Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2018, Az. 5 StR 566/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2018, 11821

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:220318U5STR566.17.0

Nachschlagewerk: ja

[X.]St : ja

Veröffentlichung : ja

StGB §§ 331 ff.;
[X.] § 17 Abs. 1 Satz 1

Ein Notar nimmt mit der Erhebung von Gebühren nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine Diensthandlung im Sinne von §§
332, 334 StGB vor.

Wird er im Gegenzug für eine pflichtwidrige Gebührenunter-schreitung mit einer Beurkundung beauftragt, ohne dass er
hierauf einen Anspruch hat, stellt dies einen Vorteil im Sinn der §§
331 ff. StGB dar.

[X.], Urteil vom 22. März 2018

5 StR 566/17

LG Flensburg

[X.]:[X.]:[X.]:2018:220318U5STR566.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 566/17

vom
22. März 2018
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen Verdachts der Bestechung u.a.

-
2
-
Der 5.
Strafsenat des [X.]s hat in der Sitzung vom
22. März 2018, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.] am [X.]
Prof. [X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
Prof. Dr. Mosbacher

als beisitzende [X.],

[X.] am [X.]

als Vertreter des
Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt B.

,
Rechtsanwalt A.

als Verteidiger
des Angeklagten D.

,

Rechtsanwalt

G.

,
Rechtsanwalt V.

als Verteidiger des Angeklagten

S.

,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
-
3
-
für Recht erkannt:

1.
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.]s Flensburg vom 11. Mai 2017 aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Straf-kammer des [X.]s zurückverwiesen.

-
Von Rechts wegen
-

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten vom Vorwurf der Bestechung in 143 Fällen (Angeklagter D.

) bzw. Bestechlichkeit in 49 Fällen (Angeklagter

S.

) aus Rechtsgründen freigesprochen. Die hiergegen mit der Sachrüge geführten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
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-
4
-
I.
1. Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft bei dem [X.] Kiel vom 8. Juni 2012 liegt den [X.] Folgendes zur Last:

Der Angeklagte D.

habe als Immobilienkaufmann zahlreiche Ge-schäfte durchgeführt, für die notarielle Beurkundungen angefallen seien. [X.] habe er dem inzwischen verstorbenen Notar Sc.

und nach dessen Ausscheiden aus dem Notariat dessen Nachfolger, dem Angeklagten

S.

, in Aussicht gestellt, sie bevorzugt mit Beurkundungsvorgängen zu betrauen. Hierdurch sollte den Notaren die Möglichkeit eröffnet werden, über längere Zeiträume regelmäßige und sichere Mehreinnahmen zu erzielen. Zu einer solchen bevorzugten Beauftragung sei der Angeklagte D.

aber nur bereit gewesen, wenn die Notare im Gegenzug von ihm nicht die vollen gesetz-lichen Gebühren gefordert, sondern nur die Hälfte dieser Gebühren geltend gemacht hätten. Obwohl allen Beteiligten klar gewesen sei, dass die Notare hierdurch ihre Dienstpflichten verletzten, hätten sich die Notare damit einver-standen erklärt, weil sie auf diese Weise Mehreinnahmen hätten generieren
können, die ihnen auf andere Weise nicht zugeflossen wären.
In Umsetzung dieser Abrede habe der Notar Sc.

zwischen 2005 und 2007 in 94 Fällen für den Angeklagten D.

Beurkundungen vorgenom-men, für die insgesamt gesetzliche Gebühren in Höhe
von 264.826,85 Euro angefallen seien. [X.] habe der Angeklagte D.

hingegen nur 112.804,76 Euro gezahlt. Zwischen 2005 und 2009 habe der Angeklagte

S.

die getroffene Abrede in ähnlicher Weise in 49 Fällen umgesetzt. 2
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Anstelle
der für seine Beurkundungen angefallenen gesetzlichen Gebühren in Höhe von insgesamt 69.193,05 Euro habe er nur 34.526,62 Euro vom Ange-klagten D.

erhalten.
2. Das [X.] hat in der Hauptverhandlung nur die Identität der [X.] festgestellt, keine Beweiserhebung durchgeführt und keinerlei Fest-stellungen getroffen, weil die Angeklagten aus Rechtsgründen von den Ankla-gevorwürfen freizusprechen seien. Diese als richtig unterstellt

weitergehende belastende Feststellungen seien auch nach einer Beweisaufnahme nicht zu erwarten

sei das Verhalten der Angeklagten straflos. Es fehle an einer Diensthandlung, die einer der Notare pflichtwidrig vorgenommen bzw. unterlas-StGB erhalten.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Das Urteil des [X.]s hält sachlich-rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil es keine Feststellungen enthält. Auch wenn ein Gericht den Angeklagten aus Rechtsgründen freispricht, muss es [X.] zur Sache treffen, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermögli-chen, ob das Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 5. August 1997

5 [X.], [X.], 374; [X.]/[X.], § 267 Rn. 501 ff.; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 267 Rn.
49). Eine Ausnahme hiervon hat der [X.] bislang lediglich anerkannt, wenn bei einer angeklagten [X.] weitergehende Feststellungen zu angeklagten Einzeltaten unmöglich
sind (vgl. [X.], Urteil vom 6. April 2005

5 [X.], [X.], 211; vgl. auch Beschluss vom 2. August 1989
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3 StR 191/89). Ob von Feststellungen auch dann abgesehen werden kann, wenn ein dem Angeklagten vorgeworfenes Verhalten mit Sicherheit straflos ist (vgl. [X.], [X.], 174; [X.], Urteil vom 22. April 2015

162 [X.] und 128/14; vgl. auch [X.], Urteil vom 9. No-vember 2010

[2] 53 Ss 67/10 [39/10]), kann dahinstehen. Denn dies ist nicht der Fall.
2. Ein
Notar ist gemäß § 1 [X.] Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2b StGB (vgl. Eser/[X.] in [X.]/[X.], 29. Aufl., § 11 Rn. 19) und nimmt mit der Erhebung der gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine Diensthandlung gemäß §§ 332, 334 StGB vor.
a) Eine Diensthandlung liegt jedenfalls vor, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört und von ihm in dienstlicher Eigenschaft vorgenommen wird (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 1983

4 [X.], [X.]St 31, 264, 280; MüKo-StGB/[X.], 2. Aufl., § 331 Rn. 84). Dies ist bei der Gebührenerhebung durch einen Notar zu bejahen (vgl. [X.]/
[X.], [X.], 452, 455; abweichend für einen Fall nachträglicher Rückge-währ von Gebührenteilen [X.] NJW 1969, 943).
Der Notar ist

verfassungs-
und europarechtskonform (vgl. nur [X.], NJW 2015, 2642 m. Anm. [X.]; [X.] NJW 2011, 2941)

gemäß §
17 Abs.
1 Satz 1 [X.] zur Erhebung der gesetzlichen Gebühr amtlich verpflichtet ([X.], Urteil vom 24. November 2014

[X.] [[X.]] 1/14, [X.] 2015, 461, 465). Durch diese Amtspflicht soll namentlich verhindert werden, dass es zu einem Verdrängungswettbewerb unter den Notaren kommt; die Vorschrift be-zweckt die Sicherung einer funktionsfähigen Rechtspflege, indem leistungsfähi-ge Notariate und die Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistun-gen gesichert werden (vgl. [X.], NJW-RR 2011, 855, 856).
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b) Das angeklagte Verhalten wäre auch pflichtwidrig. Unterschreitet der Notar die gesetzlichen
Gebühren, verletzt er grundsätzlich seine Pflicht aus §
17 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Juli 2017

[X.] [[X.]] 2/17 Rz. 24). Der Anspruch des Notars ist gemäß § 17 Abs. 1 [X.]
öffentlich-rechtlicher Natur. Deswegen sind die Gebühren des Notars

von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen

jeglicher Vereinbarung entzogen, die sich auf ihre Höhe auswirkt (vgl. [X.], Urteil vom 24. November 2014

[X.] [[X.]] 1/14, [X.] 2015, 461, 466; [X.], [X.] 2012, 1071; vgl. §
125 GNotKG bzw. § 140 Satz 2 [X.] aF). Gleichwohl getroffene Vereinba-rungen sind nichtig und befreien den Notar nicht von der Pflicht zur Erhebung der gesetzlich vorgesehenen Gebühren (vgl. [X.] aaO; [X.], Beschluss vom 26. November 2012

20 W 154/11 mwN). Diese Pflicht ist gleichermaßen verletzt, wenn der Notar [X.] nur zum Schein in voller Höhe ausstellt, dem Kostenschuldner aber von vornherein [X.], nur einen Teil davon tatsächlich geltend zu machen.
c) Der Angeklagte

S.

und der inzwischen verstorbene Notar Sc.

sollten

den Anklagevorwurf als zutreffend unterstellt

für ihre pflichtwidrigen Diensthandlungen auch Vorteile im Sinne von §§ 332, 334 StGB erhalten, nämlich die Erteilung von Beurkundungsaufträgen durch den Ange-klagten D.

im Gegenzug für die Ermäßigung der gesetzlichen Notargebüh-ren.
Ein Vorteil im Sinne der Bestechungsdelikte ist jede Leistung, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. nur [X.], Urteile vom 10.
März 1983

4 [X.], [X.]St 31, 264, 279, und vom 14. Oktober 2008

1 [X.], [X.]St 53, 6; MüKo-StGB/[X.], 2. Aufl., § 331 Rn. 60 mwN). 11
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Er kann auch im Abschluss eines Vertrages mit dem Amtsträger bestehen, auf den dieser keinen Anspruch hat (vgl. [X.], Urteile vom 10. März 1983

4 [X.], [X.]St
31, 264, 279 f.; vom 21. Juni 2007

4 [X.], NStZ
2008, 216 f., und vom 26. Mai 2011

3 [X.], [X.], 19). Nach diesen Grundsätzen liegt ein Vorteil auch in der Erteilung eines Beurkundungs-auftrags, auf die der Notar keinen Rechtsanspruch hat (vgl. LK-StGB/[X.], 12.
Aufl., § 331 Rn. 47). Dies war vorliegend nach der Anklage der Fall.
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung.

[X.] [X.]

[X.] Mosbacher

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Meta

5 StR 566/17

22.03.2018

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2018, Az. 5 StR 566/17 (REWIS RS 2018, 11821)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11821

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5 StR 566/17

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