Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2016, Az. 5 AZR 167/16

5. Senat | REWIS RS 2016, 3331

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) SCHWANGERSCHAFT ARBEITSUNFÄHIGKEIT KRANKENVERSICHERUNG GEHALT KÜNSTLICHE BEFRUCHTUNG

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Gegenstand

In-vitro-Fertilisation - Entgeltfortzahlung - Mutterschutzlohn


Leitsatz

1. Bezugspunkt des anspruchsausschließenden Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG (juris: EntgFG) ist das Interesse des Arbeitnehmers, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden.

2. Die Erfüllung eines Kinderwunsches betrifft die individuelle Lebensgestaltung des Arbeitnehmers und nicht das nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG (juris: EntgFG) vom Arbeitgeber, als gesetzlicher Ausgestaltung seiner Fürsorgepflicht, zeitlich begrenzt zu tragende allgemeine Krankheitsrisiko.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Januar 2016 - 4 [X.] - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ein entstandener Vergütungsanspruch der Klägerin durch Aufrechnung des [X.]n mit einem Rückforderungsanspruch wegen Entgeltfortzahlung erloschen ist, die er im Zusammenhang mit In-vitro-Fertilisationen an die Klägerin leistete.

2

Die im April 1972 geborene Klägerin ist beim [X.]n seit Januar 1994 als Erzieherin in einer Kindertagesstätte beschäftigt. Der Partner der Klägerin ist nur eingeschränkt zeugungsfähig. Um eine Schwangerschaft herbeizuführen, unterzog sich die Klägerin In-vitro-Fertilisationen. Der [X.] hatte hiervon keine Kenntnis.

3

Die Klägerin legte dem [X.]n für die Zeiträume vom 26. Mai bis zum 3. Juni 2014, vom 14. Juli bis zum 1. August 2014, vom 15. bis zum 29. August 2014 und vom 21. November bis zum 8. Dezember 2014 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Der [X.] zahlte an die Klägerin für diese Zeiten die vereinbarte Vergütung. Mit Schreiben vom 19. Februar 2015 teilte er der Klägerin mit, er gehe davon aus, die Fehlzeiten seien durch Inseminationen verursacht worden, für die er nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sei. Ihm stehe, sofern die Klägerin nicht andere Gründe für ihre Fehlzeiten nachweise, ein Rückzahlungsanspruch iHv. 5.400,27 Euro netto zu. Die Klägerin trat dem mit Schreiben vom 9. März 2015 entgegen, erteilte jedoch zunächst keine Auskunft über die Ursachen ihrer Fehlzeiten. Der [X.] übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 10. März 2015 Korrekturabrechnungen für die Monate Mai bis August 2014 sowie November und Dezember 2014 und wies darauf hin, eine Verrechnung mit Nachzahlungsansprüchen der Klägerin für Januar und Februar 2015 vorgenommen zu haben. Er kündigte an, den seiner Ansicht nach noch offenen Rückzahlungsanspruch von 4.647,91 Euro netto von künftigen Gehaltsansprüchen der Klägerin abzuziehen. In den Monaten März bis Juni 2015 behielt der [X.] von der Nettovergütung der Klägerin jeweils 815,47 Euro ein.

4

Die Klägerin ist der Ansicht, die Abzüge seien unberechtigt. Ihr habe Entgeltfortzahlung zugestanden. Vom 26. Mai bis zum 3. Juni 2014 sei sie arbeitsunfähig gewesen, weil eine Zyste habe entfernt werden müssen. Für die übrigen Zeiten hätten die behandelnden Ärzte wegen medizinischer Eingriffe im Rahmen von In-vitro-Fertilisationen bzw. zum Schutz des ungeborenen Lebens Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

5

Die Klägerin hat erstinstanzlich, soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung, beantragt,

        

den [X.]n zu verurteilen, an sie rückständiges Arbeitsentgelt iHv. 3.261,88 Euro netto zu zahlen.

6

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG ausgeschlossen gewesen, weil die Klägerin die Fehlzeiten durch die von ihr willkürlich veranlassten ärztlichen Eingriffe schuldhaft herbeigeführt habe. Von Verschulden sei auch deshalb auszugehen, weil bei einer Frau nach Vollendung des 40. Lebensjahres keine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft durch In-vitro-Fertilisation bestehe. Die in § 27a [X.] zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung sei auch im Entgeltfortzahlungsrecht zu berücksichtigen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem für die Revision noch erheblichen Umfang von 2.301,83 Euro netto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Berufung des [X.]n zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der [X.] die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist begründet. Das [X.] hat die [X.]erufung des [X.] gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der [X.] nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist.

9

Ob eine Aufrechnungslage iSd. § 387 [X.]G[X.] bestand, weil dem unstreitig nach § 611 Abs. 1 [X.]G[X.] iHv. 2.301,83 Euro netto entstandenen Vergütungsanspruch der Klägerin ein seinem Gegenstand nach gleichartiger Anspruch des [X.] gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 [X.]G[X.] gegenüberstand, kann nicht abschließend beurteilt werden. Es steht bisher nicht fest, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin für Fehlzeiten im Zusammenhang mit In-vitro-Fertilisationen Vergütung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] oder § 11 MuSchG zustand oder ob der [X.]eklagte Vergütung ohne Rechtsgrund leistete und deshalb deren Rückzahlung verlangen kann. Mangels ausreichender Feststellungen kann auch nicht entschieden werden, ob und ggf. in welcher Höhe der streitgegenständliche Anspruch der Klägerin, sollte sie für die Fehlzeiten Vergütung ohne Rechtsgrund erhalten haben, durch Aufrechnungserklärung des [X.] iSd. § 388 [X.]G[X.] nach § 389 [X.]G[X.] erloschen wäre.

Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im weiteren Verfahren ist Folgendes zu beachten:

A. Als Rechtsgrund für die vom [X.] geleisteten Zahlungen käme ein Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] in [X.]etracht.

I. Ein Arbeitnehmer hat nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die [X.] der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.

II. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen lassen schon eine [X.]eurteilung, in welchen [X.]räumen die Klägerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, nicht zu.

1. Krankheit iSd. § 3 [X.] setzt einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand voraus. [X.] ist ein körperlicher oder geistiger Zustand dann, wenn er nach allgemeiner Erfahrung unter [X.]erücksichtigung eines natürlichen Verlaufs des [X.] nicht bei jedem anderen Menschen gleichen Alters und Geschlechts zu erwarten ist ([X.] 7. Dezember 2005 - 5 [X.] - Rn. 35). Arbeitsunfähigkeit besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde ([X.] 23. Januar 2008 - 5 [X.] - Rn. 19; 9. April 2014 - 10 [X.] - Rn. 21, [X.]E 148, 16; [X.]/[X.] ArbR-Hd[X.] 16. Aufl. § 98 Rn. 10, 11). Von Arbeitsunfähigkeit ist auch dann auszugehen, wenn erst eine zur [X.]ehebung einer Krankheit erforderliche Heilbehandlung dazu führt, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

2. Arbeitsunfähigkeit iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist danach bisher nur für die [X.] vom 26. Mai bis zum 3. Juni 2014 festgestellt, in der die Klägerin wegen der Entfernung einer Zyste nicht in der Lage war, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

3. Demgegenüber wird die [X.]ewertung des [X.]s, die Klägerin sei vom 14. Juli bis zum 1. August 2014, vom 15. bis zum 29. August 2014 und vom 21. bis zum 26. November 2014 krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen, von den tatsächlichen Feststellungen nicht getragen. Die Klägerin hat bezogen auf die genannten [X.]räume Arbeitsunfähigkeit bisher nicht schlüssig dargelegt.

a) In der Regel ist der [X.]eweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] geführt. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste [X.]eweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Ihr kommt ein hoher [X.]eweiswert zu. Der Tatrichter kann normalerweise den [X.]eweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt ([X.]Rspr., vgl. nur [X.] 26. Februar 2003 - 5 [X.] - zu I 1 der Gründe, [X.]E 105, 171; 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 21).

b) Die Klägerin hat die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bisher nicht zur Akte gereicht, dem [X.] jedoch unstreitig vorgelegt. Unterstellt man zu ihren Gunsten, die [X.]escheinigungen seien ordnungsgemäß ausgestellt, ist deren [X.]eweiswert durch den eigenen Sachvortrag der Klägerin erschüttert. Im [X.]erufungsurteil wird zwar - entsprechend dem klägerischen Vortrag - ausgeführt, die Klägerin sei in den genannten [X.]räumen arbeitsunfähig erkrankt; die behandelnden Ärzte hätten aufgrund der durchgeführten Einzelmaßnahmen jeweils Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erteilt. Gleichzeitig werden jedoch in Tatbestand und Entscheidungsgründen als Ursache der Arbeitsunfähigkeit „medizinische Eingriffe im Rahmen von In-vitro-Fertilisationen bzw. der Schutz des ungeborenen Lebens“ genannt. Aus dem Vortrag, Ursache der Arbeitsunfähigkeit sei der Schutz des ungeborenen Lebens gewesen, ergeben sich gewichtige Indizien für die Annahme, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien - jedenfalls - nicht durchgehend wegen zur Arbeitsunfähigkeit führender Erkrankungen der Klägerin erteilt worden. Der Vortrag der Klägerin ist bisher nicht schlüssig (vgl. [X.] 15. Mai 2013 - 5 [X.] - Rn. 27; 24. September 2014 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.]E 149, 144).

4. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch für die [X.] vom 14. Juli bis zum 1. August 2014, vom 15. bis zum 29. August 2014 und vom 21. bis zum 26. November 2014 käme - unbeschadet der weiteren Anspruchsvoraussetzungen - nur in [X.]etracht, wenn bei der Klägerin ein krankhafter Zustand bestand, der zur Arbeitsunfähigkeit führte.

a) Die Klägerin kann entgeltfortzahlungsrechtlich nicht allein aufgrund der Unfruchtbarkeit ihres Partners als „krank“ angesehen werden.

aa) Empfängnis- und Zeugungsunfähigkeit sind bei erwachsenen Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter negative physische Abweichungen vom regelgerechten [X.] ([X.]VerwG 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - Rn. 12, [X.]VerwGE 148, 106; [X.] 16. Dezember 2010 - VI R 43/10 - Rn. 17, [X.]E 232, 179) und daher Krankheiten im Sinne des [X.]es ([X.]/[X.] 3. Aufl. § 3 [X.] Rn. 19; [X.]/Wedde EFZR 2. Aufl. § 3 [X.] Rn. 41; [X.] [X.] 2. Aufl. § 3 Rn. 34; [X.]/[X.] [X.] § 3 [X.] Rn. 37; Schmitt [X.] und [X.] 7. Aufl. § 3 [X.] Rn. 52).

bb) Hiervon ausgehend stellte zwar die Zeugungsunfähigkeit des Partners der Klägerin als regelwidriger [X.] eine Krankheit dar. Die Empfängnisfähigkeit der Klägerin war jedoch nicht eingeschränkt. Erst die In-vitro-Fertilisation und damit in Zusammenhang stehende Eingriffe und Maßnahmen führten bei ihr möglicherweise zu einem regelwidrigen [X.] und damit einer Erkrankung.

cc) Keine Krankheit ist der durch die Zeugungsunfähigkeit des Partners bedingte unerfüllte Kinderwunsch der Klägerin. Von einer Erkrankung kann nur ausgegangen werden, wenn beim Entgeltfortzahlung beanspruchenden Arbeitnehmer durch den unerfüllten Kinderwunsch körperliche oder seelische [X.]eeinträchtigungen mit Krankheitswert hervorgerufen werden. Solche Umstände sind vorliegend weder vorgetragen noch vom [X.] festgestellt.

b) Ebenso wenig stellten die im Zusammenhang mit der In-vitro-Fertilisation bei der Klägerin vorgenommenen Eingriffe und Maßnahmen eine Heilbehandlung dar, die zur [X.]ehebung einer schon vor der In-vitro-Fertilisation bestehenden Krankheit der Klägerin erforderlich gewesen wäre und möglicherweise Arbeitsunfähigkeit verursachte. Die Zeugungsunfähigkeit des Partners, die Anlass für die bei der Klägerin vorgenommenen Eingriffe und Maßnahmen war, konnte zwar nur durch eine im Rahmen der In-vitro-Fertilisation vorzunehmende [X.]ehandlung der Klägerin überbrückt werden. Eine Heilbehandlung kann jedoch nicht an die Erkrankung eines [X.] - hier des Partners der Klägerin - anknüpfen (vgl. [X.] 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - zu 2 b der Gründe; [X.] Entgeltfortzahlung Rn. 68, 71; [X.] 1998, 130), sondern nur an eine Erkrankung der Entgeltfortzahlung begehrenden Arbeitnehmerin selbst. Eine solche lag bei der Klägerin vor [X.]eginn der In-vitro-Fertilisationen nicht vor.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den für den [X.]ereich der gesetzlichen Krankenversicherung in § 27a [X.] zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen. Der Vorschrift kann nicht entnommen werden, der Gesetzgeber sehe in der Unfähigkeit des Partners, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, eine Erkrankung beider Partner, dh. auch des in seiner Fertilität nicht eingeschränkten Partners. Empfängnis- und Zeugungsunfähigkeit werden, wie § 27 Abs. 1 Satz 5 [X.] bestätigt, im [X.]ereich der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich als Krankheit angesehen (vgl. [X.] - 3 [X.] - [X.], 248). Nach § 27 Abs. 1 Satz 5 iVm. Satz 1 [X.] haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der [X.] oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Demgegenüber regelt § 27a [X.] künstliche [X.]efruchtung als besonderen Versicherungsfall. Die Vorschrift stellt gerade nicht auf eine Erkrankung eines oder beider Partner ab, sondern - insbesondere auch in Fällen in denen ein „kranker Versicherter“ nicht gefunden werden kann, weil die medizinische Ursache der Sterilität ungeklärt ist - allein auf die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen ([X.]SG 25. Juni 2009 - [X.] 3 [X.] - Rn. 13; 3. März 2009 - [X.] 12/08 R - Rn. 14).

d) Die Fehlzeiten der Klägerin ab Juli 2014 wurden unstreitig erst durch In-vitro-Fertilisationen verursacht.

aa) In-vitro-Fertilisation ist eine Methode der künstlichen [X.]efruchtung, bei der entnommene Eizellen mit präparierten Spermien befruchtet und die Embryos anschließend in den Uterus der Frau transferiert werden. Der Vorgang läuft in mehreren Schritten ab, darunter die hormonelle Stimulation der Eierstöcke mit dem Ziel, mehrere Eizellen gleichzeitig zur Reifung zu bringen, die Entnahme der Eizellen durch Follikelpunktion, die [X.]efruchtung einer oder mehrerer Eizellen mit aufbereiteten Spermien und die Einsetzung der befruchteten Eizelle oder Eizellen in die Gebärmutter mit dem Ziel der Einnistung.

bb) Die Klägerin hat den [X.]punkt und Verlauf der [X.]ehandlungen und einen durch sie hervorgerufenen, zur Arbeitsunfähigkeit führenden krankhaften Zustand bisher nicht dargelegt. Sie müsste bezogen auf die einzelnen [X.]räume, in denen nach ihrem [X.]ehaupten ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestanden haben soll, darlegen, aus welchen Gründen sie - obwohl die behandelnden Ärzte wegen „medizinischer Eingriffe im Rahmen von In-vitro-Fertilisationen bzw. zum Schutz des ungeborenen Lebens“ „Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigten - krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sein soll, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuüben. Hierzu wären [X.]punkt und Ablauf der In-vitro-Fertilisationen unter Angabe der im Einzelnen vorgenommenen Maßnahmen und Eingriffe sowie ihrer Folgen zu schildern.

III. Sollte die Klägerin schlüssig darlegen, in den [X.]räumen ab 14. Juli 2014 insgesamt oder zum Teil krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen zu sein und sollte es dem [X.] nicht gelingen, dies zu widerlegen, käme ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit in [X.]etracht.

1. Es ist umstritten, ob durch In-vitro-Fertilisation verursachte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit verschuldet iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist.

a) Zum Teil wird ein Verschulden generell verneint, weil die In-vitro-Fertilisation im Interesse der Arbeitnehmerin vorgenommen werde und mit verhältnismäßig geringen Risiken verbunden sei. Sie könne daher nicht gegen die Interessen eines verständigen Menschen verstoßen ([X.] [X.] 2. Aufl. § 3 Rn. 34; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 3 [X.] Rn. 19; [X.]/[X.] 16. Aufl. § 3 [X.] Rn. 10, 28). Zudem handele es sich um ein sozialadäquates Verhalten ([X.]/[X.] [X.] § 3 [X.] Rn. 87).

b) Nach anderer Ansicht soll die infolge In-vitro-Fertilisation eintretende Arbeitsunfähigkeit unverschuldet iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] sein, wenn die Voraussetzungen des § 27a [X.] erfüllt sind. Die dort vorgenommenen Wertentscheidungen seien auf das Recht der Entgeltfortzahlung zu übertragen ([X.]/[X.] § 3 [X.] Rn. 39; [X.] Entgeltfortzahlung Rn. 80; Schmitt [X.] und [X.] 7. Aufl. § 3 [X.] Rn. 80, 82; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 3 [X.] Rn. 69; wohl auch [X.] NZA 2009, 759, 761; [X.] 13. Juni 2008 - 10 [X.]/08 - zu II 1 b aa der Gründe; bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 27a [X.] bereits die Krankheit/Arbeitsunfähigkeit ausschließend: [X.]/[X.] Kommentar zur Entgeltfortzahlung 2. Aufl. § 3 [X.] Rn. 12; [X.]/Malkmus Entgeltfortzahlungsrecht 2. Aufl. § 3 [X.] Rn. 191).

c) Zum Teil wird zwar ein Verschulden verneint, eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung jedoch mit der [X.]egründung abgelehnt, die In-vitro-Fertilisation diene allein der Erfüllung höchstpersönlicher Wünsche und der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des Arbeitnehmers ([X.] NZA 1989, 128, 131).

2. Ob ein anspruchsausschließendes Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorliegt, hängt davon ab, ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als vorhersehbare, willentlich herbeigeführte Folge einer komplikationslosen In-vitro-Fertilisation eintritt oder sich Krankheitsrisiken realisieren, die mit der künstlichen [X.]efruchtung oder einer ggf. durch sie bewirkten Schwangerschaft einhergehen.

a) Schuldhaft iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt ([X.] 18. März 2015 - 10 [X.] - Rn. 13, [X.]E 151, 159).

aa) [X.]ei dem Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] handelt es sich nicht um ein Verschulden iSv. § 276 [X.]G[X.], der das Maß an Verhaltensanforderungen des Schuldners gegenüber [X.] bestimmt. Das Entstehen einer Krankheit und/oder die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit betrifft die Person des Arbeitnehmers selbst. Es gilt deshalb festzustellen, ob ein „Verschulden gegen sich selbst“ vorliegt. Schuldhaft im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts handelt deshalb nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Dabei ist - anders als bei der Haftung für Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nach § 277 [X.]G[X.] - von einem objektiven Maßstab auszugehen. Erforderlich ist ein grober oder gröblicher Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen und damit ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten ([X.] 18. März 2015 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.]E 151, 159). Das Risiko der [X.] der Ursachen einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit und eines möglichen Verschuldens des Arbeitnehmers daran liegt beim Arbeitgeber ([X.] 18. März 2015 - 10 [X.] - Rn. 16, aaO).

bb) Mit § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] soll einerseits der Arbeitnehmer bei unverschuldeter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit finanziell abgesichert werden, andererseits sollen Kostenrisiken zwischen Arbeitgeber und Krankenversicherung verteilt werden ([X.] 12. Dezember 2001 - 5 [X.] 255/00 - zu [X.] II 2 b der Gründe, [X.]E 100, 130; 18. März 2015 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 151, 159). Ausgehend von dieser gesetzgeberischen Zielsetzung ist das zu wahrende Eigeninteresse allein das Interesse des Arbeitnehmers, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden. Ausschließlich dieses ist [X.]ezugspunkt eines anspruchsausschließenden Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.].

b) Kein Eigeninteresse iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die Erfüllung eines Kinderwunsches. Dies gilt, auch wenn Kinder zu haben und aufzuziehen, nicht nur gesellschaftlich wünschenswert ist, sondern für viele Menschen - unabhängig vom Familienstand - eine zentrale Sinngebung ihres Lebens bedeutet und ungewollte Kinderlosigkeit häufig als schwere [X.]elastung erlebt wird (vgl. [X.] 10. Mai 2007 - III R 47/05 - Rn. 21, [X.]E 218, 141 zur [X.]erücksichtigung von Aufwendungen einer unverheirateten, auf natürlichem Weg nicht empfängnisfähigen Frau für künstliche [X.]efruchtung als außergewöhnliche [X.]elastung iSv. § 33 Abs. 1 EStG). Der Kinderwunsch betrifft die individuelle Lebensgestaltung des Arbeitnehmers (vgl. [X.]VerfG 27. Februar 2009 - 1 [X.]vR 2982/07 - Rn. 13, [X.]VerfGK 15, 152) und nicht das nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vom Arbeitgeber, als gesetzlicher Ausgestaltung seiner Fürsorgepflicht, zeitlich begrenzt zu tragende allgemeine Krankheitsrisiko (vgl. zu § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] und zur Entgeltfortzahlung bei Organspenden [X.] 6. August 1986 - 5 [X.] - zu I der Gründe, [X.]E 52, 313).

c) Entschließt sich die in ihrer Empfängnisfähigkeit nicht eingeschränkte Arbeitnehmerin zur Erfüllung ihres Kinderwunsches zu einer In-vitro-Fertilisation, ist für die Prüfung, ob ein anspruchsausschließendes Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] gegeben ist, von Folgendem auszugehen:

aa) Verschuldet ist die Arbeitsunfähigkeit nicht schon, wenn die in § 27a [X.] genannten Voraussetzungen eines Anspruchs auf anteilige Kostentragung der gesetzlichen Krankenversicherung für Sachleistungen bei In-vitro-Fertilisation nicht erfüllt sind. Umgekehrt ist ein Verschulden nicht generell ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen von § 27a [X.] erfüllt sind. Es gibt im [X.] keine Anhaltspunkte, die eine § 27a [X.] entsprechende Einschränkung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung oder eine an § 27a [X.] orientierte einschränkende Auslegung von § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] rechtfertigen könnten.

bb) Es ist vielmehr ausgehend von der Zielsetzung des [X.]es zu differenzieren.

(1) Wird erst durch In-vitro-Fertilisation willentlich und vorhersehbar eine Arbeitsunfähigkeit bedingende Erkrankung herbeigeführt, ist von einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen, Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden, auszugehen und ein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] ausgeschlossen.

(2) Ein Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] liegt nicht vor, wenn im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation, die nach allgemein anerkannten medizinischen Standards vom Arzt oder auf ärztliche Anordnung vorgenommen wird, eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung auftritt, mit deren Eintritt nicht gerechnet werden musste.

(3) Verwirklichen sich Krankheitsrisiken, weil die mit der In-vitro-Fertilisation einhergehenden Maßnahmen und Eingriffe - für die Arbeitnehmerin ohne weiteres erkennbar oder mit ihrem Wissen - nicht nach anerkannten medizinischen Standards vom Arzt oder auf ärztliche Anordnung vorgenommen wurden, ist von einem Verschulden iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] auszugehen.

(4) Ab dem [X.]punkt des [X.] gelten im Hinblick auf ein Verschulden iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] die gleichen Grundsätze wie bei einer durch natürliche Empfängnis herbeigeführten Schwangerschaft.

(a) Als [X.]eginn der Schwangerschaft ist bei einer In-vitro-Fertilisation die Einsetzung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter anzusehen, dh. der [X.]punkt der Verbindung einer befruchteten Eizelle mit dem Organismus der Frau durch den [X.] (vgl. ausführlich zum Meinungsstand [X.] 26. März 2015 - 2 [X.] - Rn. 19 ff. [X.], [X.]E 151, 189). Auch bei der natürlichen Empfängnis beginnt die Schwangerschaft mit der Konzeption, nicht erst mit der [X.] ([X.] 26. März 2015 - 2 [X.] - Rn. 23, [X.]E 151, 189).

(b) Mit dem [X.] ist ein Zustand erreicht, der demjenigen einer durch natürliche [X.]efruchtung herbeigeführten Schwangerschaft entspricht. Für die Arbeitnehmerin, die sich einer In-vitro-Fertilisation unterzogen hat, gelten im Hinblick auf die Erhaltung ihrer Gesundheit und Arbeitsfähigkeit als zu [X.] Eigeninteresse dieselben Verhaltensobliegenheiten und [X.] iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] wie für eine auf anderem Wege schwanger gewordene Arbeitnehmerin, in einer im Übrigen vergleichbaren Situation.

3. Hiervon ausgehend könnte erst, wenn die Klägerin [X.]punkt und Ablauf der In-vitro-Fertilisationen unter Angabe der im Einzelnen vorgenommenen Maßnahmen und Eingriffe sowie ihrer Folgen darlegte und der [X.]eklagte Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen, beurteilt werden, ob eine möglicherweise eingetretene Arbeitsunfähigkeit von der Klägerin verschuldet war.

IV. Wegen fehlender Feststellungen des [X.]s zu den Ursachen einer möglicherweise bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann derzeit auch nicht entschieden werden, ob einem Entgeltfortzahlungsanspruch teilweise § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] entgegenstand.

1. Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, verliert er nach § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren [X.]raum von höchstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit [X.]eginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2). Vor Ablauf dieser Frist entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen daher nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht ([X.] 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 25, [X.]E 149, 101).

2. Ist der Arbeitnehmer innerhalb der [X.]räume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungs- und [X.]eweislast. Zunächst muss der Arbeitnehmer - soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen - darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine ärztliche [X.]escheinigung vorlegen. [X.]estreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Dabei hat er den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung hat der Arbeitgeber zu tragen ([X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 6 der Gründe, [X.]E 115, 206; 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 27, [X.]E 149, 101).

3. Ob eine ggf. bestehende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin jeweils durch neue Erkrankungen oder durch eine oder mehrere Fortsetzungserkrankung(en) bedingt war, steht derzeit nicht fest. Den Parteien ist deshalb unter [X.]erücksichtigung der vorgenannten Grundsätze einer abgestuften Darlegungs- und [X.]eweislast zunächst Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben. Im erneuten [X.]erufungsverfahren wird zu beachten sein, dass eine Fortsetzungserkrankung auch dann vorliegt, wenn sich - trotz verschiedener Krankheitssymptome - eine Erkrankung als eine Fortsetzung der früheren darstellt, weil die wiederholte Arbeitsunfähigkeit auf demselben nicht behobenen Grundleiden beruht ([X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 4 der Gründe, [X.]E 115, 206; 14. November 1984 - 5 [X.] - zu 1 der Gründe, [X.]E 47, 195; 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 11). Es wird deshalb auch zu prüfen sein, ob eine ggf. ab 14. Juli 2014 eingetretene Arbeitsunfähigkeit der Klägerin insgesamt oder teilweise auf demselben Grundleiden beruhte wie ihre Arbeitsunfähigkeit im [X.]raum vom 26. Mai bis zum 3. Juni 2014.

[X.]. Als Rechtsgrund für die vom [X.] geleisteten Zahlungen käme ein Anspruch der Klägerin auf [X.] nach § 11 iVm. § 3 Abs. 1 MuSchG in [X.]etracht.

I. Lag in den [X.]räumen ab 14. Juli 2014 keine oder keine durchgehende Erkrankung vor oder führte eine Krankheit nicht zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, wären zwar die Voraussetzungen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 3 Abs. 1 [X.] nicht gegeben, es könnte aber eine Vergütungspflicht des [X.] nach § 11 MuSchG bestanden haben, wenn die behandelnden Ärzte „Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigten, weil sie bei Fortdauer der [X.]eschäftigung der Klägerin das ungeborene Leben als gefährdet ansahen (vgl. [X.] 13. Februar 2002 - 5 [X.] 753/00 - zu I 4 der Gründe [X.]).

1. In einem Arbeitsverhältnis stehenden Frauen ist nach § 11 MuSchG unter den weiteren in der Vorschrift genannten Voraussetzungen vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor [X.]eginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, ua. dann weiter zu gewähren, wenn sie wegen eines [X.]eschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen.

2. Ein Anspruch auf [X.] nach § 11 MuSchG kommt danach für [X.]räume nach dem [X.], der bei einer In-vitro-Fertilisation als [X.]eginn der Schwangerschaft anzusehen ist (vgl. Rn. 46), in [X.]etracht, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der [X.]eschäftigung gefährdet ist. Für frühere [X.]räume scheidet ein Anspruch mangels Schwangerschaft aus.

II. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der [X.] nicht entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf Zahlung von [X.] nach § 11 MuSchG hatte. Es steht bisher nicht fest, ob den Fehlzeiten der Klägerin insgesamt oder zum Teil ein [X.] vorausging, ob die behandelnden Ärzte, indem sie zum Schutz des ungeborenen Lebens „Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigten, konkludent ein [X.]eschäftigungsverbot aussprachen und ob im Übrigen die Voraussetzungen eines [X.]eschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG erfüllt waren. Nachdem die Vorinstanzen hierauf nicht hingewiesen haben, ist den Parteien im erneuten [X.]erufungsverfahren Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.

C. Sollte die Klägerin für die Fehlzeiten Vergütung ohne Rechtsgrund erhalten haben, ist im erneuten [X.]erufungsverfahren zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe der streitgegenständliche Anspruch der Klägerin durch Aufrechnungserklärung des [X.] iSd. § 388 [X.]G[X.] nach § 389 [X.]G[X.] erloschen ist.

I. Eine Aufrechnung setzt voraus, dass klar ist, mit welcher Forderung gegen die Hauptforderung aufgerechnet wird. Für die Geltendmachung einer Aufrechnung mit einer Gegenforderung gilt der [X.]estimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 ZPO (vgl. [X.] 17. September 2013 - 3 [X.] 300/11 - Rn. 102). Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des [X.]etrags, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Der Umfang der Rechtskraft darf nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund einer Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, welche der zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche in welcher Höhe erloschen sind (vgl. [X.] 22. März 2000 - 4 [X.] 120/99 - zu II der Gründe; 23. Februar 2016 - 9 [X.] 226/15 - Rn. 25).

II. Dies ist vorliegend bisher nicht der Fall.

1. Anhand der vom [X.] getroffenen Feststellungen ist nicht erkennbar, wie sich die vom [X.] zuletzt mit Schreiben vom 10. März 2015 geltend gemachte Gegenforderung iHv. 4.647,91 Euro netto zusammensetzt. Dem Vortrag des [X.] kann nicht entnommen werden, für welche [X.]en er in welcher Höhe die Rückzahlung geleisteter Entgeltfortzahlung als Teil der Gesamtforderung von 4.647,91 Euro netto geltend machte. Es kann deshalb selbst unter [X.]erücksichtigung der Tilgungsreihenfolge aus § 396 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 366 Abs. 2 [X.]G[X.] nicht festgestellt werden, welcher Teil des Anspruchs der Klägerin ggf. durch Aufrechnung des [X.] erloschen ist.

2. Nachdem der [X.]eklagte in den Vorinstanzen nicht auf die möglicherweise fehlende [X.]estimmtheit der Aufrechnungserklärung hingewiesen wurde, ist ihm Gelegenheit zur Ergänzung seines Vortrags zu geben. In diesem Zusammenhang wird der [X.]eklagte auch darzulegen haben, in welcher Höhe Rückforderungsansprüche bereits durch Aufrechnungen in den Monaten Januar und Februar 2015 erloschen sind.

3. Darüber hinaus wird das [X.] die vom [X.] darzulegende Einhaltung der nach § 394 Satz 1 [X.]G[X.] zu beachtenden Pfändungsfreigrenzen (vgl. [X.] 23. Februar 2016 - 9 [X.] 226/15 - Rn. 23) zu überprüfen haben.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    A. Christen    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 167/16

26.10.2016

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Elmshorn, 30. Juli 2015, Az: 3 Ca 551 d/15, Urteil

§ 3 Abs 1 S 1 Halbs 2 EntgFG, § 11 MuSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2016, Az. 5 AZR 167/16 (REWIS RS 2016, 3331)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1129 REWIS RS 2016, 3331

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3 Sa 118/23

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