6. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 2141
BESONDERES ELEKTRONISCHES ANWALTSPOSTFACH (BEA) WIEDEREINSETZUNG IN DEN VORIGEN STAND Hinzufügen
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Zu den Sorgfaltspflichten beim Versand von fristwahrenden Schriftsätzen über das beA: Deise umfassen sowohl die Überprüfung des ordnungsgemäßen Versands, als auch die Prüfung, ob der richtige Schriftsatz versendet wurde.
Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle bei der Versendung eines fristwahrenden Schriftsatzes über beA gehört neben der Überprüfung eines ordnungsgemäßen Versands auch die Sicherstellung, dass der richtige Schriftsatz versendet wird.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.4.2021 verkündete Urteil des [X.] wird unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen.
Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Nennung der Beklagten auf der Internetseite der Klägerin, die Beratungsdienstleistungen als „Profilerin“ erbringt. Mit Urteil vom 21.4.2021 ([X.]. 396 ff. d.A.) hat das [X.] die Klägerin verurteilt, es zu unterlassen, werblich auf die Beklagte hinzuweisen. Gegen das der Klägerin am 27.4.2021 ([X.]. 410 d.A.) zugestellte Urteil hat der Klägervertreter mit bei Gericht am [X.] eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag ([X.]. 414 f. d.A.) Berufung eingelegt. Die [X.] ([X.]. 460 - 470 d.A) nebst einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ([X.]. 471 - 474 d.A.) ist am [X.] bei Gericht eingegangen.
Zur Begründung des [X.] hat der Klägervertreter vorgetragen, er habe am [X.] eine beA-Nachricht an das Gericht versandt. Dieser Nachricht habe er eine Datei angehängt, bei der er davon ausgegangen sei, dass es sich um die [X.] in hiesiger Angelegenheit handelt. Statt der [X.] habe es sich jedoch erneut um den Schriftsatz gehandelt, mit welchem bereits Berufung eingelegt worden sei. Zu dieser Verwechselung sei es gekommen, weil seine zuverlässige Sekretärin es versäumt habe, ihm den richtigen Namen der als [X.] erstellten [X.] mitzuteilen.
1. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO begründet wurde.
Das erstinstanzliche Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut [X.] am 27.4.2021 ([X.]. 410 d.A.) zugestellt worden. Da es sich bei dem [X.] um einen Sonntag gehandelt hat (§ 193 BGB), endete die Berufungsbegründungsfrist mit Ablauf des 28.6.2021. Die [X.] ging jedoch erst verspätet am [X.] bei Gericht ein.
2. Der Klägerin ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die - im Übrigen nicht glaubhaft gemachten (§ 236 Abs. 2 S. 1, 294 ZPO) - Gründe in der Antragsschrift sind nicht geeignet, ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes [X.] ihres Prozessbevollmächtigten auszuräumen.
Hinsichtlich des nach § 85 Abs. 2 ZPO und § 278 BGB zuzurechnenden anwaltlichen Verschuldens ist die übliche, also berufsbedingte strenge Sorgfalt vorauszusetzen, so dass insoweit regelmäßig eine Fristversäumung verschuldet ist, wenn sie für einen pflichtbewussten Rechtsanwalt vermeidbar gewesen war (vgl. MüKoZPO/[X.], 6. Aufl. 2020, ZPO, § 233 Rn 32). So liegt es auch hier.
Im Zusammenhang mit der Fristenüberwachung muss der Rechtsanwalt für eine wirksame [X.] sorgen, damit fristgebundene Schriftsätze rechtzeitig auf den Weg gebracht werden. Bei Übermittlung von Schriftsätzen an ein elektronisches Gerichtspostfach gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze der [X.]. Elektronische Systeme dürfen keine geringeren Kontrollstandards bieten. Zu einer wirksamen [X.] gehört neben der Überprüfung eines ordnungsgemäßen Versands aber auch die Sicherstellung, dass der richtige Schriftsatz versendet wird. Der [X.] ist nicht genüge getan, wenn lediglich überprüft wird, dass irgendein Schriftstück mit dem zutreffenden Aktenzeichen an das Gericht versendet wird. Es ist vielmehr - ggf. an Hand eines sinnvoll vergebenen [X.] - zu überprüfen, welche Datei versandt wurde. Erst danach darf die Frist im Kalender gestrichen werden (vgl. [X.]/Voit/[X.], 18. Aufl. 2021, ZPO, § 233 Rn 24 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung des eigenen Vortrags des Prozessbevollmächtigten der Klägerin kann es nicht zweifelhaft sein, dass diesen an der Fristversäumung ein Verschulden trifft.
Denn er hat hiernach eine [X.] an das Gericht versandt, ohne den Inhalt des Schriftsatzes zu überprüfen und damit sicherzustellen, dass der inhaltlich zutreffende Schriftsatz zur Fristwahrung bei Gericht eingeht. Eine inhaltliche Kontrolle drängte sich nach dem Vorbringen des Klägervertreters bereits deswegen auf, weil der vom Klägervertreter beschriebene Dateiname „[X.]“ weder Rückschlüsse auf deren Inhalt (Berufungseinlegung oder Berufungsbegründung) noch - mangels Angabe eines Aktenzeichens - darauf zulässt, ob es sich überhaupt um ein Schriftstück in der zu wahrenden Fristensache gehandelt hat. Eine Überprüfung anhand des [X.] war somit überhaupt nicht möglich (vgl. zu den Anforderungen auch: [X.], Beschluss vom [X.] - 4 U 351/21 = NJW 2021, 2665).
Da es sich um ein eigenes Verschulden des Rechtsanwalts handelt, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob dem Klägervertreter ein Organisationsverschulden (Auswahl und Kontrolle der Angestellten) vorzuwerfen ist. Entsprechend spielt auch der vom Klägervertreter behauptete Umstand keine Rolle, ob seine Mitarbeiterin die Datei mit der [X.] unzutreffend benannt hat. Es war vorliegend der Klägervertreter selbst, der den Versand des fristwahrenden Schriftstücks vorgenommen hat, so dass ihm auch die Endkontrolle oblag.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Klägervertreter angeführten Entscheidung des [X.] vom 23.5.2017 - [X.]/16. Diese betrifft einen abweichenden Sachverhalt, nämlich zur Frage, ob dem Anwalt ein Organisationsverschulden vorzuwerfen ist, wenn nach Ausgang eines von seiner Angestellten versandten Schriftsatzes dieses nachträglich nicht (nochmals) auf seine Vollständigkeit hin überprüfen wird.
[X.] war für die Fristversäumnis nach seinem Vorbringen auch kausal. Hätte er vor der eigenhändigen Versendung der beA-Nachricht die im Anhang befindliche Datei darauf kontrolliert, dass es sich hierbei um die zu versendende [X.] handelt, wäre ihm das Versehen aufgefallen und er hätte stattdessen die [X.] an das Gericht gesendet.
Es gibt auch grundsätzlich keine Pflicht des Gerichts, rechtzeitig an der Heilung von [X.] und [X.] außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsganges mitzuwirken (vgl. [X.]/Voit/[X.], a.a.[X.]), zumal die vom Klägervertreter behauptet neuerlich versandte [X.] überhaupt nicht zur Akte gelangt ist.
Eine Entscheidung über die Kosten ergeht einheitlich mit der Entscheidung über die Berufung der Beklagten.
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Meta
05.10.2021
Beschluss
Sachgebiet: U
vorgehend Urteil des LG Frankfurt am Main, 21. April 2021, 2-6 O 479/19
Zitiervorschlag: OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.10.2021, Az. 6 U 79/21 (REWIS RS 2021, 2141)
Papierfundstellen: REWIS RS 2021, 2141
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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Berufung, Beweislast, Klage, Schriftsatz, Zinsen, Anforderungen, Ablauf, Endurteil, Hinweis, Anwalt, Server, Klageschrift, Verweis, Angabe, Rechtsprechung …