auffassung also nicht nur in der Zukunft aus. Darin unterscheidet sich die --materielle Fehler beseitigende-- Neufestsetzung von Eigenheimzulage, um die es hier geht, von Anpassungen anderer Dauerverwaltungsakte über Steuervergütungen im Einkommensteuerrecht, z.B. im Kindergeldrecht (vgl. dazu und zum Umfang der Bestandskraft einer Ablehnung von Kindergeld BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 164/98, [X.], 257, [X.], 89). Dem entspricht es, wenn der Anspruchsberechtigte Eigenheimzulage nach § 12 Abs. 1 [X.] unbefristet und damit --in den Grenzen der [X.] auch für zurückliegende Zeiträume beantragen kann (vgl. dazu auch [X.], [X.], 3. Aufl., § 12 Rz 2 mit Nachweisen aus der Entstehungsgeschichte).

2. Da das angefochtene Urteil diesen Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das [X.] wird verpflichtet, die Eigenheimzulage antragsgemäß auf der Basis des ungekürzten [X.] (§ 9 Abs. 2 Satz 1 [X.]) für die Jahre ab 2002 neu festzusetzen.

Meta

IX R 35/09

11.05.2010

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 2. Juli 2009, Az: 11 K 2388/08 EZ, Urteil

§ 11 Abs 5 EigZulG vom 26.03.1997, § 15 Abs 1 EigZulG, § 155 Abs 1 S 3 AO, § 155 Abs 4 AO, § 173 Abs 1 AO, § 347 AO, § 362 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.05.2010, Az. IX R 35/09 (REWIS RS 2010, 6765)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6765

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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