Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.05.2019, Az. III R 54/18

3. Senat | REWIS RS 2019, 6983

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Gegenstand

Kindergeld


Leitsatz

NV: Zur Abgrenzung zwischen der mehraktigen einheitlichen Erstausbildung und Zweitausbildung

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 02.08.2018 - 10 K 819/18 Kg wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum Oktober 2013 bis Februar 2018.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Vater einer am 10. Dezember 1993 geborenen [X.]ochter ([X.]). [X.] absolvierte im [X.] an den Realschulabschluss zunächst eine Ausbildung als Bankkauffrau bei der [X.], die sie im Januar 2013 erfolgreich abschloss. Seit dem 18. Januar 2013 war sie in ihrem Ausbildungsbetrieb mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von über 20 Stunden beschäftigt.

3

Seit dem 1. Oktober 2013 studierte [X.] an der [X.] im Rahmen eines [X.]eilzeitstudiums als Akademiestudentin. [X.] können aus dem Studienangebot Kurse und Module belegen und diese teilweise auch mit Klausuren und Hausarbeiten abschließen. Soweit [X.] später die Voraussetzungen für eine Einschreibung in einen Studiengang erfüllen, besteht die Möglichkeit der Anerkennung der im Rahmen des [X.] erbrachten Leistungen. Das [X.] entspricht dem Gasthörerstudium an Präsenzhochschulen.

4

Seit dem Wintersemester 2016/2017 war [X.] als ordentliche Studierende im Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften mit dem angestrebten Bachelor of Science an der [X.] eingeschrieben. Die Zulassung zu diesem Studium setzt grundsätzlich die allgemeine Hochschulreife, eine einschlägige fachgebundene Hochschulreife oder eine vergleichbare ausländische Qualifikation voraus. Beruflich Qualifizierte mit fachlicher Eignung für ihren gewünschten Bachelorstudiengang können das Studium an der [X.] auch ohne Abitur beginnen. Hierbei setzt die Aufnahme des fachlich entsprechenden Bachelorstudiengangs eine abgeschlossene mindestens zweijährige Berufsausbildung sowie eine anschließende mindestens dreijährige Berufspraxis im Ausbildungsberuf (Vollzeittätigkeit, [X.]eilzeittätigkeit wird anteilig berücksichtigt) voraus.

5

Die [X.] gewährte [X.] zur Durchführung des [X.]eilzeitstudiums pro [X.] fünf [X.]age Sonderurlaub.

6

Im November 2017 beantragte der Kläger rückwirkend ab Oktober 2013 Kindergeld für [X.]. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. Dezember 2017 ab. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2018).

7

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

8

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des [X.] vom 2. August 2018 - 10 K 819/18 Kg sowie den Ablehnungsbescheid vom 5. Dezember 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2018 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld ab 1. Oktober 2013 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

Die Familienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Kindergeldanspruch zusteht.

1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird. In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des [X.] sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

a) Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang [X.]eil der Erstausbildung sein kann, ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (Urteile des [X.] --BFH-- vom 3. Juli 2014 - III R 52/13, [X.], 427, [X.], 152, Rz 25; vom 15. April 2015 - V R 27/14, [X.], 500, [X.], 163, Rz 20; vom 16. Juni 2015 - XI R 1/14, [X.], 1378, Rz 26; vom 3. September 2015 - VI R 9/15, [X.], 10, [X.], 166, Rz 16). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil in [X.], 427, [X.], 152, Rz 30). Des Weiteren ist eine einheitliche Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr anzunehmen, wenn ein Kind nach der ersten abgeschlossenen Berufsausbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zu einer gleichzeitigen weiteren Ausbildung als "Hauptsache" anzusehen ist ([X.]surteil vom 11. Dezember 2018 - III R 26/18, [X.], 209).

b) Hinsichtlich der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten [X.]atbestandsmerkmale erstmalige Berufsausbildung und Erststudium hat der [X.] entschieden, dass das Erststudium nur einen Unterfall des [X.] erstmalige Berufsausbildung darstellt ([X.]surteil in [X.], 427, [X.], 152, Rz 19 ff.) und der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete [X.]atbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird" ([X.]surteil in [X.], 427, [X.], 152, Rz 22 ff.). Die den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG begrenzenden Kriterien hat der [X.] dabei vor allem in folgenden Punkten gesehen: Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln ([X.]surteil in [X.], 427, [X.], 152, Rz 24). Dieser muss auf einen Abschluss ausgerichtet sein, der in Form einer Prüfung erfolgt ([X.]surteil in [X.], 427, [X.], 152, Rz 24). Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese dann eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann ([X.]surteil in [X.], 427, [X.], 152, Rz 27). An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn die Aufnahme des zweiten [X.] eine berufspraktische [X.]ätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten [X.] eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren [X.] dient ([X.]surteil vom 4. Februar 2016 - III R 14/15, [X.], 145, [X.], 615, Rz 15).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Berücksichtigung der [X.]ochter des [X.] für den Kindergeldanspruch ab Oktober 2013 ausgeschlossen, weil [X.] eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hatte und während ihrer nachfolgenden ([X.] mehr als 20 Stunden arbeitete (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

a) Das [X.] hat zu Recht eine einheitliche Ausbildung verneint und damit das [X.] und den Bachelorstudiengang nicht mehr als Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG angesehen.

aa) Die kaufmännische Ausbildung und das Bachelor-Studium stellen im vorliegenden Fall nicht notwendig eine Ausbildungseinheit dar, weil sich erst nach einer Berufstätigkeit der zweite Ausbildungsabschnitt anschließen konnte. Die Aufnahme des Bachelorstudiengangs setzt nach den gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O getroffenen, den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] im konkreten Fall eine dreijährige Berufstätigkeit als Ersatz für die fehlende Fachhochschulreife voraus. Dies führt somit zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang zum ersten Ausbildungsabschnitt (Ausbildung zur Bankkauffrau) entfallen lässt (vgl. [X.]surteil in [X.], 145, [X.], 615). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die [X.]ochter erst durch die Ausbildung zur Bankkauffrau und der anschließenden Berufstätigkeit die Zugangsvoraussetzungen für den Bachelorstudiengang erfüllen konnte.

bb) Auch das vorgeschaltete [X.] bildet im Streitfall keine Ausbildungseinheit mit der Ausbildung zur Bankkauffrau. Dabei kann dahinstehen, ob das [X.] eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG darstellt. Es kann schon deshalb nicht mehr der Erstausbildung zur Bankkauffrau, sondern allenfalls dem Bachelorstudiengang und damit der weiteren ([X.] zugerechnet werden, weil durch das [X.] selbst kein weiterer (Berufs-)Abschluss erreicht werden konnte.

b) Da das Studium insgesamt nicht mehr der erstmaligen Berufsausbildung zugeordnet werden kann, schließt die über 20 Stunden liegende Erwerbstätigkeit der [X.]ochter gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG den Kindergeldanspruch aus.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

III R 54/18

22.05.2019

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 2. August 2018, Az: 10 K 819/18 Kg, Urteil

§ 62 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, § 32 Abs 4 S 2 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 3 EStG 2009, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016, EStG VZ 2017, EStG VZ 2018

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.05.2019, Az. III R 54/18 (REWIS RS 2019, 6983)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6983

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