Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.11.2017, Az. 3 StR 265/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2436

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Gegenstand

Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts bei einem Verschaffen von falschen ausländischen amtlichen Ausweisen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. Oktober 2016 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.C.1. der Urteilsgründe wegen Urkundenfälschung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen sowie der Urkundenfälschung in zwei Fällen schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine [X.]achrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat insoweit zum [X.]chuldspruch den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im [X.]inne des § 349 Abs. 2 [X.]tPO.

2

1. [X.]oweit das [X.] den Angeklagten im Fall II.C.1. der Urteilsgründe wegen Urkundenfälschung verurteilt hat, ist das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 [X.]tPO einzustellen, weil das [X.] [X.]trafrecht auf diese Tat nicht anwendbar ist und damit ein Verfahrenshindernis besteht (vgl. [X.], Urteil vom 22. Januar 1986 - 3 [X.], [X.][X.]t 34, 1, 3).

3

a) Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte Teil einer von [X.] aus agierenden Gruppierung, deren Mitglieder auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans in arbeitsteiligem Zusammenwirken mehrere Betrugstaten begingen, um sich auf diese Weise eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. [X.]ie trugen - ohne hierzu berechtigt zu sein - auf Überweisungsformularen die Kontodaten von Firmen oder Privatpersonen, die sie im [X.] recherchiert hatten, als vermeintliche Auftraggeber ein und versahen die Unterschriftenfelder mit der [X.]ignatur des jeweiligen Entscheidungsträgers, die sie ebenfalls aus dem [X.] kopiert oder gescannt hatten. Für die meist hohen Geldbeträge gaben sie Empfängerkonten an, die sie zuvor unter Verwendung verfälschter Personaldokumente bei der [X.] in [X.] eröffnet hatten. In diesem Rahmen beging der Angeklagte die Tat zu Fall II.C.1. der Urteilsgründe, indem er sich - unter nicht näher festgestellten Umständen - einen auf die fiktive Personalie "       D.     " verfälschten [X.] Reisepass verschaffte, der mit einem ihm ähnelnden Lichtbild versehen worden war, sich mit dem Pass nach [X.] in [X.] begab und dort unter Vorlage dieses Dokuments in einer Filiale der [X.] ein Konto auf den Namen "     D.     "eröffnete, das später als Zielkonto für betrügerische Überweisungen genutzt werden sollte.

4

Das [X.] hat den Angeklagten insoweit wegen gewerbsmäßig begangener Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1, Abs. 3 [X.]atz 2 Nr. 1 [X.] verurteilt. Zur Begründung hat die Kammer - einheitlich zusammengefasst für diesen Fall sowie die Fälle II.C.2. und II.C.3. der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte an der Eröffnung weiterer Konten in [X.] durch den gesondert verfolgten       K.      beteiligt war - ausgeführt, dass die Verfälschung und Verwendung ausländischer Pässe nach [X.]m materiellen [X.]trafrecht keinen speziellen [X.]traftatbestand - insbesondere nicht § 276 Abs. 1 [X.] - erfülle, so dass eine strafbare Verwendung einer unechten Urkunde durch Vorlage des verfälschten [X.] Passes bei der Kontoeröffnung in [X.] verbleibe. Die Taten seien trotz ihres [X.] verfolgbar und zu bestrafen, da sowohl der Angeklagte als auch seine Mittäter im [X.] Beiträge geleistet hätten, die der Vorbereitung und Herbeiführung der Tatbestandsverwirklichung gedient hätten.

5

b) Die rechtliche Würdigung des [X.]s hinsichtlich des Falls II.C.1. der Urteilsgründe hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Für diese Tat ist die [X.] [X.]trafgewalt nicht eröffnet. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist nichts ersichtlich und es fehlt an einem inländischen [X.] (§ 3 [X.]). Ein solcher ergibt sich - entgegen der Auffassung des [X.]s - nicht aus dem Ort der Handlung gemäß § 9 Abs. 1 [X.]. Handlungsort im [X.]inne dieser Norm ist jeder Ort, an dem der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Handlung vornimmt, sofern damit die [X.]chwelle zum Versuchsstadium überschritten ist (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juni 1986 - 4 [X.], [X.][X.]t 34, 101, 106). Dagegen reichen bloße Vorbereitungshandlungen im Inland nicht aus, um die [X.] [X.]trafgewalt zu begründen, es sei denn, dass diese Handlungen selbständig mit [X.]trafe bedroht sind oder aber es sich um mittäterschaftliche Beiträge eines anderen Tatbeteiligten zu der im Ausland vollzogenen Tat handelt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2009 - 1 [X.], [X.], 197; Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 [X.], [X.][X.]t 39, 88, 90 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

6

Inländische Tathandlungen des Angeklagten während des Versuchs- und des Vollendungsstadiums sind ausgeschlossen, da der Angeklagte die Tat in [X.] beging und auch erst dort zu ihrer Verwirklichung unmittelbar ansetzte. Etwaige [X.], die dazu geeignet wären, einen inländischen [X.] zu begründen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Angeklagte beging die Tat - anders als in den [X.] und II.C.3. der Urteilsgründe - allein.

7

[X.]chließlich fehlt es an einer selbständig mit [X.]trafe bedrohten inländischen Vorbereitungshandlung des Angeklagten. Als solche kommt hier nicht das Verschaffen und Verwahren des verfälschten [X.] Reisepasses als tatbestandliches Handeln gemäß § 276 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in Betracht. Zwar stellt das Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen im [X.]inne dieser Norm eine typische Vorbereitungstat zu deren Gebrauch im [X.]inne des § 267 Abs. 1 [X.] dar (vgl. [X.], [X.], 12. Aufl., § 276 Rn. 1 f., 19; MüKo[X.]/[X.], 2. Aufl., § 276 Rn. 1, 5; BT-Drucks. 12/6853, [X.]. 28 f.) und schließt - entgegen der Ansicht des [X.]s - auch ausländische Ausweispapiere ein (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juni 2000 - 1 [X.]tR 238/00, [X.]R [X.] § 276 Ausweis 1; BT-Drucks. 12/6853, [X.]). Die Feststellungen des [X.]s, denen keine Einzelheiten zu den örtlichen, zeitlichen und sonstigen Umständen des [X.] des verfälschten [X.] Reisepasses durch den Angeklagten zu entnehmen sind, belegen schon nicht, dass er eine tatbestandliche Handlung im [X.]inne des § 276 Abs. 1 Nr. 2 [X.] im Inland vorgenommen hat. [X.]elbst wenn man hiervon aber aus-gehen wollte, wäre daraus kein zusätzlicher, inländischer [X.] für das spätere Gebrauchen dieses Dokuments in [X.] als gemäß § 267 [X.] strafbare Urkundenfälschung abzuleiten. Denn nicht jede selbständig strafbewehrte Vorbereitungshandlung ist dazu geeignet, eine solche Folge herbeizuführen.

8

[X.]oweit in der Rechtsprechung die Begründung eines inländischen [X.]s durch eine strafbewehrte Vorbereitungshandlung anerkannt worden ist, betraf dies die Verabredung zu einem Verbrechen gemäß § 30 Abs. 2 [X.], das anschließend plangemäß im Ausland begangen wurde (vgl. [X.], Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 [X.], [X.][X.]t 39, 88, 90 f.). Auch in der Literatur wird in diesem Zusammenhang regelmäßig auf § 30 Abs. 2 [X.] abgestellt (vgl. [X.]/[X.]-Eser, [X.], 29. Aufl., § 9 Rn. 4; [X.], [X.], 5. Aufl., § 9 Rn. 3; ferner LK/Werle/Jeßberger, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 11 und MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 9 Rn. 9, die auf das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 1992 verweisen). In dem genannten Urteil hat der 2. [X.]trafsenat des [X.] hierzu ausgeführt, dass ein einmal - im Inland - begründeter [X.] nicht deshalb entfalle, weil die zugehörige Vorbereitungstat im Wege der [X.]ubsidiarität hinter die vollendete Tat zurücktrete und daher als solche nicht bestraft werden könne ([X.], Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 [X.], [X.][X.]t 39, 88, 89). Der Umstand, dass die Verabredung zu dem Verbrechen nicht nur getroffen, sondern dieses auch noch realisiert worden sei, könne den einmal begründeten [X.] nicht wieder beseitigen, sondern füge ihm lediglich einen weiteren [X.], nämlich den der Begehung des verabredeten Deliktes, hinzu ([X.], Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 [X.], [X.][X.]t 39, 88, 90). Indem auf diese Weise maßgeblich auf die enge tatsächliche Verknüpfung von Tatvorbereitung und Tatbegehung als lediglich unterschiedliche [X.]tadien der Verwirklichung einer konkret geplanten Tat abgestellt wird, knüpft diese Konstruktion dogmatisch daran an, dass § 30 Abs. 2 [X.] einen allgemeinen, unselbständigen [X.] für bestimmte Beteiligungshandlungen an Verbrechen darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 1991 - 1 [X.]tR 269/91, [X.]R [X.] § 30 Abs. 1 [X.]atz 1 Konkurrenzen 2; LK/[X.]chünemann, [X.], 12. Aufl., § 30 Rn. 1).

9

Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung strafbewehrter Vorbereitungshandlungen lässt sich dieser Ansatz jedoch nicht ohne weiteres verallgemeinern (vgl. zu den einzelnen Fallgruppen strafbarer Vorbereitungshandlungen [X.], [X.], 12. Aufl., Vor § 22 Rn. 7 ff.; [X.]/[X.]-Eser/[X.], [X.], 29. Aufl., [X.]. §§ 22 ff. Rn. 14). Er ist insbesondere nicht auf die hier betroffene Konstellation übertragbar. Denn anders als die im Allgemeinen Teil des [X.]trafgesetzbuchs geregelte Ausdehnung der [X.]trafbarkeit bei Verbrechen auf bestimmte Vorbereitungshandlungen gemäß § 30 Abs. 2 [X.] ist § 276 [X.] als selbständiges Delikt konzipiert. Dessen Anwendungsbereich ist zwar entsprechend der Intention des Gesetzgebers auf Verhaltensweisen gerichtet, die typischerweise der Vorbereitung des späteren Gebrauchs der falschen amtlichen Ausweise - etwa im Bereich des unerlaubten Einschleusens von Ausländern oder des organisierten Kraftfahrzeugdiebstahls - dienen (vgl. [X.], [X.], 12. Aufl., § 276 Rn. 1; MüKo[X.]/[X.], 2. Aufl., § 276 Rn. 1; BT-Drucks. 12/6853, [X.]. 28); jedoch gibt der Tatbestand konkrete objektive Handlungen vor, die von § 267 Abs. 1 [X.] gerade nicht erfasst werden und denen damit ein eigener Unrechtsgehalt innewohnt. Demgegenüber stellt im Fall des § 30 Abs. 2 [X.] die Verabredung zum Verbrechen lediglich die zeitlich vorgelagerte Vorstufe zu dessen späterer Vollendung dar. Mit der gesetzlichen Konzeption des § 276 [X.] als selbständiges Delikt ist eine Wertung, wonach aus dieser Norm ein zusätzlicher [X.] für ein strafbares Handeln nach § 267 [X.] abgeleitet werden könnte, nicht zu vereinbaren. Der Umstand, dass § 276 [X.] aufgrund des materiellen Vorbereitungscharakters in konkurrenzrechtlicher Hinsicht hinter § 267 [X.] zurücktritt (vgl. [X.], [X.], 12. Aufl., § 276 Rn. 19), ist diesbezüglich ohne Belang.

2. Demgegenüber hält die rechtliche Würdigung des [X.]s hinsichtlich der Fälle II.C.2. und II.C.3. der Urteilsgründe jeweils als gewerbsmäßig begangene Urkundenfälschungen rechtlicher Überprüfung stand. Diese Taten unterliegen - anders die Tat zu Fall II.C.1. der Urteilsgründe - der [X.]n [X.]trafgewalt, da der Angeklagte insoweit während des Vorbereitungsstadiums mittäterschaftliche Beiträge im Inland leistete, so dass nach den aufgezeigten Maßstäben ein inländischer [X.] begründet ist.

3. Die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Tat zu Fall II.C.1. der Urteilsgründe hat die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Änderung des [X.]chuldspruchs zur Folge. Der dadurch bedingte Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe führt nicht zur Aufhebung der Gesamtstrafe; diese hat vielmehr Bestand. In Anbetracht der verbleibenden [X.] von einem Jahr, [X.] zehn Monaten und [X.] acht Monaten ist mit Blick auf die im eingestellten Fall verhängte [X.] von acht Monaten auszuschließen, dass das [X.] bei entsprechender Teileinstellung des Verfahrens auf eine niedrigere als die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

4. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 [X.]tPO).

[X.]     

        

[X.]chäfer     

        

[X.]paniol

        

Berg     

        

Hoch     

        

Meta

3 StR 265/17

14.11.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 11. Oktober 2016, Az: 10 KLs 18/16

§ 3 StGB, § 9 Abs 1 StGB, § 30 Abs 2 StGB, § 267 Abs 1 StGB, § 267 Abs 3 S 2 Nr 1 StGB, § 276 Abs 1 Nr 2 StGB, § 206a Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.11.2017, Az. 3 StR 265/17 (REWIS RS 2017, 2436)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2436

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