Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.09.2018, Az. B 9 V 14/18 B

9. Senat | REWIS RS 2018, 3339

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Fragerecht an den Sachverständigen - Gutachten nach § 109 SGG - Pflicht des Gerichts zur Gewährung des Fragerechts - Abgrenzung zu Zusatz- und Ergänzungsfragen in untrennbarem Zusammenhang zur Beweiserhebung nach § 109 SGG - rechtzeitig gestellter Antrag - Ablauf der gerichtlichen Stellungnahmefrist - ausreichend verbleibende Zeit bis zum Verhandlungstermin - mögliche Nachladung des Sachverständigen - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Zurückverweisung)


Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit steht ein Anspruch des [X.] auf Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens nach einer [X.].

2

Der Kläger beantragte am 18.11.2010 beim Beklagten Beschädigtenversorgung nach dem [X.] ([X.]). Er sei als Folge einer am 26.11.2007 erfolgten [X.] an [X.] (akute disseminierte Enzephalomyelitis) erkrankt. Den Antrag lehnte der Beklagte nach Beiziehung medizinischer Unterlagen, einer Stellungnahme des P.-Instituts vom 24.3.2011 und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.5.2011 ab. Die [X.] sei nicht ursächlich für die [X.]-Erkrankung des [X.] (Bescheid vom 28.6.2011, Widerspruchsbescheid vom 9.9.2011).

3

Im Klageverfahren hat das [X.] ua ein Gutachten von [X.] vom [X.] nebst ergänzender Stellungnahme vom [X.] eingeholt. Im Wesentlichen gestützt auf die Ausführungen dieses Sachverständigen hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, beim Kläger einen Impfschaden mit der Gesundheitsstörung "Zustand nach akuter disseminierter Enzephalomyelitis ([X.]-Erkrankung) mit [X.]" anzuerkennen und zu entschädigen (Urteil vom 15.5.2014). Es bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verursachung des klägerischen Gesundheitszustands nach [X.] mit [X.] durch die [X.] mit dem Impfstoff "Havrix".

4

Im Berufungsverfahren hat das L[X.] ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. P. vom 20.11.2015 nebst ergänzender Stellungnahme vom [X.] sowie auf Antrag des [X.] ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin - Kardiologie - [X.] vom 24.6.2017 eingeholt.

5

Daraufhin hat das L[X.] mit Schreiben vom 30.6.2017 die Beteiligten aufgefordert, binnen sechs Wochen zum Gutachten des Sachverständigen [X.] Stellung zu nehmen. Mit Schriftsatz vom 6.7.2017 hat die Prozessbevollmächtigte des [X.] angezeigt, dass sie die Vertretung des [X.] übernommen habe. Zugleich hat sie mitgeteilt, dass die Stellungnahme zum Gutachten fristgerecht erfolgen werde. Mit Schriftsatz vom 10.8.2017 hat die Prozessbevollmächtigte beantragt, die [X.] um weitere vier Wochen zu verlängern. Das L[X.] hat mit Schreiben vom 25.9.2017 die Prozessbevollmächtigte an die Stellungnahme erinnert und nochmals Frist bis zum 13.10.2017 gewährt. Mit Schreiben vom 26.10.2017 hat die Vorsitzende darauf hingewiesen, dass der Rechtsstreit nunmehr verhandelt werde und dem Kläger bzw dessen neuen Prozessbevollmächtigten ausreichend rechtliches Gehör zum Gutachten des [X.] eingeräumt worden sei. Die beantragte [X.] sei großzügig bis zum 13.10.2017 verlängert worden. Ob noch im Dezember diesen Jahres oder erst im Januar nächsten Jahres verhandelt werde, könne nach gegenwärtiger Sitzungsplanung des Senats noch nicht bestimmt werden.

6

Mit Verfügung vom 9.11.2017 hat die Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 30.1.2018 bestimmt. Mit unter dem 30.10.2017 datierten Schriftsatz - beim L[X.] infolge eines Kanzleiversehens erst am 23.11.2017 eingegangen - hat die Prozessbevollmächtigte des [X.] beantragt, dort im Einzelnen formulierte Fragen an den Sachverständigen [X.] zu stellen und ihn zur Erläuterung seines Gutachtens zur mündlichen Verhandlung zu laden. In der mündlichen Verhandlung vom 30.1.2018 hat sie gerügt, dass das L[X.] der mit dem vorgenannten Schriftsatz beantragten ergänzenden Befragung des Sachverständigen [X.] nicht nachgekommen sei.

7

Das L[X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.1.2018). Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P. gestützt. Die Verursachung der [X.]-Erkrankung des [X.] sei unklar, jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich auf die Impfung zurückzuführen. So könne sie postvakzinal oder auch [X.] ausgelöst worden sein. Für eine [X.]e Auslösung sprächen die serologischen Zeichen einer [X.] ([X.] (erhöhte [X.]-IgM-Antikörper) und die intrathekale Antikörperproduktion gegen Cytomegalie (vom [X.]). Alternativ komme eine direkt erregerbedingte [X.] in Frage. Eine genaue Abgrenzung sei nicht mehr möglich. Das klinische Bild der [X.]-Erkrankung entspreche aber eher einer parainfektiösen Reaktion, also einer [X.] als einer direkten [X.] durch [X.]. Der erstinstanzlich gehörte Gutachter [X.] habe hingegen die [X.]-Infektion nicht in der erforderlichen Form berücksichtigt. Ein Ausschluss einer [X.]infektion sei jedenfalls nicht möglich. Eine ergänzende Befragung des nach § 109 [X.]G gehörten Sachverständigen [X.] komme nicht in Betracht. Nachdem der Kläger zweimal Verlängerung zur Stellungnahme erhalten habe (insgesamt ein Zeitraum von knapp vier Monaten), habe ohnehin kein Raum für erneute Ermittlungen mehr bestanden. Zudem handele es sich bei den im Schriftsatz vom 30.10.2017 formulierten Fragen nicht um [X.] iS des § 103 [X.]G.

8

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger als Verfahrensmangel die Verletzung seines Fragerechts. Darüber hinaus macht er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz geltend.

9

II. Auf die Beschwerde des [X.] war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückzuverweisen.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Kläger hat formgerecht (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G) die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G) gerügt (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G).

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das L[X.] hat zu Unrecht den Sachverständigen [X.] nicht zu den vom Kläger im Schriftsatz vom 30.10.2017 aufgeworfenen Fragen gehört. Darin liegt ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des B[X.], dass unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, jedem Beteiligten gemäß § 116 [X.] [X.]G, § 118 Abs 1 S 1 [X.]G iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (vgl Senatsbeschluss vom 29.5.2017 - [X.] SB 21/17 B - Juris RdNr 8; B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 355/11 B - Juris RdNr 13). Dies gilt entgegen der Ansicht des L[X.] auch dann, wenn der Sachverständige ein Gutachten auf Antrag eines Beteiligten gemäß § 109 [X.]G erstellt hat (vgl Senatsurteil vom 12.4.2000 - [X.] V[X.]/99 R - [X.] 3-1750 § 411 [X.] = Juris RdNr 22; B[X.] Beschluss vom 15.9.2015 - [X.] R 201/15 B - Juris RdNr 7; B[X.] Beschluss vom 26.5.2015 - [X.] R 13/15 B - Juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 355/11 B - Juris RdNr 13; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] [X.]/05 B - Juris RdNr 11 ; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 118 RdNr 12d; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]G, § 116 RdNr 27, Stand: 15.7.2017; [X.]/[X.], [X.]G, 2014, § 116 RdNr 24; Kühl in [X.]/Fichte, 2. Aufl 2014, § 116 Rd[X.]; anders und isoliert für Zusatz- und ergänzende Fragen, die in untrennbarem Zusammenhang zur Beweiserhebung nach § 109 [X.]G selbst stehen: vgl B[X.] Beschluss vom 7.10.2005 - [X.] KR 107/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 14).

Sachdienlichkeit iS von § 116 [X.] [X.]G ist zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des [X.] halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind. Weitergehende Anforderungen sind hingegen nicht zu stellen. Unabhängig davon, ob das Gericht ein Gutachten für erläuterungsbedürftig hält, soll das Fragerecht dem Antragsteller erlauben, im Rahmen des [X.] aus seiner Sicht unverständliche, unvollständige oder widersprüchliche Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um auf das Verfahren Einfluss nehmen und die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung verstehen zu können. Nur dieses Verständnis trägt der Bedeutung des Fragerechts im Rahmen des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs hinreichend Rechnung (B[X.] Beschluss vom [X.] - B 3 P 1/16 B - Juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 355/11 B - Juris RdNr 14). Insofern steht beim Fragerecht nach § 116 [X.] [X.]G ein anderes Ziel im Vordergrund als bei der Rückfrage an den Sachverständigen nach § 118 Abs 1 S 1 [X.]G, § 411 Abs 3 ZPO; diese dient in erster Linie der Sachaufklärung und nicht der Gewährung rechtlichen Gehörs (B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 355/11 B - Juris RdNr 14 mwN).

Dabei müssen im Rahmen des Fragerechts nach § 116 [X.] [X.]G bzw § 411 Abs 4 ZPO keine Fragen formuliert werden. Es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 355/11 B - Juris RdNr 15), zB auf Lücken oder Widersprüche hinzuweisen. Solche Einwendungen sind dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (§ 411 Abs 4 S 1 ZPO). Da die Rüge der Verletzung des Rechts auf Befragung eines Sachverständigen eine Gehörsrüge darstellt, müssen zudem deren Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss der Beschwerdeführer alles getan haben, um eine Anhörung des Sachverständigen zu erreichen. Dieser Obliegenheit ist ein Beteiligter jedenfalls dann nachgekommen, wenn er rechtzeitig den Antrag gestellt hat, einen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören, und er schriftlich sachdienliche Fragen im oben dargelegten Sinne angekündigt hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Gericht dem Antrag folgen, soweit er aufrechterhalten bleibt. Dies gilt selbst dann, wenn das Gutachten nach Auffassung des Gerichts ausreichend und überzeugend ist und keiner Erläuterung bedarf (B[X.] Beschluss vom [X.] - B 3 P 1/16 B - Juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 355/11 B - Juris RdNr 15).

b) Der Antrag des [X.], den Sachverständigen [X.] zur ergänzenden Erläuterung seines Gutachtens schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung aufzufordern, war sachdienlich.

Den Anforderungen an die Bemühungen eines Beteiligten um rechtliches Gehör war hier genügt. Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 30.10.2017 die nach seiner Ansicht gegen das Gutachten des [X.] bestehenden Bedenken vorgebracht und den Antrag auf Anhörung des Sachverständigen bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten. Er hat unter näherer Erläuterung folgende an den Sachverständigen zu stellende Fragen formuliert:

        

"1. Ist es auch möglich, dass die geschilderten Begleitsymptome Fieber bis 39° und die erhöhten Leberwertesymptome auch Ausprägungen der [X.] als Folge der stattgefundenen Impfung sind?

        

2. Spricht die Tatsache, dass im Liquor Befund vom 08.01.2008 mehrere aktive [X.] Antikörper festgestellt wurden, nicht doch eher für ein polyspezifisches Geschehen als für eine stattgefundene akute [X.] (gemeint: [X.])-[X.]-Infektion?

        

3. Wie ist dies objektiv (zu) begründen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die von Ihnen hierzu herangezogenen unspezifischen Begleitsymptome Fieber und erhöhte Leberwerte auch Begleitsymptome (sind) der [X.] sein können?
Spricht nicht auch die Tatsache, dass die [X.] auf das [X.]-[X.] negativ war gegen eine aktive Krankheitsphase?
Welche [X.] Antikörper wären im Liquor zu vermuten, wenn man unterstellt, dass die ersten Symptome der vermeintlich stattgefundenen [X.] [X.] Infektion bereits 2 Wochen nach der Impfung (Halsschmerzen) bzw. dann am 20.12.2017 (Beginn der Erkrankung) mithin fast 4 Wochen vor der Untersuchung aufgetreten sind?
Müsste nicht 3-4 Wochen nach der Infektion die Anwesenheit von [X.]-IgG Antikörpern positiv festgestellt werden können?

        

4. In der Annahme, dass beim Kläger tatsächlich eine primäre Infektion im Januar 2008 stattgefunden hat, wäre dieses Erkrankungsbild überhaupt geeignet, die festgestellte [X.] beim Kläger zu verursachen?
Wie häufig tritt eine [X.] nach stattgefundener [X.] [X.]infektion auf?
Handelt es sich dabei um eine allgemein in der Medizin anerkannte Krankheitsfolge?"

Diese Fragen waren auch sachdienlich. Sie hielten sich im Rahmen des [X.], waren nicht abwegig und auch nicht bereits ausnahmslos durch das Gutachten eindeutig beantwortet.

Im vorliegenden Rechtsstreit sind die Gesundheitsstörungen des [X.] entscheidungserheblich, die mit Wahrscheinlichkeit durch die [X.] hervorgerufen oder verschlimmert worden sind und hier insbesondere, ob die [X.]-Erkrankung des [X.] wahrscheinlich durch die Impfung verursacht worden ist. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, ob beim Kläger eine [X.]-Infektion vorgelegen hat (zum Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit s Senatsurteil vom 7.4.2011 - [X.] VJ 1/10 R - [X.] 4-3851 § 60 [X.] Rd[X.]8).

Aus diesem Grund kann die Sachdienlichkeit der an den Sachverständigen [X.] gerichteten, nach Ansicht des [X.] erläuterungsbedürftigen Punkte nicht verneint werden, insbesondere wenn es darum geht, dass [X.] dem Kläger die Grundlagen und Feststellungen seines Gutachtens erläutert. Denn [X.] ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine [X.]-Infektion als gleichberechtigter Auslöser einer [X.] angesehen werden müsse. Die im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2017 formulierten Fragen dienen aus Sicht des [X.] der Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens sowie der Vergleichbarkeit insbesondere mit den Ergebnissen aus dem Gutachten des erstinstanzlich als Sachverständigen gehörten Arztes [X.] vom [X.], der die "Frage nach der Möglichkeit einer Infektion als rein spekulativ" bezeichnet hat, und des Gutachtens des Prof. Dr. P., der - ebenso wie [X.] der Auffassung ist, dass [X.] die [X.]-Infektion nicht in der erforderlichen Form mit berücksichtigt habe.

c) Der Kläger hat den Antrag auf ergänzende Befragung des Sachverständigen [X.] auch noch rechtzeitig gestellt (vgl zu diesem Erfordernis: Senatsbeschluss vom 12.7.2018 - [X.] S[X.]/18 B - Juris RdNr 8; Senatsbeschluss vom 29.1.2018 - [X.] V 39/17 B - Juris RdNr 16; Senatsbeschluss vom 28.9.2015 - [X.] SB 41/15 B - Juris RdNr 12; B[X.] Beschluss vom 1.8.2017 - [X.] R 347/16 B - Juris RdNr 17). Dem steht nicht entgegen, dass das L[X.] dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme bis zum 13.10.2017 gesetzt und bei Eingang des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2017 am 24.11.2017 bereits mit Verfügung vom 9.11.2017 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 30.1.2018 bestimmt hatte. Denn das Berufungsgericht hatte nach Eingang des Schriftsatzes vom 30.10.2017 bis zur anberaumten mündlichen Verhandlung noch genug Zeit, dem Sachverständigen [X.] den Fragenkatalog zur schriftlichen Stellungnahme - ggf unter Fristsetzung - zu übersenden oder ihn zur mündlichen Erläuterung zum Termin nachzuladen.

d) Durch die unterlassene Befragung hat das L[X.] das Recht des [X.] auf Anhörung des Sachverständigen [X.] und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Berufungsgericht hätte auf seinen Antrag entweder den Sachverständigen durch Übersendung des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2017 schriftlich anhören oder zur mündlichen Verhandlung zwecks Beantwortung des Fragenkatalogs laden müssen. Hieran fehlt es. Stattdessen hat sich das L[X.] lediglich selbst mit den Fragen auseinandergesetzt und sie - aus seiner Sicht - im Ergebnis für unerheblich bzw unzulässig gehalten. Dies reicht aber als Ablehnungsgrund nicht aus. Vielmehr hat der Kläger Anspruch auf Beantwortung der sachdienlichen Fragen durch den Sachverständigen.

Auf dem aufgezeigten Verfahrensmangel kann die Entscheidung des L[X.] beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht das Gutachten des Sachverständigen [X.] im Fall seiner Anhörung zu den vom Kläger gestellten sachdienlichen Fragen bei seiner Entscheidungsfindung anders gewürdigt und/oder weitere Sachaufklärung für notwendig gehalten hätte.

3. Da die Beschwerde bereits aus den oben dargelegten Gründen erfolgreich ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senats, ob die Grundsatz- und Divergenzrügen des [X.] ebenfalls zulässig und begründet sind (vgl B[X.] Beschluss vom 14.12.2016 - [X.] R 204/16 B - Juris RdNr 18; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 185/09 B - Juris RdNr 24).

4. Das B[X.] kann in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs 5 [X.]G die angefochtene Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweisen. Zur Vermeidung von weiteren Verfahrensverzögerungen macht der Senat von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch.

5. Das L[X.] wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 9 V 14/18 B

27.09.2018

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Dresden, 15. Mai 2014, Az: S 39 VE 16/11

§ 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 109 SGG, § 160a Abs 1 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 411 Abs 3 ZPO, § 411 Abs 4 S 1 ZPO, § 397 ZPO, § 402 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.09.2018, Az. B 9 V 14/18 B (REWIS RS 2018, 3339)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3339

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