Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2004, Az. XII ZR 3/03

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 444

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 1. Dezember 2004 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

GG Art. 6 Abs. 4 und 5; BGB §§ 1581, 1609 Abs. 1 und 2, 1603 Abs. 1 und 2, 1615 l Abs. 2 und 3 Der dem Unterhaltsschuldner im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit für einen Unterhalts-anspruch aus Anlaß der Geburt nach § 1615 l Abs. 2 BGB zu belassende Selbstbehalt ist nicht generell mit dem Betrag zu bemessen, der als angemessener Selbstbehalt gegen-über Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder im Rahmen des [X.] gilt. Wegen der weitgehenden Angleichung an Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten nach § 1570 BGB einerseits und dem Nachrang gegenüber Unterhaltsansprüchen minder-jähriger Kinder andererseits ist der Selbstbehalt vielmehr in der Regel mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB und dem notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 2 BGB liegt. [X.], Urteil vom 1. Dezember 2004 - [X.] - [X.]

AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und Dose für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. [X.] des [X.] vom 13. [X.] aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlan-desgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Unterhalt nach § 1615 l BGB aus Anlaß der Geburt eines Kindes. Der Beklagte ist Vater der am 16. Juli 2001 geborenen Tochter der Klä-gerin. Er hat seine Unterhaltspflicht für das Kind in Höhe von 100 % des [X.] abzüglich eines nach Anrechnung gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB noch verbleibenden Kindergeldanteils anerkannt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erzielte der Beklagte mindestens monatliche anrechenbare Einkünfte in Höhe von zuletzt 1.227 •. - 3 - Auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin, die in der fraglichen [X.] lediglich über Erziehungsgeld verfügte, zahlte er für den [X.]raum von Juli 2001 bis [X.] 2002 insgesamt 728,31 •. In einer vollstreckbaren Urkunde verpflichtete er sich, an sie für die [X.] ab Februar 2002 bis längstens 15. Juli 2004 monatlich 107 • Unterhalt zu zahlen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin weitere Unterhaltsrückstände und ab Februar 2002 einen weiteren, über den titulierten Betrag hinausgehenden Unterhalt von ca. 167 • monatlich begehrt, blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Begehren weiter.

Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. [X.] Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil dem Beklagten nach Abzug des gemäß § 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB vor-rangig zu berücksichtigenden Kindesunterhalts und des gezahlten bzw. titulier-ten Unterhalts für die Klägerin kein weiterer Betrag verbleibe, der seinen ange-messenen Selbstbehalt übersteige. Ihm müsse im Rahmen seiner [X.] gemäß §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1603 Abs. 1 BGB der gleiche angemessene Selbstbehalt verbleiben, wie es im Rahmen einer - 4 - Unterhaltspflicht gegenüber volljährigen Kindern der Fall sei. Für die [X.] bis Ende 2001 belaufe dieser sich auf monatlich 1.960 DM, für die [X.] danach auf monatlich 1.000 •. Daß dem Unterhaltsschuldner nach §§ 1361, 1570 BGB nur der geringere Selbstbehalt verbleibe, führe nicht zu einer gleichheitswidrigen Behandlung. Der geringere Selbstbehalt des getrennt lebenden oder geschie-denen Ehegatten sei durch ein besonderes Maß an Solidarität und Beistands-pflicht aus der früheren Ehe geboten. Zwar bedürfe ein nicht in der Ehe [X.] Kind gleichermaßen der Pflege und Erziehung wie ein Kind, das aus der Ehe seiner Eltern hervorgegangen sei. Das ändere aber nichts daran, daß die nicht verheiratete Mutter hinsichtlich der Sicherung ihres Unterhalts in einer an-deren Situation sei als die getrennt lebende oder geschiedene Mutter. Von der nicht verheirateten Mutter werde erwartet, daß sie die Betreuung des Kindes notfalls zu Lasten ihres eigenen Unterhaltsbedarfs sicherstelle, soweit im Rah-men ihres Unterhaltsanspruchs Bedarfslücken verblieben. I[X.] Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand. 1. Zwar unterliegt eine vom Tatrichter nach [X.] ge-troffene Entscheidung, wie hier über die Frage, ab wann der eigene angemes-sene Unterhalt des nach § 1615 l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtigen [X.] [X.] wäre, nur in eingeschränktem Umfang der revisionsrechtlichen [X.]. Eine solche ist aber dann eröffnet, wenn die tatrichterliche Entscheidung den gesetzlich vorgegebenen Ermessensspielraum nicht ausschöpft oder ge-setzlich vorgesehene Wertungen außer Betracht läßt ([X.]surteil vom 18. Oktober 1989 - [X.] - [X.] 109, 72, 88 = FamRZ 1990, 262, - 5 - 266). Das ist hier schon deshalb der Fall, weil das Berufungsgericht die gesetz-lich vorgeschriebene individuelle Billigkeitsabwägung durch den Hinweis auf einen einheitlichen Selbstbehalt für den Verwandtenunterhalt ersetzt hat, ohne dem besonderen Schutzzweck des Unterhaltsanspruchs aus § 1615 l Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen. Insoweit ist es verfehlt, sich auch dann an feste [X.] und Leitlinien zu halten, wenn andere Lebensverhältnisse zu beurteilen sind als diejenigen, auf die sie für den Regelfall abstellen (vgl. [X.]surteil vom 26. Februar 1992 - [X.] ZR 93/91 - FamRZ 1992, 795, 797). 2. Ansprüche der Mutter gegen den Vater aus Anlaß der Geburt sind in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr den Unterhaltsansprüchen getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten angeglichen worden. Während das [X.] ursprünglich in § 1715 BGB lediglich einen reinen Entschädigungsan-spruch der nichtehelichen Mutter für Aufwendungen infolge der Schwanger-schaft und Entbindung vorsah, hat der Gesetzgeber mit der - mehrfach geän-derten - Vorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB nunmehr einen Unterhaltsanspruch geschaffen, der zwar - mit Verlängerungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen Œ auf drei Jahre befristet, im übrigen dem der geschiedenen Ehefrau aus § 1570 BGB aber im wesentlichen vergleichbar ist. Durch die Erweiterung des [X.] auf Betreuungsunterhalt soll der Vater mehr in die Verantwortung dafür einbezogen werden, daß sein nicht aus einer Ehe hervorgegangenes Kind [X.] der ersten drei Lebensjahre in den Genuß der persönlichen Betreuung durch die Mutter kommt, was durch den Unterhaltsanspruch sichergestellt wird. Der Anspruch findet deswegen seinen Grund darin, daß der Mutter während der ersten drei Lebensjahre ermöglicht werden soll, das Kind zu pflegen und zu [X.], ohne auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Insoweit unter-scheidet sich der Anspruch in keiner Weise von dem Anspruch nach § 1570 BGB, der ebenfalls diesen Zweck verfolgt. Soweit die Ansprüche sich in der Dauer unterscheiden, findet dieses seinen Grund in der nachehelichen [X.] - tät (vgl. zu allem [X.]surteil vom 17. November 2004 - [X.] ZR 183/02 - m.w.N. zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt). 3. Diesem gesetzlichen Zweck des Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l Abs. 2 BGB trägt das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung. a) § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB erklärt für den Unterhaltsanspruch aus Anlaß der Geburt grundsätzlich die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwi-schen Verwandten für entsprechend anwendbar. Aus diesem Grund wird in der Rechtsprechung ([X.] FamRZ 1997, 632; [X.] [X.], 1521; OLG Schleswig OLGR 2000, 332; [X.] OLGR 2003, 340) und dem folgend in der Literatur durchgehend angenommen, daß dem unterhaltspflichtigen Vater stets der sog. große Selbstbehalt verbleiben müsse, wie dies bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder nach § 1603 Abs. 1 BGB der Fall sei ([X.]/[X.], Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 [X.]. 759 a; [X.], Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Teil [X.]. 1084; [X.]/[X.]/[X.] Eherecht 4. Aufl. § 1615 l BGB [X.]. 10; [X.][X.], Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. [X.]. 4219; [X.]/[X.]/[X.], Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. [X.]. 185; [X.], [X.]. [X.]. 4024; Weinreich/[X.]/[X.], [X.] Familienrecht § 1615 l BGB [X.]. 20; [X.]/[X.] 4. Aufl. [X.]. 6 [X.]. 211; a.A. für den Fall, daß die Eltern des Kindes zuvor in einer nichtehelichen Lebensge-meinschaft zusammen gelebt haben - [X.]/Wax/[X.], Unterhaltsrecht 8. Aufl. [X.]. 1259). Dem vermag der [X.] nicht zu folgen. b) Nach der von § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB in Bezug genommenen Vor-schrift des § 1603 Abs. 1 BGB entfällt die Unterhaltspflicht, wenn der [X.] - haltspflichtige "bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer-stande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren". Damit unterscheidet sich der Wortlaut kaum von dem des § 1581 BGB, der den Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt in einen Billig-keitsanspruch übergehen läßt, wenn der Unterhaltspflichtige "unter Berücksich-tigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande (ist), ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu [X.] Gleichwohl bemessen die Gerichte den Selbstbehalt des [X.] gegenüber Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt und auf Unterhalt sonstiger, etwa volljähriger Kinder unterschiedlich (vgl. Nr. 21.3 und 21.4 der Leitlinien der [X.]e). Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann der Selbstbehalt des [X.] bei Ansprüchen auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nicht ge-nerell und für alle Fälle einheitlich festgelegt werden. Das würde dem [X.] Lebenszuschnitt in der jeweiligen Ehe und den sich daraus erge-benden dauerhaften Belastungen der geschiedenen Ehegatten nicht entspre-chen. Zwar muß auch dem Unterhaltsschuldner nach den §§ 1361, 1570 BGB zumindest der notwendige Selbstbehalt verbleiben, der für Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder gilt und von den Leitlinien der [X.]e ge-genwärtig mit 840 • bemessen wird. Andererseits hat es der [X.] aber aus Rechtsgründen nicht für vertretbar und auch nicht für billig gehalten, dem unter-haltspflichtigen geschiedenen Ehegatten regelmäßig nur diesen notwendigen Selbstbehalt zu belassen. Die darin zum Ausdruck kommende [X.] des geschiedenen Ehegatten mit den minderjährigen Kindern, wie sie für das Rangverhältnis in § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordnet ist, ist im Rahmen der Billigkeitsregelung nach § 1581 BGB zwischen den geschiedenen [X.] nicht gerechtfertigt, weil sie den Regelungshintergrund des § 1603 Abs. 2 BGB, der darin zu sehen ist, daß minderjährigen Kindern wegen ihres Alters - 8 - von vornherein die Möglichkeit verschlossen ist, durch eigene Anstrengungen zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfs beizutragen, nicht hinreichend berücksichtigt ([X.]surteil vom 18. Oktober 1989 - [X.] - [X.] 109, 72, 85 = FamRZ 1990, 260, 265). Entsprechend kann auch der angemessene Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB, auf den § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB für den Unterhaltsanspruch aus Anlaß der Geburt grundsätzlich verweist, nicht einheitlich und unabhängig vom Zweck des Unterhaltsanspruchs bemessen werden. Nach § 1609 Abs. 1 BGB stehen nicht alle Unterhaltsansprüche der Verwandten gleichrangig ne-beneinander, sondern es gehen die Unterhaltsansprüche minderjähriger (und ihnen gleich gestellter) Kinder denen volljähriger, diejenigen der Abkömmlinge denen der Verwandten in der aufsteigenden Linie und dabei die Ansprüche der näheren denen der entfernteren Verwandten vor. Aus diesem Grund hat der [X.] in seiner Rechtsprechung zum Elternunterhalt entschieden, daß der an-gemessene Eigenbedarf nicht losgelöst von der im Einzelfall vorliegenden Le-bensstellung, die dem Einkommen, Vermögen und [X.] Rang des [X.] entspricht, bestimmt und deshalb nicht durchgehend mit einem festen Be-trag angesetzt werden kann. Der [X.] hat es auch gebilligt, wenn bei der Er-mittlung des für den Elternunterhalt einzusetzenden bereinigten Einkommens allein auf einen - etwa hälftigen - Anteil des Betrages abgestellt wird, der den an sich vorgesehenen [X.] übersteigt. Dabei hat der [X.] ent-scheidend auf den rechtlich vergleichsweise schwach ausgestalteten Charakter des Anspruchs auf Elternunterhalt abgestellt (vgl. [X.]surteile vom 23. Oktober 2002 - [X.] ZR 266/99 - [X.] 152, 217, 225 ff.; vom 19. März 2003 - [X.] ZR 123/00 - [X.] 154, 247, 258 f. und vom 17. Dezember 2003 - [X.] ZR 224/00 - FamRZ 2004, 370, 372). - 9 - Umgekehrt kann der gegenüber dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder stärker ausgestaltete Charakter des Anspruchs auf Unterhalt aus Anlaß der Geburt auch zu einer stärkeren Haftung und damit zu einem geringeren Selbstbehalt führen als dieses auf der Grundlage des § 1603 Abs. 1 BGB für den Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder der Fall ist. Dabei ist allerdings [X.] auf den Rang eines Unterhaltsanspruchs als vielmehr auf seinen Grund und Charakter abzustellen. Denn obwohl der Unterhaltsanspruch geschiedener Ehegatten nach § 1609 Abs. 2 BGB im Rang demjenigen minderjähriger Kinder gleichsteht, betrifft die verschärfte Haftung nach § 1603 Abs. 2 BGB und die daraus hergeleitete höhere Opfergrenze allein die Unterhaltsansprüche minder-jähriger (und ihnen gleich gestellter) Kinder. Dieser Gedanke ist auch auf den Unterhaltsanspruch der Mutter aus Anlaß der Geburt übertragbar. Schon im Rang geht dieser Anspruch nach § 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB zwar den Unter-haltsansprüchen minderjähriger Kinder oder einer Ehefrau nach, den Unter-haltsansprüchen sonstiger Verwandter des Unterhaltspflichtigen geht er aber vor. Insoweit unterscheidet sich der Unterhaltsanspruch nicht von demjenigen einer geschiedenen Ehefrau des [X.]. Hinzu kommt - wie schon ausgeführt - der gemeinsame Schutzzweck der Unterhaltsansprüche nach § 1615 l Abs. 2 BGB und § 1570 BGB, nämlich der Mutter jedenfalls [X.] der ersten drei Lebensjahre des Kindes die Pflege und Erziehung des [X.] zu ermöglichen. Aus Rechtsgründen ist es deswegen nicht hinnehmbar, wenn das Berufungsgericht den Selbstbehalt im Rahmen eines Unterhaltsan-spruchs nach § 1615 l BGB grundsätzlich abweichend von demjenigen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1570 BGB bemißt. 4. Auch bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit des [X.] ist somit entscheidend auf den Zweck des Unterhaltsanspruchs abzustel-len. - 10 - Insoweit überzeugt die Begründung des Berufungsgerichts für die An-nahme eines - gleichermaßen für den Unterhaltsanspruch gegenüber volljähri-gen Kindern geltenden - einheitlichen "großen Selbstbehalts" gemäß § 1603 Abs. 1 BGB nicht. Der [X.] hat schon darauf hingewiesen, daß sich der Un-terhaltsanspruch der Mutter aus Anlaß der Geburt nach § 1615 l Abs. 2 BGB nicht unerheblich von sonstigen Ansprüchen auf Verwandtenunterhalt unter-scheidet (vgl. [X.]surteil vom 21. Januar 1998 Œ [X.] ZR 85/96 Œ FamRZ 1998, 541, 543 f.). Trotz der grundsätzlichen Verweisung in § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB auf die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten geht der Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter - wie ausgeführt - nach § 1615 l Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BGB den Ansprüchen der übrigen Verwandten des [X.] vor. Auch erlischt der Unterhaltsanspruch der Mutter entgegen § 1615 Abs. 1 BGB nicht mit dem Tod des unterhaltspflichtigen [X.] (§ 1615 l Abs. 3 Satz 5 BGB). Deswegen und wegen der auch sonst weitgehenden An-gleichung des Anspruchs an den Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB ist die Unterhaltspflicht des [X.] gegenüber der Mutter nach § 1615 l BGB eher mit dem Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau als mit dem Anspruch auf Verwandtenunterhalt vergleichbar (vgl. auch [X.]surteile vom 17. November 2004 aaO und vom 21. Januar 1998 aaO [X.]). Bei der Ausgestaltung des Unterhaltsanspruchs der Mutter gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB ist deswegen entscheidend auf den Grund dieses [X.] abzustellen, nämlich der Mutter während der ersten drei Lebensjahre die Pflege und Erziehung des Kindes zu ermöglichen, ohne auf eine Erwerbstä-tigkeit angewiesen zu sein. Dieser gesetzlich verfolgte Zweck, der neben der [X.] ehelichen Solidarität auch dem Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB zugrunde liegt, kann - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des [X.] - nur durch einen zur Höhe ausreichenden Unterhaltsanspruch der Mutter sichergestellt werden. Insbesondere wenn die Mutter - wie hier - in - 11 - ohnehin beengten finanziellen Verhältnissen nicht einmal den für ihre [X.] zwingend notwendigen Bedarf erhielte, verbliebe ihr nicht die [X.], die Betreuung des Kindes zu Lasten des eigenen Unterhaltsbedarfs si-cherzustellen. Die Mutter wäre dann entgegen dem ausdrücklichen Zweck der Unterhaltsvorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB gehalten, zu Lasten der Betreu-ung des Kindes eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Insoweit unter-scheidet sich der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB gerade nicht von dem Anspruch der geschiedenen Ehefrau wegen der Pflege oder Erzie-hung ehelicher Kinder gemäß § 1570 BGB. 5. Nur in dieser Auslegung genügt der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB auch den Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 und 5 GG, der einen Anspruch jeder Mutter —auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaftfi sicherstellt und es gebietet, den nichtehelichen Kindern "die gleichen Bedin-gungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der [X.] zu schaffen wie den ehelichen Kindern". Danach muß auch einer nicht verheirateten Mutter die Wahl bleiben, bis zum Beginn des [X.] selbst für die Pflege und Erziehung des Kindes zu sorgen, ohne für ihren Lebensunterhalt auf eine eigene Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Auch von [X.] wegen ist deswegen hinsichtlich des dem Unterhaltsschuldner zu belassenden Selbstbehalts eine Gleichbehandlung von Ansprüchen aus § 1615 l Abs. 2 BGB mit solchen nach § 1570 BGB geboten. Das hat das [X.] nicht berücksichtigt. II[X.] Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Eine eigene Entscheidung in der Sache ist dem [X.] indes verwehrt. Das [X.] 12 - richt wird vielmehr in eigener tatrichterlicher Verantwortung als Selbstbehalt einen Betrag festzulegen haben, der nicht unter dem notwendigen aber auch nicht über dem angemessenen Selbstbehalt liegt. Dabei wird es nicht zu [X.] sein, wenn der Tatrichter im Regelfall von einem etwa hälftig zwischen diesen beiden Beträgen liegenden Betrag ausgeht. Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das [X.] im übrigen den Berufungsantrag der Klägerin ergänzend auszulegen haben. [X.] sie in der ersten Instanz Unterhalt "für die [X.] bis zum 31. 07. 2004fi, also für die ersten drei Jahre seit der Geburt des Kindes begehrt hatte, enthält der Berufungsantrag diese Einschränkung nicht mehr. Andererseits sind aber auch keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die unter besonderer Be-rücksichtigung der Belange des Kindes einen Wegfall der Unterhaltspflicht nach Ablauf von drei Jahren seit der Geburt als grob unbillig darstellen könnten (vgl. insoweit [X.]surteile vom 17. Mai 2000 - [X.] ZR 88/98 - [X.], 1499, 1501 und vom 5. Juli 2000 - [X.] ZR 104/98 - FamRZ 2001, 905, 906). - 13 - Die Zurückverweisung des Rechtsstreits gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, den Unterhaltsanspruch für die [X.] bis Juli 2004 auf der [X.] der nunmehr konkret feststehenden Einkünfte des Beklagten anstelle der bislang auf einer Prognose beruhenden anrechenbaren Einkünfte festzusetzen. [X.]

[X.] [X.]

Wagenitz

Dose

Meta

XII ZR 3/03

01.12.2004

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2004, Az. XII ZR 3/03 (REWIS RS 2004, 444)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 444

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